Interview mit Heike Wolf

Im November 2011 erschien Rabenblut, und obwohl Heike Wolf sich auch im DSA Universum an vielerlei Stellen tummelt, dürfte für die meisten zurzeit wohl vor allem dieser Kampagnenband, mit dem die Weichen in Al’Anfa Richtung Zukunft gestellt wurden, mit ihrem Namen verbunden sein. Grund genug für Nandurion, eine Einhorn-Delegation zum Gespräch zu entsenden, die sich trotz tiefsitzender Skepsis gegenüber jeder Form des real existierenden Al’Anfanismus auf den Silberberg begab, um dort vergnüglich mit Heike über Boron und die Welt zu plaudern. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen der buchstabentreuen Transkription und bitten jeden, der die aktuellen Entwicklungen in Al’Anfa noch am Spieltisch erleben möchte, die eingestreuten Spoilerwarnungen zu beachten.

Wer ist Heike Wolf?

Nandurion: Erzähl uns doch ein wenig über Dich! Wo kommst Du her, was treibt Dich um, und was machst Du beruflich und privat, wenn Du nicht gerade DSA-Romane und Abenteuer schreibst?

Heike Wolf: Die biographischen Kurzdaten: geboren 1977 in Bonn, ab 1980 in Ostfriesland beheimatet, nach dem Abitur von der ZVS nach Marburg verfrachtet, drei Semester Medizinstudium, um dann festzustellen, dass meine Leidenschaft doch bei den Geisteswissenschaften liegt. Also ging’s weiter mit Latein und Geschichte, nebenbei gab es noch ein wenig Vor- und Frühgeschichte, Mittelalterliche Philologie, Byzantinistik und Archäologie. Nach dem ersten Examen habe ich dann beschlossen, dass es doch Zeit wird, Geld zu verdienen, und bin ins Referendariat gegangen. Seit 2007 unterrichte ich die Fächer Latein und Geschichte an einem Gymnasium in Marburg, seit 2011 bin ich außerdem mit einer halben Stelle an der Uni am Institut für Schulpädagogik tätig. Nebenbei schreibe ich historische Romane – leider fast nur abends, wenn meine kleine Tochter im Bett ist.

Mein Arbeitstag bräuchte eigentlich 48 Stunden, sodass nicht furchtbar viel Zeit für Hobbys übrig bleibt. Eigentlich spiele ich Pen&Paper (ein eigenes System, das ein Freund entwickelt hat), aber wir finden viel zu selten Termine, an denen alle Zeit haben. Daher beschränken sich meine Rollenspielaktivitäten zur Zeit auf Mail- und Skype-Rollenspiel. World of Warcraft hilft beim Abschalten, wenn man sich nach stundenlanger Klausurenkorrektur abreagieren muss. Ansonsten sammele ich Comics (Graphic Novels), gute Filme, hätte gerne mehr Zeit für Musik, LARP, Sport und einen Hund.

Nandurion: Waren Schüler von Dir schon einmal erstaunt über das, was Du in Deiner Freizeit so machst?

Heike Wolf: *lacht* Ja, oft. Ich verwende meistens meinen privaten Laptop, wenn ich im Unterricht den Beamer benutze, sodass die Schüler meinen Desktop kennen – und beim ersten Mal wild spekulieren, aus welcher World-of-Warcraft-Region mein Hintergrundbild stammt (ein Screenshot vom Falkenplatz bei Dämmerung). Daher wissen die Schüler, dass ich Computer- und Rollenspiele spiele, und ich mache kein Geheimnis aus meinen Veröffentlichungen. Die meisten finden es witzig bis cool.

Nandurion: Hast Du mal eine DSA- oder Rollenspiel AG an der Schule geleitet oder betreut?

Heike Wolf: Im letzten Herbst, zusammen mit einem Kollegen im Rahmen einer Projektwoche. Eigentlich sollte sich das Projekt an Schüler der Jahrgangsstufe 8 und 9 richten und maximal zwanzig Teilnehmer haben – eben das, was man mit Hilfe zweier rollenspielerfahrener Oberstufenschüler bewältigen kann. Als wir die Liste der Teilnehmer bekamen, wollte ich das Ganze erst wieder abblasen – über dreißig Schülerinnen (fast ausschließlich) der Klassen 5 und 6.

