Jäger und Beute

„Das ist nicht der richtige Augenblick zum Schmusen,
Dottore
Meridiana! Wir kriegen Gesellschaft!“
— gehört in den Gassen von Arx Malarios

„Das könnt ihr mit mir nicht machen! Ich bin Horasierin!
Morena Rabenbaum

Von neuen Publikationen zu Myranor wünsche ich mir, dass es ihnen einerseits gelingt, mich als DSA-Fan mit Vertrautem anzusprechen, und dass sie andererseits zur Geltung bringen, was am Güldenland besonders ist. Spannende Alternativen zu Aventurien, die trotzdem noch als Teil des DSA-Universums erkennbar sind, so möge es sein!

Dass dies eine alles andere als einfach zu erfüllende Forderung ist, zeigt der 2001 doch extrem holprig verlaufene Start des Myranorprojekts. Abgesehen davon, dass es strategisch ungünstig war, die Hälfte der Einsteigerbox mit neuen Regeln vollzupacken und die Einsteigerkampagne für aventurische Helden im Nichts versanden zu lassen, konnte mich auch das „Alles so radikal anders wie möglich“-Konzept nicht so recht überzeugen. Dass sich tief im Westen Deres Humanoide in grauer Vorzeit anscheinend auch noch mit allem gepaart hatten, was nicht bei drei auf dem Kratzbaum war, hatte meiner Begeisterung dann vorerst endgültig den Garaus gemacht. „Wenn ich Plüsch will, spiel ich PP&P oder löse diesen zehn Jahre alten Gutschein für ‚Cats‘ ein“, dachte ich damals und ließ die Box jahrelang im Schrank vor sich hin stauben. Und dann kam das Myranor-Hardcover. Und dann kam Ulisses. Und dann kam Uhrwerk. Und inzwischen haben wir zwar immer noch keine Magieregeln, die ich Regel-Legastheniker auch nur mit Handschuhen anfassen würde, und der Brachialimport von Elfen, Zwergen, Amazonen und Phex hätte m.E. auch nicht sein müssen …

Aber mit Wege nach Myranor liegt inzwischen ein überarbeitetes und funktionierendes Grundregelwerk vor, Unter dem Sternenpfeiler dürfte sicherlich das neue Aushängeschild werden, von den letzten sechs Abenteuern weiß auch vieles zu gefallen, Jenseits des Horizonts bringt aventurische Helden endlich sicher nach Myranor und zurück, und die Publikationspläne für die nähere Zukunft zeigen, dass der Uhrwerk-Verlag jetzt so richtig in die Vollen geht.

Von daher nutze ich gerne die Gelegenheit, mit Jäger und Beute erneut aventurische Gefilde zu verlassen und mich mithilfe des 15ten Abenteuerbandes der myranischen Fauna zu nähern. Das selbsterklärte Konzept des Bandes, der unter der Regie von Uli Lindner als Begleitanthologie des Codex Monstrorum gilt, ist recht einfach zu verstehen: Irgendein fieses Viech steht im Mittelpunkt der Handlung, und es liegt stets an den Helden, ob sie Jäger oder Beute sein werden. Ich bin also gespannt, ob und wie es den einzelnen Abenteuern gelingt, dieses Schema auf kreative Weise umzusetzen.

Zu jedem der vier Abenteuer gibt es dafür im Weiteren zu Beginn einen kurzen Überblick, für den ich das von mir schmerzlich vermisste Konzept der Monsterklasse wiederbelebt und mit vollkommen DSA-typischen (sprich: hanebüchen willkürlichen) Formeln versehen habe.

Jetzt aber Paidje und Hut gegriffen und auf zur güldenen Safari!

