Kommando „Olachtai“

eine Gastrezension von Engor

Vorbemerkung

Kommando_Olachtai_CoverWenn sich das Jahr nun dem Ende zuneigt, wird es langsam Zeit, sich auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben zu freuen, also in erster Linie dem Weihnachtsfest entgegenzufiebern. Eine der schönsten Begleiterscheinungen dabei ist natürlich der alljährliche Adventskalender von Nandurion, zu dem ich erneut mein Scherflein beitragen darf. Passend zur frostigen Jahreszeit möchte ich daher wieder eine Reise in den hohen Norden Aventuriens unternehmen, genauer gesagt nach Paavi, in dessen Umgebung Kommando „Olachtai“ von Werner Langenegger spielt.

In Zahlen:
– Abenteuer Nr. B18
– 55 Seiten
– Erschienen 1987

I. Aufbau und Inhalt

Klassischer Weise beginnt das Abenteuer mit einem längeren Erzähltext, der sich nicht groß damit aufhält, Gedanken über die Motivation der Helden anzustellen, ausgerechnet so weit in den hohen Norden zu reisen. Stattdessen werden die Spielercharaktere schlichtweg zu den Opfern eines Piratenüberfalls erklärt, die nun quasi in Paavi gestrandet sind. Wie es der „Zufall“ allerdings so will, kommen die tapferen Recken aber gerade zur rechten Zeit, wird doch Paavi just nach ihrer Ankunft Opfer eines Angriffs durch einen Schwarm Riesenalken, die die Stadt mit Steinen bombardieren. Wie sich schnell in Erfahrung bringen lässt, steckt dahinter der Schwarzmagier Olachtai, der die Vorherrschaft in der Nordregion anstrebt. Herzog Dermot persönlich beauftragt die Helden daher, den Schurken zur Strecke zu bringen.

Nach diesem Erzählteil entpuppt sich Kommando „Olachtai“ vor allem als lupenreines Wildnisabenteuer, wobei es zunächst gilt, Olachtais Unterschlupf zu finden. Mithilfe einer Geländekarte durchquert man bestimmte Abschnitte, in denen eine ganze Reihe von Zufallsbegegnungen, Gegnern und Kreaturen warten. Einerseits durchstreifen allenthalben von Olachtai beherrschte Norbarden das Gebiet, anderseits warten mehr oder weniger illustre Gestalten wie eine hungrige Ogerbande, ein Riesenigel, ein unflätiger Meckerdrache oder ein rätselliebender Kobold darauf, den Helden eine schnelle Durchreise zu erschweren.

Früher oder später sollte es dennoch gelingen, das Versteck des Schurken ausfindig zu machen. Dieser verbirgt sich stilecht in einem verlassenen Hesindeheiligtum, der sogenannten Steinernen Schlange von Paavi. Hier müssen sich die Helden durch ein Dungeon mit mehreren Ebenen arbeiten, das gespickt mit Fallen und Gegnern ist, bis man schließlich dem Antagonisten persönlich gegenüber steht.

II. Figuren

Im typischen Stile der meisten Abenteuer aus den 1980er Jahren geizt Kommando „Olachtai“ mit NSCs, die einen individuellen Charakter erhalten. Im Prinzip sind nur der Auftraggeber Herzog Dermot und der Gegenspieler Olachtai selbst erwähnenswert. Dermot bleibt dabei eine absolute Randfigur, der den Helden lediglich den Auftrag erteilt, wobei es dazu keine ausgeschmückte Szene gibt, lediglich der Belohnungsrahmen und die kargen Informationen über Olachtai werden umrissen. Der Herzog erhält keine Charaktereigenschaften, die nahelegen, ob es sich um einen gerechten Herrscher oder einen lokalen Tyrannen handelt.

Olachtai hat seinen Auftritt erst im Finale, wobei er an einen Ort gebunden ist. Auch in seinem Fall gibt es keine Auseinandersetzung mit seinem Charakter, dafür allerdings eine ausführliche Beschreibung seiner Vorgehensweise in der folgenden Auseinandersetzung, was z.B. die Verwendung von Zaubersprüchen und sein Fluchtverhalten angeht.

III. Kritik

Nimmt man das reine Grundgerüst, hat das Abenteuer eigentlich alles, was für ein paar spannende Spielabende nötig ist: eine ganze Stadt in Gefahr, einen Gegenspieler, der mit den Riesenalken und den Norbarden über eine beträchtliche Anzahl an Handlangern verfügt, ein unheimliches feindliches Hauptquartier. Mit der kurzen, aber effektreichen Einführung, dem folgenden Wildnisteil und dem Vordringen in das Dungeon als Finale verfügt der Band außerdem über einen zwar simplen, aber hinreichenden dramaturgischen Aufbau. Problematisch wird es allerdings, wenn man sich die konkrete Umsetzung anschaut.

