Dämmerstunden

Na komm‘, Travia, ich möchte ein Spiel spielen.“
– Torxes von Freigeist
, in der Umgebung Mengbillas aufgeschnappt

Meine Name ist Alrik. Der Zuckerbäcker.“
– Beginn der autobiografischen Erzählung
Ich und die Armee der Finsternis“ von Alrik Lagerschelle

Welcher Feind es mir stahl? Nur einer, der wie ich nach dem ewigen Leben sucht!“
– Magister Antonius Phobius, Nekromant, nahe Fasar gehört

„Keine Zeit, keine Zeit!
– Melan
Leporida, mit Blick auf ein Vinsalter Ei

Dämmerstunden-CoverDämmerstunden umfasst vier Abenteuer, die allesamt vor dem thematischen Hintergrund „Horror“ angesiedelt sind. Dabei handelt es sich um ein Genre mit unzähligen Facetten wie dem eher subtilen Horror der Körperfresser, der ekligen, aber lustigen Splatter-Action von Braindead, dem erbarmungslosen Horror von Shining oder auch dem brutalen Gore-Festival der Saw-Reihe. Entsprechend nehmen auch die im Band enthaltenen Abenteuer verschiedene Anleihen, so dass für jeden Spieler etwas dabei sein sollte.

Um eine schnelle Übersicht der jeweils anzutreffenden Horror-Thematik zu geben, habe ich jedem Abenteuer in dieser Rezension eine kleine Übersicht vorangestellt. Wer beim Lesen auch gerne etwas Musik hört, dem sind jeweils thematisch passende Musikstücke anempfohlen. Nun aber genug der Vorworte – Vorhang auf für den schaurigen Reigen.

Geisterjahrmarkt

von Muna Bering und Jan Bratz

  • Worum geht es? Jagt dem fiesen Wicht die unschuldigen Seelen ab. Dafür müsst ihr aber erst seine perfiden Spielchen spielen.
  • Wäre ich ein Film, dann am ehesten: Ghost Ship, mit einem kleinen Pennywise, das ganze auf der Kirmes
  • Das Horror-Grundthema: Geister & verfluchter Jahrmarkt
  • Der/die/das Böse: ein Kobold der gemeinen Sorte, mit Hass auf Schausteller
  • Soundtrack: Pop oder Punk

Bewertet die Spielhilfe im Forum von dsa4.deGeisterjahrmarkt ist so angelegt, dass es ohne große Umbauten in allen zivilisierten Gegenden Aventuriens angesiedelt werden kann. Auch der Zeitraum ist beliebig, da keine weltbewegenden Rahmenhandlungen eingeflochten sind. Das auftauchende Dorf Weiderfleck und die handelnden Personen passen gut ins nördliche Mittelreich, mit wenig Arbeit lassen sie sich aber auch auf andere Regionen übertragen. Das Abenteuer bietet ein Szenario, in dem die Helden die perversen Spielchen eines dank Freizauberei übermächtigen Gegners solange ertragen müssen, bis sie ein Mittel gefunden haben, seine Macht zu brechen. So können sie ihn besiegen, seine noch lebenden Opfer befreien und den Toten die Erlösung geben.

Der Einstieg läuft kurz und schmerzlos in einer Taverne ab, in der verzweifelte Dörfler um die Mutter Mo ihr Leid in Alkohol ertränken, da zwei Kinder und drei sie suchende Erwachsene in den nahen Ruinen eines Jahrmarkts verschollen sind. Echte Helden nehmen sich der Sache natürlich sofort an und erhalten schnell Informationen über den nach einem unerklärlichen Massaker unter den Schauleuten vor zwei Jahren anscheinend verfluchten Platz. Hauptquellen hierfür sind die Dorfbewohner und die einzige Überlebende. Es folgt, in den aufziehenden Abend hinein, die Reise zu den verfallenen Zelten und Wagen. Nach und nach baut sich hier Gruselatmosphäre auf. In der schaurigen Umgebung wird einer der Vermissten tot aufgefunden, es gibt die eine oder andere Geistererscheinung, und schließlich folgt der Auftritt des Kobolds. Bis hierhin ist das Abenteuer ohne große Überraschung, die eigentliche Handlung setzt im Prinzip erst jetzt ein.

Was die Helden nämlich nicht wissen: Der unter einem schlechten Stern geborene Bösewicht hasst Gaukler, da einer vom fahrenden Volk die (unerwiderte) Liebe seines Lebens tötete. Aus Rache will er sie nun alle ins Verderben führen, weshalb er sich auch diesem Jahrmarkt anschloss. Sein Plan gelang dank der seinem Volk gegebenen freizauberischen Fähigkeiten, und nun herrscht der Wicht über die noch lebenden Gefangenen und die Geister der Toten an diesem Ort.

Mitternachtsmondunterschwarzelwurzelgeschlüpfter – mit dem wahren Namen muss man durchdrehen.

Mitternachtsmondunterschwarzerwurzelgeschlüpfter – mit dem Wahren Namen muss man durchdrehen.

Nach kurzem, zunächst scheinbar freundlichem Geplänkel zeigt der schrecklich gelangweilte Kobold sein wahres Ich und fordert von den Helden, mit ihm um das Leben der Dörfler zu spielen und ihn dabei zu erheitern. Er denkt natürlich nicht daran, sein Wort zu halten, den Helden bleibt aber, egal ob sie ihm glauben oder nicht, nichts anderes übrig, als mitzuspielen, da er für sie viel zu mächtig ist und zudem Geiseln hat.

Glücklicherweise helfen die Geister der Opfer den Helden, allen voran Jahrmarktsdirektor Bomil. Sie kennen die einzige Schwachstelle des Kobolds: Seinen Wahren Namen. Zwar hat der Bösewicht den Geistern per Zauber die Möglichkeit genommen, den Namen einfach so zu verraten, eine häppchenweise Übermittlung per Scharade dabei aber vergessen. Der geneigte Leser ahnt es vermutlich schon: Nun folgt die Schnitzeljagd nach dem Namensbestandteilen. Die Helden müssen vier Spiele des Kobolds überstehen und dabei heimlich die Begriffe raten, die die Geister ihnen unauffällig zeigen. Bekommt der Kobold etwas mit, bringt er aus erzieherischen Maßnahmen eine Geisel um. Wenn der Kobold am Ende sein Wort bricht, hat die Gruppe hoffentlich seinen Namen richtig zusammengesetzt, nimmt ihm so seine freizauberischen Fähigkeiten und kann ihn in Folge dessen besiegen. Die überlebenden Gefangenen sind dann frei und die ruhelosen Geister erlöst.

