Tharun: Die Welt der Schwertmeister

Tharun_Die_Welt_der_SchwertmeisterGastrezension von Kai Lemberg

Mitte der Achtzigerjahre hatte der Schmidt Spiele-Verlag einen Satz Runensteine übrig und beauftragte die DSA-Autoren damit, eine sinnvolle Verwendung dafür zu finden. Das Ergebnis war das DSA-Professional-Set, das sich gezielt an Spieler mit erfahrenen Helden ab der 15. Stufe (also mit über 10.500 Abenteuerpunkten) richtete. Die aventurischen Vertanen wurden in die Hohlwelt Tharun geführt, die damals noch zweifelsfrei im Inneren von Dere verortet werden konnte. Dort sollten die Aventurier als Streiter der Zwölfgötter die Welt Tharun erobern und damit die Vorherrschaft eines fremden Götterpantheons brechen.

Der erste Teil der Professional-Serie, die Schwertmeister-Box, beinhaltete einen Abenteuerband sowie ein Regelbuch mit einigen innovativen Erweiterungen der Kampfregeln, wie Attacke-Serien, Finten und Körperzonen. Daneben enthielt die Box 18 Runensteine, mit denen in Tharun magische Effekte entfesselt werden konnten. Die zweite Box, Das Fest der Schwertmeister, enthielt einen weiteren Abenteuerband sowie ein Regelbuch, das die Welt Tharun und ihre Gesellschaft näher vorstellte. Weitere Publikationen sind nicht erschienen. Im Jahr 1990 wurde die DSA-Professional-Serie offiziell eingestellt.

25 Jahre später führt der Uhrwerk-Verlag die Geschichte von Tharun fort. Die Welt der Schwertmeister ist die erste von derzeit drei angekündigten Publikationen. Dieser „Weltenband“ befasst sich mit der Gesellschaft von Tharun, seinen Glaubensvorstellungen und den neun Inselreichen, aus denen sich die Hohlwelt zusammensetzt. Wege nach Tharun wird sich sich den Regeln für das Spiel in Tharun widmen. Das beinhaltet die Runenmagie, Waffen und Rüstzeug der Schwertmeister sowie Angaben über Monster, Tiere und Pflanzen der Inselreiche. Der Anthologie-Band Schwerter und Giganten wird vier Abenteuer in und um Tharun beinhalten.

Die Bandredakteure für Die Welt der Schwertmeister wecken bei mir hohe Erwartungen: der Mysterien-Meister Stefan Küppers hat bereits an zahlreichen DSA-Publikationen mitgearbeitet und ist ein wichtiges Rad im Uhrwerk-Getriebe. Sein Mitstreiter Arne Gniech verdiente sich schon in jungen Jahren redlich seine Sporen als Herausgeber des Fanzines Warrior Express. Außerdem verrät er in seinem Vorwort, dass er die Welt der Schwertmeister seit über 20 Jahren mit zwei Spielgruppen am Leben erhalten und stetig ausgeschmückt hat.

Oculus: Optik und Eindruck

Die Welt der Schwertmeister erscheint im A4-Format mit stabilem Buchdeckel. Das Cover von Marcus Koch ist in der unteren Hälfte etwas dunkel, aber sehr ansprechend. Das Bild vermittelt vor allem einen guten Eindruck von Tharun: Es zeigt einen Rakshasar, ein mehrgliedriges Ungeheuer, das in diesem Fall über vier Arme und zwei Köpfe verfügt, von denen einer Feuer speit. Das Monster bedroht einige ärmliche, hilflose Bauern. Doch vom Himmel naht Rettung in Form von zwei Samurai-artigen Kriegern, die auf Riesenlibellen reiten. Was die Front optisch vermittelt, wird auf der Rückseite vervollständigt. Im Klappentext werden in knapp 2.000 Zeichen die Welt, ihre Bewohner und Besonderheiten umrissen.

Tharun KämpferBeim Durchblättern fällt auf, dass der Band schon sehr textlastig ist (was für eine Weltenbeschreibung kein schlechtes Zeichen sein muss). Zweifellos haben die Autoren eine Menge mitzuteilen. Die Schriftgröße ist guter Standard (und damit größer als zum Beispiel Unter dem Sternenpfeiler), aber irgendwie wirken die Textblöcke sehr kompakt. Vielleicht liegt es daran, dass an auflockernden Untertiteln, Markierungen oder Aufzählungen etwas gespart wurde. Es gibt zwar immer wieder atmosphärische Textfelder, die tharunische Sagen und Legenden anschaulich vermitteln, aber wenn ich in einem Jahr „mal eben“ die ‚Acht Tugenden des Kriegers‘ nachschlagen möchte, gibt mir der Band dabei keine Hilfestellung. Hinzu kommt, dass einige Formulierungen etwas umständlich gewählt wurden und die Sätze teilweise sehr verschachtelt sind. Beim Querlesen ist das echt anstrengend. Über ein paar Tippfehler bin ich stolpert, aber nur wer viel arbeitet macht Fehler. Insgesamt haben die Lektoren gute Arbeit geleistet.

Grafiken sind etwa auf jeder zweiten Doppelseite zu finden und die Zahl der Vigilien hält sich auch in Grenzen. Dafür sind die Zeichnungen durchweg gut gelungen. Sie sind in schwarz-grau gehalten, was den etwas martialischen Flair von Tharun gut unterstreicht. Die Bilder von der Welt der Schwertmeister forcieren den asiatischen Stil, der bereits die alten Schwertmeister-Boxen geprägt hat.