Zunächst beginnt das Abenteuer mit der typischen extremen Heldengängelung alter Zeiten, wenn diese zu Gestrandeten in Paavi erklärt werden, die sich zudem eine komplett neue Ausrüstung besorgen müssen. Eine Setzung, die den meisten Spielgruppen kaum gefallen dürfte, die allerdings auch nicht unbedingt so eingehalten werden muss, vor allem nicht, wenn man in heutigen Zeiten spielt. Die grundsätzliche Einführung mit dem Angriff der Riesenalken ist zwar nicht unbedingt originell, erfüllt aber ihren Zweck, indem Olachtais Machenschaften als reale Gefahr dargestellt werden. Zudem: Welcher Held fühlt sich nicht geschmeichelt, wenn er vom lokalen Herrscher persönlich mit der Rettung des gesamten Landstrichs beauftragt wird?

Nein, das ist offensichtlich nicht nur ein Schreibfehler im Begriff "Riesenegel:" DSA auf LSD. (von Josef Ochmann)

Nein, das ist offensichtlich nicht nur ein Schreibfehler im Begriff „Riesenegel:“ DSA auf LSD. (von Josef Ochmann)

Relativ wirr wird es aber, sobald der Geländeteil des Abenteuers beginnt. Hier reiht sich munter eine obskure Begegnung an die nächste, mit Ogern, Meckerdrachen, Tatzelwürmern und Wölfen wird sowohl das konventionelle Bestiarium wie auch das Kuriositätenkabinett ausgereizt, das mit Riesenaffen, Riesenigeln oder einer „dreiköpfigen Missgeburt“ bedient wird.

Im Prinzip ist es in den alten Abenteuern durchaus nicht ungewöhnlich, eine Umgebung zu kreieren, die den Helden ein Maximum an Abwechslung durch die Konfrontation mit möglichst vielen Gegnern bietet. Letztlich lag der Schwerpunkt noch nicht auf „modernem Schnickschnack“ wie raffinierten Intrigenplots oder schweren moralischen Dilemmasituationen, stattdessen stand pures, spaßiges Monsterschnetzeln im Vordergrund. Was ja auch überhaupt nicht verwerflich ist, wenn es denn gut umgesetzt wird. Allerdings ist hier eben kaum ein durchdachter Aufbau erkennbar, sondern ein zusammengewürfeltes Sammelsurium an Kreaturen, teilweise ist sogar im Text angegeben, dass bestimmte Wesen keine Verbindung zur allgemeinen Handlung haben, sondern eben einfach nur zufällig da sind. Bei den allerersten Abenteuern ist das meiner Meinung nach durchaus auch noch als experimentale Phase verzeihbar, allerdings haben einige der vorhergehenden Abenteuer auch damals schon Beispiele vorgegeben, wie eine Handlung bzw. eine Umgebung wesentlich konsistenter konstruiert werden kann, z.B. das gelungene Unter dem Nordlicht. Auch die Orklandtrilogie, die zwar sicher nicht fehlerfrei ist, ist trotzdem durchdachter im Wildnisteil aufgebaut.

Relativ ähnlich wird dies im abschließenden Dungeon fortgeführt. Hier wird vollkommen außer Acht gelassen, dass Olachtai und seine Spießgesellen dort ja tagtäglich anwesend sind. In diesem Kontext passt ein reiner Aufbau als fallengespicktes Dungeon nicht. So muten dann Felsspalten, die nur über eine Brücke in Form eines überdimensionierten Schwertes (!) überquert werden können, ziemlich absurd an, stellt man sich vor, dass Olachtai selbst dort auch jeden Tag mehrfach hinüberspazieren muss.

Blickt man auf den Buchdeckel, so ist eine deutliche Einstufung als Einsteigerabenteuer (Stufe 2-5) erkennbar. Nimmt man die reine Handlung und die Gegnerdichte, so erscheint dies deutlich zu niedrig angesetzt angesichts der Menge an Gegnern, wobei auch einige sehr schlagkräftige Kreaturen vorhanden sind. Manche Fallen sind zudem fast schon unfair und umständlich konstruiert, z. B. eine Pendelfalle, bei der jeder einzelne Held 20 Würfelwürfe hinter sich bringen muss, um sie erfolgreich zu überwinden. Merkwürdigerweise wird dabei nicht auf eine normale Probe zurückgegriffen, sondern verlangt, in jedem Wurf die entsprechende Augenzahl zu vermeiden (1 im 1. Wurf, 2 im 2. Wurf etc.). Das mag im Orkenhort passen, bei einer konventionellen Falle nicht.