Der Horror im Abenteuer entsteht vor allem aus drei Quellen: Zum einen bietet der morbide Charakter des verfallenen Jahrmarkts mit den um ihn kursierenden blutigen Geschichten eine wirklich gelungene, schaurige Grundstimmung. Die Geistererscheinungen selbst bilden darin als zweites Element das Salz in der Suppe. Ihr Einsatz sollte aber vorsichtig dosiert werden. Die hilfreichen Geister dürfen keine Antwortautomaten werden, da sie sonst kaum noch schaurig wirken, die gewalttätigen oder blutigen Erscheinungen nicht zu geballt auftreten, da sie sonst schnell abstumpfen.

Das dritte Element ist der Kobold selbst. Er ist schlichtweg wahnsinnig und besitzt eine rabenschwarze Seele. Richtig eingesetzt, mit aller Skrupellosigkeit, hat man hier einen Gegenspieler, der in den Spielern Rachegefühle wachsen lassen wird. Durch seine Allmacht, gerade zu Beginn des Abenteuers, ist hier aber auch viel Fingerspitzengefühl nötig, da die Sache sonst schnell aus dem Ruder laufen kann. Spieler, die mit immunen Gegnern ihre Probleme haben, sollten dieses Abenteuer auch entsprechend meiden, da sie kaum Gefallen daran finden werden.

Manches Detail ist erst auf den zweiten Blick zu sehen - Geistererscheinung auf dem Jahrmarkt.

Manches Detail ist erst auf den zweiten Blick zu sehen – Geistererscheinung auf dem Jahrmarkt.

Was mir an dem Abenteuer nicht so gut gefallen hat, ist der lineare Aufbau. Die Helden haben wenig Möglichkeiten, den Plot in bestimmte Richtungen zu verschieben. Bis zur Ankunft am Jahrmarkt ist das Abenteuer eigentlich nur ein langer Einstieg zum Stimmungsaufbau. Dort angekommen beginnt die eigentliche Handlung, doch ereilen die Helden auch hier fast alle Geschehnisse automatisch. Die Macht des Kobolds verhindert zudem viele Aktionsmöglichkeiten der Helden, außer der vorgegebenen Schnitzeljagd nach den Namensbestandteilen.

Darüber hinaus empfinde ich auch ein paar Objekte und enthaltene Setzungen nicht als sonderlich glücklich:

  • Ein eher sinnloses 3 ZfP* ODEM-Amulett, bei dem weder Auslöser noch Ladungszahl thematisiert werden und das einen Zauber wirkt, den in den weitaus meisten Heldengruppen eh mindestens ein Mitglied beherrschen dürfte.
  • Die fünf Namensbestandteile des Wahren Namens Mitternachtsmondunterschwarzerwurzelgeschlüpfter, bei denen gerade „unter Wurzel“ und „Geschlüpfter“ als genaue Begriffe per Scharade sehr schwierig zu vermitteln sein dürften. Dazu müssen am Ende nicht nur die Silben aneinandergehängt werden, sondern in „unter Wurzel“ auch noch „schwarz“ integriert werden. Das Rätsel halte ich so für nicht besonders gelungen.
  • Die stufenweise Reduktion der magischen Fähigkeiten und der Magieresistenz des Kobolds durch die Silben des Wahren Namens ist interessant, enthält aber auch einige Fallstricke. So verliert der Kobold nach Setzung nur seine Fähigkeiten gegenüber denjenigen, die den Namen aussprechen – aber warum verliert er bspw. damit auch Zauber mit dem Merkmal Objekt, die nicht gegen eine Person gesprochen werden?

Was mir auf der anderen Seite an dem Abenteuer wirklich gut gefällt, ist der Aufbau der gruseligen Stimmung und des schaurigen Ambientes. Das klappt, indem die Geschichte des Jahrmarkts den Helden nur nach und nach bewusst wird und diese sich lange nicht sicher sein können, was gerade wirklich passiert und früher passiert ist, und ob die Schauleute bspw. selbst der Grund für das Massaker waren oder nur dessen Opfer.

Es sind auch einige schöne Ideen zu schaurigen Geisterszenen enthalten, bei denen Klassiker genutzt werden: zum Beispiel die Konfrontation mit Kinderknochen oder erst auf den zweiten Blick erkennbare, überraschende Details bei einer zunächst harmlos wirkenden Erscheinung. (Die Abbildung des Tänzers ist übrigens nur im PDF vernünftig mit allen Details erkennbar, in der Printversion ist der Kontrast einfach zu schwach.) Die ausgearbeiteten Spielchen selbst sind durchaus abwechslungsreich und solide. Vor allem die Forderung des Kobolds, mit dem jahrmarktseigenen Marionettentheater eine Gruselgeschichte aufzuführen, finde ich eine sehr schöne Idee.

Geisterjahrmarkt ist insgesamt ein Abenteuer, das sehr von der Stimmung lebt, dessen Struktur aber leider auch einige Schwächen aufweist. Vor allem Gruppen, die ein freies Spiel mit wenig Zwang bevorzugen, werden hier Probleme haben. Wem hauptsächlich etwas an Gruselstimmung liegt und wer dabei auch eine eingleisige Geisterbahnfahrt in Kauf nimmt, der wird hier aber ein unterhaltsames Gruselabenteuer finden.

Die Nacht der Geifernden Mäuler

von Dominic Hladek

Bewertet die Spielhilfe im Forum von dsa4.deDie Nacht der Geifernden Mäuler endet – wie der Titel andeutet – als klassische Zombie-Apokalypse. Ein solches Gemetzel alleine wäre aber etwas langweilig, und so ist es gut, dass das Abenteuer noch mehr zu bieten hat – und dies auf pfiffige Art und Weise. Der erste Teil der Handlung ist in sich abgeschlossen und bietet den Helden im Prinzip alles, von Einstieg bis (Schein-)Finale. Der zentrale Clou besteht darin, dass nach dem Vorfinale für die Helden völlig unerwartet die (Nieder-)Hölle losbricht und sie in bester Zombie-Apokalypse-Manier zusammen mit einigen NSCs ums Überleben kämpfen müssen. Nur dass Ghule die Rolle der Zombies übernehmen. Als Meister sollte man sich also tunlichst hüten, den Spielern vorab Andeutungen zum zweiten Teil zu machen, da man sonst die Überraschung verdirbt. Das schließt die Nennung des Titels des Abenteuers mit ein.

Der Einstieg in die Handlung erfolgt über eine Anwerbung durch die Boronkirche im befreiten Warunk. Die Helden sollen den Geweihten Boronifatius zum unbedeutenden Dörfchen Notacker begleiten, das nach der Befreiung noch nicht von den neuen Autoritäten besucht wurde. Der Geweihte soll sich um die Belange der Dörfler kümmern, unheilige Restgefahren beseitigen und den Boronanger neu weihen.