Ein echter Reinfall ist die beiliegende Farbkarte von Tharun. Dass diese Karte im A2 Format auf besserem Packpapier gedruckt wurde, stört mich nicht. Mich ärgert, dass im Buch, bei der Beschreibung der Inselreiche, kleine Kartenausschnitte im selben Format zu bewundern sind, die einfach deutlich mehr Details aufweisen. Auf der großen Karte lassen sich nur die neun Inselreiche der Hohlwelt und ihre Archipele als Kleckse im Meer identifizieren. Dafür hätte mir eine kleinere Karte auf der Innenseite des Buches gereicht, wie sie der Ulisses-Verlag seit einiger Zeit verwendet.

Animus: Überblick über den Inhalt

Die Welt der Schwertmeister umfasst 276 Seiten. Dank der fleißigen Macher der Wiki Aventurica kann das offizielle Inhaltsverzeichnis eingesehen werden.

Aller Anfang ist schwer

Tharun Frau mit KatzeNach einem (zumindest von Arne Gniech angenehm persönlichen) Vorwort der Redakteure finde ich den Einstieg in die Welt der Schwertmeister etwas unglücklich. Ich hätte eine Vorstellung der Hohlwelt erwartet, bei der die Besonderheiten und Herausforderungen von Tharun hervorgehoben werden. Stattdessen startet der Band mit dem Kapitel ‚Das Mysterium der Inneren Welt‘. Dabei werden einerseits Geheimnisse angedeutet, die besser als ‚Tiefere Mysterien Tharuns‘ ans Ende des Buches gepasst hätten, und andererseits werden Verweise auf den folgenden Inhalt präsentiert, was (wenn überhaupt) besser im Vorwort aufgehoben wäre. Anschließend erfährt der Leser, wie er von den derischen Kontinenten nach Tharun gelangen könnte, was von den Autoren aber offenbar erstmal nicht erwünscht ist. Und erst dann, nach zwölf Seiten Vorgeplänkel, wird verraten, was es mit einer Hohlwelt auf sich hat und welche Besonderheiten sich durch eine zentrale Sonne ergeben, die stündlich die Farbe wechselt und in der Nacht für 10 Stunden völlig erlischt: keine Jahreszeiten, kein Sternenhimmel, keine Himmelrichtungen, kaum Schatten usw. ‚Die Geschichte und Mythologie der Hohlwelt‘ und die Vorstellung der in Tharun heimischen Giganten wirken dagegen rund und in sich stimmig. Mystik und Mythologie zählen zweifellos zu den Stärken des Bandes.

Leben aus Pflichtgefühl

Etwa ein Viertel des Buches widmet sich dem rigiden Gesellschaftssystem von Tharun. Unter der Herrschaft des Tharun, einem vergöttlichten Autokraten im Zentrum der Inselreiche, besteht seit Jahrtausenden ein streng gegliedertes Kastensystem. Stütze der Ordnung sind die Azarai, Priester der tharunischen Götter, auf die später nochmals gesondert eingegangen wird. Stütze der absoluten Herrschaft sind die waffentragenden Guerai und, als vollendete Kampf-Virtuosen, die Somakai, die samurai-ähnlichen Schwertmeister, die bereits im Titel des vorliegenden Bandes gewürdigt werden. Sie beschützen das gemeine Volk vor den Gefahren der Inselwelten, verlangen dafür aber auch vollständige Unterwerfung und bedingungslosen Gehorsam. Darüber hinaus werden auch andere „Berufs“-Kasten anschaulich vorgestellt sowie spezialisierte Gruppierungen präsentiert, die ihre Macht aus der Nutzung von Runenmagie ziehen.

Herrschaftspyramide TharunVon der Geschlechterrolle abgesehen (auf die ich später zusprechen komme) ist das Kastensystem anschaulich beschrieben, schlüssig und wohl durchdacht. Was mir in dem Kapitel allerdings fehlt sind Hilfestellungen für den Spieler, um sich mit dieser Gesellschaft arrangieren zu können. In der starren Ordnung von Tharun hat jeder seinen Platz und dagegen aufzubegehren ist ein Verbrechen. Die klassische reisende Heldengruppe, die auf der Suche nach Abenteuern von Ort zu Ort zieht, ist in Tharun kaum vorstellbar. Wenn Spielercharaktere die Vielfalt der Inselreiche erfahren wollen, werden sie also nicht umhinkommen, gegen Gesetze zu verstoßen (was von den Autoren ja auch so gewollt ist). So werden die „Helden“ schnell zu geächteten Rebellen, den Brigantai, was wieder eigene Probleme mit sich bringt. Ich hatte mir von dem Buch erhofft, dass den Spielern Schlupfwinkel offeriert werden, um auch innerhalb des Systems etwas revoltieren zu können. Denn das hehre Ziel, die seit Jahrtausenden gelebte Kultur der Tharuner von außen brechen zu wollen, war schon von 25 Jahren zum Scheitern verurteilt.

Etwas verwirrt hat mich, dass Errungenschaften der Zivilisation, wie ‚Kunst und Architektur‘ oder ‚Wissenschaft und Forschung‘, ein eigenes Kapitel gewidmet ist, obwohl diese Themen bei den Beschreibungen der Inselreiche nochmals aufgegriffen werden. An der Stelle hätten unnötige Dopplungen vermieden werden können.

Fundamentaler Glaube

Wo ich bisher auf hohem Niveau gejammert habe, hat mich das Kapitel über ‚Die tharunische Götterwelt‘ wirklich enttäuscht. Das Pantheon der acht tharunischen ‚Neugötter‘ mit ihren Kulten, Tempeln und Priestern wird auf etwas mehr als dreißig Seiten beschrieben. Dabei wird das schon oben bereits angesprochene Problem der Textblöcke besonders offenkundig. Mir fehlt ein einleitender Infokasten, der mir auf einen Blick die Aspekten der Gottheit, heilige Orte und Weihestätten oder einfach die zugeordnete Tagesfarbe anzeigt. Außerdem mangelt es an Untertiteln, zum Beispiel zu den Tempeln, typischen Predigten oder Mysterien des Kultes.

