Tagrichter

Wie der Titel des Romans bereits vermuten lässt, steht der erste DSA-Roman aus Dorothea Bergermanns Feder „Nachtrichter“ in direktem Zusammenhang zum aktuellen Buch „Tagrichter“. Fortsetzungen haben zuweilen das Problem, dass der Autor Wissen voraussetzt, welches dem Leser verloren gegangen ist. Dies scheint auch hier ein Problem zu sein. Die Autorin erwähnt hin und wieder Bezüge zum Vorgänger, welcher allerdings gute 18 Monde zuvor erschienen ist. Zuviel, als dass man sich an Details erinnern könnte. Entsprechend laufen viele der Bezüge ins Leere, Zusammenhänge bleiben für den Leser oft nicht erkennbar.

Aber das ist verschmerzbar. Denn ein größeres Problem wartet auf den Leser – der mangelnde rote Faden. Von Beginn an verliert sich die Geschichte in etlichen Handlungssträngen, deren Zusammenhang der Leser zwar vage erahnen kann, die sich aber sehr lange nicht zu einem spannenden Ganzen verbinden. Im Gegenteil, man hat das Gefühl, die Autorin verliere sich in unwichtigen Nebenhandlungen. Dass dem nicht so ist, erfährt der Leser zu spät und so können Finale und Auflösung der Hintergründe kaum noch begeistern. Hier hätte der Plot eine Straffung vertragen können.

Trotzdem ist das Buch lesenswert. Denn was die Autorin nicht in den Plot gesteckt hat, hat sie in ihre Figuren und deren Glauben gesteckt. Sie schafft es, beinahe jeder auftretenden Figur Tiefe zu geben. Es fällt schwer zu sagen, wer in diesem Buch Protagonist ist. Die Grenzen sind fließend, denn die Autorin gesteht nicht nur ihrem bewährten Phex-Trio entsprechende Szenen und Auftritte zu, sondern auch anderen Anhängern des Fuches und auch etlichen Praioten. Und jeder Einzelne ist ein Unikat. Niemand in diesem Buch ist ohne Fehl und Tadel, jeder hat mit seinen „Dämonen“ zu kämpfen. Dies macht die Figuren lebendig und sorgt dafür, dass der Leser sich für sie interessiert.

Was aber noch weitaus besser gelungen ist als die handelnden Figuren, ist die Darstellung der Glaubenswelt der Phexkirche. Mit viel Liebe und Enthusiasmus hat die Autorin hier Gebete, Liturgien und selbst alltägliche Handlungen der Phexkirche beschrieben. Diese zeugen davon, dass die Autorin viel Energie aufgewandt hat, um diese Thematik mit Sorgfalt und Fingerspitzengefühl anzupacken. Zweifelsohne ist ihr dies gelungen. Auch wenn man sich zuweilen wundert, wie offen die Phexkirche in Elenvina agiert und wie oft sich Adara als Geweihte des Phex zu erkennen gibt.

Auch die Äußerlichkeiten des Romans haben sich zum großen Teil verbessert. Auch wenn die von Ulisses herausgebrachten DSA-Romane aufgrund ihrer eher festen Bindung kaum vernünftig aufzuklappen sind, was gerade bei so dicken Büchern wie „Tagrichter“ ärgerlich ist, so sind doch Cover und Buchtitel sehr gelungen. Spielte der Vorgänger „Nachtrichter“ zumeist in Verborgenen und Dunklem, spielt „Tagrichter“ tatsächlich meist am Tage und oft sogar „unter den Augen“ des Praios. Heller geht es kaum. Auch das Cover ist diesmal besser gelungen, denn nun ist nicht nur die rothaarige Adara auf dem Cover klar erkennbar (wie schon bei „Nachtrichter“), sondern auch der dunkelhaarige Tulamide Faisal, welcher beim Vorgänger aus unerklärlichen Gründen noch kurze, weiße Haare trug.

Was bleibt zu sagen? Dorothea Bergermann erreicht mit „Tagrichter“ sicher nicht die Qualität des Vorgängerromans „Nachtrichter“. Zu sehr fehlt ein erkennbarer roter Faden, zu sehr zieht sich die Handlung dadurch in die Länge. Trotzdem schaffte sie es in einmaliger Art, ihren Figuren Tiefe und Glaubwürdigkeit zu verleihen. Diese Figuren und die wunderbare Ausgestaltung und Darstellung des Phex-Glaubens machen das Buch lesenswert.

6 von 9 Einhörnern machen sich auf den Weg, um den geheimen Phex-Tempel zu suchen.

Über Goswin

Ich heisse Christian, komme aus Magdeburg. DSA spiele ich seit 1993, meist bin ich der Meister unserer Runde. Zu Nandurion bin ich im Juni 2011 gestossen und widme mich vor allem den Rezensionen von Romanen.
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2 Antworten zu Tagrichter

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