Der Korallengarten

  • Worum geht’s: Sturm auf den Wurm: Friede den Gärten, Sieg den Palästen!
  • Am ehesten zu vergleichen mit: „Arielle die Meerjungfrau“ trifft auf „Die Herrschaft des Feuers“.
  • Im Mittelpunkt des Geschehens: Der Gischtwurm – die Art von Wasserdrachen, die wir nicht in Elementare Gewalten finden, mit Vorliebe für Glitzerkrams. Monsterklasse: 28 (Bösigkeit 5 mal Plotrelevanz 6 minus 2 mal Trashfaktor 2)
  • Die eigentlichen Stars: Die Hippocampir. Monsterklasse 76 (Knuddelfaktor 10 mal Plotrelevanz 8 minus 2 mal Albernheit 2).
  • Soundtrack

Happy Hippocampir (von Eva Dünzinger)

Zu Beginn führt uns Autorin Mháire Stritter in die Küstenstadt Panthyrsa, die mit zweierlei Problemen zu kämpfen hat: Der magische Leuchtstein des örtlichen Leuchtturms ging verlustig, was angesichts der Tatsache, dass ein großer Handelskonvoi in Bälde eintrifft, für Ärger sorgt. Zudem ist auch der Frieden mit der nahegelegen Siedlung der Hippocampir (das sind Seepferdchenmenschen, wir sind schließlich in Myranor) empfindlich gestört, so dass diese den Einwohnern Panthyras sogar gewaltsam jeden Zugang zum Meer verwehren.

Des Rätsels Lösung, die der Entdeckung durch die Helden der Geschichte harrt, ist folgende: Ein Gischtwurm hat den magischen Leuchtstein des örtlichen Leuchtturms an sich bringen können und sich mit diesem in der Siedlung der Hippocampir eingenistet. Dabei hat er, wie es so seine Art ist, eine Schneise der Verwüstung hinterlassen, welche die ansonsten ja eher friedlichen Genossen jetzt den Bewohnern der Stadt anlasten.

Die Aufgabe der Helden ist damit klar: Es gilt, eine Expedition ins Unterwasserreich zu wagen, mit den Hippocampir in Kontakt zu treten und den Problemen auf den Grund zu gehen, was früher oder später zum Hort des Gischtwurms führen dürfte. Im günstigsten Fall beinhaltet dies: das Untier niederstrecken, das Artefakt zurückholen, unterwegs Seepferdchennachwuchs befreien und so für Friede, Ringelpiez und happy Hippocampir sorgen. Erschwert wird das ganze noch um den Faktor, dass die Stadt durch den zähen Konflikt zweier konkurrierender Familien geprägt wird, die beide die Helden für sich als Auftraggeber gewinnen wollen, um so u.a. den Ruhm für die Rettung der Stadt einzustreichen. Die Helden können bei ihrer Expedition daher für eine der beiden Parteien arbeiten oder auf eigene Faust agieren. Je nachdem, wie sie sich entscheiden, ergeben sich bei ihrer Expedition verschiedene Optionen, auch das Ende kann je nach Entscheidung unterschiedlich ausfallen.

Das Abenteuer enthält Informationen zum Spiel in der Stadt und zur Interaktion mit den verschiedenen Parteien, zum Spiel unter Wasser, Allgemeines zu den Hippocampir und den einschlägigen Unterwasserlokalitäten, in deren Zentrum der titelgebende Korallengarten steht, sowie verschiedene Vorschläge für das Finale. Das alles liest sich sehr angenehm, ist übersichtlich aufgearbeitet, und wirkt handwerklich sauber. (Für Werte übernehme ich jedoch keine Garantie.) Einzig der Teil in der Stadt wirkt für mich ein wenig gründlicher beschrieben, als für viele Gruppen notwendig sein dürfte. Wer gerne ausführlich spielt, wird dies aber zu schätzen wissen.

Besonderen Wert legt die Autorin, wie schon in Die ewige Mada, darauf, dass sich mit dem Spielmaterial die gewünschte Atmosphäre erzeugen lässt. Und wie schon im ersten Teil der Wächter des Imperiums-Kampagne gelingt dies auch hier für mein Empfinden sehr gut. Als eigentliche Protagonisten des Abenteuer spielen sich hierbei die Seepferdchenmenschen in den Vordergrund. Diese sind fast schon zum Knuddeln putzig, und man merkt deutlich, dass Mháire Stritter einen ganzen Karren an Narren an ihnen gefressen hat. Von ihrer Affinität zu Liedern und ihrem friedlichen Gemüt bis hin zu der poetischen Namensgebung und den verschiedensten Möglichkeiten, mit ihnen zu kommunizieren, ist hier an alles gedacht worden.

