Aventurisches Götterwirken I

Der heilige NAndus ist in Alveran 5s Hallen eingetroffen. Grund genug für seine Heerscharen, sich dem ersten großen Werk der Verkündigung zu widmen und zu eruieren, ob SEine Weisheiten in gefälliger Form unter das Volk gebracht werden. Die Einhornstirnbänder aufgesetzt haben für euch diesmal Cifer und Nick-Nack. Ab ins Gebet!

Äußerlichkeiten

Nick-Nack: Zu Illustrationen und Layout ist wenig zu sagen – da hat sich nichts Wesentliches getan, und ich finde sie immer noch fantastisch. Zwei “Formalien” möchte ich aber hier dennoch kritisieren:
Zum einen hätte man das Buch gefühlt auf die Hälfte kürzen können. Beispielsweise findet sich unter den 49 Liturgiestilen bei 6 verschiedenen Kirchen der gleiche Stil, der Boni gibt, wenn man seine Liturgien nicht modifiziert. 13 der Zeremonien sind Tiergestalten, die jeweils etwa eine Viertelseite einnehmen und sich kaum unterscheiden.
Zum anderen sind mir einige sperrige Formulierungen aufgefallen, die ich so schlimm nicht aus anderen Regelwerken in Erinnerung habe: “Der Borongeweihte kann auf bis zu 32 Schritt ein Ziel benennen. Dieses erleidet 1 Stufe Furcht. Nur folgende Wesen können davon betroffen sein: Geister und Untote.” Warum nicht einfach “Ein Geist oder Untoter in bis zu 32 Schritt Entfernung erleidet 1 Stufe Furcht”?

Cifer: Vielleicht verlangt der göttliche Nandus, dass Geweihte nur von Leuten gespielt werden, die drei Sätze im Geist behalten können? Ich weiß es nicht. Aber zu den Formalia: Die Hälfte des Buchs wäre 120 Seiten dick gewesen, hätte 19,975 € als Totholz gekostet und das Taschenbuch wäre für 9,975 € über die Ladentheke gegangen (PDF 9,995 €). Die Limited Edition hätte trotzdem 69,95 € gekostet, weil man keine limitierten Editionen zersägt, ihr Banausen!

Traditionen

Cifer: Als erster Teil des Buches werden die Traditionen vorgestellt – das bedeutet in diesem Fall natürlich: die Glaubensrichtungen. Im Speziellen geht es um die Zwölf, Aves, Ifirn, Kor, Nandus und den Namenlosen, der Rest der Überderischen wird sich noch etwas gedulden müssen. Alle bekommen eine Seite mit Beschreibung des Moralkodex, der Aspekte und der Traditions-Sonderfertigkeiten, eine mit einem tabellarischen Überblick über die Kirche und die Rangtitel sowie eine mit den Fähigkeiten des neuen Zeremonialgegenstands. Wo Magier ihren Zauberstab haben, kriegen Rondrageweihte jetzt zum Beispiel ihren Rondrakamm mit ein Paar Fähigkeiten aufgebohrt – ein Paar ist dabei wörtlich zu nehmen, man darf sich nämlich genau zwei aus sechs aussuchen. Diese rangieren zwischen fluffig (Rahjanis werden dank ihres Schleiers nicht mehr dreckig), ganz praktisch (praiotisches Bollwerk gegen Zauberei, -1 QS auf alle gegen den Praioten gewirkten Zauber) bis eher unnütz (Firunisches Messer der Kälte mit 1W6+1 TP, das bei einem Treffer mit 4 SP eine Stufe Unterkühlung verteilt, wenn das Opfer bisher noch keine hatte, dabei aber dem Geweihten selbst eine Stufe Trance verpasst).

Einhornstirnband

Sogar an uns Nanduriaten hat man gedacht: Das Einhornstirnband! (Bild von Tim Brothage)

Nick-Nack: Für mich sind die Zeremonialgegenstände mit Abstand das Highlight des ganzen Buches. Die Gegenstände und ihre zugehörigen Fähigkeiten sind fast durchweg stimmig und erzeugen insbesondere Effekte, die man so nicht magisch erzeugen könnte: Phexgeweihte können zum Beispiel mit ihrem Mondamulett ein kleines Licht erzeugen, dass nur sie und ihre Gefährten sehen können, oder den Glückssegen aufwerten. Efferdgeweihte können ihren Efferdbart weiter werfen oder Wasser lenken. Lediglich der Rabenschnabel für Borongeweihte setzt mir persönlich einen zu martialischen Fokus auf die Kirche, aber vielleicht sind hier einfach Zeremonialgegenstände weniger verbreitet als bei anderen Kirchen? Viele der Fähigkeiten wirken dabei auch nicht auf den Geweihten selbst, sondern nur auf andere, und unterstreichen damit die Rolle des Geweihten als Seelsorger für andere.