Wir haben es dann trotzdem durchgezogen, mit einem selbsterstellten System (basierend auf DSA2) und unter Mithilfe eilig rekrutierter Oberstufenschüler. Gespielt wurde Der Wolf von Winhall – und es war ein voller Erfolg. Die Schüler waren nach drei Tagen so begeistert, dass sie im Anschluss auf eigene Faust weiterspielen wollten.

 

Heike Wolf und DSA

Nandurion: Die Klassikerfrage: Wie bist Du eigentlich zum Rollenspiel und speziell zu DSA gekommen?

Heike Wolf: Meine ersten Erfahrungen habe ich mit Spielbüchern wie dem „Einsamen Wolf“ gesammelt, die man in der Bücherei ausleihen konnte. Als ich acht Jahre alt war, kam eine Freundin mit der DSA 2-Box an, die sie von ihren älteren Cousins hatte. Unsere „Abenteuer“ haben wir im Stil von Im Wirtshaus zum Schwarzen Keiler oder Der Wald ohne Wiederkehr gestaltet – also Dungeons mit Monstern und Schätzen Tür an Tür. Relativ bald gingen wir aber dazu über, Geschichten um unsere Figuren zu bauen und ganze Landstriche zu „besiedeln“. Die Insel Rulat haben wir z.B. komplett ausgestaltet – und ich war wahnsinnig enttäuscht, dass die aventurische „Wirklichkeit“ am Ende ganz anders aussah.

Nandurion: Spielst du derzeit noch aktiv DSA? Wenn ja, bist du eher als Spielerin oder als Spielleiterin aktiv?

Heike Wolf: Ich habe bis zu meiner Oberstufenzeit fast ausschließlich DSA gespielt – an andere Rollenspiele kam man damals nicht heran, wenn man in Ostfriesland wohnte und kein Auto hatte. Später habe ich noch Shadowrun, StarWars und Vampire aktiv gespielt und diverse Systeme bei Spieletreffen ausprobiert. Als Spielleiterin habe ich meistens DSA geleitet, aber irgendwann vor DSA4 kapituliert und spiele kaum noch aktiv DSA. Wenn wir uns heute zum Rollenspiel treffen, benutzen wir meistens das selbstentwickelte System eines Freundes, das unserem Storytelling-orientierten Spielstil entgegenkommt.

Nandurion: Welche(s) Abenteuer magst du besonders? Oder magst du lieber selbstgeschneiderte Szenarien?

Heike Wolf: Großartig fand ich Der Löwe und der Rabe – was auch an der tollen Gruppe lag, mit der wir die Kampagne während meiner Oberstufenzeit gespielt haben. Ansonsten habe ich viele Abenteuer gelesen, aber nur wenige gespielt. Die Königsmacher-Kampagne wollte ich eigentlich immer einmal spielen, habe es aber leider nie geschafft. Wenn ich leite, baue ich mir meistens selbst etwas zusammen und improvisiere den Rest.

Nandurion: Wofür (außer für Al’Anfa) interessierst Du Dich bei DSA besonders?

Heike Wolf: Schwierige Frage – seit dem Erscheinen der ersten Al’Anfa-Box gibt es eigentlich keine andere Region, die mich so fesselt wie Meridiana. Das Horasreich finde ich recht spannend, habe dort aber nur selten gespielt. Weiden und die Tulamidenlande bespiele ich gerne, allerdings bin ich in der aktuellen Entwicklung nicht mehr tief genug drin, um dort auch schreiben zu können.

Nandurion: Gibt es eine Figur, eine Region oder einen Plot im aktuellen Aventurien, den Du gerne in eine bestimmten Richtung weiterentwickelt sähest oder selbst gerne weiterentwickeln würdest?

Heike Wolf: Natürlich gilt mein Interesse nach wie vor Meridiana, auch wenn der Plot, der mich über Jahre begleitet hat, nun erst einmal beendet ist. Trotzdem beschäftigen mich Figuren wie Oderin du Metuant, Amato oder Goldo nach wie vor, und ich hoffe, dass sie auch in Zukunft Zeit und Raum in der Entwicklung Aventuriens bekommen, damit Meridiana nicht wieder über Jahre „eingefroren“ bleibt.