In der vorliegenden Form wird jede Gottheit auf mindestens drei Seiten präsentiert, mit jeweils drei Untertiteln. Das Wesen der Gottheit ist dabei noch vergleichsweise knackig und gut umrissen. Die Glaubensvorstellungen und Azarai empfinde ich dagegen als arg ausgewalzt. Die Dogmen der Kulte erscheinen mir zu simpel und überzeugen mich nicht, auch wenn sie mehrfach wiederholt werden. Die Azarai, die tharunischen Priester, sind sehr fanatisch und beschränken ihren Umgang mit den verängstigten Gläubigen weitgehend auf Hetzpredigten, um einen Nimbus der Unfehlbarkeit zu wahren. Aber wie vermeiden sie seit Jahrhunderten das Aufblühen von Irrlehren und die Abkehr von den Acht, wenn sie sich vom einfachen Menschen bewusst und vollständig abschotten?

Land in Sicht

Tharun - FelsenbautenDen Löwenanteil des Weltenbandes machen aber natürlich die Beschreibungen der neun Inselreiche aus. Und das Kapitel hat mir auch am besten gefallen. Um das zentral gelegene Inselreich Tharun sind acht weitere Reiche drapiert, die jeweils ein ganz eigenes Flair aufweisen. Dieser individuelle Charakter der Reiche wird vermittelt in den Unterkapiteln Herrschaft und Schwertmeister, Bevölkerung und Sozialstruktur, Flora und Fauna, Wirtschaft und Handel, Religion und Azarai, Seefahrt und Numinai, Reitkunst und Kymanai, Architektur und Künste sowie Geheimnisse und Magie. Wie bereits erwähnt gibt es einige Überschneidungen zu den Ausführungen bei der tharunischen Gesellschaft, aber das Problem liegt er dort als hier.

Neben den offensichtlichen Anleihen aus China und Japan glaube ich irdische Elemente der Mongolen, Ägypter und Indonesier erkannt zu haben. Andere Inselreiche unterscheiden sich in ihrem Fantasy-Niveau. Neben den ohnehin schon skurrilen Reitechsen und -insekten kann ein Held auch einen Pegasus zähmen oder es mit Drachenreitern aufnehmen. Das zentrale Inselreich Tharun schließlich ist ein Mischmasch aller äußeren Kulturen und Besonderheiten. Zusammen bieten die Neun Reiche für jeden Geschmack die passende Bühne. Und wem das noch nicht reicht, dem sei verraten, dass der hier vorliegende Weltenband nur Zweidrittel der Hohlwelt beschreibt. Für die Inseln jenseits der Reiche werden einige Anregungen geliefert; der Rest steht zur eigenen Ausgestaltung frei.

Jedes Inselreich von Tharun ist gegliedert in fünf bis zehn Archipele, die mit autarken Fürstentümern verglichen werden können. Die Unterschiede zum übergeordneten Inselreich sind weniger kultureller, sondern eher politischer und geologischer Natur. Über die Vielzahl an Inseln und Eilanden innerhalb eines Archipels wird meist nicht mehr als ein Satz verraten, mit einzigartigen Besonderheiten und vielen Anregungen für eigene Abenteuer – eine echte Fundgrube an guten Ideen, mit viel Raum zur freien Ausgestaltungen. Diese Vielzahl an autonomen Inseln ist eine der größten Stärken von Tharun, birgt allerdings auch eine große Schwäche. Sie bieten den Spielern große Freiheiten, um nach eigenem Ermessen zu handeln. Die Überfahrt zum nächsten Schauplatz ist in Tharun hingegen wesentlich komplizierter als auf den derischen Kontinenten.

Im nachfolgenden Kapitel werden acht ‚Tiefere Mysterien Tharuns‘ vorgestellt. Das sind nicht viele, aber dafür haben es diese Geheimnisse in sich und sind wirklich weltumspannend. Kleine, regionale Geheiminformationen werden bereits bei den Mysterien der Inselreiche enthüllt und sind dort auch wesentlich passender aufgehoben.

Das Buch schließt mit einer Aufzählung irdischer Inspirationen und einem Index. Ein Glossar ist nicht vorhanden, wäre aber hilfreich gewesen. Viele Bezeichnungen wurden aus den alten Tharun-Heften übernommen und nur mäßig mit Kontext unterfüttert. Sicher weiß nicht jeder, was ein „Kreuzdorn“ ist oder eine „Lykhora“. Und vielleicht will sich auch nicht jeder den Titel des Herrschers aus dem Reich Jü merken.

Exsectio: Blickpunkt auf das „schwache Geschlecht“

Einem Rüffel möchte ich mich noch im Besonderen widmen: In Tharun ist die Frau dazu verdammt, dem Mann zu Diensten zu sein!? Dieses Klischee von der unterwürfigen Frau halte ich für antiquiert und es hat für mich in einem modernen Rollenspiel nichts mehr zu suchen.