Die beiden zentralen Aspekte der Zeremonialgegenstände sind dabei zum einen der jeweilige Fähigkeitsbaum (nicht zu verwechseln mit der Skilltree-Saga), der dafür sorgt, dass man aus den 6 Fähigkeiten nur 4 (statt 30) mögliche Kombinationen zur Verfügung hat, und zum anderen der neue Zustand Trance, mit dem man für die Aktivierung mancher Fähigkeiten “bezahlen” muss. Beides halte ich für sehr sinnvoll. Beim Fähigkeitsbaum fehlt mir zwar der Hintergrund, insbesondere auch dazu, wieso diese Beschränkung nicht am Gegenstand haftet, sondern am Geweihten. Aber davon abgesehen bringt diese Form der Beschränkungen den Geweihten einen eigenen Flair, ohne die Regeln zu verkomplizieren. Die Trance wiederum sorgt letztlich dafür, dass man die stärkeren Fähigkeiten nur im Schnitt einmal pro Tag einsetzen kann, dabei höchstens dreimal am selben Tag. Wir werden ihr auch bei anderen Fähigkeiten wiederbegegnen.

Cifer: Ja, und das für meinen Geschmack etwas zu oft. Trance wird ja als “leichte Form der Entrückung” beschrieben, tatsächlich hat sie aber jenseits der ersten Stufe schlimmere, langfristigere und rein negative Auswirkungen und sinkt auch nur um eine Stufe alle 24 Stunden. Begründung laut Redax: Ein Praiosgeweihter, der zehnmal am Tag sein Taschenlampenszepter an- und ausknipsen kann, passt nicht zum aventurischen Hintergrund. Warum man jetzt an genau dieser Stelle mit diesen im Vergleich zu Liturgien nicht besonders mächtigen Fähigkeiten mit der Differenzierung von Magiern und Geweihten beginnt, nachdem man sie im Grundregelwerk maximal angeglichen hat, ist mir nicht so recht verständlich. Meine persönliche Empfehlung wäre, die Trance-”Kosten” so zu lassen, aber die Mali des Zustands rauszustreichen – wer vier Stufen Trance angesammelt hat, kann halt nicht so schnell wieder seine restlichen Fähigkeiten darüber nutzen.

Nick-Nack: Persönlich würde ich es genau so lassen, wie es ist, und höchstens die Stufe 4 etwas abschwächen. In der Praxis wird man die meisten Fähigkeiten sowieso nicht so oft einsetzen wollen.

Cifer: Das hängt halt massiv davon ab, wie man das Regelwerk einsetzt – wer clever ist, verteilt seine AP jetzt schön über Fähigkeiten mit Trance, Karma und Schicksalspunkte und bleibt Wunderschleuder. Wer hingegen seine Lieblingsfähigkeiten nur in einem der drei Bereiche findet, hat Pech.

Erweiterte Liturgieregeln

Nick-Nack: In diesem Kapitel erwartet die Leserin ein buntes Sammelsurium an weiteren Regeln. Gehen wir mal der Reihe nach durch: Die zwei Seiten “Kirchenbräuche” gehen auf Geburt, Initiation, Heirat, Scheidung, Tod, Bestattung, Versprechen, Eid und Schwur ein und lesen sich wie ein Kapitel, das deutlich besser in den Aventurischen Almanach gepasst hätte. Da das Regelwerk auch sonst kaum auf etwas anderes als Regeln eingeht, hätte man dies meiner Ansicht nach hier auch gut rauslassen können.

Cifer: Stimmt, irgendwie hat man jetzt mit Almanach und Götterwirken zweimal so ein bisschen Ansätze von Texten, wie die grundlegende Glaubenspraxis ausschaut. Dennoch schafft man es, hier gleich nen ziemlichen Klopper an Hintergrundänderung reinzubringen, denn nachdem im Grundregelwerk der Grabsegen nur noch 12 Monate lang ein wenig schützend wirkt, dafür aber auch nur noch 1 KaP kostet, wird hier erwähnt, dass der Segen überhaupt meist nur bei besonderen Persönlichkeiten noch angewendet wird. Wahrlich, es brechen goldene schwarze knochenbleierne gute böse goldene Zeiten für Nekromanten an!

Nick-Nack: Im Abschnitt “Karmale Objekte” findet sich im Wesentlichen eine Wiederholung der Regeln zu Gesegnet und Geweiht aus dem Grundregelwerk. Es ist weiterhin solide, aber meiner Ansicht nach auch etwas überflüssig.

