Interview mit dem Eskapodcast zum 5-jährigen Jubiläum

Vor kurzem trafen wir Martin vom Eskapodcast auf einer der gerade stattfindenden Online Conventions und kamen zu dem Schluß, dass wir ein Interview mit ihm führen könnten. Dabei wusste keiner zu dem Zeitpunkt, dass die erste Folge am 27.07.2005 herauskam und damit das Podcast-Projekt schon satte 5 Jahre lang Rollenspielinteressierte mit allerlei Themen versorgt. Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum!

In nunmehr über 150 Folgen kommt auch immer wieder Das Schwarze Auge vor, nicht zuletzt in den Interviews mit prominenten Macherinnen und Machern wie Hadmar von Wieser, Werner Fuchs oder aktuell Thomas Römer. Wir hatten das Glück uns eine Stunde lange per Voice mit dem netten und schnellsprechenden Martin über unser Hobby unterhalten zu können und tatsächlich ist das meiste daraus und noch mehr in das nun vorliegende Textinterview geflossen.

Nandurion: Wie funktioniert eigentlich der Eskapodcast?

Martin (Eskapodcast): Der Eskapodcast ist unser Gemeinschaftsprojekt, das im Idealfall alle anfallenden Aufgaben auf mehrere Schultern verteilt. In der Realität läuft es dann meistens so, dass sich engagiert, wer eben gerade Zeit und das ausreichende Interesse hat. Ursprünglich liefen die meisten Arbeiten über mich, mittlerweile ist es auch strukturell stärker auf mehrere Schultern verteilt. Ich bin gleichermaßen erstaunt wie stolz darauf, dass es uns über die vielen Jahre hinweg gelungen ist, ein vielköpfiges Team zu bleiben.

Nandurion: Wie kam der Podcast zustande?

Martin (Eskapodcast): Ich bin eher zufällig auf die Podcasterei gestoßen, als es noch kein Breitenhobby war. Aufgrund von berufsbedingten langen Fahrtzeiten hatte ich begonnen, amerikanische Rollenspiel-Podcasts zu hören, weil ich das normale Radioprogramm nicht mehr ertragen konnte. Die gefielen mir ausnehmend gut und ich war auch gleich von den Besonderheiten und den Möglichkeiten dieses Mediums fasziniert: radio on demand, quasi, noch dazu mit starkem Garagen-Band-Vibe. Großartig!
Weil die deutschen Rollenspielpodcasts damals alle lauter komische und hermetische Namen hatten – und fast alle nach wie vor haben, das ist mittlerweile gute Tradition! – hat mich eine oberflächliche Recherche zu der Fehlannahme verführt, dass es in Deutschland so etwas noch nicht gäbe. Zack, der Eskapodcast war geboren.
Ganz, ganz ursprünglich ist der Podcast zuerst als Zwei-Mann-Versuch gestartet. Dementsprechend existieren in unserem erstaunlich großen Fundus der Lost Episodes tatsächlich noch auch die beiden ersten Folgen dieser Variante.

Nandurion: Woher kommt die Eskapodcast-Melodie?

Martin (Eskapodcast): Ich bin recht sensibel, was das Urheberrecht angeht. Ich wollte daher eine Melodie für unseren Podcast haben, die nicht nur möglichst catchy, sondern vor allem auch gemeinfrei ist. Ein befreundeter Musiker hat dann den Auftrag bekommen, für uns eine individuelle Variante von Pop goes the weasel einzuspielen. Mir gefällt sie nach wie vor recht gut, aber sie ist natürlich irgendwo als Tribut an unsere frühen Tage zu verstehen.

Nandurion: Welche Ziele verfolgt der Eskapodcast?

Das Foto zeigt Thomas Römer, der mehrere Jahre DSA-Chefredakteuer war.

Martin (Eskapodcast): Wir verstehen uns in erster Linie als zielbefreite Quasseltanten, die miteinander über das Rollenspiel plaudern, weil sie das ohnehin die ganze Zeit tun. Das Mikrophon ist dabei eher zufällig eingeschaltet. In zweiter Linie möchten wir das Hobby und alle Hobbyisten gerne fördern, wo unsere bescheidenen Möglichkeiten das zulassen. Aus diesem Grund rücken wir gerne Produkte, Macherinnen und Macher und Perspektiven ins Blickfeld, die unserer Meinung nach mehr Aufmerksamkeit verdienen. Drittens folgen wir auch unserem eigenen, durchaus situativen Interesse: Zu einem Interview mit einem Rollenspiel-Urgestein sage ich vor allem auch deshalb nicht nein, weil mich dessen Ausführungen einfach selbst begeistern.

Nandurion: Wie schätzt Ihr euren Impact ein? Seid Ihr relevant für die Szene?