Tiefseetaucher beim Gischtwurm (von Eva Dünzinger)

Allein dafür lohnt es sich, in den liebevoll gemachten Korallengarten abzutauchen, denn das Setting und seine Ausarbeitung lassen bei mir wohlige Erinnerungen an atmosphärisch dichte Spielabende aufkommen, die ich in meiner alten Gruppe beim Fest des Flussvaters in Der Jüngling am Strand [*] erleben durfte. Da macht es dann auch nichts mehr aus, dass der olle Gischtwurm letztendlich nur noch als Abmurksvorlage taugt und das Spiel in der Stadt und das Spiel unter Wasser mit Blick auf die Entwicklung des Plots nicht ganz so eng verzahnt wurden, wie ich mir gewünscht hätte.

Wie bereits bei der Rezension von Die ewige Mada angekündigt, enthalte ich mich wegen der Gefahr der Befangenheit für dieses Abenteuer einer Punktwertung.

[*] In der Erstversion vor Korrektur stand hier „Der Jüngling am Strang“. Das musste einfach erhalten bleiben.

Albtraum des Todes

  • Worum geht’s? Die Helden führen eine Rückrufaktion kontaminierter Teddys der Marke „Leichenstarr“ durch und setzen nebenbei den Geschäftsführer ab.
  • Am ehesten zu vergleichen mit? „Glücksbärchies“ treffen auf „Ein Zombie hing am Glockenseil“ mit einer gehörigen Portion Sherlock-Holmes auf LSD.
  • Im Mittelpunkt des Geschehens: Der Alpschmeichler: Monsterklasse 0 (Schmusigkeit 10 + Gefahrenpotential 10 – 2 mal Trashfaktor 10)
  • Die eigentlichen Stars: Aufgrund des Nichtalpschmeichler-Bonus der ganze Rest. Insbesondere aber die Pilzleichen. Monsterklasse 52 (Gruselfaktor 10 mal „Mama-darf-der-das?“-Badass-Modifikator 7 minus 2 mal „Jetzt schmecken mir die Chips nicht mehr“-Pilzkulturmalus 9).
  • Soundtrack

These: Der Alpschmeichler ist das albernste Monster im DSA-Universum und hätte sich einen Ehrenplatz in dieser Galerie redlich verdient.

Unfriedhof der Kuscheltiere (von Eva Dünzinger)

Beweis: Allein schon der Name! Alpschmeichler. Diese ungewohnte Assoziation von Kuscheln und Grusel soll sicher irgendwie erschreckend und verstörend wirken, kann mir aber, ebenso wie „Schmusequäler“, „Gruschelgremlin“ oder „Knutschkartäschenbär“ nur ein hysterisches Verzweiflungsgrinsen abringen. Und überhaupt das ganze Konzept! Süß, aber tödlich. Ein hoch gefährliches und zugleich giftiges Viech, das sich als niedlicher Tunichtgut tarnt um so an ahnungslose Opfer sein Gift abzugeben. Der Steiff-Teddy des Todes. Das Schmusi-Busi des Grauens. Plüsch, Plagen und Peinigung. Ich glaub ja wohl echt, es hackt!

In Ordnung, regen wir uns wieder ab und versuchen wir, etwas nüchterner an die Sache ranzugehen. Die Autoren Matthias Freund und Lena Kalupner haben sich der Herkulesaufgabe gewidmet, eine spielbare Geschichte um diese Beleidigung all dessen, was wahr, schön und gut in der Monsterwelt ist, herum zu entwickeln. Dafür gebührt ihnen unser aller Respekt.

ABER TODESTEDDY!!!!111elf

Einmal musste einfach noch sein. Jetzt ist gut. Versprochen. Tief durchatmen. Ich bin ein Gänseblümchen. Und immerhin wurden für Alpschmeichler keine Mengenpreise pro Sack angegeben.

Worum also geht’s? Ein mächtig fieser Optimaten-Paktierer instrumentalisiert eine eigens hervorgerufene Alpschmeichlerplage im Armenviertel von Arx Malarios, um eine neue Form von deren Angstgift zu destillieren. Zusätzlich lässt er durch infizierte Zombies, die ebenfalls aus diesen Experimenten hervorgehen, stetig Nachschub an Versuchsobjekten heranschaffen. Natürlich kann der Bösewicht eine elaborierte Begründung vorweisen, die etwas mit der Ehre seines Hauses und sonstigem Blabla zu tun hat, für die Zwecke dieser Rezension reicht ein schön oberschurkentypisches „Weil er’s kann“ aber auch aus.

