Der Ruf der Bahalyr – Sternenträger-Kampagne 1 (Teil Zwei)

Nachdem ich mich im ersten Teil dieser Rezension direkt mit dem Verlauf des Abenteuers und seiner Protagonisten beschäftigt habe, soll der Blick nun nochmals etwas geweitet werden. Betrachten wir den Auftakt zur Sternenträger-Kampagne gewissermaßen aus der Vogel- oder besser Luftschiffperspektive.

Der Ruf der Bahalyr - CoverCheckliste des Autors

Nachdem ich zuletzt einiges zu nörgeln hatte, scheint es nur fair einmal zu prüfen, ob die Kriterien erfüllt wurden, die der Autor sich selbst gegeben hatte.

  • Die Einführung in die Kampagne dürfte erfolgreich sein. Die Spieler wurden mit diversen Elfenthemen konfrontiert, das Gesamtthema ist aufgedeckt und der Antagonist bekannt. Check.
  • Die Meisterpersonen, welche die Helden begleiten, wurden vorgestellt. Nach der Eröffnung in Gerasim verschwinden sie jedoch wieder in der Versenkung. Das ist mir noch zu wenig. Fail.
  • Das Abenteuer sollte über eine eigene geschlossene Dramaturgie verfügen. Wenn ich mir das Gesamtbild anschaue, dann ist dies gut zu erkennen. Einige Szenen haben definitiv Schwächen, doch das Gesamtwerk funktioniert. Check.
  • Die Hintergründe, Themen und Atmosphäre der Kampagne wurden vorgestellt. Sicher kann man hier auch im Detail meckern, aber aus meiner Sicht hat der Autor hier einiges geleistet, auf das später noch zurückgegriffen werden kann. Check.
  • Der Gegenspieler hat seinen doppelten Auftritt. Den Auftritt im Finale finde ich zwar eher schwach beschrieben, aber das lässt sich vermutlich leicht ausgleichen. Check.
  • Die Bahalyr befindet sich am Ende des Abenteuers im Besitz der Helden. Check. Warum erhebt eigentlich niemand sonst Anspruch darauf? Ach nee, Besitz ist ja sowas von badoc. Au weia.

So gesehen liegt der Band, gemessen an seinen eigenen Ansprüchen, gar nicht so schlecht. Doch bevor wir zum Fazit kommen möchte ich noch einmal zwei Aspekte beleuchten, die mir im Zusammenhang mit diesem Produkt wichtig sind. Wer der Exkursionen überdrüssig ist, springt am besten gleich zum Fazit.

Eine magische Welt

Artefaktinflation, ein neuer Trend im Abenteurergewerbe

In der Rezeption der Kampagne wurde gelegentlich Missfallen über das magische Niveau geäußert. Festgemacht wurde dies naheliegenderweise an der Bahalyr als fliegendem Zauberschiff. Mit diesem besonderen Artefakt werden wir uns im nächsten Band noch näher beschäftigen. Die Bahalyr allein bestimmt jedoch nicht das Niveau einer ganzen Kampagne oder krempelt gar die komplette Spielwelt um. Zwei Dinge sollte man dazu berücksichtigen. Zum einen wird von Anfang an klargemacht, dass die Bahalyr nicht irgend ein Zufallsfund ist, sondern ein sehr besonderes und sensationelles Einzelstück. Zum anderen wandeln die Helden in der Sternenträger-Kampagne auf den Spuren der Hochelfen. Diese untergegangene Kultur war in Sachen Zauberei und magischer Schaffenskunst deutlich weiter entwickelt als die Zivilisation des heutigen Aventuriens. Wem diese Vorbehalte nicht als Distanzierung von “seinem” Aventurien reichen, der ist vermutlich mit der Sternenträger-Kampagne ohnehin schlecht beraten. Die Befürchtung, dass demnächst fliegende Postschiffe auf der Route Festum – Havena verkehren dürfte jedoch unbegründet sein.