Auf der Reise kommt die Gruppe mit der ersten zwielichtigen Dorfgestalt in Kontakt, dem ehemaligen Knochenhändler Dragomir, der sich vor einer Horde Ghule versteckt hält. Hier entspinnt sich die interessante und alles andere als platte Handlung des ersten Abenteuerteils. Neben der klassischen Horrorthematik geht es hier um das Dilemma der Besatzungszeit: Wer ist Kollaborateur und wer nicht, wer hat nur notgedrungen kooperiert und wer vor allem sich selbst bereichert? Es liegt nun an den Helden, dieses Dickicht weitestgehend zu lüften und so einige Morde der Vergangenheit aufzuklären, deren Initiator Burgol als reichster Bauer noch immer im Dorf lebt und alles versucht, die Schuld auf den zurückgebliebenen Dragomir abzuwälzen. Die Helden können dabei aber durchaus auch scheitern ohne den Plot zu kippen, der eigentliche Clou kommt ja erst noch.

Helden wie wir - oder doch nur Redshirts?

Helden wie wir – oder doch nur Redshirts? (von Christian Schob)

Im Finale des ersten Teils erfolgt die neue Einsegnung des Boronangers. Diese hat aber unerwartet unerfreuliche Auswirkungen. Um einer Ghulseuche im Umland Herr zu werden, hatten die Nekromanten nämlich einen untoten Tatzelwurm im Boronanger vergraben. Der Geruch dieser Wesenheit hielt die Ghule fortan von den Leichen und damit auch vom Dorf fern. Im Tatzelwurm steckt außerdem ein untoter Drachenbandwurm, der bevorzugt die astralen Energien der Ghulinfizierung absorbiert und so die endgültige Verwandlung einiger durch Ghulbisse infizierter Dörfler verhindert. Durch die Weihe wird nun der von der Vernichtung bedrohte Tatzelwurm zum Angriff getrieben und sollte schließlich auf die eine oder andere Weise von den Helden vernichtet werden.

Nach diesem Finalkampf, der den Helden und Spielern als Ende des Abenteuers verkauft werden kann, setzt dann ein verhängnisvoller Prozess ein: Zum einen werden die Ghule der Umgebung nicht mehr abgeschreckt und dringen nachts ins Dorf vor, zum anderen bricht die bei einigen Einwohnern bislang noch latente Ghulinfizierung aus. Die Feierlichkeiten zum Sieg über die Bestie münden folglich nachts direkt in die totale Ghul-Apokalypse.

Erst jetzt ist das eigentliche Finale erreicht. Die Helden werden vermutlich vom Ghulangriff völlig überrascht und können gegen die auf sie eindringende Übermacht nur noch zu überleben versuchen. Das Abenteuer sieht hierbei 50 SR, also etwas mehr als vier Stunden, bis Sonnenaufgang vor, die die Lebenden überstehen müssen. Dabei bleiben ihnen die Optionen Flucht, Verstecken oder Kampf, wobei auch noch einige NSCs beschützt werden wollen. Als Höhepunkt taucht kurz vor Sonnenaufgang auch noch der bereits aus Von Toten und Untoten bekannte Ghulkönig auf, doch dieser muss – borondank – nicht zwangsläufig besiegt werden, um mit heiler Haut zu entkommen.

Was ist zum Abenteuer zu sagen? Erst einmal sind die Schwachstellen zu benennen: An einigen Stellen werden Regeln und Setzungen doch sehr frei ausgelegt. Dies ist glücklicherweise an keiner Stelle wirklich kritisch, aber es stört manchmal schon. Die meisten Setzungen zu den Ghulen entsprechen bspw. denjenigen in Von Toten und Untoten, wie etwa die Spezialisierungen von Ghulen in einer Rotte oder die Angaben zum Ghulkönig. Es gibt aber auch Abweichungen. Die Ghule werden hier der Domäne Asfaloths zugeordnet, was bisher so nicht gesetzt war und meiner Meinung nach auch unnötig ist. Die Wirkung des Ghulgifts kann entsprechend auch durch ASFALOTHBANN aufgehoben werden. Es wird auch nicht darauf eingegangen, wie die Ghule auf die wahrscheinlich erfolgreiche Weihe des Boronangers reagieren. Laut Von Toten und Untoten werden sie zwar nicht durch geweihten Boden oder Objekte geschädigt, von Grabeinsegnungen aber dennoch abgehalten. Dies wird, so mein Eindruck, hier im großen Maßstab anders gehandhabt, um die Konstruktion des Abenteuers zu ermöglichen.

Bringt eure Toten raus! - Ghule auf Burg Kaltenstein. (von Christian Schob)

Bringt eure Toten raus! – Ghule auf Burg Kaltenstein. (von Christian Schob)

Weitere kleinere Punkte, die mich stören, wurden für angedachte Handlungsmöglichkeiten der Helden in Kauf genommen. Eine im lichtlosen Keller wachsende Naftanstaude (zur improvisierten Goldleimherstellung), ein Knochengolem, der die Befehle beliebiger anwesender Personen befolgt, ein magischer Zweihänder, der auf die Worte „Rondra hilf!“ einen SENSATTACCO auslöst (Rondras Namen dafür zu benutzen, magische Vorteile im Kampf zu erhalten, ist aventurisch nicht wirklich stimmig) und per „Kor bewahre!“ einen EISESKÄLTE (was nicht so wirklich zu Kor passt, zudem der Zauber nur in elfischer oder kristallomantischer Repräsentation existiert, was ihn für so ein Artefakt meiner Meinung nach unpassend erscheinen lässt). Auch kann man sich fragen, ob das im Abenteuer gezeigte Höhlensystem unter dem Boronanger durch den dort zeitweise hausenden untoten Tatzelwurm nicht einige größere Gänge hätte erhalten müssen.

Aber abseits dieser Kritikpunkte, die bei genauerem Hinsehen auch nicht wirklich stören, bietet das Abenteuer auf der anderen Seite eine riesige Ideensammlung für Aktionen der Helden. Gerade am Ende finden sich für nahezu jede Örtlichkeit Ideen und Möglichkeiten für Heldenaktionen, von Verbarrikadier-Vorschlägen bis zu alchimistischen Schnellschüssen. Die Informationen sind außerdem sehr übersichtlich strukturiert, was das Meistern sehr erleichtert. Eine ebenfalls sehr nützliche Idee sind die NSC-Infokästen als Handout, die man kopieren kann und so beim Spiel schnell alle entsprechenden Informationen übersichtlich zur Hand hat (da diese sich nicht in den gemeinsamen Abenteueranhängen befinden, finden sie sich bislang leider nicht im Dämmerstunden-Handout-PDF).