Aufgabe der Helden ist es, sich im Armenviertel auf die Spur einer Vermissten zu machen, wobei sie im Verlauf der Schnitzeljagd den eigentlichen Hintergründen der Plage und dem Drahtzieher schrittweise auf die Schliche kommen können. Über die Anführerin eines Verbrecherzirkels, einen Giftmischer-Grolm (gerade scheinbar groß in Mode), einen Neristu-Chirurgen mit fragwürdigen Organverpflanzungspraktiken und der obligatorischen Bande von Leichendieben kann man so zum Unterschlupf des Fieslings gelangen, handliches 12-Zimmer-Küche-Bad-Souterrain-Minigewölbe und Zombiezerteilung inklusive.

Für den Einstieg ins Abenteuer werden insgesamt drei verschiedene Optionen geboten, da man sich im Dienste unterschiedlicher Parteien und mit verschiedenen Motiven auf die Suche machen kann. Auch wenn das Armenviertel selbst nicht ausführlich beschrieben wird, wird das gewünschte Flair doch glaubhaft und effizient vermittelt.

Der rote Faden der Geschichte wirkt auf mich beim ersten Lesen ein wenig versponnen, und erst die zweite gründliche Lektüre hat mir alle wichtigen Zusammenhänge ausreichend klar vor Augen geführt, was dafür spricht, dass die Aufbereitung der Informationen nicht optimal ist. Auch kann ich mir vorstellen, dass nicht alle Spielgruppen in dem Geflecht der Beziehungen am Ende alle Zusammenhänge verstehen werden. Obwohl die Plotentwicklung etwas von hinten durch die Brust ins Knopfauge ist, sollte es für den Spielleiter aber kein Problem sein, mit der Vorlage eine spannende, wenn auch leicht trashige Story am Spieltisch zu entwickeln. Mit einem etwas weniger albernen Aufhänger hätte das ganze Arsenal der Untoten sein Gruselpotential vielleicht etwas besser entfalten können.

Ansonsten kann man aber nahezu ohne Abstriche sagen, dass die Autoren das Beste aus den Rahmenbedingungen herausholen, und deshalb lasse ich mich, trotz allem Zeter und Mordio, auch zu 6 von 9 Punkten hinreißen. Wer meine Vorbehalte gegen die Alpschmeichler nicht teilt oder allgemein ein Faible für John-Sinclair Grusel à la „Der Schmuse-Ghul von Lancastershire“ hegt, kann hier aber locker noch mal einen Punkt drauflegen und sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren. Allen anderen würde ich empfehlen, darüber nachzudenken, den Abenteueraufhänger durch etwas anderes zu ersetzen – man denke bspw. an dämonisch pervertierte Spinnen und dergleichen. Mein Eindruck ist, dass der Änderungsaufwand alles in allem überschaubar bleibt.

Die Herrin des Waldes

  • Worum geht’s? Die Helden bringen stockende Optrilith-Lieferungen in Schwung. Leichen pflastern dabei ihren Weg.
  • Am ehesten zu vergleichen mit? „Predator“ trifft auf „Die lustige Welt der Tiere“.
  • Im Mittelpunkt des Geschehens: Die Han’kro: Monsterklasse 48 (Endbosseignung 10 mal „Haven’t seen mum yet“-Bonus 6 minus 2 mal „Das kenn ich doch von irgendwo her!“-Malus 6)
  • Der eigentliche Star: Die Han’kro. Gefangene machen ist 80er.
  • Soundtrack.