Tharun - Frau mit KäferDie Autoren rechtfertigen sich für die stereotype Darstellung damit, dass sie die Setzung aus den achtziger Jahren übernommen haben und so den Widerstand der Spieler gegen das sexistische System von Tharun schüren wollen. Ich möchte auch gar nicht verhehlen, dass Ausnahmen aufgezeigt werden. In einigen Inselreichen haben Frauen das Monopol auf Runensteine, in anderen sind sie dem Mann gleichberechtigt und können zur Schwertkämpferin ausgebildet werden. Es gibt ein Inselreich, wo Frauen in ihrer Rolle als Mutter verehrt werden, und ein Inselreich, wo Frauen im eigenen Zelt die Herrinnen sind. Und wer weiß schon, wie aktiv die unterdrückten Frauen in den Schatten agieren. (Insider werden verstehen, was ich meine.) Diese Ansätze sind auch richtig und gut, aber es bleiben Ausnahmen.

Die Welt der Schwertmeister ist kein historisches Setting, sondern spielt in einer Fantasy-Welt, wo die Spielregeln alleine von den Autoren vorgegeben werden. Aber wie sollen Spieler zum Kampf gegen die Unterdrückung der Frau animiert werden, wenn die Autoren sich nicht überwinden konnten gegen eine veraltete Setzung aufzubegehren? Und warum ist es nötig, in einer Welt, in der das gesamte einfache Volk entrechtet ist, die Frau zusätzlich zu versklaven, um den gerechten Zorn der Spieler zu wecken? Außerdem erinnere ich mich noch aus dem Khom-Krieg daran, wie ermüdend es auf die Dauer für Spieler/innen und Spielleiter/innen ist, ständig auf die besondere Rolle der Frauen in der Gruppe einzugehen.

Unter dem Titel Mein Tharun ist anders präsentiere ich daher einen Entwurf für ein alternatives Frauenbild, das dem weiblichen Teil der Bevölkerung mehr Präsenz einräumt, ohne sie den Männern gleich zu stellen. (Anm. d. Red.: Den Text findet ihr ihn unter dem vorgenannten Link in unserer Kolumnensparte.)

Exitus: Das Fazit

Trotz allem vorangegangenem Gezeter bleibt Die Welt der Schwertmeister ein gut gelungener und stimmiger Weltenband. Die vorgestellten Inselreiche bieten eine bunte Vielfalt an guten Ideen und das Kastensystem hat etwas von der „Faszination der Bösen“. Doch das alles täuscht noch nicht darüber hinweg, dass Tharun noch nicht vollständig ist. Was mich von 25 Jahren an der Hohlwelt fasziniert hat waren die Schwertmeister mit ihren obskuren Reittieren und anthropomorphen Waffen, die Runensteine mit dem freien, innovativen Magiesystem, und die autonomen, abgeschiedenen Inselreiche mit ihren monströsen Gefahren und gigantischen Herausforderungen.

Der Weltenband liefert dazu einen soliden Hintergrund, doch um die Hohlwelt tatsächlich bespielen zu können fehlt noch der anstehenden Regelband Wege nach Tharun.

Bewertung

Neun aventurische Einhörer sind mit mir aufgebrochen, um die Hohlwelt von Tharun zu erkunden. Eines meiner neun eingehörnten, aventurischen Invasoren ist direkt beim etwas holperigen Einstieg vom rechten Weg abgekommen und konnte auch mit der beiliegenden Karte die Orientierung nicht wiederfinden. Ein Einhorn hat sich bei der Auseinandersetzung mit der Gesellschaft verrannt. Es hat seine Abenteuerlust verloren, als es von den Tharunern das Denken in Schubladen Kasten übernommen hat. Ein nandurischer Streiter fühlt sich durch das archaische Frauenbild und die diffus-fanatischen Azarai gehörnt.

Es bleibt eine stolze Streitmacht von sechs Einhörnern, die sich in Tharun heimisch fühlen könnten (auch wenn sie vermutlich bald das Schicksal jeder reitbaren Kreatur in der Hohlwelt ereilt und sie von den Schwertmeistern domestiziert werden).

Bewertung Einhorn 6

Wir bedanken uns bei Kai Lemberg für die Gastrezension!

Über Curima

Moin, ich heiße Lena, bin 32, komme aus Hamburg und spiele seit 2003 DSA. Ich spiele lieber als ich leite und schicke meine diversen Charaktere fast jeden Samstag durch Aventurien. Seit Mitte Mai 2012 arbeite ich bei Nandurion mit.
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11 Antworten zu Tharun: Die Welt der Schwertmeister

  1. Pingback: Mein Tharun ist anders – Ein alternatives Frauenbild in der Hohlwelt | Xeledons Spottgesang

  2. Thorus84 sagt:

    Hallo Kai!

    Ich habe soeben deine Rezension gelesen und möchte zunächst deine differenzierte Herangehensweise loben. Das Werk wird nicht niedergemacht und auch nicht in luftige Höhen gehoben, das gefällt mir als potentieller Leser sehr gut, ich bin nun neugierig aufs Setting.

    Zum negativen Frauenbild – und wie es manchmal (insbesondere) von der Community kritisiert wird – möchte ich kurz etwas sagen. Auch wir Rakshazar-Projektler haben mit diesem Punkt zu kämpfen; auch unser Setting ist (teilweise) ziemlich 80er-lastig und manchmal politisch inkorrekt. Richtig ist: In Rakshazar gibt es keinen Sexismus. Recht hat, wer Erfolg hat. Egal welcher Rasse, Kultur oder welchem Geschlecht die Person angehört.

    Ich fühle daher aus oben genanntem Grund eine gewisse Verbundenheit mit den Tharun-Autoren, vielleicht eine ‚Verbundenheit unter Missverstandenen‘. 😉

    Ich sehe das so: Es geht hier doch ganz offensichtlich um ein rein fiktives Fantasysetting, das seine Ursprünge in den (aus heutiger Sicht) überholten Moralvorstellungen der 1980er Jahre hat. Noch dazu behandelt es ein Nischenprodukt-Fantasysetting (Tharun) einer Settingsparte unter vielen (DSA), innerhalb eines Nischenhobbys (P&P). Es wird wohl keinen allzu großen #Aufschrei verursachen, selbst wenn es tatsächlich mega-sexistisch wäre.