Die ordentliche Anzahl ausgearbeiteter NSCs mit eigener Persönlichkeit und Motivationen gibt dem Spielleiter auch genügend Figuren mit Einsatzmöglichkeiten im finalen Gemetzel, inklusive passender Sterbeszenen für den Fall der Fälle, an die Hand. Alleine die Idee des Ghul-Immans ist beispielsweise einfach großer Sport. Die Meisterpersonen können außerdem von Spielern geführt werden, um auch ohne Heldenverlust ein wirklich tödliches Abenteuer zu erleben.

Ein weiterer dicker Pluspunkt ist die Masse an Ideen zur Ausgestaltung einer Unzahl von Aktionen wie Verstecken, Tarnen, Durch-enge-Gänge-Quetschen, Verbarrikadieren und Improvisieren von Gerätschaften. Bei den Örtlichkeiten finden sich jeweils entsprechende Hinweise, und in extra Kästen sind regelseitige Vorschläge dazu gesammelt. Auch der Ablauf der 50 SR Ghul-Hölle ist, inklusive zeitlich variabler und auf die Örtlichkeiten abgestimmter Begegnungstabelle, sinnvoll geregelt, ohne dabei zu komplex zu werden. Dafür eindeutig Daumen hoch!

Zusammengenommen fallen die negativen Punkte nicht wirklich ins Gewicht, da sie größtenteils keine zentralen Aspekte betreffen, während die vielen Ideen und schönen Gestaltungselemente tatsächlich viel Spielfreude versprechen. Es bleibt in der Summe ein hervorragendes Abenteuer, das eine Menge Spaß für Helden bietet, die in bester Bruce Campbell-Manier den ZombieGhul-Horden entgegen treten wollen.

Das letzte Stündlein

von Martin John

  • Worum geht es: Mit Hilfe eines Zeitartefakts aus einem „lebendig begraben“-Szenario mit Untoten zu entkommen – mit überraschender Pointe.
  • Wäre ich ein Film, dann am ehesten: Eine Prise Lebendig begraben mit einer Spur Das Jesus Video, kombiniert mit Die Mumie.
  • Das Horror-Grundthema: „Lebendig begraben!“ – mit Untoten
  • Der/die/das Böse: Die Dunkelheit und ein verfluchtes Heer von Untoten.
  • Soundtrack: Poe 80’s oder Poe 90’s

Bewertet die Spielhilfe im Forum von dsa4.deDas letzte Stündlein spielt als Abenteuer im Thalusa des Sultans Dolguruk. Als zeitliche Vorgabe ist die aventurische Gegenwart um 1034 BF angegeben, aber im Prinzip ist die Zeit ab 1024 BF denkbar, ohne am Abenteuer Änderungen vornehmen zu müssen. Das Abenteuer bietet klassischen Horror: Eingeschlossen in einem dunklen Grab müssen die Helden einen Ausweg finden, bevor sie verdursten oder verhungern.

Der Einstieg in die Handlung ist sehr offen angelegt, und dem Spielleiter wird eine auf die Charaktere abgestimmte Beauftragung empfohlen, was im Anbetracht der Handlung sehr sinnvoll ist – doch dazu später mehr. Als Hilfe ist auch eine Auftraggeberin ausgearbeitet, die man ohne weitere Arbeit nutzen kann. Der Aufhänger bleibt jeweils der gleiche: Ein älterer Gelehrter namens Librarius ist verschwunden, und die Helden sollen ihn ausfindig machen oder Beweise für seinen Tod finden. Nach kurzer Recherche finden die Helden eine Spur, die nach Thalusa führt und der sie entsprechend folgen.

Dort angekommen wird zunächst die beängstigende Stimmung in der Stadt deutlich, in der Dolguruk der Schwarze mit eiserner Hand herrscht und Zuwiderhandlungen willkürlich und drakonisch bestraft werden. Bei der Suche nach dem Gelehrten erfahren die Helden, dass dieser inzwischen „im Loch“ einsitzt, dem sich auf dem Marktplatz befindenden, nur aus einem versperrten Schacht bestehenden Kerker für zum Tode Verurteilte. Er wurde beim Ausgraben eines uralten Sarkophags entdeckt – und da Grabfrevel als kapitales Verbrechen gilt, brachte ihm dies die Todesstrafe ein. Die Helden können unter Schwierigkeiten Kontakt zu Librarius aufnehmen und werden dabei Zeuge, wie der Sarkophag bei einer anstehenden Hinrichtung eingesetzt wird – etwas, das später noch wichtig sein wird. Die Frage, warum der Gelehrte für das Verbrechen der Grabschändung zum Tode verurteilt wird, der noch verschlossene Sarkophag dann aber bei einer Hinrichtung für eine Adlige eingesetzt werden soll, was ja nur über einen weiteren Grabfrevel funktionieren kann, wird vom Abenteuer hier leider nicht thematisiert.

Thalusa sehen und sterben - wer das auch gleich wörtlich nehmen muss.

Thalusa sehen und sterben – wer das auch gleich wörtlich nehmen muss…

Nun kommt der Hauptknackpunkt des Abenteuers: die weitere Handlung ist vollständig davon abhängig, dass die Helden sich auf einen äußerst fragwürdigen Plan einlassen. Die Situation des Gefangenen wird so dargestellt, dass es keine Möglichkeit gibt, ihn direkt aus dem „Loch“ zu befreien. Da aber bekannt ist, dass Grabfrevler in der Regel am Ort ihrer Tat bei lebendigen Leib eingemauert werden, sollen die Helden an dieser Stelle Werkzeug für die Flucht verstecken und sich ebenfalls für die gleiche Tat verurteilen lassen, damit sie mit dem Gelehrten zusammen eingemauert werden und dem extrem geschwächten Mann so eine Flucht ermöglichen sollen. Die Frage ist, wer wahnwitzig genug ist, sich in einem despotischen Staat mit willkürlicher Obrigkeit als Fremder dermaßen ans Messer zu liefern, zumal der Plan eklatante Schwächen hat – hierzu siehe unten. Hier hilft es nun aber auf jeden Fall, wenn der Auftrag für mehr als nur schnödes Geld angenommen wurde. Bei tiefergehenden Verpflichtungen mag ein solcher Plan nämlich etwas glaubwürdiger zu akzeptieren sein als bei einem schnöden Söldnervertrag.

Lassen die Helden sich auf das beschriebene Wagnis ein, werden sie tatsächlich verurteilt und mit dem Gelehrten eingemauert – jedoch an etwas anderer Stelle. In der Dunkelheit einer zugemauerten Höhlung eines Hügels eingeschlossen, muss die Gruppe nun einen Fluchtweg finden. Die Umstände lassen ihr dabei nur einen Weg übrig – weiter in den Hügel hinein. Dort stoßen die Helden auf das verfluchte Grabversteck des früheren Sultans Dunchaban, das seinerseits in einem ehemaligen Satinav-Tempel erbaut wurde.