Cifer: Wie man’s nimmt. Dämonen können übrigens mittlerweile Tempel ziemlich gut ignorieren – der Standardtempel mit Tempelweihe ist nur noch einfach geweiht und macht damit ganze 1W6 SP pro Minute.

Nick-Nack: Der Abschnitt “Makel” beschäftigt sich mit den verschiedenen Makeln, die man als Frevler erhalten kann. Dies ist meiner Ansicht nach eine der schlechtesten Stellen des Regelwerks: diese Makel können beispielsweise bei Angriffen auf einen Geweihten entstehen. Das Regelwerk verlangt dann effektiv vom Meister, ab jetzt alle hilfreichen Liturgien für die Spieler auszuwürfeln, damit diese nicht merken, wenn sie auf Grund eines Makels eine Erschwernis bekommen, was NSCs mit Makeln verraten könnte. Gleichzeitig legt das Regelwerk aber fest, dass eine nur um die Makel-Erschwernis misslungene Probe die vollen KaP kostet, was einerseits für zusätzlichen Rechenaufwand sorgt, und andererseits dann doch den Spielern verraten könnte, dass sie einen Frevler vor sich haben, wenn sie volle Kosten zahlen müssen, aber dann keine Wirkung eintritt und sich die Wunden beispielsweise nicht schließen. Außerdem ist der Abschnitt schlecht organisiert, man hätte z. B. die Bußen direkt bei den entsprechenden Abschnitten unterbringen können, statt erst eine “geringe Strafe” anzudrohen und dann erst auf der nächsten Seite zu erklären, was man sich darunter vorzustellen hat.

Cifer: Ja, hier habe ich mich auch ziemlich gewundert. Nachdem in den letzten Tagen der 4. Edition alles außer Verdammtenstatus ja ziemlich in der Bedeutung abgewertet wurde, hätte ich erwartet, dass man Frevlermal und Co. eher aus dem Hintergrund rausschreibt. Im Gegenteil: Sie bleiben bestehen und noch dazu sind sie explizit nicht ans Pantheon gebunden – ein Namenlosgeweihter kann einen Anhänger der Zwölf aus dem Club der Rechtgläubigen kicken und andersherum. Und: Der Verdammtenstatus kann laut Regeltext eigentlich nur von einer Gottheit persönlich aufgelöst werden, es dürfte also im Prinzip keine Exorzismen für Paktierer mehr geben, die die Seele vor den Niederhöllen bewahren.

Nick-Nack: Weiter geht’s mit den Predigten und Visionen, für mich das zweite Highlight des Buches, da sie Geweihte stärker mit Schicksalspunkten verknüpfen – ein Interpretationsansatz, den ich so persönlich auch teilen würde. Predigten erlauben dabei Geweihten, über Bekehren-Proben für einen SchiP positive Effekte auf mehrere Gläubige (möglicherweise die Mithelden) herabzubeschwören. Im Detail kann man sich hier natürlich wieder streiten, ob z. B. die Predigt der Gemeinschaft eine eigene Sonderfertigkeit gebraucht hätte, wo es doch schon im Aventurischen Kompendium die Höhere Prophezeiung mit fast dem selben Effekt gibt. Aber dank der Modularität des Systems stört dies auch nicht weiter.
Die Visionen hingegen ermöglichen es, mit Götter/Kulte-Proben SchiPs in andere Vorteile umzuwandeln, oder sogar für sich selbst neue SchiPs zu generieren. Das Konzept eines Geweihten, der mittels SchiPs Boni an andere verteilt und sich dann selbst wieder neue erzeugt, sollte damit problemlos spielbar sein.
Zuletzt werden in diesem Kapitel auch Zeloten vorgestellt, zu denen neben dem neu eingeführten Akoluthen auch die einzigen neuen Vor- und Nachteile des Bandes gehören: Zeloten haben die Möglichkeit, Predigten und Visionen zu (er-)halten, ohne Geweihte sein zu müssen. Das Konzept ist durchaus spannend und bietet viel Potenzial, insbesondere, da sie nur Prinzipientreue I benötigen, also auch bei sonst eher herrischen Göttern eine weichere Auslegung erlauben.

Cifer: Ja, aus der Interaktion zwischen organisiertem Kult und plötzlich leicht karmal befähigten Laien könnte da einiges an interessantem Plot erwachsen. Den will ich aber demnächst auch sehen, liebe Redax! Die grundlegenden Ideen für Visionen und Predigten als Verstärkung für sich selbst bzw. für andere gefallen mir richtig gut und ich frage mich, ob man nicht viele Low-Fantasy Konzepte im Bereich der göttlich orientierten Charaktere mittlerweile besser mit Zeloten umsetzen kann, als sich die teure Tradition ans Bein zu binden.