Kommen wir nun zu etwas völlig anderem: Den Han’kro (siehe Cover). Diese sind des Meisters beste Freunde: Über vier Schritt große Echsenartige mit Reißzähnen und überdimensioniertem Drillbohrer auf der Stirn, dabei tyrannisch, gnadenlos, mächtig und mit einem unnachahmlichen Hang dazu, mit ihrer Umwelt in Konflikt zu geraten. Alles an diesen Dingern schreit förmlich: „Ich bin ein würdiger Endgegner und Schlusspunkt einer klassischen Schnetzelorgie. Mach was mit mir!“

Genau das dürfte sich Autor Fabian Talkenberg auch gedacht haben, denn in Die Herrin des Waldes setzt er eine Han’kro konsequent auf die naheliegende Weise ein. Konzept und Hintergrund des Abenteuers sind daher schnell erzählt: Optimat Isdoros te Quoran aus Valentia hat heimlich eine Optrilith-Mine in Xarxaron unter seine Kontrolle gebracht, in der sich jedoch nun ein Han’kro-Weibchen eingenistet und dabei so ziemlich alles umgenietet oder unterworfen hat, was auch nur so aussah, als hätte es etwas dagegen einzuwenden. Aufgabe der Helden ist es, die Hintergründe des Ausbleibens der Lieferungen aufzudecken und im Idealfall wieder für Ordnung zu sorgen.

Gut, denkt sich Chrysanthemos Normalheld: Kenn ich, kann ich, und schon die Anreise zum Zielort zeigt, wo der Hase diesmal langläuft: Hier gibt es Zufallsbegegnungen im Dutzend billiger und damit zahlreiche Möglichkeiten für die Helden, sich mit Schwert, Arm und Arbalone zu beweisen. Der Hauptteil des Abenteuers besteht dann in der Durchquerung und Erforschung eines großen Waldstücks samt Mine, die beide auf der Suche nach Hinweisen zur Lösung des Problems zu erkunden sind. Gespickt ist das alles erneut mit Zufallsbegegnungen und vorgesehen Ereignissen, die den Helden das Leben schwer machen sollen und ihnen Gelegenheit geben, das zu tun, was Helden halt am besten können. Da die Han’kro den Wald größtenteils unter ihre Kontrolle gebracht hat, macht das Abenteuer dem Titel und Motto des Bandes alle Ehre und serviert ein ausgefeiltes Menü mit zahlreichen Kreaturen aus dem großen Buch des myranischen Schwertfutters.

Verkompliziert wird die Suche der Helden schlussendlich noch dadurch, dass auch eine xarxarische Gruppe plebejischer Rebellen mit im Spiel ist, die hier den Aufstand proben und sich die Optrilith-Mine unter den Nagel reißen wollten. Im Zuge dessen wurden sie von der Han’kro bereits ordentlich dezimiert, konnten ihr aber ebenfalls zusetzen. (Da eine Han’kro als Endgegner ganz gut was hermacht, lässt sich ihr Kampf mit den Rebellen auch nutzen, um sie für den Endkampf auf das richtige Maß herabzustufen, sofern man es nicht mit der alten Spielleiterweisheit hält, gelegentlich 1W6 Charaktere zu töten, um die Spannung zu erhöhen).

Es ist das erste Mal, dass Du am Cliff hängst (von Eva Dünzinger)

Der Hauptteil sieht ansonsten eigentlich keinen fixen Plot vor, mit Ausnahme der mehr als wahrscheinlichen Konfrontation am Ende, die herbeizuführen es mehrere Möglichkeiten gibt. Das Abenteuer besteht im Wesentlichen aus Ortsbeschreibungen, Vorschlägen für Begegnungen und Ereignisse samt möglicher Lösungsoptionen sowie Beschreibungen aller Monster. Das Element „Überquerung einer Wegunterbrechung“ wird hierbei für meinen Geschmack etwas zu häufig bemüht, denn selbst mit den zig Möglichkeiten, über eine Schlucht zu gelangen, mit denen uns Wege des Entdeckers jüngst beschenkt hat, nudelt sich diese Art der Heldenherausforderung schnell ab.

In meiner Zusammenfassung klingt Die Herren des Waldes jetzt nicht nur wie eine modernisierte Version von Überlandabenteuern der alten Schule à la Der Zug durch das Nebelmoor, es fühlt sich auch genau so an. Mir gefällt das sehr, zumal auch die Informationsaufarbeitung hier für mein Empfinden sehr gut gelungen ist und man sich im Abenteuer schnell zurecht findet. Die Vorbereitung sollte daher nicht allzuviel Zeit in Anspruch nehmen. Wer darauf verzichtet, Anwerbung und Reise ausführlich auszuspielen, kann sich bei einigermaßen zügigem Spieltempo vielleicht sogar an einer längeren Abendsession kurzweilig zum Ziel metzgern.