Nandurion: Gibt es einen DSA-Roman, der Dir besonders in Erinnerung geblieben ist?

Heike Wolf: Meine eigenen? *lach* Nein, es gab welche, die mir ausgesprochen gut gefallen haben – vor allem die Romane von Daniela Knor, die ich sehr schätze. Der Scharlatan von Ulrich Kiesow war der erste Roman, der mir Aventurien außerhalb von Abenteuern und Setting-Boxen nähergebracht hat. Den Schwertkönig vergisst man sicher nicht, wenn man ihn einmal gelesen hat – wenn auch aus anderen Gründen *grins*. Die jüngeren Romane habe ich nicht mehr gelesen, vor allem aus Zeitgründen.

Nandurion: Was ist Deiner Meinung nach in Meridiana schon längst mal überfällig?

Heike Wolf: Ich wünsche mir, dass Al’Anfa in Zukunft auch einmal außenpolitische Erfolge feiern darf. Zuletzt wurde der Rabenstadt ein Selbstbewusstsein zugeschrieben, das durch Nichts begründet war. Im Gegenteil, Al’Anfaner traten entweder als saudumme Gegner oder als nicht ernstzunehmende Lachnummern auf. Außenpolitische Erfolge bedeuten nicht, dass Al’Anfa den kompletten Süden unterwerfen soll – das wäre aus dramaturgischer Sicht eher langweilig. Aber es sollte zu Recht von seinen Feinden gefürchtet werden.

 

Die Autorin Heike Wolf

Nandurion: Wie bist Du dazu gekommen, für DSA zu schreiben? War das eher Zufall oder von langer Hand geplant?

Heike Wolf: Geplant nicht, aber ich habe schon bei der Besiedlung Rulats davon geträumt, für DSA schreiben zu dürfen. 2001 gab es eine Art Wettbewerb zur Anwerbung neuer DSA-Autoren im Boten. Ich habe damals in Paris studiert und bin durch Zufall darauf aufmerksam geworden – und habe die Gelegenheit am Schopfe ergriffen. Ergebnis war eine Einladung von Britta Neigel nach Karlsruhe, um gemeinsam Handelsfürsten und Wüstenkrieger zu planen und das Abenteuer Golgaris Ruf in Leicht verdientes Gold zu schreiben. Ich habe danach nicht locker gelassen und Britta ein Exposé für Spielsteine der Götter vorgelegt. Gleichzeitig habe ich solange gedrängt und gequengelt, bis ich auch bei der Neuauflage der Al’Anfa-Spielhilfe In den Dschungeln Meridianas mitarbeiten durfte. Das war mein eigentlicher Einstieg bei DSA, weil ich dabei einige Leute kennengelernt habe, mit denen ich fortan eng zusammengearbeitet habe – allen voran Frank Bartels, dem ja auch Rabenblut gewidmet ist.

Nandurion: Lästiges Thema Schreibblockade: Wie geht Heike Wolf damit um?

Heike Wolf: Schreiben, schreiben, schreiben. Solange, bis es irgendwann kein Krampf mehr ist. Ich überarbeite in solchen Phasen nichts, sondern setze mir ein Limit, das ich erfüllen muss, ehe ich irgendetwas anderes machen darf. Anders könnte ich Abgabetermine nicht einhalten, weil mir nach einem anstrengenden Arbeitstag abends oft Lust und Energie fehlen, dann noch zwei Stunden am aktuellen Projekt zu schreiben.

Nandurion: Nenne uns doch drei Dinge, auf die Du beim Schreiben auf keinen Fall verzichten kannst.

Heike Wolf: Ich brauche eigentlich wenig beim Schreiben. Am ehesten einen Kaffee. Aber ob ich im Café, in einer Freistunde im Lehrerzimmer, zu Hause am Schreibtisch oder auf dem Sofa schreibe, ist dabei egal. Ich brauche nur meinen Laptop und Strom – und einen freien, nicht zu übermüdeten Kopf.