Geweihter des Namenlosen

Der Gott mit den meisten Regeln im Buch? Wir zählen noch aus, Name wird nachgereicht … (Bild von ArtemColoria)

Nick-Nack: Als nächstes erwartet uns ein Abschnitt zur Namenlosen Weihe. Diesen möchte ich mal zum Anlass nehmen, um über einen der Elefanten in diesem Buch zu schreiben: Dem Gott ohne Namen sind mehr Regeln gewidmet als jedem anderen Gott. Die Begründung der Redaktion dafür ist so einfach wie nachvollziehbar: Man wolle eine Regelgrundlage für diese wichtigen Bösewichte schaffen. Auch wenn ich persönlich mit diesem Ansatz wenig anfangen kann (mir wäre es lieber, wenn meine Spieler nicht anfangen, damit zu argumentieren, dass Geweihte des Namenlosen sowas ja gar nicht könnten, weil es ja nicht im Regelwerk stände, wenn ich eine interessante Idee für namenloses Wirken habe), ist er dennoch konsequent umgesetzt. Wie viele Spielleiter dann tatsächlich für ihre NSCs erstmal Selbstbeherrschungsproben auswürfeln, ob diese den nächsten Weihegrad auch erreichen können, und das Abenteuer dann umschreiben, wenn der Wurf misslingt, ist freilich wieder eine andere Frage. Zuletzt werden in diesem Kapitel noch in guter alter Manier der anderen Regelwerke die (in diesem Fall Liturgie-)Stile angeteasert, und natürlich folgt hier auch wie immer meine obligatorische Kritik an dieser über zwei Kapitel verteilten nutzlosen Dopplung.

Cifer: Dopplung ist hierbei wörtlich zu nehmen – die Kirchenströmungen, auf die die Liturgiestile zurückgehen, sind hier und in der Sonderfertigkeitenbeschreibung tatsächlich wortgleich, so dass ich zweimal lesen darf, dass die rondrianischen Vigilanten “in den Kriegen der letzten Jahre gelernt [haben], wie wichtig es ist, dass sie ihre Liturgien besonders schnell einsetzen.” Schön. Und wer sind die Typen jetzt?

Sonderfertigkeiten

Cifer: Bei den Sonderfertigkeiten findet sich einiges wieder, was schon aus Aventurische Magie bekannt ist – allgemeine SFs, die die Segnungen stärken, Erleichterungen der Spontanen Modifikationen und Regenerations-SFs. Dazu gibt es noch ein paar Möglichkeiten, sich zum Beispiel ohne aktiven Liturgieeinsatz gegen Dämonen zu schützen, die aber stellenweise Trance-Stufen einbringen und damit die Einsatzfähigkeit der Zeremonialgegenstände noch weiter einschränken. Außerdem werden die Liturgiestile in Regeln gekippt. Diese gleichen natürlich von der Struktur den Zauber- und Kampfstilen und haben auch hier wieder ziemlich coole wie auch sehr nutzlose Varianten dabei, wobei einige Kirchen faktisch den gleichen Sonderbonus haben. Praktisch alles, was man grob als “Traditionalist” umschreiben kann, kriegt zum Beispiel Zusatz-FP, wenn man eine Liturgie nicht modifiziert. In die angesprochene Kategorie nutzlos fallen die Vigilanten (ernsthaft, wer sind die?), die beim Verkürzen von Liturgien die Erschwernis wegfallen lassen, aber dafür 2 Punkte FW einbüßen, was tendenziell mehr ist, als einen die Erschwernis beim Wurf kostet. Die rahjanischen Harmonisten hingegen können ihre Mirakel auch auf andere Gläubige übertragen – ebenso wie die travianischen Wildgänse – und die avesgeweihten Zugvögel können sich je eine Liturgie aus dem Repertoire von Papa Phex und Mama Rahja aussuchen, die sie selbst verwenden können.