Hintergrund der ganzen Angelegenheit ist, dass Librarius, durch Alter und Gebrechen geängstigt, auf der Suche nach einem Weg zur Überlistung der Zeit auf die Spur Dunchabans stieß. Dieser hatte sich vor dem siegreichen Silem-Horas mit einem Sohn und Hofstaat in den Grabhügel geflüchtet, um dort mit Satinavs Hilfe die bosparanische Besatzung zu überdauern und dereinst triumphal zurückzukehren. Dazu sollte ihm ein Artefakt in Form eines Sarkophags dienen – genau jener Sarkophag, den Librarius ausgrub und den die Helden auf dem Marktplatz bei der Hinrichtung sahen.

Im Grab geraten die Helden durch ein von Satinav selbst gesetztes Zeitportal zurück ins Jahr 86 v. BF. Das Tor hat der Herr der Zeit als Strafe gesetzt, da die Tulamiden ihn frevlerischerweise um eine Zeitbeschleunigung gebeten hatten. Das Überdauern im Grab stellte sich für die Eingeschlossenen nach einiger Zeit als unmöglich heraus, eine Flucht nach außen ebenfalls. Als die Vorräte zur Neige gingen und die ersten Toten durch einen vom bösen neuen Statthalter des Kaisers über den Hügel gelegten Thargunitoth-Fluch als Untote wieder aufstanden, steigerte sich die Panik der Eingeschlossenen bis zum Aufstand, so dass der Herrscher nicht mehr dazu kam, den Sarg zu benutzen, zumal sein zweiter Sohn ihn direkt zu Beginn zu allem Überfluss auch noch verraten hatte.

Die Toten bzw. Untoten, auf die die Gruppe im Grab trifft, sind, entsprechend der Zeitreise, erst drei Jahre tot. Die Gruppe kann so allmählich erahnen, dass sie in der Zeit zurückgereist ist. Es gilt nun für die Helden, Licht zu erhalten, die Untoten im Zaum zu halten und schließlich das Grab/den Tempel zur erkunden, bis sie schließlich die Grabkammer erreichen – wo sie den bereits bekannten, aber noch unverschlossenen Sarkophag wiederfinden. Librarius selbst erlebt das nicht mehr, er wird ein Opfer der Untoten – im Endeffekt als Warnung für die Spieler.

Am Ende soll den Helden dann dämmern, dass ihnen nur eine Fluchtmöglichkeit bleibt: Untersuchungen in der Anlage und am Artefakt zeigen, dass der Sarkophag seinen Inhalt solange zu konservieren scheint, bis er wieder geöffnet wird. Da die Helden miterlebt haben, wann dies der Fall sein wird, sollten sie daher den Plan schmieden, sich im Sarkophag einzuschließen, um so wieder in die Gegenwart zu entkommen. Untersuchen sie das Grab gründlich, können sie noch etwas anderes erreichen: Das Abenteuer spinnt die Geschichte des Richtschwerts Dolguruks als Waffe eines der Söhne Dunchabans weiter. Die Helden können die nicht verfluchte Zwillingswaffe des zweiten Sohnes erbeuten, die sie nach Rückkehr in die Gegenwart sogar gegen den verfluchten Zweihänder des schwarzen Elfen austauschen können.

Zum Glück ist Triceratops Vegetarier - der Herr der Zeit in Ketten (Janina Robben).

Zum Glück ist Triceratops Vegetarier – der Herr der Zeit in Ketten (Janina Robben).

Die Bewertung des Abenteuers ist nicht ganz einfach. Es gibt da leider einige Punkte, die wirklich nicht gut durchdacht sind. Alleine die Tatsache, dass die Helden sich einer willkürlichen Staatsmacht ausliefern sollen, um sich lebendig einmauern zu lassen, ist nicht wirklich geschickt eingefädelt. Der gesetzte Plan wirkt äußerst bemüht: Der Gelehrte darf nicht anders frei zu bekommen sein, egal wie schlau die Helden vorgehen, da ansonsten die Handlung vorbei ist. Beherrscht ein Charakter den TRANSVERSALIS oder kann Erzdschinne beschwören, kippt der Plot ebenfalls sofort. Auch andere magische (VISIBILI, SILENTIUM, AURIS NASUS, NEBELWAND, HARMLOSE GESTALT etc.) oder karmale (vor allem natürlich phexische) Fähigkeiten in Kombination mit gewitzten Helden sind hier echte Plotkiller – was sehr ärgerlich ist. Das Abenteuer geht leider auch nicht auf entsprechende Fallstricke ein und beschwört lediglich eine massive Wachenpräsenz in der Nähe. Da steht man als Spielleiter schnell im Regen und muss die Spieler dann entweder möglichst schmerzfrei Richtung Plot bewegen oder diesen komplett über Bord werfen.

Schluckt man alles, um die Geschichte erleben zu können, stehen dennoch schon die nächsten Probleme an. In einer Höhlung eingeschlossen, ohne Waffen und Ausrüstung, speist sich ein guter Teil des Horrors aus der Dunkelheit und der Angst zu ersticken. Gerade ersteres geht im konkreten Spiel eine Zeit lang gut. Man beschreibt nur haptische und akustische Eindrücke und gibt Erkenntnisse über entsprechende Proben weiter. Auf Dauer ist diese indirekte Beschreibung aber ermüdend. Zur Lösung der Situation braucht es so oder so Licht. Entweder die Helden besitzen die Möglichkeit zu magischem oder karmalem Licht, dann ist dieser Horroraspekt schnell erledigt, aber was, wenn nicht?

Das Abenteuer gibt hier leider auch keine gute Antwort. Die Idee besteht darin, den Helden beim Graben in der absoluten Dunkelheit einen Feuerstein und eine zugehörige Stahlspange in die Hand zu spielen. Letztere sollen sie aufgrund ihrer Form auf jeden Fall erkennen können, ersterer soll sich haptisch vom Geröll nicht unterscheiden. Aufgrund des Fundes der Stahlspange soll nun auf die Existenz eines Feuersteins im Geröll, durch das man sich gerade gräbt, geschlossen werden. Dieser Stein kann aber nur durch Ausprobieren entdeckt werden, das ganze unter dem Zeitdruck des Erstickens. Man muss also in absoluter Dunkelheit inmitten mehrerer Personen, die die Suche auch ungewollt stören können, einen Stein finden, den man beim Graben u. U. schon längst sonstwo hin geworfen hat. Überzeugt mich nicht.

Nun kann man sich alleine mit Funken sowieso nicht wirklich gut umsehen. Deshalb bietet das Grab, in das man vorstößt, am Eingang zwei über 1000 Jahre alte gefüllte Öllampen, die natürlich noch funktionieren. Das an der gleichen Stelle eingelagerte Holz ist dagegen schon längst zu Staub zerfallen. Nein, das überzeugt mich auch nicht.