Martin (Eskapodcast): Diese Frage nach dem Impact kann man kaum redlich beantworten, unter anderem weil die Datenlage, zum Beispiel was die Klicks angeht, sehr dünn und sehr wackelig ist und viel Raum für Spekulationen lässt. Ich persönlich denke nicht, dass wir irgendeine „Relevanz“ besitzen. Gleichzeitig ist es aber natürlich sehr dankbar, dass uns mittlerweile viele Leute kennen, denn das öffnet uns hier und da mal die eine oder andere Tür, zum Beispiel für Interviews.

Nandurion: Wie werden eure Themen ausgewählt? Plant ihr, bereits besprochene Themen noch einmal aufzugreifen?

Martin (Eskapodcast): Die Themenauswahl erfolgt einerseits durch Zuruf aus dem Team, andererseits durch aktuelle Geschehnisse und situative Möglichkeiten. Drittens haben wir auch eine große Liste mit hunderten von Themen, aus der wir uns bei Bedarf bedienen können.
Ich scheue persönlich noch ein bisschen davor zurück, bereits behandelte Themen 1:1 noch einmal aufzugreifen. Andererseits liegen mittlerweile schon einige Jahre zwischen manchen Themen, und sowohl die Welt als auch wir haben uns seither verändert. Ich muss mir das noch einmal durch den Kopf gehen lassen.

Nandurion: Wie schnell wandeln sich eure Einstellungen zu bestimmten Themen? Wandeln sie sich überhaupt?

Martin (Eskapodcast): Ich kann hier nur für mich sprechen: Ich habe schon noch regelmäßige gedankliche Durchbruchsmomente und gewinne immer mal wieder eine neue Perspektive. Das liegt in meinen Augen in unserem großartigen Hobby begründet: Es gibt einem letztlich immer das zurück, was man selbst hineinlegt. Auf diese Weise wächst es beständig mit einem mit. Griffige Beispiele wären beispielsweise meine über die Jahre stark veränderten Blickwinkel auf DSA, DnD oder auf die OSR. Meine Einstellungen sind also beständig im Fluss.

Nandurion: Wie sind die Reaktionen der Hörer? Welches Feedback habt Ihr schon aufgegriffen?

Martin (Eskapodcast): Wir freuen uns sehr über die lebendige Kommentarkultur unter anderem auf unserer Website und auch an anderen Stellen im Netz. Ganz allgemein kann man sagen, dass wir bislang fast ausnahmslos die sympathische Seite des Internets zu spüren bekommen – ganz herzlichen Dank an dieser Stelle für die vielen netten und interessanten Mails die uns erreichen! Darüber freuen wir uns wirklich immer sehr!
Um mal eine konkrete Zahl zu nennen: von den knapp 4000 Kommentaren unter unseren Folgen habe ich bisher ca. 10 nicht freigeschaltet, weil ich damit aus irgendeinem Grund nicht ganz glücklich war. Ich denke, das ist eine sehr respektable Quote, über die man sich freuen kann.
Wir greifen vor allem inhaltliche Vorschläge auf, wenn wir der Meinung sind, dass sie besprechenswert sind. Die Grundidee für unsere aktuelle Folge (Folge 152) kommt zum Beispiel von einem unserer fleißigsten Kommentarschreiber.
Nach den ersten zehn Folgen kamen auffallend viele Mails, ich solle doch – im Namen der Götter! – langsamer reden und irgendwann innerhalb der 50-minütigen Folge auch mal schnaufen! Man würde sonst beim Zuhören Blutdruck kriegen! Langsamer zu reden, das ist mir leider nicht möglich. Ich habe aber ab diesem Punkt damit aufgehört, konsequent alle Atempausen aus den Folgen zu schneiden. Das hat scheinbar geholfen.

Nandurion: Was ist so schrecklich an Larifari-Holger-Antworten?

Martin (Eskapodcast): Sie eignen sich nicht für ein Diskussionsformat. Eine Larifari-Holger-Antwort löst normalerweise die gestellte Frage in eine differenzierte und korrekte Antwort auf, damit ist die Diskussion dann aber auch beendet. Viel dankbarer sind lautstark herausgepolterte Thesen, denn damit kann man sich auseinandersetzen.
Solange jedoch #larifariholgerantwort auf Twitter regelmäßig trendet, kann ich noch ganz gut damit leben.

Nandurion: Ihr habt ein auffallend komplexes Verhältnis zu DSA. Was ist da los bei euch?