Nandurion: Hast Du literarische Vorbilder?

Heike Wolf: George R.R. Martin im Bereich der Fantasy, Rebecca Gablé bei Historischen Romanen. Ich schätze an Martin die Vielschichtigkeit seines Epos, an Rebecca Gablé ihren Stil, der mich dazu bringt, bis 3.00 Uhr nachts zu lesen, ohne an den Wecker am nächsten Morgen zu denken.

Nandurion: Was können wir in Zukunft noch für DSA von Dir erwarten? Gibt es schon ein neues Projekt, an dem Du arbeitest? Falls nein, worauf hättest Du in Zukunft mal Lust?

Heike Wolf: Aktuell arbeite ich an anderen Projekten, sodass derzeit nichts Festes für DSA geplant ist. Grundsätzlich gilt mein Interesse nach wie vor den weiteren Entwicklungen in Meridiana. Für den Rest bin ich schlichtweg nicht qualifiziert – die Entwicklungen sind teilweise so komplex geworden, dass ich bei anderen Regionen lange Einarbeitungszeiten bräuchte, um dort kompetent arbeiten zu können.

Nandurion: Könntest Du Dir vorstellen, eine Fortsetzung zu Rabengeflüster zu schreiben? Wie beurteilst Du diesen Roman heute? [Achtung: Spoiler zum aktuellen Al’Anfa!]

Heike Wolf: Rabengeflüster war ein Experiment, das ich so nicht wiederholen möchte – es ist extrem anstrengend, zu dritt einen Roman zu schreiben. Wir haben das Ding damals in nur 2 ½ Monaten zusammengestellt und waren uns trotz detailliertem Konzept längst nicht über Alles einig. Gut verdient hat vor allem die Telekom – wir hatten damals keine Flatrate, die die nötigen Telefonate aufgefangen hätte. Angesichts der Entstehungsgeschichte halte ich das Ergebnis für recht brauchbar, auch wenn ich heute vieles anders machen würde – vor allem würde ich die Zahl der Perspektiven drastisch reduzieren und die Handlung mehr auf zwei, maximal drei Protagonisten fokussieren. Dem Roman fehlt ein wenig der Zug. Seine Stärke liegt zweifelsohne in der Detailliebe bei der Darstellung der Stadt und ihrer Bewohner, sodass er vor allem für Al’Anfa-Fans geeignet ist.

Da ich das Buch nicht alleine geschrieben habe, würde ich eine Fortsetzung nur schreiben, wenn Alex Wichert und Anja Jäcke damit einverstanden wären. Da mit Irschan Perval und Aurelian Bonareth zwei der wichtigsten Protagonisten tot sind, könnte man auch nur eingeschränkt von einer Fortsetzung sprechen.

Nandurion: Du hast mit Tod eines Drepaniers in der Anthologie Im Namen des Thearchen 2003 auch etwas zu Myranor veröffentlicht. Wie stehen die Chancen, von Dir in Zukunft noch einmal etwas zu lesen oder zu spielen, das auf dem Westkontinent angesiedelt ist?

Heike Wolf: Gut :). Ich arbeite zur Zeit an einem Projekt zu Myranor mit. Allerdings nur mit einigen kürzeren Texten.

Nanurion: Gibt es ein Roman- oder Rollenspielprojekt, an dem Du gerade arbeitest und das nichts mit DSA zu tun hat?

Heike Wolf: Ich schreibe zur Zeit an einem historischen Krimi, der 1803 in Marburg spielt und im Frühjahr 2013 unter dem Titel „Die Tote im Nebel“ im Gmeiner-Verlag erscheinen wird. Neben meinen fiktiven Hauptpersonen spielen auch die Brüder Grimm eine wichtige Rolle, die zu der Zeit als Studenten in Marburg lebten. Daneben sind weitere Projekte in Planung, zu denen ich allerdings zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts sagen kann.

 

Rabenblut [Achtung, Spoiler!]

Nandurion: An Al’Anfa scheiden sich die Geister: Gibt es etwas, das auch Nicht-Al’Anfa-Fans den Plot schmackhaft machen kann?