Positiv aufgefallen ist mir ansonsten auch noch, dass …

  • alle relevanten Werte im Anhang stehen
  • das Abenteuer Hinweise zum Verlagern der Handlung an andere Orte bietet
  • auf die Möglichkeit der magischen Befragung Verstorbener eingegangen wird
  • den Helden in der sozialen Interaktion mit den verschiedenen Parteien viel Freiheit gelassen wird und jederzeit die Möglichkeit für Loyalitätswechsel, Verrat und Arbeiten auf eigene Faust besteht.

Fazit: Nirgendwo sonst in diesem Band kommt das Motto „Die Helden können schnell von Jägern zu Gejagten werden“ so sehr zur Geltung wie hier. Trotz der Abwechslung, die durch die Interaktion mit den Rebellen ins Spiel kommt, könnte das Abenteuer streckenweise zwar ein wenig monoton werden, es wirkt in seiner Reduktion aufs Wesentliche aber auch zugleich erfrischend. Auch aufgrund des eher geringen Vorbereitungsaufwands daher empfehlenswert und mit 7 Punkten versehen.

Steppenherrscher

  • Worum geht’s? Die Helden fangen einen Kyalach. Ja. Wirklich. Genau dieses Riesenviech!
  • Am besten zu vergleichen mit: Eine Dune-Wanderung inkl. Stadtwurmsuche im Auftrag einer Liga außergewöhnlicher Ehrenmänner.
  • Im Mittelpunkt des Geschehens: Der Kyalach. MK 100. Leider Geil.
  • Die eigentlichen Stars: Der Ban Bargui Stamm der Wandernden Schatten. Zugegeben, es ist nicht wirklich politisch korrekt, denen eine Monsterklasse zu verpassen, aber das ging im alten Kreaturenbuch auch! Und außerdem sind die wirklich monsterklasse. Von daher: MK 62 (Schwarmintelligenz 9 mal Coole-Sau-Modifikator 8 – 2 mal Seltsamkeitskulturmalus 5).
  • Soundtrack

Die Aktionswoche bei Facebook ist zwar vorbei, aber es gibt immer einen Grund, ein Bild von Uli „Daktari“ Lindner zu posten.

Aufhänger und Inhalt des Abenteuers von Tilman Hakenberg und Matthias Klahn sind auch hier schnell zusammengefasst: Die Helden werden in Valdur Harpalis in eine Wette zwischen zwei Optimaten hineingezogen und sollen danach mit Aussicht auf üppige Belohnung in die Myripedensteppe, um dort einen Kyalach zu fangen. Das klingt verrückt, ist es auch, aber, wie das Abenteuer überzeugend nachweist, selbst ohne Bennies, FFF-Gekreische und reihenweise Triple-1 bei der Abrichten-Probe machbar.

Einen wirklichen Plot, über den ich weiter berichten könnte, gibt es nicht, denn das Abenteuer folgt konsequent dem Sandkastenansatz und präsentiert uns daher Regeln, Orte, Personen, Ereignisse und mögliche Wege zum Erfolg, wobei es dann Meister und Spielern überlassen bleibt, hieraus einen schönen Sandkuchen zu backen.

Allem voran wird uns ein kleiner, aber sinnvoller und einfach zu benutzender Regelbaukasten präsentiert, mit dem sich auch die Ausgestaltung der Expedition schnell umsetzen lässt. Man kann vom zur Verfügung gestellten Geld (das in 10 Punkte umgerechnet wird) Ressourcen kaufen und Experten anheuern. Die Experten bringen jeweils bestimmte Vor- und Nachteile, jede einschlägige Ressource kann auf drei Stufen erworben werden, wobei jede Stufe einen Punkt kostet. Im Wesentlichen gilt: Stufe 2 ist Normalniveau (keine Erleichterungen und keine Erschwerungen auf die relevanten Werte), Stufe 1 ist darunter angesiedelt (= Erschwerungen) und Stufe 3 darüber (= Erleichterungen). Bei den Nahrungsmitteln gilt: Je höher die Stufe, desto mehr Versorgungspunkte. Zahlreiche Faktoren können die Anzahl der pro Tag benötigten Versorgungspunkte modifizieren. (Helden essen dabei übrigens „für umsonst“ mit und müssen nicht extra mit eingerechnet werden – ein Detail, das einem beim Lesen evtl. entgeht.)