Trotz dieser Vorrede muss ich zugeben, dass für mein persönliches Aventurien immer das Exklusive der Zauberei einen wesentlichen Teil des Reizes ausmachte. Gerade diese Exklusivität von magischen Artefakten charakterisierte für mich die spezielle Interpretation des phantastischen Realismus wie er für Aventurien typisch ist. Eine Spielwelt in der die meisten Bewohner noch nie einen Zauber wirken gesehen haben, aber vagabundierende Abenteurer mit einem ganzen Bauchladen voller magischer Knalleffekte unterwegs sind verliert für mich drastisch an Plausibilität. Auch die Anforderungen an die hohe Alchemie, so irre diese auch aus spieltechnischer Sicht erscheinen, trugen wesentlich zu diesem Bild bei. Die Verschiebung des magischen Niveaus in Aventurien ist aus meiner Sicht daher viel weniger in einzelnen magischen Sonderobjekten zu erkennen, als vielmehr in der zunehmenden Verfügbarkeit von kleineren Artefakten für den Alltagsgebrauch. Manch einer nennt dies und andere Entwicklungen der fünften Edition gar eine DnDsierung des Spiels. Schauen wir also einmal, welches Zauberwerk uns in diesem Abenteuer begegnet.

In Gerasim erhält jeder(!) Held ein Artefakt als Geschenk der Akademie. Zwei unterschiedliche Optionen werden hier angeboten. Die Reise der Expedition dauert übrigens etwa drei Wochen.

  • Spurtstiefel (AXXELERATUS FW 9, wöchentlich)
  • Teleportring (TRANSVERSALIS FW 15, 2 Ladungen)

Neben diesen Standard-Artefakten von der Stange erhalten die Helden noch ein altes Fundstück, welches zufällig vom Bau der Bahalyr stammt und den Helden dort später noch Dienste leisten wird.

  • Winkelkreuz (NIHILGRAVO (FW 6) und MOVIMENTO (9 FP), wöchentlich) mit zusätzlicher Funktion als Geschwindigkeitsmesser

Kollidierende Ansichten über die Verfügbarkeit von Artefakten

Als weiteres fakultatives Artefakt erhält die Gruppe zudem in Kvirasim eine Windharfe. Mit diesem Geschenk möchte der uralte Legendensänger Saladon Sternenlied den Helden bei der Suche nach dem Lied der Bahalyr behilflich sein.

  • Saladons Windharfe (SENSIBAR 14 FP, wöchentlich)

Ein optionales Element im Silberbuchenwald ist der Fund eines verzauberten Silberamuletts. Dieses kann den Helden zusätzliche Unterstützung im Kampf gegen die Feylamia bieten.

  • Silberamulett (ARMATRUTZ 9 FP, wöchentlich)

Die Künstler am Werk

Ein Aspekt, der immer wieder unter den Teppich gekehrt wird, obwohl er von großer Bedeutung ist, ist die Gestaltung eines Rollenspielprodukts. Dies liegt wohl besonders daran, dass es Ulisses geschafft hat, dem Erscheinen seiner Produkte einen solch soliden Standard zu verleihen, dass wir dies auch als Standard wahrnehmen. Auch ich selbst vertrete die Ansicht, dass die Einhaltung eines Standards nicht weiter erwähnenswert ist und auch keiner besonderen Berücksichtigung im Sinne einer Bewertung bedarf. Nachdenklich wurde ich jedoch, als ich Nico Mendreks Äußerungen dazu im Kommentar auf Orkenspalter TV hörte. Fast schon nebenbei wies er darauf hin, dass die Aufmachung von DSA5 das Beste ist, was derzeit auf dem (Rollenspiel-)Markt zu finden ist. 

Ich erinnere mich sehr gut an Produkte mit schwarz-weißen Textwüsten. An die mühsame Suche nach Informationen. An die Publikationen, für die man nicht annähernd so viele Bilder bezahlen konnte (selbstverständlich in schwarz-weiß), wie das heute selbstverständlich ist. Wenn man sich Sumaros Rezension des Bandes auf PnPnews.de anschaut, dann weiß man jedoch, dass auch heute noch eifrig gejammert wird. Ohne die Leistungen des Layouters Thomas Michalski oder seiner Kollegen und Kolleginnen in irgendeiner Weise schmälern zu wollen, werde ich hier jedoch nur einen kurzen Blick auf die Bilder selbst werfen. 

Grundsätzlich muss ich natürlich vorweg stellen, dass der gewählte Stil der Illustrationen mit seiner Orientierung an Comics und Webillustrationen ein anderes Publikum ansprechen soll. Art Director Nadine Schäkel traf diese Entscheidung bewusst, um ein jüngeres Zielpublikum zu erreichen. Unabhängig von meinen persönlichen Präferenzen ist dies also eine Setzung, über die zu jubilieren oder lamentieren nicht lohnt.