Heike Wolf: Rabenblut ermöglicht es auch Helden aus dem Norden, den Plot zu spielen und die Schwarze Perle mit all ihrer Pracht, aber auch ihren Schattenseiten kennenzulernen. Das Abenteuer bietet den Spielern sehr viel Freiheit und versetzt sie zudem in eine Position, aus der heraus sie nicht als Hilfshansel einer unfähigen Meisterperson die Stadt retten müssen, sondern aus eigenem Antrieb handeln können und sollen. Je nach Ausrichtung und Interesse der Gruppe bedient die Kampagne durch zahlreiche optionale Aspekte sehr unterschiedliche Spielstile. Wer gerne Sozialspiel, Intrigen, Politikplay oder die Verwaltung eines Grandenhauses spielt, kommt ebenso auf seine Kosten wie derjenige, der einen komplexen Plot mit Mystik und Überraschungen wünscht.

Nandurion: Rabenblut ist in der Community sehr positiv angekommen. Gibt es trotzdem etwas, was du im Nachhinein anders gemacht hättest?

Heike Wolf: Ich hätte dem Problem der Spieler-Granden mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Die Kritik, dass mögliche Granden unter den Helden vernachlässigt wurden, ist m.E. durchaus berechtigt. Eine zweite Sache ist die Rolle Amir Honaks. Ich war überrascht, dass mein Bild des Patriarchen sich anscheinend von dem vieler Spieler nicht unwesentlich unterschied. Inzwischen denke ich, dass ich Amir aktiver auftreten ließe. Wie das genau aussehen könnte, habe ich nicht ausgemalt, aber ich könnte mir vorstellen, dass er entweder nach einer ersten Konfrontation mit den Duumvirn gefangen genommen würde oder sich dem Widerstand anschließen könnte – offen oder inkognito. Die Frage der Liturgien stünde noch im Raum, die man vielleicht darüber lösen könnte, dass Boron seinem Diener kein Gehör schenkt (nach dem Motto „Das ist deine Gelegenheit, dich zu beweisen – aber ohne meine Hilfe.“). Doch das sind, wie gesagt, recht rohe Überlegungen.

Nandurion: Die Stadt Zul’Marald bleibt ein zwiespältiges Thema. Was hat Dich dazu motiviert, dieses Mysterium in Rabenblut einzubauen?

Heike Wolf: Ganz ehrlich? *grins* Ein Abend bei Frank Bartels mit „KrabbeldieWandruff“. Das Grundkonzept für Rabenblut stand sehr früh, eigentlich war es bereits in In den Dschungeln Merididanas angelegt. Bei der Planung des Exposés haben wir gemerkt, dass reines Politplay für ein Fantasy-Abenteuer zu wenig ist. Wir wollten in einer Kampagne dieses Kalibers auch Magie, Abenteuer, Mysterien – eben das, was Fantasy eigentlich ausmacht. In Meridiana bieten sich dazu Echsen, Wudu, Katzen, Tulamiden oder Spinnen an, wenn man in der Region bleiben will. Echsen und Tulamiden haben wir gleich ausgeschlossen, weil die Themen zu oft behandelt wurden und wenig Neues zu bieten hätten. Zu Spinnen gab es bislang herzlich wenig, dafür aber eine Reihe von tollen Mysterien, mit denen man arbeiten konnte. So entstand die grobe Planung mit Zul’Marald, dem Kartenraum und Walkirs Expedition, und die Überlegungen hatten an jenem Abend eine Dynamik entwickelt, dass ich die Szenen bereits lebhaft vor Augen hatte. Die Kritik in der Rezension zu dem Thema habe ich zur Kenntnis genommen, würde in dem Punkt aber nichts anders machen.

Nandurion: NSCs wie Irschan Perval, Aurelian Bonareth oder Razir kommen in der Kampagne teils nur sehr am Rande mit den Helden in Kontakt. Was war der Grund dafür, die Spieler diesen Figuren in der Kampagne nicht etwas tiefer in die Karten sehen zu lassen?