    Ich sage nicht, dass das tharunsche Frauenbild nicht sexistisch ist. Ich persönlich verachte Sexismus. Ich bin ne grüne Socke und auch als Germanist ein Befürworter von Gender Mainstreaming. Ich finde es nur weit hergeholt, ein fiktives, hinterwäldlerisches, archaisches und bewusst (!) politisch unkorrektes Setting daran zu messen, dass es politisch unkorrekt ist.

    Auch habe ich die Autoren so verstanden, dass sie die Möglichkeit der Emanzipation des weiblichen Individuums eröffnen wollen, also Anknüpfungspunkte für (politisches) Rollenspiel ermöglichen möchten. Auch verstehe ich es so, dass so ziemlich alle in Tharun unterdrückt werden, unabhängig davon ob man männlich oder weiblich ist. Der autoritäre soziale Druck kommt von allen Seiten.
    Du schreibst, dass du Schlupflöcher vermisst, die das rigide System durchziehen.
    Sind das nicht perfekte Abenteueraufhänger? Sollten solche Schlupflöcher nicht Bestandteil von tiefgehenden Hintergrundbänden/Abenteuern/Szenarien/Fanausarbeitungen sein? Müssen die wirklich im allgemeinen Weltenüberblick bereits verbraten werden? Sollte man das wirklich – zu diesem Zeitpunkt – bereits kritisieren?

    Auch sehe ich nicht, inwiefern sich das Frauenbild von erfolgreicheren Settings, wie beispielsweise Game of Thrones / Song of Ice and Fire unterscheidet? Frauen werden hier minderjährig (aus unserer Sicht) zwangsverheiratet, dürfen nicht den Thron besteigen, müssen in Kleidern rumlaufen und die Klappe halten; intrigieren wie die Teufel, (weil Frauen ja laut Klischee ganz böse Intrigantinnen sind) und benutzen Sex als Waffe. Und wenn dann mal eine Frau aus dem Schema der folgsamen Hausweibchens; der Gebärmaschine; des Sexobjekts ausbricht (Beispiele sind Daenerys, Brienne, Arya) ist sie sogleich Hure/Mannsweib/Hexe.

    Nehmen wir es noch klassischer: Herr der Ringe/Der Hobbit ist megasexistisch. Frauen wurden in die Verfilmungen reinoperiert, damit es dem Massenpublikum nicht ganz so auffällt, dass tatsächlich nur Männer agieren und Frauen vor allem (in Kleidern) hübsch auszusehen und Kinder zu bekommen haben.

    Komisch, alles drei sind Fantasy(!)-Settings. Aber das eine wird mit Fernsehpreisen überhäuft, das zweite mit Filmpreisen und das dritte, tja, das ist halt ein deutsches Rollenspielsetting mit gebildeten, kritisch-denkenden Fans.
    Denn selbst wenn man es allein an irdischen Anleihen festmacht: In Asien ist die Stellung der Frau durchweg schlechter als in Europa. Prominentes Beispiel ist wohl Japan, das selbst heute noch nie was von Emanzipation gehört hat. Wie muss es erst zur Zeit der Shogune ausgesehen haben? Tharun beschreibt exakt ein solches asiatisches, feudales Setting. Und das wird den Autoren zum Vorwurf gemacht? Ernsthaft? Das es nicht der politischen Korrektheit Mitteleuropas (mit dem es NICHTS zu tun hat) im Jahr 2014 genügt? Das finde ich nicht fair.

    Viele Grüße!
    Thorus

    • Curima sagt:

      Hi Thorus,

      danke für den langen Kommentar.

      Was deine Beispiele GoT und Herr der Ringe angeht: Game of Thrones hat doch aber (auch) deswegen so viele Fans und wird so gelobt, weil das Setting zwar sexistisch sein mag, aber innerhalb dieses Settings sehr viele vielschichte und auch starke weibliche Charaktere agieren. Klar reagiert die Welt skeptisch bis verächtlich auf Charaktere wie Daenerys oder Brienne, beim Leser kommt das aber ganz anders an. Der Erfolg der Serie beruht nun sicher nicht darauf, dass die Zuschauer denken „boah toll, in dem Setting haben die Frauen eigentlich nix zu melden.“ Eher im Gegenteil.
      Was Herr der Ringe angeht – das ist nun ein schwieriges Beispiel. Die Bücher sind aus den fünziger Jahren und wurden von einem sehr konserativen Briten geschrieben. Klar denkt man sich heute, dass da zu wenig weibliche Charaktere drin sind. Damals wäre man aber gar nicht auf die Idee gekommen. Da muss man das Buch schon auch im Kontext seiner Zeit sehen. (Und immerhin gibt es mit Eowyn ja wenigstens einen weiblichen Charakter, der echt was reißt, auch wenn sie am Ende dann ja auch ihren Frieden in der Ehe findet.) Dass man in den Filmen jetzt anders damit umgeht und mehr weibliche Charaktere eingebaut hat, ist natürlich nur konsequent, weil wir nun mal eben nicht mehr in den Fünzigern sind.