Nick-Nack: Zu den allgemeinen Sonderfertigkeiten habe ich wenig hinzuzufügen. Für mich sind sie genauso solide wie die aus Aventurische Magie. Und auch die Liturgiestile treffen leider wieder die gleiche Kritik, die ich schon an den Zauberstilen anbringen musste: Viele sind so generisch, dass man sie viel besser als allgemeine karmale Sonderfertigkeit hätte platzieren können, teilweise sogar als allgemeine Sonderfertigkeiten. Wieso nur Korgeweihten eine spezielle Form des Anführers offen steht, ist mir unbegreiflich. Da nützt es dann auch nichts, dass an den Anfang ein Kasten gesetzt wurde, man könne sich die Liturgiestile auch ohne längere Ausbildungszeit zulegen. Aber nicht alle Liturgiestile sind so allgemein gehalten: Fast die Hälfte passen spezifisch zur Gottheit. So können beispielsweise die Händler des Listenreichen bei Phex Erleichterungen für Liturgien mit Geld einkaufen. Unter den Erweiterten Liturgiesonderfertigkeiten, die man sich offiziell nur mit dem passenden Liturgiestil kaufen darf, erschließt sich mir wieder nicht, warum sie hinter dieser Schranke versteckt sind. Für mich fühlen sie sich mit den allgemeinen Sonderfertigkeiten komplett austauschbar an, und welche davon eine erweiterte Sonderfertigkeit ist und welche nicht ziemlich willkürlich. Inhaltlich sind hier aber auch ein paar schöne dabei, beispielsweise die Idee, Entrückung auf andere übertragen zu können.

Liturgien

Tsageweihte auf freiem Feld

Sind Tsa-Geweihte so spielbar? Wir würden sagen: Ja! (Bild von Regina Kallasch)

Cifer: Auch hier erkennt man die Strukturen der Aventurischen Magie direkt wieder: Liturgien haben Erweiterungen bekommen, die man bei Erreichen eines bestimmten FW dazukaufen kann. Und auch wenn ich langsam das Gefühl habe, mich zu wiederholen: Es sind ein paar echt tolle Liturgien dabei (Korgeweihte können durch im Kampf angerichteten Schaden Zustandsstufen bei sich heilen) und einige, die ziemliche Grütze sind – die Seelenprüfung erkennt in ihrer Standardform zum Beispiel nur Initiierte und Ordinierte des eigenen Pantheons sowie Eidbrecher. Paktierer hingegen kann man erst mit der FW-16-Erweiterung entdecken (so ein fettes dämonisches MEINS und die größte aller göttlichen Strafen sind einer Seele offenbar nicht so einfach anzusehen wie ein Seitensprung) und Namenlosgeweihte sind nicht mal als Geweihte zu erkennen. A propos Namenlosgeweihte: Die bekommen eindeutig den Grakvalothanteil des Kapitels ab. Wo sich eine Travia mit ganzen vier eigenen Liturgien zufrieden geben muss und ein Praios derer fürstliche elf bekommt, kriegt der verfemte Gott mal eben 17 Stück spendiert, inklusive Kampfwerte für 7 herbeirufbare Kreaturen.

Nick-Nack: Ein wenig muss ich die Zahlen zu Travia, Praios und dem Namenlosen aber relativieren: Zu den 4 Liturgien hat die Traviakirche noch 9 Zeremonien. Die Praioskirche bekommt hingegen nur 2 neue Zeremonien (zu der einen, die es bereits im Grundregelwerk gab). Mit Liturgien und Zeremonien zusammen ist der Traviageweihte damit zwar mit göttergefälligen 13 noch deutlich hinter den 25 des Namenlosen, aber nur noch 1 von den 14 für Praios entfernt. Rondra, Firun, Phex, Kor, Peraine, Aves, Swafnir, Nandus und Ifirn bekommen alle sogar noch weniger.

Cifer: Auch die aberwitzig starken Namenlos-Liturgien aus publizierten Abenteuern finden sich hier wieder – mit Des Einen bezaubernder Sphärenklang dreht man noch immer aus der Entfernung und für 8 KaP ohne Gegenwehrmöglichkeit einen Charakter pro KR um.

Nick-Nack: Noch schlimmer finde ich das Namenlose Vergessen für auch 8 KaP pro Person, ohne Gegenwehrmöglichkeit, den man per Modifikation auch auf 1 KR pro Gegner runterkriegt, der dafür dann aber gleich QS x 3 Tage hält statt QS x 3 Minuten. Obendrein noch zu einem günstigen Steigerungsfaktor B. Hier hat Ulisses jeglichen Versuch, dass gleich viele Abenteuerpunkte auch gleich mächtig sind, aufgegeben. Aber zugegeben, die anderen Götter kommen nicht viel schlechter weg: der Heilige Befehl kostet zwar das Doppelte, steigert sich nach C und hält nur QS x 2 Kampfrunden, aber auch hier ist kein Gegenwurf möglich und damit ist diese Liturgie mit Abstand das Mächtigste, was ein Spieler in die Hände kriegen kann.