Ist Magier der 14. Stufe und kann alle 5 Stabzauber: Olachtai selbst. (von Josef Ochmann)

Ist Magier der 14. Stufe und kann alle 5 Stabzauber: Olachtai selbst. (von Josef Ochmann)

Recht typisch für die alten Abenteuer ist auch hier die Raumgebundenheit. Gegner sind im Regelfall nicht mobil, sondern „warten“ quasi an einem vorgesehenen Ort, bis das Auftauchen der Helden sie aktiviert. Das zieht sich schlussendlich bis zum Antagonisten Olachtai persönlich hin. Auch dies ist vergleichsweise schade, weil es zuvor durchaus auch schon Abenteuer gegeben hat, die ein deutlich komplexeres Figurenverhalten vorgesehen haben. Besonders augenfällig ist dabei der Antagonist Olachtai, dessen Agenda lediglich in der Einführung kurz und diffus angesprochen wird (O-Ton: „Er will die Küsten an Ifirns Ozean beherrschen“). Genaueres erfährt man selbst dann nicht, wenn man ihm persönlich begegnet, auch seine Kraftquellen werden nicht erläutert, obwohl er eine ganze Reihe von Schergen zu kontrollieren scheint, die teilweise sogar bis in den Tod für ihren Meister kämpfen.

Umgekehrt darf man natürlich den Trash- und Spaßfaktor nicht außer Acht lassen, der gerade in solchen Abenteuern durch ihren archaischen Charme absolut vorhanden ist. Wer sich nicht an der fehlenden Logik der Gesamtkonstruktion stört, bekommt ein lustiges Monsterschnetzeln geliefert, bei der man sich immerhin durch eine beachtliche Palette an Monstern arbeiten und dafür gerade materiell eine beachtliche Belohnung erhalten kann, nimmt man Dermots Lohn und die Beute zusammen.

IV. Fazit

„Klassiker“ als Begriff legt ja häufig nahe, dass es sich um ein zeitloses Werk handelt, das auch über seine Entstehungszeit hinauswirkt. Auf Kommando „Olachtai“ trifft dies meiner Meinung nach unterm Strich kaum zu, einfach weil hier zu viele Einzelelemente zu einem Ganzen zusammengefügt wurden, das in sich zu wenig stimmig ist. Spaß bereitet der Band heute wohl nur noch dann, wenn man genau diesen Trashfaktor in den Vordergrund stellt und einfach nur jede Menge Monster verprügeln möchte.

Daher: Neun Einhörner haben frohgemut den Weg ins ferne Paavi auf sich genommen. Zwei von ihnen sind aber schon auf der Anreise an falscher Stelle gestrandet, während sich ein weiteres empört auf die Suche nach der verlorenen Ausrüstung begeben hat. Nummer vier und fünf suchen erfolglos nach einem Weg durch die Wildnis, während das Sechste immer noch nach Olachtais Motivation fahndet. Die drei Unverdrossenen aber haben beschlossen, eine feucht-fröhliche Tour durch Paavis Umgebung zu unternehmen, um letztlich Freundschaft mit einem Riesenigel zu schließen.
Bewertung: 3 von 9 Retro-Rentieren

Bewertung Rentiere 3

Nandurion dankt dem Gastrezensenten für den vorweihnachtlichen Ausflug nach Paavi!

Über Vibarts Voice

1986 entwickelte Michael Gorbachow den Begriff "Glasnost" und die Raumfähre Challenger explodierte beim Start. Im selben Jahr wurde DSA Teil meines Lebens, und obwohl die UdSSR und das Space-Shuttle-Programm längst Geschichte sind, ist DSA noch immer zentraler Aspekt meiner Existenz. Ich spiele und meistere regelmäßig. Seit Mai 2012 bin ich darüber hinaus hier bei Nandurion tätig.
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3 Antworten zu Kommando „Olachtai“

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  2. Eisvogel sagt:

    Danke für die gelungene Rezension.
    Uns hat das Abenteuer damals großen Spass bereitet, mein Sohn hat es erfolgreich auf der letzten WiLuMa diesen November geleitet. Wenn man sich mit einem Augenzwinkern drauf einlässt, kann man auch heutzutage noch eine vergnügliche Zeit mit den Abenteuern aus der DSA-Frühepoche verbringen.

  3. zakkarus sagt:

    Nett – und wahr!
    Obwohl das Abenteuer anpaßbar ist – und ich für meine damalige Gruppe eine Verbindung zu Zurbaran und Morgul als quasi Vor-Borbaradkampagne einbaute.

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