      Ich sehe das grundsätzlich aber ähnlich wie du. Dass das Setting sexistisch ist, bedeutet nicht, dass die Autoren es auch sind. Das haben Arne und Marcus im Interview ja auch nochmal betont. Dass das Frauenbild sogar ausdrücklich zum Thema gemacht wird und man dagegen angehen kann, finde ich eigentlich ganz gut. Es bietet dann auch eine Abwechslung zum gleichberechtigten Aventurien. Problematisch ist halt, dass das Setting das Spielen von weiblichen Charakteren erschwert, weil man immer so ein bisschen gucken muss, ob das mit dem Hintergrund einhergeht. Ähnliche Probleme hat man, wenn man in Aventurien eine Novadifrau oder im GoT-Rollenspiel eine weibliche Ritterin spielen will. Man kann diese Sonderrolle gut finden und es als rollenspielerische Herausforderung sehen oder man kann es doof finden, dass so ein Charakter immer Aufsehen erregt und unschöne Reaktionen der Umwelt hervorruft. Das ist wohl schlicht Geschmackssache.

      • Thorus84 sagt:

        Hi Curima,
        ich stimme dir in allen Punkten zu.

        Zu Game of Thrones noch eine Ergänzung: Ich sehe das wie du. Frauen werden gesellschaftlich klein gehalten, machen aber etwas draus und bei der Leserschaft kommt das natürlich gut an. Um den Brückenschlag nach Tharun zu ziehen, wäre es doch eine wunderbare rollenspielerische Steilvorlage, wenn es hier ähnlich liefe. Frauen werden im Setting unterdrückt, was den Erfolgsdruck und die Motivation sowohl bei Inplay-Charakteren als auch bei den SpielerInnen stark ansteigen lässt. Ich sehe hier eine Stärke und keine Schwäche.

        Beim Thema HdR und 50er Jahre bin ich etwas anderer Meinung: Ein Werk atmet immer auch die Gegenwart seiner Entstehungszeit. Bei den HdR-Filmen wurde da vorsichtig nachjustiert, ohne gleich Legolas zu einer Elbin zu machen; der Stoff wurde behutsam ins Hier und Heute übertragen.

        Grundsätzlich bin ich aber dafür, dass man auch heute erscheinende Werke so gestaltet, dass jemand außenstehendes nicht gleich erkennt, ob eine Geschichte heute oder vor vielen Jahrzehnten entstanden ist – zumindest wenn es der Autor darauf anlegt. Wenn ich beispielsweise eine Conan-Kurzgeschichte verfasse, dann ist meine persönliche Maxime, dass die Leserschaft nicht weiß, ob ich die 2014 in meinen PC eingetippt habe, oder Robert E. Howard im Jahr 1932 in seine Schreibmaschine. Das wäre mein persönlicher Anspruch für eine Kurzgeschichte im 30er-Jahre-Stil und nichts anderes.

        Und eben dieser Kunstgriff ist es doch, der Stories – u.a. in modernen Games wie beispielsweise LA Noire – so glaubwürdig rüberbringt.
        Das fremdartige, manchmal altmodische Denken und Handeln der Charaktere, das macht für viele den großen Reiz eines Settings aus.
        Ähnliches wollten die Tharun-Autoren erreichen. Den Geist des Originals einfangen. Aus der Perspektive einer Spielgruppe, die seit 1989 ununterbrochen in Tharun spielt und ein glaubwürdiges Setting aufgebaut hat.

        Es gibt ja eigentlich nur zwei Wertungskriterien: Die Unterscheidung, ob mir, als LeserIn ein Setting gefällt (subjektiv) ODER ob es in sich stimmig und glaubwürdig ist (objektiv). Kai gefällt das Frauenbild des Settings nicht. Das ist okay. Aber er wirft dem Setting Unglaubwürdigkeit vor. Und das kann man so einfach nicht stehen lassen. 😉

        Er schreibt in seiner Rezension, dass die Frauen in einer unterdrückten Gesellschaft zusätzlich unterdrückt werden und postuliert, dass dadurch erst Recht der „Zorn der Spieler“ geweckt würde.
        Diese These möchte ich deutlich anzweifeln.
        Erstens denke ich nicht, dass Kai in die Köpfe jeder Spielrunde schauen kann, um aufsteigenden Zorn diagnostizieren zu können.
        Und zweitens halte ich es für einen menschlichen Urinstinkt, dass man, wenn man von Oben getreten wird nach Unten weiter tritt. Das gilt eigentlich für alle Gesellschaften, vor allem aber in unzivilisierten, archaischen Gesellschaften, wie sie hier beschrieben werden.
        Wer Gewalt erfährt, übt nicht selten selbst Gewalt aus. Oder, anders gesagt: Wenn es einem schlecht geht, sucht man sich jemand, dem es noch schlechter geht oder mit dem man die eigene Unzulänglichkeit kompensieren kann.
        Das ist – auch heute noch – gesellschaftlicher Alltag in weiten Teilen der Welt. Ich begreife einfach nicht, wie den Autoren diese glaubwürdig beschriebene, gesellschaftliche Ungerechtigkeit als handwerklicher Fehler vorgeworfen werden kann. Wenn man schreiben würde: „Die Autoren haben das zwar glaubwürdig dargestellt und umgesetzt, aber mir gefällt das aus den und den Gründen nicht.“, dann wäre das im Rahmen einer subjektiven Rezension absolut okay.

        Aber den Autoren Fehler vorzuwerfen, wo objektiv gar keine sind, da sie sich streng an die Vorlage halten und die kritisierte Thematik womöglich noch Mittelpunkt späterer Veröffentlichungen sein wird, das finde ich entweder unglücklich oder zumindest leicht verfrüht.