Eindeutig nicht von der Baumkuschler-Fraktion.
Oâvara kündet-
von-Tränen von Kargain

Wie bei allen Rollenspielprodukten ist das Cover natürlich von besonderer Bedeutung. Mendreks Urteil vom “braungrünen Matsch” finde ich schon ausgesprochen hart. Auch seine Kritik an Amalaias Kleidungsstil mag ich nicht teilen. Für mich vermittelt das Bild in genau dem richtigen Maß eine Ahnung von schöpferischer Kraft aus der Natur mit einer Andeutung von Weite, die das künftige Schicksal der Bahalyr in Aussicht stellt. Die Inszenierung von Licht und Kontrasten auf den DSA5 Covern war für meinen Geschmack oftmals sehr überzogen. Hier hat es die Künstlerin Regina Kallasch verstanden die Schatten des Baumes gerade genug aufzuhellen, um die Weite des Himmels hinter dem Luftschiff erahnen zu lassen.

Die Illustration der Figuren im Band finde ich überwiegend sehr gelungen. Der Charakter der Figuren wird meines Erachtens durch die Bilder gut transportiert. Die Künstler verstehen es den Figuren durch kleine Gesten oder den Bildhintergrund stimmige Elemente mitzugeben. Besonders imposant ist hier Oâvara kündet-von-Tränen, die als Vertreterin der Krähenruf-Sippe in Aumond gegen die Helden arbeitet. Nicht ganz so begeistert bin ich von den Orten. Über Bruchtal hatte ich bereits geschrieben. Auch mit den Darstellungen des lebenden Waldes tue ich mich etwas schwer. Hier ist mir der Stil doch etwas zu plakativ und überspitzt. Nichtsdestotrotz gibt es auch hier eine Reihe wirklich guter Bilder.

Fazit

Am Ende dieses Textes stelle ich vor allem eines fest. Ich muss lernen mich kürzer zu fassen. Insgesamt bietet Der Ruf der Bahalyr einen guten Einstieg in die Kampagne. Gerade der Einstieg ins Abenteuer gefällt mir wirklich gut. Das Ende ist ebenfalls stimmungsvoll und mit der Konfrontation im Silberbuchenwald und dem Rat im Auwald werden interessante Zwischenstationen geboten. Doch bei all diesen großartigen Ideen stellt die Ausführung oftmals den Schwachpunkt des Bandes dar. Viele Situationen sind selbst für erfahrene Meisterinnen nicht ohne größere Vorbereitung zufriedenstellen zu leiten. Mir ist klar, dass der Platz begrenzt ist, doch was dessen Verwendung betrifft, muss ich Sumaros Kritik auf PnPnews.de zustimmen. Aus meiner Sicht wurden hier, gewiss nicht zum ersten Mal in einem DSA-Produkt, falsche Prioritäten gesetzt. Besonders frustrierend ist der Umgang mit den Meisterpersonen der Expedition, welche die meiste Wegstrecke vom Autor völlig ignoriert werden.

Atmosphärisch bietet das Abenteuer also alles, was man erwarten durfte. Die Spielleitung wird jedoch einiges an Arbeit hineinstecken müssen. Das ist bedauerlich, da ich die Kampagne potentiell als Bestseller gerade unter den jüngeren Spielrunden sehe. Alles in allem kann Der Ruf der Bahalyr ein großartiges Abenteuer werden, wenn man bereit ist in die Vorbereitung zu investieren. Selbst mit schlankem Fuß dürfte die Zielgruppe hier immer noch einen Heidenspaß haben. Das ist zwar nicht herausragend, aber dennoch hochwertiger Standard.

Referenzen

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2 Antworten zu Der Ruf der Bahalyr – Sternenträger-Kampagne 1 (Teil Zwei)

  1. Nottel sagt:

    Zur Länge der Rezension will ich noch anmerken, dass ich zwar einerseits auch kurze Texte bevorzuge und es beim Schreiben möglichst selbst so handhabe. Allerdings kommt es vor, dass es eben viel zu sagen gibt und dann sollte man auch nicht zu viel kürzen. Manchmal muss man etwas mehr ausholen. Gerade bei einer Kampagne halte ich das schon für vertretbar.

    Für die Sternenträger-Kampagne erwarte ich nach dem weiten Anlauf, dass der Fokus sich in den weiteren Bänden immer mehr auf den Plot an sich richten wird. D.h. zur grundsätzlichen Bewertung der Besatzung, den Abenteuer-Exkursen, den magischen Artefakten, dem Layout und den Illustrationen wird wohl eher weniger Neues hinzukommen.

  2. Pingback: Nandurion: Der Ruf der Bahalyr, der Rezension zweiter Teil – Nuntiovolo.de

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