Cifer: Der geht immerhin (ebenso wie das Vergessen) noch gegen Seelenkraft, die man einigermaßen steigern kann – und auf niedrigere Reichweite und mit längerer Liturgiedauer. Gut finde ich hingegen, dass Korgeweihte jetzt auch den Aspekt des Guten Goldes mit Liturgien (Ehrlicher Handel) unterstützt bekommen. Blutiger Zorn hingegen wirkt schon wieder etwas merkwürdig: Die Liturgie ist um die SK modifiziert, wirkt aber auf QS Ziele – wie bestimmt man da, wessen Seelenkraft gezählt wird, wenn man zum Zeitpunkt des Probenwürfelns noch gar nicht weiß, auf wieviele (und damit welche) Ziele überhaupt die Liturgie wirkt?

Nick-Nack: Insgesamt sind viele schöne Ideen bei den Liturgien und Zeremonien dabei, und nicht nur Übersetzungen des Altbekannten. Auch fühlen sie sich fast alle irgendwie göttlich an, meine ursprüngliche Befürchtung, dass in DSA5 Geweihte einfach Zauberer mit anders benannter Kraftquelle sind, hat sich nicht bestätigt. Insgesamt ist mein Eindruck hier positiv. Allerdings finde ich persönlich es sehr schade, dass es keine neuen Segnungen gibt. Es wurden auch kaum Möglichkeiten eingeführt, Liturgien und Zeremonien anderer Gottheiten zu erlernen. Wenn man z. B. eine tulamidische Auslegung von Feqz, als Gott der Magie oder des Krieges, spielen möchte, muss man sehr viel hausregeln. Etwas mehr Flexibilität hätte dem System hier gut getan, auch wenn es mit Abstand nicht so schlimm ist wie bei den Liturgiestilen. Also eher ein kleiner Makel als ein vollausgewachsenes Mal des Frevlers.

Cifer: Zu Feqz wurde übrigens schon im Forum erwähnt, dass der wohl einen eigenen Liturgiestil kriegen wird, der dann eventuell auch durch ein paar passende Liturgien ergänzt wird.

Professionen

Nick-Nack: In diesem Kapitel finden sich, wie zu erwarten, Professionspakete für alle bereits genannten Götter und Halbgötter. Die Professionen, die sich bereits im Grundregelwerk fanden, wurden eins-zu-eins kopiert, Rondra- und Borongeweihter haben jedoch je ein neues Bild spendiert bekommen. Zusätzlich finden sich noch Amazone, Draconiter und Golgarit als Ordensprofessionen. Die Pakete wirken auf den ersten Blick sinnvoll zusammengestellt.

Archetypen

Nick-Nack: Statt meine übliche Kritik zu wiederholen, dass die Archetypen nicht in einer spieltauglichen Form aufgeschrieben sind und man sie vor dem Verwenden erst händisch in einen Heldenbogen übertragen muss, möchte ich hier auf eine verpasste Chance hinweisen: In dieses Kapitel hätte meiner Ansicht nach, hätte man die Philosophie des Buches ernst genommen, ein Geweihter des Namenlosen gehört. Nicht, weil dieser für Spieler so wichtig wäre, sondern um dem Spielleiter einen vollständigen NSC an die Hand zu geben. Denn das sollen die zahlreichen Namenlosenregeln im Buch doch eigentlich tun: Dem Spielleiter eine regelgerechte Darstellung des Bösewichts zu erleichtern.

Anhang

Grundregel der Mode: Irgendwann liegt man mit allem wieder im Trend. (linkes Bild von Verena Biskup)

Cifer: Im Anhang finden sich Vor- und Nachteile, um die eingeführten Regeln zu Visionen und Predigten noch zu unterfüttern. Dann folgen drei neue Kampfstile für Amazonen, Golgariten und Korgeweihte. Deren Boni finde ich jeweils ganz interessant gewählt – Amazonen fintieren besser, Golgariten agieren besser vom Pferd herab und Korgeweihte landen unangenehmere kritische Treffer –, einzig, dass die Reiterhämmer-schwingenden Golgariten den Lanzen-exklusiven Fontalangriff kriegen und die Korgeweihten den Weiten Schwung bekommen, der ihrem (langen) Korspieß die Reichweitenkategorie erhöht, während Aufspießen zwei für den Korspieß unbenutzbare Voraussetzungen hat, wirkt etwas seltsam. A propos seltsam: Die noch immer schulterfreie und tief dekolletierte Amazonenrüstung zählt als RS6-Vollplatte. Ja ne, ist klar.