        Viele Grüße
        Thorus

      • CyberYork sagt:

        Ich gehöre mit zu den Autoren des Weltenbandes und spiele seit über 20 Jahren auf Tharun. Während dieser Zeit haben wir zahllose Geschichten auf dieser Welt erlebt und etliche der eindrucksvollsten von ihnen beinhalteten die Rolle, welche eine Frau in der tharunischen Gesellschaft spielen kann. Das Spektrum reicht dabei von der rebellischen Zauberkundigen, die nach einem schweren Schicksalsschlag der dunklen Magie der Morguai verfällt und schauerliche Rache an denen nimmt, die über sie gerichtet haben, über die ehrenhafte und tatkräftige Brigantai, die sich durch ihren Mut und ihre Tapferkeit den Respekt ihrer Gefährten verdient bis hin zu einer Mutter, die alles unternimmt, um ihr Kind aus der Gefangenschaft durch die Azarai zu befreien.

        Die Möglichkeit, eine eindrucksvolle Frauenrolle zu erschaffen, wird deshalb nach meiner Erfahrung eher gefördert. Insofern ähnelt Tharun von der Vorlage sehr Game of Thrones.

        Außerdem hat der Sexismus der tharunischen Gesellschaft natürlich noch eine weitere Seite, die auch in unserer Gesellschaft noch lange nicht überwunden ist. Sexismus unterdrückt auch die Männer, die sich dem starren Welt- und Männlichkeitsbild ebenfalls zu unterwerfen haben. Wer als Mann eine solche Rolle nicht verkörpern kann oder möchte, steht ebenfalls vor einer rollenspielerischen Herausforderung.

        Ich finde aber, dass diese Herausforderung das Spiel auf Tharun erst spannend macht, von anderen Settings unterscheidet und den Mitspielerinnen und Mitspielern gleichzeitig die Gelegenheit gibt, gleichsam spielerisch den eigenen Sexismus auf den Prüfstand zu stellen. Denn auch unsere moderne Gesellschaft ist noch nicht völlig frei davon. Insofern ist Tharun in meinen Augen näher an der Realität als Aventurien (das im übrigen auch noch keine perfekte Welt ist, da es noch Rassismus und Sexismus gibt).

        Und wie oft die Besonderheit der Figur im Spiel eine Rolle spielt, hängt auch davon ab, wie die Spielrunde selbst dies thematisiert. Das kann je nach persönlichem Geschmack ganz unterschiedlich gehandhabt werden.

  3. Pingback: Rezension zu “Die Welt der Schwertmeister” | Nandurion

  4. Vibarts Voice sagt:

    Ich fühle mich jetzt doch als Kind der 80er-Jahre kurz genötigt, das Jahrzehnt in Schutz zu nehmen. So archaisch-sexistisch, dass Tharuns Männerdominanz über den Zeithintergrund erklärbar wäre, war die Zeit zwischen Ronald Reagans Antritt und Erich Honeckers Abtritt nämlich wirklich nicht.

    Abgesehen von einigen Heavy-Metall-Covern, die eher als Fluchtdomäne der sich bedroht fühlenden Muskelmännlichkeit gelten dürfen, zeichnen sich die 80er-Jahre durch einen Emanzipationsschub aus, den ich nur kurz mit den Stichworten „Aufstieg der Grünen Bewegung, Quotenregelung (Ja, so alt ist die Diskussion schon), §218-Diskussion und auflagenstärkste Phase der Emma“ umreißen will.

    Eher müsste man sagen, dass Aventuriens betonte Geschlechtergleichberechtigung den Geist der 80er atmet, und Tharun schon damals, wenn man es positiv ausdrücken will, sich bewusst gegen den Trend der Zeit stellte, wenn man es negativ ausdrücken will, hinter dem Jahrzehnt um Jahrzehnte hinterher hinkte.

    Mit Tolkien, der übrigens den Hintergrund seiner Welt bereits während des Ersten Weltkrieges entwickelte, ist das absolut nicht mehr zu vergleichen. Das waren wirklich andere Zeiten. Und dass GoT eventuell wieder eher im konservativen Backlash (Motto „Bleib-mir-weg-mit-Gleichberechtigung“) schwimmt, mag ja auch sein. Zwei Sachen an der Diskussion sind mir aber besonders wichtig:

    Erstens: Verwechsle niemals den Autor mit seinem Werk. Das tut beiden nämlich unrecht.

    Zweitens: Gut, dass dieses Thema immer noch Diskussionen auslöst. Gut für die Frauen in der westlichen Welt. Vielleicht heißt das nämlich, dass sie vielleicht einmal in 100 Jahren für die gleiche Arbeit genauso viel verdienen können, wie ich als Mann.

    Fazit: Tharun darf sexistisch sein. Welchen Sinn hätten sonst Fiktionen? Aber das darf auch weiterhin gerne zwischen Erde und Dere diskutiert werden. Und man darf das nicht mögen dürfen.

  5. Arne sagt:

    Vielen Dank an Kai für die ausführliche Rezension – es freut Autoren immer, wenn ihre Werke aufmerksam gelesen, besprochen und diskutiert werden!
    Zum K0mplex der Geschlechterrollen haben wir an anderer Stelle, u.a. im Band selbst, aber auch im Interview und im DSA4-Forum (http://www.dsa4forum.de/viewtopic.php?f=80&t=35965) schon Stellung genommen. Als Kind der 70er Jahre teile ich Vibarts Einschätzung, dass bereits die alte Tharun-Vorlage aus den 1980er Jahren nicht unbedingt als Ausdruck eines reaktionären Frauenbilds zu deuten ist, sondern als klar konturiertes Feindbild, gegen das aventurische Helden quasi automatisch aufbegehren müssen (eben weil sie ein anderes, moderneres, gleichberechtigteres Frauenbild für richtig halten). Genau das ist der Punkt, um den es uns ging, denn es ist ein zentraler Angelpunkt für viele spannende Frauenfiguren und ihre Emanzipationsgeschichten.
    Positiv finde ich auch, dass sich Kai von unserer Vorlage „emanzipiert“ und einen eigenen Vorschlag macht, der ihm besser gefällt 😉

  6. Als damaliger Alleinverantwortlicher muss ich hier auch heute die Verantwortung übernehmen:
    Ich war 24 und bekam den Auftrag, eine Alternativ- und Fortsetzungssserie zu entwickeln; zuerst nur die Welt, aber angesichts der Arbeitsbelastung mit dem explodierenden DSA für Ulrich Kiesow sehr bald die ganze Serie. Wir hatten legendäre Verkaufszahlen (von denen heute selbst Fantasy-Bestseller-Autoren träumen) und SCHMIDT war völlig überfordert. Ich hatte daher völlig freie Hand.