Die Zeitfrevel-Thematik ist ebenfalls nicht ohne Tücken. Das Abenteuer erklärt, dass Satinav die Tulamiden des Hofstaats strafen wollte, die in diesem ihm geweihten Tempel um eine Beschleunigung der Zeit beteten. Er lässt diese Zeitmanipulation nicht zu, straft aber mit einer weiteren Zeitmanipulation, die jedoch nicht einen anderen Zeitfrevel ausgleicht, sondern den eigentlichen  Zeitfrevel überhaupt erst ermöglicht? Nicht plausibel.

Auf der anderen Seite kann das Abenteuer aber mit einer wirklich gelungenen Pointe am Ende aufwarten. Der Sarkophag ist eine brillante Idee und sollte für die Spieler eine echte Überraschung sein und zudem einen schönen Aha-Effekt auslösen. Ebenso sind die Licht suchenden Untoten als Gefahr ein herrliches Horrorelement. Sie erlauben eine Aufrechterhaltung des Grusels, da so plausibel wird, warum Helden trotz Lichtquellen manche Räume dennoch wieder in Dunkelheit erforschen und gleichzeitig die ganze Zeit fürchten müssen, dass in der Dunkelheit ein Untoter auf sie wartet. Auch der Hintergrund zum Zweihänder Dolguruks ist ein schönes Detail, das außerdem weitere Ansatzpunkte für künftige Plots bietet. Ebenso bietet der Autor für die Zeitfrevel-Thematik einige schöne Ideen, die Frage betreffend, wie Helden, die einen solchen begangen haben, von Satinav manipuliert werden können, damit die Zeit wieder heilt.

Den verkorksten Einstieg kann man durchaus umbauen und so meines Erachtens retten. Beispielsweise könnte Librarius den Sarkophag bereits geborgen und an sicherer Stelle versteckt haben. Die Helden finden ihn dort. Er teilt ihnen mit, dass er für die Nacht bereits einen Steinmetz engagiert hat, der mit Gehilfen den Sarkophag öffnen soll, da das seine Kräfte übersteigt. Er will nun noch ein letztes Mal zum Grab, um nach Schriften oder anderen Artefakten zu suchen (dafür kann er beispielsweise auch die später im Band benutzte zweite Höhle wählen, in die die Helden eingemauert werden sollen). Er bittet die Helden, ihn zu begleiten oder – wenn sie dies aus moralischen (Grabfrevel) oder anderen Gründen ablehnen – am Hafen ein geeignetes Schiff für die Rückreise mit Sarkophag zu suchen. Gehen sie mit zum Grab, so werden sie von den Wächtern überrascht und festgesetzt, ansonsten wird nur Librarius festgenommen, verrät aber unter Folter die Helden, die daraufhin in der Stadt gejagt und ebenfalls festgenommen werden. Während der Verhandlung erfahren sie, dass der Sarkophag geöffnet und leer aufgefunden wurde. Nun wird ihnen außerdem Nekromantie vorgeworfen, da die Leiche offenkundig verschwunden ist. Es kommt zur Verurteilung, die Helden werden mit Librarius eingemauert – weiter mit dem Hauptplot.

Dennoch: Nehme ich alles zusammen, so sehe ich bei Das letzte Stündlein zwar einige wirklich schöne Aspekte, die aber auf einem Plot ruhen, der gerade im ersten Teil viele Löcher hat und sehr konstruiert wirkt. Lässt man sich bewusst auf die Setzung ein und ignoriert die Löcher, dann funktioniert die Geschichte. Für wen aber logische Handlungen ohne gröbere Brüche zur Immersion entscheidend sind, der muss entweder viel Arbeit investieren oder aber um dieses Abenteuer einen weiten Bogen machen.

Hinter dem Spiegel

von Muna Bering und Roman Bering

  • Worum geht es: Die Befreiung einer gefangenen Fee, die über Träume um Hilfe ruft.
  • Wäre ich ein Film, dann am ehesten: Alice im Wunderland mit einer Prise Inception und Pans Labyrinth.
  • Das Horror-Grundthema: Alptraumwelten und böse Feenwesen.
  • Der/die/das Böse: Böse Feenwesen.
  • Soundtrack: melancholisch oder gruselig
  • Nandurion hat Hinter dem Spiegel noch einem Spieltest in der Praxis unterzogen. Den Bericht dazu findet ihr hier.

Bewertet die Spielhilfe im Forum von dsa4.deHinter dem Spiegel ist ein Abenteuer, das zeitlich und räumlich sehr frei angesiedelt werden kann. Es benötigt nur eine Herberge und ein Wäldchen in der Nähe. Weite Teile der Handlung finden ohnehin in Traumwelten und in einer Globule statt. Thematisch geht es um den Horror, den böse Feenwesen mit ihrer Macht auslösen können, manifestiert in pervertierten Träumen.

Der Einstieg des Abenteuers läuft über eine zunächst eher skurrile Situation. Die Helden werden Zeugen, wie ein schwarzer Hase eine Wahrsagerin angreift, während ihre Reisebegleiter schreiend das Weite suchen. Hier muss man aufpassen, dass die Situation nicht zu sehr in Richtung Monty Python ausschlägt, da dies der späteren Horror-Stimmung einen empfindlichen Schlag versetzen könnte.

Wird der Hase verjagt und die Situation untersucht, so stellt sich heraus, dass mächtige Magie im Spiel gewesen sein muss. In Wahrheit ist der Hase Schwarzfell nämlich ein Feenwesen, das seine Herrin, die Fee Ala’ia, zu schützen versucht. Diese wurde von ihrem eifersüchtigen Bruder A’saro in eine Globule hinter einem Spiegel gebannt und dieser in die dritte Sphäre geschleudert. Inzwischen ist das Artefakt im Besitz der Wahrsagerin Maline, die seine magischen Vorzüge zu schätzen gelernt hat, ohne zu wissen, um was es sich dabei genau handelt.

Angriff des Killer-Hasens - Alice trifft König Arthur.

Angriff des Killer-Hasens – Alice trifft König Arthur.

Die Helden bekommen vom Händler Raul aus Dank für die Rettung Kost und Logis für die nächste Nacht angeboten. In dieser versucht nun die Fee Ala’ia unter Einsatz des einzig ihr verbliebenen Weges, die Helden um Hilfe zu bitten: Sie schickt ihnen einen Traum. Das Problem dabei ist nur, dass ihr Feen-Wächter, das Wesen Kristallschwinge, den Traum manipuliert und so in einen Alptraum verwandelt. Die Helden schlafen also ein und wachen scheinbar in einer abgebrannten Herberge auf. Schnell wird klar, dass dies nicht die reale Welt sein kann, sondern ein Alptraum. Um aus diesem möglichst unbeschadet zu erwachen, gilt es, den Traumverursacher zu finden.

