Im Schatten der Esse

Zita, die junge Schmiedegesellin aus Zweimühlen in der Wildermark geht auf die Walz. In der Fremde will sie Neues lernen. Doch es ist keine gute Zeit dafür. Orkbanden machen das Land unsicher, das Kriegsfürsten unter sich aufgeteilt haben. In einer Schmiede, in der ein seltsames Metall bearbeitet wird, lernt sie den Halbork Alrik kennen. Doch so nutzlos das Metall für gute Waffen zu sein scheint, Alrik ist doch daran interessiert. Zitas Neugier ist geweckt.

Der Roman von Judith C. Vogt greift ein Stück recht aktueller aventurischer Geschichte auf, jedoch ohne sich reißerisch an jene große Geschichte zu hängen. Der Fall von Wehrheim und die Folgen für jenen Landstrich welcher nun Wildermark heisst, bilden nur den Rahmen, nur die Kulisse für ihre Geschichte.

Im Zentrum der Geschichte stehen dabei ganz klar die handelnden Figuren. Man merkt der Geschichte an nahezu jeder Stelle an, dass für die Autorin dies der Mittelpunkt ihrer Geschichte ist. Zu Recht, ohne glaubwürdige Protagonisten und auch Antagonisten kann ein Roman den Leser kaum mitreissen.
Dies ist aber gleichzeitig auch das Problem des Buches. Die Zeit, die den Figuren und ihrer Entwicklung gewidmet wurde, fehlt an anderer Stelle. Vor allem zu Beginn des Romans fehlt es an Spannung und Tempo. Doch das ändert sich glücklicherweise und steigert sich zu einem temporeichen Finale. Zwar geht hier einiges durcheinander und nicht immer ist der rote Faden und die Logik der Handelnden erkennbar, aber die Protagonistin fängt dies auf.

Der Stil der Autorin ist wunderbar lesbar. Sie nimmt den Leser unmittelbar mit auf die Reise ihrer Protagonistin, bindet den Leser an sie. Auch wenn die Figur für ihre 16 Jahre zuweilen recht altklug und vorwitzig erscheint und in ihrem Benehmen nicht ganz dem Bild einer jugendlichen Handwerkerin entspricht, so sie doch das Herzstück des Buches. Gratulation an die Autorin für das Erschaffen einer solchen Figur. Die Ecken und Kanten, die inneren Dämonen, die Erinnerungen und Träume (welche vor allem zu Beginn den Leser eher verwirren, aber letztlich doch zum Verständnis der Figur beitragen) machen die Protagonistin unglaublig lebendig. Und vielleicht gehört es zu einer solch lebendigen Figur, dass sie nicht immer das tut, was ein Leser von ihr erwartet. Vielleicht sind kleine Unklarheiten in den Motivationen und Handlungen einer solchen Figur auch das Quentchen Realität, dass die junge Schmiedin noch glaubwürdiger macht.

Neben der Hauptfigur gibt es aber noch ein zweites Zentrum, welches nicht unerwähnt bleiben soll. Für die bisherigen Romane der DSA-Serie ist wohl kaum so intensiv irdisch recherchiert worden, wie es die Autorin für ihr Buch getan hat. Wann immer es um die Schmiedekunst, Werkzeuge, Rohlinge, Waffen, etc. geht, ist nicht nur die Protagonistin in ihrem Element, sondern auch die Autorin. Man merkt förmlich, dass sie weiss wovon sie spricht und nicht mit Halbwissen über dieses Handwerk fabuliert. So bilden Hauptfigur und Schmiedekunst in vielen Szenen eine wunderbare Einheit, in der man fast das Gefühl hat, man würde die Schmiedin bei etwas Intimem stören. Großes Lob dafür.

Neben diesen Zentren, die das Buch positiv prägen, verliert leider die Dramaturgie des Buches deutlich an Boden. Die Handlung fließt meist relativ langsam, oft vorhersehbar dahin. Das trübt den Lesegenuß ein wenig. Auch die Entwicklung der so liebevoll gezeichneten Figuren lässt ein wenig zu wünschen übrig. So gibt es zwar für die zwei wichtigsten Protagonisten eine deutliche Weiterentwicklung, doch geschieht diese so spät und auch so nebenbei, dass man sie glatt überlesen kann. Im Gegensatz dazu macht einer der Antagonisten durchaus eine deutlich Entwicklung durch. Allerdings geschieht dies in „Abwesenheit“ des Lesers, so dass man nur als Ergebnis die entwickelte Figur vorgesetzt bekommt.

Ein Fazit zu diesem Roman zu ziehen fällt schwer. Selten waren Hauptfigur und Thema so eins und konnten so eine intensive Beziehung zum Leser aufbauen. Doch gleichzeitig schmälern Passagen diesen Erfolg, indem sie den Leser eher verwirren und den roten Faden vermissen lassen. So bleibt letztlich nur der Schluß, dass dies Buch sicher besser als der Durchschnitt der DSA-Romane ist, aber auch keineswegs zur Spitzengruppe gehört. Auf jeden Fall kann man auf weitere tolle Bücher der Autorin, mit hoffentlich ebenso wunderbaren Figuren wie Zita hoffen.

7 von 9 Einhörnern schließen sich der Meinung an und lassen sich probehalber von Zita die Hufe beschlagen.

Über Goswin

Ich heisse Christian, komme aus Magdeburg. DSA spiele ich seit 1993, meist bin ich der Meister unserer Runde. Zu Nandurion bin ich im Juni 2011 gestossen und widme mich vor allem den Rezensionen von Romanen.
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