Nick-Nack: Im Anhang verstecken sich auch Schwarm-Regeln für den Kampf gegen Ratten- und andere Schwärme. Diese Regeln wurden zwar teilweise im Bestiarium schon genutzt, aber jetzt wurden neue Regeln zur Größe hinzugefügt. Die Regeln lesen sich recht flott, sind aber leider nicht konsistent mit dem Kampf gegen mehrere Einzelwesen. Es findet sich, wie in fast jedem Erweiterungsband zuvor, übrigens auch wieder die Kampftechnik Schleudern. Die wird dann in DSA 5.1 hoffentlich im Grundregelwerk landen.

Sonstiges

Cifer: So, das Buch ist durch. Aber täusche ich mich oder fehlt da nicht noch ein bisschen was? Regeln sind schön und gut und bei den Magiern in der Aventurischen Magie reichten sie zusammen mit dem bisschen Hintergrund auch einigermaßen aus, weil die Akademien selbst ja vergleichsweise seltener bespielt werden. Aber knapp 2 Seiten Text zum Wesen der Gottheit und Kirche und nochmal 2 Seiten insgesamt zum geistlichen Leben im Zwölfgötterkult sind mir dann doch etwas wenig, um einen Priester zu bespielen, der auch einer theologischen Debatte standhalten kann. Wo ich früher mit dem Wege der Götter das Gefühl hatte, einen recht soliden Einblick zu haben, würde ich jetzt das passende Vademecum fast schon als Pflichtkauf empfinden, wenn ich einen Boroni jenseits von “Also, ich mag Träume und Totenruhe und lange Spaziergänge am Strand” darstellen möchte. Ich frage mich, ob hier noch ein Hintergrundband geplant ist oder ob man die Hintergrunddarstellung tatsächlich den Vademecums überlässt, die ja jeweils nur einen sehr engen Blickwinkel bieten.

Nick-Nack: Persönlich würde ich auf die Vademecums tippen und bin da, ehrlich gesagt, auch nicht wirklich traurig drüber. Das einzige, was mir bereits bei den Zauberern gefehlt hat, sind Tipps für die Darstellungen der Zaubersprüche/Liturgien. Hier fand ich die Formulierungsvorschläge aus dem Liber Cantiones und dem Liber Liturgium sehr angenehm. Ich fürchte, so, wie es bisher in DSA5 ist, werden immer mehr Gruppen Liturgien einfach als “ich wirke einen Heilsegen” ausspielen, statt die Chance für etwas mehr Mystik und Charakterspiel zu nutzen.

Cifer: Ach ja, eins muss ich mal noch loswerden. Dass man Namenlosgeweihte und Paktierer nicht einfach so auf den ersten Blick erkennen können soll: geschenkt. Aber dass man dafür die Regel einführt, dass die Liturgien eines getarnten Anhängers des Güldenen Gottes nur mit einer Götter/Kulte-Probe -10 als nicht der Tarnung entsprechend zu identifizieren sind, der Seelenschatten sämtliche Proben zur Enttarnung (also Menschenkenntnis, Respondami, Blick in die Gedanken, Wahrheitsliturgien, …) im Extremfall um -12 erschwert und die Seelenprüfung nichtmal in höchster Ausbaustufe auch nur eine Weihe erkennt, geht schon in Richtung Salz in die Wunde reiben. Und es fällt schwer, da etwas anderes rauszulesen als: “Wir wollen nicht, dass unsere coolen Namenlos-Geweihten zu einem anderen Zeitpunkt enttarnt werden, als es der Plot vorsieht.”

Fazit

Nick-Nack: Der Band hinterlässt bei mir einen sehr soliden Eindruck. Es ist ganz klar ein Regelband, der alle wichtigen Geweihten des Zwölfgötterkultes abdeckt und sie so mit Regeln unterfüttert, dass sie sich einerseits mystisch und nicht-magisch anfühlen, und andererseits auch einen klaren Fokus auf die Unterstützung der Gemeinschaft legen. Gerade letzteres hat mich sehr positiv überrascht. Ein Einhorn galöppelt zu den Vademecums-Bänden auf der Suche nach den hier fehlenden Hintergrundinfos und ein anderes ärgert sich, dass sich zwischen den sehr guten Liturgiestilen, Zeremonialgegenständen, Liturgien und Zeremonien leider auch einige Nieten befinden. Aber die anderen 7 von 9 Einhörnern freuen sich über eine stimmige Umsetzung von Geweihten in das neue Regelgewand.