Martin (Eskapodcast): Fast alle von uns haben in der Vergangenheit viel DSA gespielt oder sind damit sogar ins Hobby eingestiegen. Wir verbinden aus diesem Grund viele tolle Erinnerungen mit dem Schwarzen Auge. Hin und wieder müssen wir, es geht nicht anders, aber auch mal ein kleines bisschen über das größte deutsche Rollenspiel und seine liebenswerten Schrullen und Eigenheiten spötteln. Letztlich zeigt das nur, dass wir DSA nach wie vor in den Köpfen und im Blick haben und auch eine gewisse Neugier an der weiteren Entwicklung lässt sich nicht leugnen.

Savage Worlds - LogoNandurion: Schlag ein Rollenspiel vor, das man einem wackeren DSA-Spieler anbieten könnte!

Martin (Eskapodcast): Ich bin sehr sprunghaft, was meine eigenen Interessen angeht, deshalb tu ich mich mit einer konkreten Empfehlung schwer. In meinen Augen kann es nie schaden, das ein oder andere Universalsystem parat zu haben, um möglichst unkompliziert neue Spiele ausprobieren zu können. Für mich persönlich ist das seit vielen Jahren Savage Worlds. Damit spielen wir zur Not alles.

Nandurion: Wie stehst du zur Verbindung von DSA und Cosmic Horror? Hältst du das für einen Widerspruch?

Martin (Eskapodcast): Ich bin ein großer Fan von Cosmic Horror und werde nicht müde, es genießen zu können. Aventurien ist letztlich eine Drehbühne für alle erdenklichen Setups. Warum nicht auch für Cosmic Horror?

DSA-Mythos CoverNandurion: Du bist selten selbst Spieler, wie man hören kann. Was war die seltsamste Spielfigur, die du jemals verkörpert hast?

Martin (Eskapodcast): Theaterrollenspiel befindet sich nur im Mittelfeld meiner Interessen, weshalb meine Figuren in den allermeisten Fällen in dieser Hinsicht auch unspektakulär sind. Da ich selbst so oft in der Position des Spielleiters bin, achte ich als Spieler außerdem stark darauf, meinem Spielleiter das Leben so leicht wie möglich zu machen. Dadurch verbieten sich viele ungewöhnliche Figurenkonzepte von selbst. Wann immer ich einen Barbaren spielen kann, der auszieht, um das Schwert, das Pferd oder den Herd seines Vaters zu suchen, dann bin ich meistens schon glücklich.

Nandurion: These: Die Spielleitung sollte sich stets fragen: Was ist das Extremste, was jetzt geschehen kann? – um es dann geschehen zu lassen. Richtig oder falsch?

Martin (Eskapodcast): Wenn selbst ich der Spieler bin: ja gerne und daher: richtig

Nandurion: These: Es macht Spaß, die Rettung der Katze aus einem Baum auszuspielen. Richtig oder falsch?

Martin (Eskapodcast): Wenn ich selbst der Spieler bin: Nein, das macht mir keinen Spaß, also: falsch. Allerdings sind unspektakuläre Herausforderungen im Rollenspiel ja nicht selten. Ich bin in der Lage, fast jeder Situation meinen Spaß abzugewinnen, indem ich ihn dann zum Beispiel aus der Interaktion mit anderen Spielern oder aus anderen Quellen ziehe. Damit kommt man recht weit. Im Idealfall sollte meiner Meinung nach aber die Herausforderung für sich genommen schon interessant sein.

Nandurion: Persönliche Frage: Du kommst ja (glaube ich) aus Süddeutschland. Erfüllst du (teilweise) die Klischee-Vorstellungen, die man mit Bayern verbindet?

Martin (Eskapodcast): Nur, weil ich mit meinem weiß-blau lackierten Traktor zum Interview gefahren bin? Also bitte.

Nandurion bedankt sich beim Eskapodcast für ein unterhaltsames Gespräch und dieses Interview. Und danke Martin, dass du bis fast zum Schluss ernst bleiben konntest 😉

Über Nottel

Nottel heißt Michael und wohnt am Bodensee. Seit 93 stromert er als Spieler und Spielleiter mit Gleichgesinnten durch fantastische Gedankenwelten. Zunächst in Aventurien und dem Riesland, später in der Dark Future, der Welt der Dunkelheit, im Trinity Universum und dringt in Galaxien vor, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat.
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3 Antworten zu Interview mit dem Eskapodcast zum 5-jährigen Jubiläum

  1. Pingback: Eskapodcast: neue Folge und Jubiläums-Interview bei Nandurion – Nuntiovolo.de

  2. Manuel sagt:

    Schön, dass Martin mal interviewt wird, nachdem er so oft mit den Größen der deutschsprachigen Szene gesprochen hat 🙂

  3. Krassling sagt:

    Danke für diese Einblicke aus dem Herzen der deutschen Podcastlandschaft.

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