Heike Wolf: Irschan ist der größte Intrigenschmied Meridianas. Er wäre unglaubwürdig, wenn die Helden ihn bei der ersten oder zweiten Begegnung als Erzschurken entlarven könnten. Daher schirmt sich gerade Irschan m.E. zu recht erfolgreich ab. Abgesehen davon wäre die Dramaturgie des Abenteuers witzlos, wenn die Helden Irschans Pläne früh und im Detail erführen = Irschan hingerichtet, Mysterium tot. Eine große Story lebt letztendlich davon, dass Schurken den Helden eine ganze Weile voraus sind und am Ende doch besiegt werden – ein Sieg, der dadurch umso größer ist. Ich bin mir bewusst, dass diese Ansicht nicht von jedermann geteilt wird, aber ich halte es für einen grundsätzlichen Fehler zu fordern, dass die Helden immer und zu jedem Zeitpunkt alle Möglichkeiten haben sollen. Manchmal sind die Gegner vorübergehend einfach besser, und das braucht ein guter Plot, um Spannung überhaupt erzeugen zu können.

Natürlich ist es dennoch wichtig, dass sich die Helden nicht gegängelt fühlen und in ihrem Rahmen Möglichkeiten zum Handeln haben. Aus diesem Grund gibt es in „Rabenblut“ eine Vielzahl von optionalen Vorschlägen, wie man verfahren kann, wenn die Helden eine Situation anders lösen als geplant (etwa, indem sie Irschan im Kartenraum umhauen). Was die Intrigen der Hauptschurken angeht – im Grunde haben die Helden durchaus die Möglichkeit, ihnen in die Karten zu schauen. Allerdings nicht, indem letztere vor ihnen ausgebreitet werden. Wieviel die Helden von Irschans und Aurelians Umtrieben vor der Abreise in den Dschungel mitbekommen, liegt an ihnen. Sie können Aurelian beschatten und dabei auf die Verbindung zu Zornbrecht kommen, oder aus vielen anderen kleinen Beobachtungen ihre Schlüsse ziehen. Einen Holzhammer im Stil von „Das sind die Pläne der Oberschurken“ gibt es allerdings nicht, aus oben genannten Gründen. Wenn ein Spielleiter es anders handhaben will, steht es ihm natürlich frei, das Abenteuer entsprechend zu ändern. Kein Abenteuer kann es allen Spielstilen recht machen.

Nandurion: Gab es Vorgaben dazu, welche NSCs in Rabenblut zu Boron gehen mussten oder durften, oder hattest Du da weitgehend freie Hand? Gab es eine Figur, die Du lieber zu Boron geschickt hättest, von der du aber die Finger lassen musstest?

Heike Wolf: Wir haben im Exposé Vorschläge zu den Schicksalen der NSCs gemacht, die fast alle so umgesetzt wurden. Ziel war es, Al’Anfa zu verjüngen und ein paar seit 1994 inaktive ältere Herren und Damen zu entsorgen. Viele von denen bewegten sich inzwischen in den 60ern oder 70ern und waren ihrem Hintergrund nach längst nicht so gesund und munter wie Oderin, der noch ein paar Jährchen vor sich haben kann. Vor allem Nareb Zornbrecht sollte noch einmal einen großen Auftritt bekommen, ehe er abtritt. Die Alternative wäre ansonsten wohl gewesen, dass er sang- und klanglos an Herzversagen und/oder Verfettung gestorben wäre. Von meiner Seite aus bin ich mit dem Resultat zufrieden. Interessante und aktive NSCs wie Goldo haben überlebt und können sich neu ordnen, Karteileichen wie Tsaiane Ulfhart oder Salix Kugres sind endlich beseitigt – und hatten ihre Rolle in der Kampagne.

Nandurion: Was wird der Rückzug von Amir Honak aus der weltlichen Politik Deiner Ansicht nach in der Zukunft für Auswirkung auf den Al’Anfaner Boron-Kult haben?