Cifer: Aventurisches Götterwirken ist ein Buch, bei dem man sehr unterschiedliche Bewertungen ziehen kann, je nachdem, aus welcher Perspektive man es bewertet. Sieht man es als reines Regelwerk, macht es seinen Job recht gut – es gibt ein paar Macken, aber gerade im Vergleich zu den massiven Unstimmigkeiten des Kompendiums und der Aventurischen Magie sieht es doch wesentlich besser aus. Auf der anderen Seite sollte auch klar gesagt werden, was es nicht bietet: Hintergrund. Mag es auch ausreichen, um den typischen Tempelbesuch mit ein paar Einweg-NSCs auszustaffieren, würde ich mir doch nicht zutrauen, allein mit diesem Buch einen Geweihten zu spielen, der der reich gewachsenen Welt von DSA gerecht wird. Diesen Gesichtspunkt ausklammernd entscheiden sich 6 von 9 Einhörnern für ein Leben unter der Kutte. Ein siebtes wurde eifrig zu missionieren versucht, aber am Ende fand es dann doch, dass die dunkle Seite nicht nur leichter und schneller, sondern auch geradezu lächerlich stärker ist, während Einhörner acht und neun sich in fleißiger Detailkritik üben.

Mit freundlicher Unterstützung in Form eines Rezensionsexemplars
von der Ulisses-Spiele GmbH und dem F-Shop.

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10 Antworten zu Aventurisches Götterwirken I

  1. Matt sagt:

    Dass die Namenloser-Geweihten deutlich stärker sind, finde ich absolut passend und sinnvoll. Wenn man schon seine Zehen, Finger, Arme oder gar Geschlechtsteile (!) opfert, will man auch was dafür bekommen…

    • Cifer sagt:

      Wie man’s nimmt – Rondrianer opfern letztlich meist ihr Leben und der kleine Finger ist bei Kor zur Weihe auch ab. Klar kann man jetzt sagen, dass der Namenlose die Arschlöcher anzieht, die mehr geboten bekommen wollen, aber das muss ja nicht heißen, dass sie es auch kriegen – und ein Gott, der sie in ihrem Machtstreben nicht einschränkt, sondern mit Kräften unterstützt, ist immerhin mehr, als quasi alle anderen modernen Kirchen zu bieten haben.

    • Morgel sagt:

      Sign.
      Und der Namenlose ist schließlich der erste unter allen 😉

  2. PeteBoyMan sagt:

    Sehr schöner Disput der mich darin bestärkt sofort zu kaufen, sobald das Taschenbuch erhältlich ist. Danke dafür.

  3. queery sagt:

    Toller Disbut liebe mit-nanduriaten. War für mich sehr hilfreich zu lesen. Ich finde auch, dass der göttliche Flair insgesamt bei den Geweihten erhalten bleibt und sie insgesamt für den Spieltisch aufgewertet wurden. Schade das es so wenig Hintergrundinfos gibt. Aber eigentlich fänd ich auch hilfreich Regeln und Hintegrundinfos stärker zu trennen. Also für einen tollen Extra-Band.

  4. Morgel sagt:

    4 von 15 Möglichkeiten bei den Zeremonialgegenständen (nicht von 30). 😉

    Danke für die ausführliche Rezi!

  5. Hmm. Ich weiß noch nicht, was ich mit dieser Rezi anfangen soll. Hatte überlegt, mich auch mal an einen Geweihten ranzutrauen, sofern die Regeln nicht zu komplex sein sollten. Ein Boroni vielleicht. Aber wenn ich lese, dass ich mit einer Liturgie nur 1 Stufe Furcht bei Untoten auslösen kann, fühle ich mich von den Gerippen verhöhnt. Zudem ich heute noch in Donner & Sturm die sensationelle Stelle auf dem Boron-Anger bei Bactrim gelesen habe, in der die Boroni eine ganze asfalothisch herbeigerufene Meute wieder befriedet… Und wie verhält sich ein um Stufe 1 Furcht eingeschüchteter Untote eigentlich – klappert erbärmlich mit den Gebeinen? Diese Generalkritik an den Zuständen lässt sich natürlich auch auf die Magiebegabten übertragen: Warum sollte meine Hexe den einstmals legendären Fluch Hexenschuss erlernen, wenn dieser nur 1 Stufe Schmerz auslöst?

  6. Famerlors 3872. Schuppe sagt:

    Bei der Aufzählung der im Buch vorkommenden Götter habt ihr Swafnir vergessen, das wohl! 😉

    Irgendwie fände ich es komisch, wenn der Fluff nur auf die Vademeca geschoben würde. Bei denen haben wir was die Halbgötter angeht bisher nur Kor; zudem waren im Wege der Götter alle Religionen Aventuriens und auch viele Texte über Mythologie, Tempel etc. zu finden. Jetzt könnte man sagen, dass die kuturspezifischen Religionen ja in den entsprechenden Regionalspielhilfen zu finden sein werden – aber die Beschreibung von zwölfgöttlichen Tempeln und Ähnlichem würde doch nirgends so recht hinpassen, außer in ein Quellenband.

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