Mit Zufallstabellen wird beim ganzen Unterfangen wahrlich nicht gegeizt: Insgesamt 41 Ereignisse für verschiedene Geländetypen stehen zur Verfügung. Relevant für die Suche der Helden ist dabei in besonderer Weise natürlich alles, was auf die Riesenwürmer hindeutet, sowie die verschiedenen Möglichkeiten, mit einem Stamm der Ban Bargui in Kontakt zu treten. Zum Glück sind diese aufgrund ihres Austausches mit anderen Kulturen von der eher zugänglichen Sorte und damit eher untypisch. Ein Rufsystem ermöglicht es, diesen Teil auch in Regeln abzubilden. Damit die Helden es nicht ganz so einfach haben, ist natürlich auch noch die obligatorische Gruppe von Saboteuren mit im Spiel, die man bei fehlendem Bedarf aber auch leicht streichen kann.

Komm mal bei die Goleo, lecker, lecker! (von Eva Dünzinger)

Für die unterschiedlichen Geländearten werden verschiedene Arten von relevanten Probenmodifikatoren angegeben, abgerundet wird das Ganze durch ausführliche Beschreibungen des Kyalach, ausgewählter sowie paradigmatischer NSCs und durch die Darstellung zweier Vorschläge, das monströse Etwas ohne Magie (schlecht vorhersehbar) und ohne Kampf (unsinnig) zum freiwilligen Mitkommen zu bewegen. Wie plausibel diese Vorschläge sind ist sicher auch Geschmackssache, für mein Empfinden sind aber beide Optionen am Spieltisch umsetzbar.

Alles in allem ist dieses Abenteuer zwar nicht sonderlich originell (ein ähnlicher Szenariovorschlag fand sich bereits im Codex Monstrorum selbst), aber auch für Sandbox-Skeptiker insgesamt eine gute Wahl. Der Fehler mancher Exemplare dieser Gattung, einen Mangel an Konzept und rotem Faden als maximale Freiheit des Spielers zu verschleiern, wird hier vermieden. Spieler, Meister und Helden haben ein klares Ziel vor Augen, und eigentlich alles im Abenteuer dient klar erkennbar dazu, verschiedene Wege zu diesem Ziel erlebbar zu machen. So soll es sein.

Bis zu 100 Schritt lange Riesensandwürmer fangen geht wirklich nur auf dem Westkontinent. Von Alpschmeichlern zu Tode geherzt zu werden zwar auch, aber das ist bekanntlich eine andere Geschichte. Und bevor ich mich wieder vergesse: 7,5 Punkte.

Fazit

Was bleibt? Auf jeden Fall ein positiver Gesamteindruck. Jedes dieser Abenteuer nutzt das Besondere der myranischen Viecherwelt, und abgesehen von den Todes-Plüschis wird dabei auch nirgendwo zu tief in die Trashkiste gegriffen. Jedes der Abenteuer ist gut spielbar, und vor allem die Abwechslung zwischen den verschiedenen Beiträgen hat mich überzeugt. Der Band bietet eine spannende und ergiebige Bandbreite an Möglichkeiten, die für jeden etwas bereit halten dürfte.

Abschließend noch ein Wort zu den Illustrationen: Mag sein, dass ich inzwischen durch Legenden aus Dunklen Zeiten verwöhnt wurde, aber gerade im Vergleich zu dem, was ich dort zu sehen bekam, kommen mir manche der Bilder in diesem Band ein wenig rustikal vor. Auch erinnern mich einige der Optimatenbilder eher an Buckethead ohne seinen KFC-Hut, und zumindest an einer Stelle musste ich daran denken, dass der kleine Goleo bestimmt gerne aus dem Felidenparadies abgeholt werden möchte. Trotz dieser Ausreißer kann ich mit den Illustrationen aber sehr gut leben, denn sie passen zum Flair der Abenteuer. Die Tatsache, dass die einschlägigen Karten nicht nur als Kopiervorlagen enthalten sind, sondern auch noch in farbiger Ausführung beiliegen, erstickt sowieso jeden Gedanken an Punktabzüge in der B-Note im Keim. Allein den einen Tick zu dunklen Druck möchte ich bei den Kopiervorlagen dieses Bandes bemängeln, auch wenn sich das insgesamt noch locker im tolerablen Bereich befindet.