Mit Hilfe ihres Reithasen Schwarzfell, der ebenfalls in den Traum eingedrungen ist, und eines Rollenspiels im Rollenspiel versucht Ala’ia den Helden von ihrer Gefangennahme und Einkerkerung zu berichten. Die Helden erreichen in der Alptraumwelt einen dunklen Turm, in dem sie ein Vampir-Wesen in der Gestalt der Wirtstochter besiegen können, worauf sie aus dem Traum erwachen. Tatsächlich erwachen sie aber nur auf einer anderen, viel realistischeren Traumebene – Inception lässt grüßen. Erst durch die zunehmend immer seltsameren Verhaltensweisen der anderen Personen in dieser Traumwelt können die Helden nach und nach erkennen, dass sie immer noch schlafen. Schließlich bleibt ihnen nichts weiter übrig, als weiter nach dem Traumverursacher zu suchen.

Ala’ia versucht nun, den Helden einen Weg aufzuzeigen, wie sie sie aus ihrem Gefängnis befreien können. Aufgrund des Eingriffs von Kristallschwinge in den Traum und der sowieso völlig fremden feeischen Denkweise läuft die Informationsübermittlung wieder auf sehr seltsame Weise ab. Dazu gehören untote Wesen, sprechende Köpfe und ein verlottertes Eichhörnchen. Schließlich kommt es zur Konfrontation mit dem den Traum kontrollierenden Kristallschwinge. Wird dieser in Gestalt der Wahrsagerin überwunden, so wachen die Helden tatsächlich auf.

Zurück im wirklichen Wirtshaus muss die Gruppe Maline zur Herausgabe des Spiegels bringen. Mit den gewonnenen Informationen kann sie sich nun Zutritt zur Gefängnisglobule Ala’ias verschaffen. Dort kommt es zum Kampf mit dem Feenwächter Kristallschwinge. Wird dieser besiegt, kann Ala’ia befreit werden, und das Abenteuer ist gelöst.

Jetzt bloß nicht den Kopf verlieren - sonst schlägt die Wirtin zu.

Jetzt bloß nicht den Kopf verlieren – sonst schlägt die Wirtin zu.

Das Abenteuer ist wohl das am wenigsten gruseligste der Anthologie. Der Horror ist vorhanden, beschränkt sich aber vor allem auf die Stellen, an denen den Spielern noch nicht klar ist, in einem Traum zu sein. Das Bewusstsein, dass das Geschehen auch in der Fantasywelt nicht real ist, schwächt den Gruselfaktor meist stark ab. Gerade zu Beginn muss man auch aufpassen, dass der Hase nicht über die Ritter der Kokosnuss-Verbindung die Stimmung tötet. Dies kann schwer werden, ist die Parallele zum weißen Killer-Kaninchen doch einfach sehr naheliegend.

Ansonsten gefällt mir das Abenteuer ausgesprochen gut. Der Plot ist zwar gradlinig, aber die Helden haben dennoch Freiheiten, die doppelbödige Traumsequenz ist geeignet, Paranoia zu säen, und gerade mit den ansteigenden Verhaltensauffälligkeiten beim zweiten Erwachen kann man die Gruppe herrlich überraschen. Die Hintergrundgeschichte ist knackig, ohne Logikprobleme, und die Helden erhalten interessante und abwechslungsreiche Herausforderungen. Neben dem üblichen Kampf sind das vor allem das Einfangen eines Eichhörnchens in einem Baum, das Lösen von Rätselsprüchen und vor allem meine Lieblingsaufgabe: Im Rollenspiel im Rollenspiel übernehmen sie die Rollen von A’saro, Ala’ia, Kristallschwinge und einer Feenfreundin Ala’ias und spielen frei die Konfrontation nach, die zu Ala’ias Einkerkerung führte.

Alles in allem ist Hinter dem Spiegel ein starker Abschluss der Anthologie. Spieler, die Feenwelten und Biestingern nichts abgewinnen können, sollten hier dennoch Abstand nehmen, Kenner von Ritter der Kokosnuss sollten sich im Griff haben, um nicht die Stimmung zu verderben. Ansonsten dürfte dem Spielspaß aber nichts im Wege stehen.

Fazit

Schaut man sich den Band insgesamt an, so bietet Dämmerstunden ein abwechslungsreiches Bild. Neben einem nicht überragenden, aber soliden Abenteuer (Geisterjahrmarkt) und einem Ausreißer nach unten, der eine interessante Plotidee bietet und aufgepeppt werden kann (Das letzte Stündlein), enthält der Band auch zwei Perlen (Die Nacht der Geifernden Mäuler und Hinter dem Spiegel), so dass der Horrorfan bedenkenlos zugreifen kann. Ein Grundproblem des Gruselabenteuers, nämlich dass Horror vor allem dann entsteht, wenn die Protagonisten nicht Herr der Lage, sondern Getriebene sind, was beim Spiel aber schnell zu entmündigten Spielern führt, wird leider nicht durchgängig gut gelöst. Während Die Nacht der Geifernden Mäuler den Helden tatsächlich viele Freiheiten lässt, werden sie vor allem im Geisterjahrmarkt und in Das letzte Stündlein ziemlich auf Schienen gesetzt. Dazu kommen gerade in diesen beiden Abenteuern auch handwerkliche Schnitzer, die je nach Gruppe vom Spielleiter aufgefangen werden müssen.

Noch ein Wort zum Korrektorat: Eigentlich wollte ich dazu nichts schreiben, da mir die Diskussionen zu diesem Thema meist zu emotional geführt werden. Da in aktuellen Diskussionen die Frage der Fehlerzahl aber wieder heftig diskutiert wird und bei der Rezension von Mit wehenden Bannern Nutzerin Käthe sich sogar explizit von der Nichterwähnung eines Lektorats vom Kauf abgeschreckt sah, möchte ich nun doch ein paar Worte dazu verlieren. Laut Impressum ist Sarah Schirmer als Verantwortliche des Lektorats bei Dämmerstunden aufgeführt. Ich habe im Band bewusst nur sehr wenige Rechtschreibfehler o. ä. entdeckt. Ich kann dem Band also ein gutes Korrektorat attestieren. Auch inhaltlich sind mir nur wenig formale Fehler aufgefallen. Einzig in der Nacht der Geifernden Mäuler ist das Nekromantielabor mehrfach fälschlich mit T5 statt T4 nummeriert, was dank Karte aber ein schnell zu klärender Fehler ist.

Die finale Wertung: Ein Einhorn hat es vorgezogen, nicht in die Geisterbahn einzusteigen, während ein zweites sich mangels Händen nicht alleine aus einem Plotloch ausgraben konnte. Es verbleiben somit sieben Einhörner, die gespannt den schaurigen Geschichten lauschen, die ums Lagerfeuer erzählt werden, während im flackernden Schein der Flammen hier und da rote Augen aufblitzen.