    Zu meiner sexualpolitischen Position: Ich war damals aktiver Feminist – auch wenn mir Freunde 15 Jahre später erklärten, ein Mann könne gar nicht Feminist sein; aber ich war schon immer für Gleichberechtigung. 🙂 Ich hatte fünf Jahre Sexualpsychologie und Betreuung mißbrauchter Frauen hinter mir. Schon meine Eltern (*1928 und *1939) führten eine weitgehend gleichberechtigte Beziehung.

    Da ich nur die Vorgaben „Machen Sie ein Advanced DSA“ und „Bringen Sie Dromer Knaurs Runensteine unter“ hatte, begann ich mal mit Zielgruppenanalyse. Unsere Spieler waren fast ausschließlich männlich, 80% zwischen 14 und 18. Und: je höher die Stufen ihrer Helden, desto jünger waren sie.
    Ich ging also davon aus, dass ich weitgehend für pubertierende Jungs schreibe: im realen Leben eher scheu, am Tisch prahlerisch und Macho; jedenfalls kein Sex; so hatte ich sie erlebt. Daher beschloß ich, eine Welt zu entwerfen, die von vorn herein Feindbild ist. Und ihnen gleichzeitig einen Spiegel für ihre aufkeimenden Macho-Allüren vors Gesicht hält.
    Ich begann mit den Göttern. Denn die größten Powergamer hatten schon die Zwölfgötter gekillt. Also baute ich Götter, die alles verkörperten, was Spieler in diesem Alter hassen.
    Darunter folgte ein entsprechendes Herrschaftssystem. Die herrschende Klasse benimmt sich so, wie die Welt wäre, wenn ALLE Powergamer wären, sprich: sich so rüpelig durchs Leben metzelten wie junge DSA-Spieler.
    Die gesamte Kartographie ist fraktal, damit Spieler zunächst Inseln erobern können, dann Archipele und dann Reiche, ehe sie sich mit den Göttern anlegen.
    Als ich zur Rolle der Frauen kam, war meine Einschätzung: Jungs in diesem Alter können Frauen weder spielen noch mit ihnen spielen. Also blendete ich sie weitgehend aus.
    Die Unterdrückung der Frauen ist einfach nur ein weiterer Auswuchs eines Systems, in dem Jeder unterdrückt wird. Ich glaube nicht, dass eine Heldin dort mehr leidet als ein Elf, vermutlich auch ein Zwerg.
    Der Weg der Spieler führt zwangsläufig in den Widerstand. Welche Konzepte von Freiheit sie dort verwirklichen, wollte ich den Spielern überlassen. Meine Spiele waren immer politisch, demokratisch und ergebnisoffen.
    Kurz: Wenn ihr hasst, wie Tharun Frauen behandelt: Sehr gut. Willkommen. Macht Tharun kaputt. Das ist sein Zweck. 🙂

  7. Übrigens: Ich habe die 80er-Jahre als deutlich emanzipierter erlebt als heute. Frauen wurden weder als Bitch bezeichnet noch gaben sie sich selbst Mühe, sich mit Selfies und Schnuten und PushUp als Bitches zu präsentieren. Die allgemeine Stimmung war sehr viel egalitärer, zumindest in meinen Kreisen; natürlich herrschte am Land und jenseits der Hippie-Generation noch Mittelalter. Aber die Gesellschaft war nicht so sexualisiert mit Körperkult, Sixpack, Silikon, Botox und Casting, wo eigentlich mehr Unterschied und Krieg zwischen den Geschlechtern besteht als damals.

  8. Guerai sagt:

    Also erstmal nachträglich danke Herr Wieser für die schöne Grundidee, wenn auch mit unnötig Spezialkosmologie und zuwenig Spielmaterial steckengeblieben. Die Runenmagie ist originell und die asiatische Exotik eben exotisch. Sowenig wie Aventurien in Feudalstrukturen demokratisch, also auch wirklich gerecht ist, so ist es doch komplex. Das ermöglicht eben auch mehr verschiedene Frauenfiguren. Und das ist der Punkt warum ich mir mehr Facetten wünschte, einfach weil ich es sonst langweilig finde. Zudem ist ja ausgerechnet das dabei inspirierende Japan da durchlässiger, die kämpfende Frau üblich gewesen. Zumindest adelige Frauen zumindest nominell zu vielem berechtigt, inclusive zur Kaiserin. ( Das wurde komischerweise erst in den 80gern beschnitten ). Auch der archaischere Feudalismus sollte auch viele Facetten an Typen ermöglichen einfach weil es auch realistisch ist. Wobei die gewisse Betonung der Strukturen, ein Minimalismus an Beweglichkeit das auch nicht ausschließen oder eben subtilerere Unterschiede Spannend sein können. Aber ich würds für mich vom Spielstil her wohl schon aventurisierend auflockern und dan die Brüche betonen 😉

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