Damit heißt es nun: Flugs den arkanomechanischen Rechenschieber gezückt, die alt-imperialen Wurzelziehtabellen hervorgekramt, die Schiefertafel gereinigt und losgerechnet. Das Resultat:

7 von 9 Einhornmenschen verbuchen die diesmalige Myranorexpedition als Erfolg, die verbleibenden zwei wurden bedauerlicherweise von Alpschmeichlermutanten in den ewigen Schlaf gekuschelt oder haben auf der Flucht eine Mupfel im Korallengarten als neue Residenz bezogen.

Mit freundlicher Unterstützung in Form eines Rezensionsexemplars vom Uhrwerk-Verlag.

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11 Antworten zu Jäger und Beute

  1. Matthias sagt:

    Schöne Rezension. Zu Alpschmeichler fällt mir aber eigentlich immer ein (die ersten drei Minuten des angehängten Schnipsels). 😀

  2. Salaza sagt:

    Monsterklasse: 28 (Bösigkeit 5 mal Plotrelevanz 6 minus 2 mal Trashfaktor 2)

    Versagen des Lektorats, Herr Dr. Josch. Das sind nur 26, da kann ihre Peitsche auch nichts dran ändern!!!

  3. Josch sagt:

    Das liegt daran, dass man bei den ganzen Regelergänzungen und Errata zu „Wege der Arithmetik“ in WELT 4.1 ja schon einen Bachelor in Mathematik haben muss, um überhaupt noch rechenregelkonforme Texte schreiben zu können!!!!

    Mit SW wär das nicht passiert, da hätte ich mit ausreichend Glückskeksen meinen Klugheits-W4 noch zum Explodieren gebracht, du Rant-Boy!

    Kohmwueste one gURPs evo-unbalanced. Voelige Wirlkür fue rDSA-Mörchenonkelfanboy. Dissen

  4. Salaza sagt:

    Dr. Radulesco? Sind sie es? Ich hatte von ihnen seit der unfreundlichen Angelegenheit mit der „flammenden Spur“ nichts mehr gehört. Ich muss mich auch Entschuldigen. Durch die schamlose Kopie von PP&P hat die 4.1 Regeledition ja die Gummiregelübernommen, dass der Trashfaktor nur halb zählt. Also kommt das wieder hin. Ich danke ihnen für ihre überaus aufschlussreiche und wohlformulierte Antwort. Nach den ganzen Rants momentan ist das doch sehr wohltuend.

  5. Salaza sagt:

    Frag nicht, was Nandurion für dich tun kann, frag dich selbst, was du für Nandurion tun kannst!

  6. Josch sagt:

    Ich stehe vor einer Schicksalswahl zwischen Freiheit und Regelsklaverei. Ich wähle die Freiheit!

  7. Vibarts Voice sagt:

    Ich muss doch hier sehr bitten. Ich als moralinsaurer Zeigefingeronkel möchte vehement meine erschreckend niveaulosen Vor(en)-Poster um orthographische Korrektheit, inhaltliche Relevanz und gehobene Nettiquette bitten. Nandurion ist ja nicht das Tannenwaldforum, nicht? Außerdem möchte ich meine ethische und intellektuelle Prärogation herausstreichen und allgemeine moralische Abscheu vor dem Netzplebs der DSA-Szene zum Ausdruck bringen. Ich fordere alle anständigen Forenbürger auf, diesen Auswüchsen des Kulturverfalls mit entschiedenen Buhrufen zu begegnen.

  8. Xeledon sagt:

    Buh…? Neee, eigentlich find ich’s ziemlich lustig, du elendiger Spießer! 😉

    XhsdkGg!

  9. Josch sagt:

    BUUUUUUH!!! (Ich mache mal lieber mit, wer weiß schon, wer hier in Zukunft die Hosen anhat).

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