Bewertung Einhorn 7

Mit freundlicher Unterstützung in Form eines Rezensionsexemplars durch Ulisses Spiele.

Über Salaza

Salaza heisst im wirklichen Leben Thorsten und spielt mit wenigen Unterbrechungen seit 1985 DSA. Er beschäftigt sich mit dem aventurischen Kartenwerk und mit der Erstellung von DSA-Schriftarten und tut gerne seine Meinung kund, wenn ein Produkt in seinen Augen blöde Fehler oder tolle Ideen hat.
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13 Antworten zu Dämmerstunden

  1. Tika sagt:

    Danke für die ausführliche Rezension, die auch schön zu lesen ist.
    Aber… vielleicht fehlt es mir an Humor… aber meint der Autor die Musikvorschläge ernst? Ich persönlich finde sie unpassend und sie würden mich und meine Mitspieler extrem dabei stören, sich auf das Spiel und die Welt zu konzentrieren. Klar, Geschmäcker sind verschieden, aber so gesehen sind Musiktipps dieser Art vielleicht nicht die beste Idee.
    (…vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass es sich um eher düstere, bedrohliche Abenteuer handelt.)

  2. Salaza sagt:

    Hallo Tika!
    Schön, dass Dir die Rezension grundsätzlich gefällt, das freut mich. Was die Musik angeht: Die ist nicht als Soundtrack beim Spiel gedacht, eher als Musik beim Lesen der Rezension. So wie ich oben geschrieben habe:
    „Wer beim Lesen auch gerne etwas Musik hört, dem sind jeweils thematisch passende Musikstücke anempfohlen.“
    Beim Spielen würde ich idR keine Rock- oder Pop-Musik einsetzen, da das für die Stimmung wohl tatsächlich eher schlecht wäre, bei Horror-Abenteuern sowieso. Ob man die Musik beim Lesen der Rezension passend findet – gut, ich gebe gerne zu, dass mein Musikgeschmack vielleicht etwas spezieller ist. Es ist ja auch nur als Angebot gedacht und zum Glück kein Zwang 😉

  3. Zeruel sagt:

    Ich finde die Rezension sehr gut und schön nachvollziehbar.

    Zu deinem Punkt mit der Magiereduzierung beim Kobold für Objektagie:
    Ich habe das so verstanden, dass der Kobold dadurch überhaupt keine Zauber gegen den Namensmeister anwenden kann, also auch nicht auf seine Ausrüstung. Andernfalls könnte er als Freizauberer widerstandslos einen Eisenrost auf die komplette Heldengrupppe legen und wehrlos zurücklassen.

  4. Salaza sagt:

    Hi Zeruel,
    die Absicht kann ich durchaus nachvollziehen. Der Kobold soll dem Namensmeister so nur noch schwerer Schaden können. Aber gerade bei Objekt-Zaubern wird es schwierig. Bei der Ausrüstung kann man ja noch argumentieren, dass die sehr persönlich ist, aber wenn er jetzt beispielsweise eine Halterungskette durchrosten lassen möchte um einen Leuchter abstürzen zu lassen -> gelingt ihm, wenn der Namensmeister nicht drunter steht, gelingt ihm nicht, wenn er drunter steht? Gelingt er ihm, wenn er die Augen zumacht und nicht sieht, dass der Namensmeister drunter steht? Ich finde das einfach zu unscharf in der Anwendung.
    Ich würde da eine etwas einfachere Regel bevorzugen: Sobald der Wahre Name ausgesprochen wird, kann der Namensmeister ihm durch einen einfachen Befehl deutliche Erschwernisse beim Zaubern auferlegen. Dann aber in allen Fällen. Dann kommt es nicht an kritischer Stelle zu Situationen, die zu Diskussionen einladen.

  5. Ramona (SG) sagt:

    Mir gefällt die Rezension auch gut und sehr nachvollziehbar, vor allem deine Ausführungen zu logischen Brüchen, unter welchen Umständen es trotzdem geeignet ist usw. Danke dafür!

  6. Horst der Ork sagt:

    Sehr schöne Rezension, viel besser zu lesen als Rezensionen von Vibart & Co.

  7. Zwerg des Monats sagt:

    Ich finde die Rezension auch gut und wichtig, hätte allerdings eine niedrigere Bewertung erwartet aufgrund der angeführten Probleme/Durchschnittlichkeit. Aber anscheinend fallen diese Punkte nicht derart ins Gewicht. Danke für die Rezension!

  8. Salaza sagt:

    Ein Kommentar vielleicht zur Bewertung:
    Meine Gesamtwertung entspricht nicht dem Durchschnitt von vier Einzelwertungen. Der Grund dafür ist, dass Anthologien mit mehreren Abenteuern ja durchaus gerne verschiedene Geschmäcker ansprechen dürfen, so dass nicht jeder alle Abenteuer unbedingt spielen wird. Spielt man nur drei der vier Abenteuer hat man immer noch eine Menge Spaß fürs Geld. Ein Streichresultat bei einer 4-Abenteuer-Anthologie halte ich demnach für durchaus akzeptabel (und dieses wird vermutlich eh nicht bei jedem das gleiche sein), weswegen ich das für mich schwächste Einzelabenteuer nicht so stark in der Gesamtwertung gewichte.
    Bei einem Kampagnenband sähe das anders aus, da ich dort in der Regel nicht einzelne Kapitel einfach streichen kann.

  9. Zwerg des Monats sagt:

    Ja, das war nicht als Kritik gemeint, es ist mir nur aufgefallen. So wie du das vorschlägst kann man das sicherlich gut machen.

  10. Duglim sagt:

    Beim Soundtrack zu „Geisterjahrmarkt“ hätte ich eher am die ‚Insane Clown Posse‘ gedacht (auch wenn das jetzt nicht so die typische „Rollenspielermukke“ ist …)

    Ansonsten klasse Rezi

  11. Sindajin sagt:

    „Hinter dem Spiegel“ finde ich richtig gut, der Hase als Einstieg und die Traumverschachtelung gibt eine Menge her. „Geisterjahrmarkt“ ist ganz nett, aber m.E. etwas langweilig. Das Namenerraten finde ich auch nicht so glücklich und die Auswirkungen regeltechnisch zu kompliziert. Sowohl bei „Die Nacht der geifernden Mäuler“ als auch bei „Das letzte Stündlein“ finde ich die Geschichte nicht überzeugend, teilweise absurd.

  12. Mike sagt:

    Was ich als Nicht-Meister und nicht Spielermagier bei diesem AB nicht verstanden habe: Wirkt dieses Odem-Amulett automatisch durch anlegen oder erst durch irgendeinen Auslöser (reiben am Amulett o.ä.)?

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