Heike Wolf: Höchstens, dass man dem Patriarch mit mehr Achtung begegnet. Das Dekadente, Intrigante bleibt und soll bleiben, aber es gibt vielleicht in Zukunft eine zweite Bewegung innerhalb der Kirche, die die Forderungen des Patriarchen zu mehr Konzentration auf das „Kerngeschäft“ vertritt. Eine Reformbewegung also, die zu Konflikten innerhalb der Boronkirche führen und vielleicht auch den einen oder anderen Fanatiker hervorbringen kann. Aber das sind bislang meine persönlichen Ideen und kein offizielles Konzept.

 

Entweder, oder…. ?

Nandurion: Bal, Tar oder Amir Honak?

Heike Wolf: Bal Honak

Nandurion: Gareth oder Gradnochsjepengurken?

Heike Wolf: Darf ich Al’Anfa …? Ok, Gareth

Nandurion: Myranor oder Uthuria?

Heike Wolf: Myranor

 

Drei Sätze zum Vervollständigen… [Achtung, Spoiler zum Hohen Norden!]

Nandurion: Ein rundum gelungener Rollenspielabend beinhaltet für mich …

Heike Wolf: … Spannung, Sozialspiel, Spaß und viel Lachen.

Nandurion: Den Rabenfelsen herunterstürzen sollte sich …

Heike Wolf: … Glorana, aber die hat sich ja eh erledigt.

Nandurion: Wenn ich mich selbst als aventurischen Charakter generieren müsste, dann wäre dies …

Heike Wolf: … wahrscheinlich eine Gelehrte mit gutem Draht zu Satinav, um ein paar zusätzliche Stunden pro Tag herauszuhandeln.

Nandurion: Heike, ganz herzlichen Dank für das ausführliche Interview, und bis zur nächsten Orgie in der Schwarzen Perle 😉

– Das Interview führte Josch

Dieser Beitrag wurde unter Aventurien, DSA-Autor, Interviews abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

5 Antworten zu Interview mit Heike Wolf

  1. Rondrigo Spinola sagt:

    Bin selbst grad dabei die Kampagne zu leiten und finde sie einfach großartig.

    Besonders das großangelegte Intrigenspiel in Kombination mit den unheimlichen Möglichkeiten eines eigenen Grandenhauses ist einfach mal was anderes. Hier lassen sich sehr viele Heldentypen und Möglichkeiten vereinen (eigenes Schiff für Seecharaktere, Geld für alchimistische Zutaten, Zeit für Gesellschaftscharaktere und Nebenplots).

    Ein zwei mehr Auftritte hätte ich mir für Salix Kugres gewünscht. Ansonsten aber enthält der Band eine großartige Fülle von Anregungen und Material, sodass man gern jede Menge Zeit in die Abenteuervorbereitung steckt und sich an der Aufteilung der Farbkarte beim Basteln von Handouts die Zähne ausbeisst 😉

    Eine Bitte im Interesse der Leiter der Kampagne: Auch wenn sich das bei einem Interview mit der Autorin fast von selbst versteht, eine kleine Spoilerwarnung auf der Hauptseite wäre fantastisch besonders wenn ich an den Gesundheitszustand wichtiger Herren Al’Anfas denke.

    • josch sagt:

      Wichtiger Hinweis, das habe ich, etwas arg unkritisch, als selbstverständlich vorausgesetzt. Ist eingefügt, vielen Dank für die Erinnerung!

      • Rondrigo Spinola sagt:

        Ich Nörgel ja ganz ungern aber der Spoiler wäre insbesondere bei der Frage

        „Nandurion: Könntest Du Dir vorstellen, eine Fortsetzung zu Rabengeflüster zu schreiben? Wie beurteilst Du diesen Roman heute?“

        nicht so schlecht. Die steht vor der Warnung, bei den Fragen zur Autorin 😉

        In jedem Falle ein interessanter Einblick in die Welt hinter den Abenteuern und Geschichten Aventuriens. Der gealterte Lolonna wäre doch ein toller Anküpfungspunkt.

        • josch sagt:

          Immer her mit dem Genörgel, wenn’s der Wahrheitsfindung oder der Geheimhaltung dient 😉 Auch dieser Vorschlag wurde auf jeden Fall umgesetzt, ganz vielen Dank!

  2. Rondrigo Spinola sagt:

    Ein Diener des Listenreichen dankt 😉

Schreibe einen Kommentar zu josch Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert