Rezension zu Blutige Hatz

Blutige Hatz - Cover

„Blutige Hatz“ von Marc-André Karpienski, Markus Lütkemeyer und Kai Plath. Cover von Nadine Schäkel.

Blutige Hatz ist das Gewinner-Abenteuer des Wettbewerbs Zwischen Wölfen und Schwertern welcher von Nandurion und Ulisses Spiele ausgerichtet wurde. 2015 wurde es von Ulisses Spiele als Mini-PDF veröffentlicht. Zu dieser Reihe mit geringer Seitenzahl gehören außerdem „Unheil über Arivor – Der Tag danach“ und „Die verwunschene Ruine“.

Aufbau und Inhalt

Auf weniger als 30 Seiten ist das Abenteuer in eine Einleitung, Prolog, drei Kapitel, Epilog und zwei Anhänge für die Figuren und das Artefakt gegliedert.
Im ersten Abschnitt wird die Handlung zusammengefasst und die Vorgeschichte geschildert, die zum Auftrag der Helden in dieses Wildnis- und Detektivabenteuer führt. Der Prolog enthält eine für das Weitere wichtige Begegnung, die Anreise nach Burg Drachenhaupt und den Auftrag von Herzog Bernfried.
Im ersten Kapitel „Grenzgänger“ verfolgen die Helden die gesuchten Diebe zunächst durchs freie Tobrien, dann setzen sie über die Tobimora nach Transysilien über. Die Spur führt durch mehrere Ortschaften, in und zwischen denen die Helden immer wieder Einheimischen begegnen, von denen sie Neuigkeiten und Hinweise erhalten können, letztlich verlieren sie aber zunächst die Spur der Diebesgruppe.
Im Kapitel „Freund und Feind“ treffen sie zu Anfang auf den Junker von Süd-Eichmoor, der sie zum Übernachten auf sein Gehöft einlädt, wo es schliesslich unerwartet zur Begegnung mit Herzog Arngrimm von Ehrenstein kommt.
Spätestens am nächsten Morgen im Kapitel „Blutige Hatz“ stellt sich heraus, dass er die Gesuchten selbst gefangengenommen hatte und seine Jagdgesellschaft diese nach dem Frühstück zu Tode hetzen wird. Für die Helden bedeutet dies ein Wettrennen gegen die Zeit, um mindestens einen der Diebe noch lebend zu schnappen und ihren Auftrag damit zu erfüllen.

Figuren

Allen voran wird die Diebesgruppe sowohl im ersten Kapitel als auch im Anhang ausführlich beschrieben, da sie eine zentrale Rolle spielen. Formell gesehen sind sie die primären Gegenspieler und keine Unschuldigen, auch wenn sie nicht gegen Helden vorgehen. Herzog Bernfried von Ehrenstein tritt nur als Auftraggeber in Erscheinung.
Der Junker von Süd-Eichmoor, seine Tochter, die Burgoffizierin und die Haushofmeistern werden im Personenverzeichnis näher beschrieben. Die Lage und Beweggründe des Junkers werden im zweiten Kapitel dargestellt und sein Verhältnis zur Tochter kurz angerissen. Herzog Arngrimm von Ehrenstein tritt prominent als unbeabsichtigter Konkurrent der Helden im zweiten und dritten Kapitel auf. Zusätzlich wird seine Jagdgesellschaft im Anhang auch mit Werten versehen.
Auf der Reise werden ausserdem noch zahlreiche Begegnungen eingestreut, wie die Wirtin der Ornaldsstiege in den Drachensteinen mit weiteren Gästen, und später immer wieder Hinweisgeber wie Wachsoldaten, ein Hofjunge, ein Boltanspieler, ein Grenzschieber sowie ein Richter und sein Henker.

Kritik

Das Layout ist generell wie bei DSA4.1 gehalten. Die waagrechten Balken bei Kapitelüberschriften und als Füller wirken auf mich eher wie Papierschnipsel und könnten weggelassen werden. Ansonsten ist der Text durch Kästen, viele Unterüberschriften und Abschnitte gut gegliedert. Die sonst unübliche Abkürzung „KÜ“ könnte Kurzübersicht heissen und wurde vielleicht beim Setzen übersehen. In den Kästen „Aus Sicht der Diebe“ wird das Vorankommen der Flüchtenden parallel zur Handlung der Helden erzählt.
Das PDF ist zahlreich illustriert: Nützlich ist darunter vor allem eine Karte des nördlichen Tobriens von Burg Ehrenstein bis Drachenhaupt mit Wappen und Miniaturansichten von Gebäuden, jeweils markiert mit Zahlen auf die in der Reisebeschreibung Bezug genommen wird. Dazu kommen eine schematische Ansicht der Thurmburg, je eine Handvoll Personenportraits und Landschaftsansichten sowie sogar ein Bild des Artefakts. Das emblematische Werwolf-Cover von Nadine Schäkel sieht zwar bedrohlich aus und trifft das Flair der Geschichte, aber tatsächlich treffen die Helden im Abenteuer auf keinen verwandelten Werwolf.

In der Einleitung bleiben fast keine Fragen offen. Man hätte vielleicht in einem Satz klären können, dass die Amazonenburg Yeshinna, wo sich der Diebstahl ereignete, ebenfalls verborgen in den Drachensteinen liegt. Die vorgestellten Möglichkeiten die Gruppe ins Abenteuer einzuführen sind ausreichend und plausibel. Das Kennenlernen im Wirtshaus ist mit weiteren Gästen ausgestaltet, so dass den Spielern nicht übermässig auf die Nase gebunden wird, dass die Diebesgruppe noch eine Rolle spielen wird. Um sie dennoch in Erinnerung zu behalten werden beispielhafte Szenen und deren Zweck aufgeführt. Insbesondere werden die Haselnussschalen des Zwergen immer wieder aufgegriffen; ein subtiles, aber zielführendes Detail bei der Spurensuche.
Die Reise ist in einige Stationen unterteilt, an denen unterschiedliche und jeweils passende Verweise auf die Flüchtenden entdeckt werden können. Die Überquerung des Flusses dient offenbar dazu die Helden zu zwingen ihre Reittiere zurückzulassen und sich zu Fuss in Transysilien weiterzubewegen. Auch wenn es vielleicht nicht unbedingt forciert werden muss, ergibt es sich so aus der geografischen Lage und erleichtert der Spielleitung den weiteren Verlauf. Bei der späteren Hatz durch den dichten transysilischen Tann zu reiten wäre sowieso eher Nach- als Vorteil. Die transysilische Seite wird bewusst düster und kontrastreich dargestellt, sowohl bezüglich der Landschaft als auch der Personen. Ein herausstechendes Beispiel dafür ist der blakharazgefällige Wanderrichter und sein lebenslustiger Henker.
Im Vorlesetext zum Dorf Schwarzmehringen kommen magische Glyphen und ein Eingang in eine Hügelkuppe vor, die vermutlich die Aufmerksamkeit der Spieler auf sich ziehen werden. Leider wurde offengelassen, was es damit letztlich auf sich hat und mir ist die Funktion für das Abenteuer unklar. Das Verlieren der Spur ist ein Eingriff, der verziehen werden kann, weil es mit der Teilung in mehrere Spuren begründet und daher die Willkür nicht unbedingt erkannt wird.

Blutige Hatz - Arngrimm von Ehrenstein

Herzog Arngrimm von Ehrenstein, der Werwolf. Illustration von Caryad.

Für mich stellt das Unterkapitel „Zu Tisch mit einem Werwolf“ den eigentlichen Höhepunkt des Abenteuers dar. Die Begegnung mit Arngrimm trifft die Helden völlig unvorbereitet. Sein Auftreten ist besonders plastisch dargestellt und soll die Helden unter Druck bringen. Das Auftauchen der Junkerstochter flicht geschickt einen Nebenplot ein, der noch mehr Zwiespalt und Spannung in die ohnehin aufgeladene Situation bringt. Arngrimm erscheint einerseits als jovialer und geradezu offenherziger Lehensherr, der sich der Anliegen seiner Untertanen aufrichtig annimmt, andererseits wissen alle bei Tisch, zu welchen Grausamkeiten der jähzornige Werwolf ebenso fähig ist. Um die Helden noch mehr in eine ähnliche moralische Bredouille wie den gastgebenden Junker zu versetzen, sollte man die sonst nur im Anhang erwähnten Gehöftbewohner, wie Bedienstetenfamilien, die Burgoffizierin und die Haushofmeisterin, nicht nur optional mit ihnen interagieren lassen. Die Bitte des Junkers aus Rücksicht auf diese nichts gegen den Dunklen Herzog zu unternehmen bekräftigte dies dann nur.
Den Auftakt im finalen Kapitel macht Arngrimm mit der Einladung der Helden zur Hatz und, wie es treffend heisst, scheint bei seiner wütenden Tirade gegen die Diebe und Betrüger das „ganze Ausmass seiner Bosheit“ durch. Es passt, dass dieser Teil auf den nächsten Morgen gelegt wurde, um dadurch nun auch die niederträchtige Seite von Arngrimm herauszukehren und kurz vor der Hatz die Stimmung anzustacheln. Durch die Aufteilung der Hetzjagd in modulare Abschnitte ergeben sich ungefähr fünf verschiedene Verläufe, die direkt von den Handlungen der Helden abhängen. Ausserdem ist es möglich die Junkerstocher vom Weg des Wolfes abzubringen, was die Helden noch als weiteren Erfolg verbuchen könnten, der auch entsprechend belohnt wird.
Der Epilog wird folgerichtig sehr kurz abgehandelt, da nicht mehr viel entschieden werden muss. Die Ausarbeitung des Dracheneis inkl. Illustration erscheint zwar zunächst etwas viel dafür, dass die Helden es nur zurückbringen sollen. Somit ist aber immerhin sichergestellt, dass Antworten für hellsichtige Helden nur nachgeschlagen werden müssen.
An vielen Stellen wurden optionale Begegnungen um den roten Faden herum angebracht und im zweiten Kapitel sogar alternative Entwicklungen ohne Arngrimm angedacht. Diese und Seitenverweise auf Spielhilfen sind gute Hilfestellungen beim Vorbereiten und Leiten. Aus meiner Sicht lebt das Abenteuer aber nicht nur von der allgemein düsteren Atmosphäre Transysiliens, sondern eben gerade vom Auftritt des Dunklen Herzogs Arngrimm. Mit ihm würde ein wichtiger Teil des Abenteuers wegfallen, ich rate daher davon ab. Er stellt schlechthin das Negativ eines tugendhaften Herrschers dar. Welche Eigenschaften als Tugenden zu zählen sind, ist auch irdisch nicht unveränderlich festgelegt. Wir können hier aber mindestens festhalten, dass sich Arngrimm weder fromm, gerecht noch milde oder gar barmherzig verhält.
Bemerkenswert ist an dem Abenteuer, dass es sich prinzipiell ohne jeden Kampf spielen lässt, bis hin zur maximalen Eskalation und Gruppenauslöschung, wenn sie frontal gegen Arngrimm vorgehen würden. Schwerpunktmässig sind ansonsten Natur-, aber auch Gesellschaftstalente notwendig und nützlich, um die Spur über Land zu verfolgen und an Hinweise zu kommen.

Fazit

Formell gibt es nichts zu beanstanden und die Rechtschreibung ist einwandfrei. Der Text ist übersichtlich, es sind viele Illustrationen enthalten und für Spielleiter sind genug Hinweise platziert. Das düstere Kernthema Transysilien und Herzog Arngrimm von Ehrenstein wurde getroffen, die Geschichte wirkt überzeugend und im Umfang nicht ausladend.
Plotrelevante Kämpfe gibt es nicht zu bestreiten, was ich einerseits zur Abwechslung gutheisse, das Abenteuer für kämpferische Charaktere allerdings uninteressanter macht. Dem obersten Werwolf von Transysilien mit Gefolge über den Weg zu laufen und im Kampf zu stellen, ist sicher keine plausible oder gar befriedigende Option. Ausserdem werden keine Geheimnisse gelüftet oder Rätsel geknackt. Am ehesten kommen wildniserfahrene Helden auf der Reise und Gesellschaftscharaktere in Süd-Eichmoor auf ihre Kosten. Wenn allenfalls mit dem Henker noch gescherzt wurde, sollte spätestens mit dem Eintreffen der Jagdgesellschaft jeglicher Frohsinn und Unbeschwertheit abgewürgt werden. Wem so ein finsteres Schauspiel zusagt, ist mit dieser Geschichte gut bedient.

Wertung


7 von 9 Einhörnern

Anmerkungen

Abgesehen davon, dass sich das Abenteuer ohne Hürden auf andere DSA-Regelsysteme übertragen lässt, kann auch der Zeitpunkt mit wenigen Änderungen verschoben werden. Bernfried von Ehrenstein ist nach 1039 BF noch Herzog von Tobrien, Arngrimm von Ehrenstein und Balphemor von Punin sind Herrscher in Transysilien. Der bereits verblichene Helme Haffax als Auftraggeber der Diebe müsste hingegen ersetzt werden. Hierzu böten sich beispielsweise Nabatil Okharim aus Khunchom, Azaril Scharlachkraut oder Sultan Hasrabal an. Da weder Balphemor als Interessent noch der eigentliche Auftraggeber persönlich in Erscheinung treten, gibt es genügend Spielraum für Ersetzungen.

Über Nottel

Nottel heißt Michael und wohnt am Bodensee. Seit 93 stromert er als Spieler und Spielleiter mit Gleichgesinnten durch fantastische Gedankenwelten. Zunächst in Aventurien und dem Riesland, später in der Dark Future, der Welt der Dunkelheit, im Trinity Universum und dringt in Galaxien vor, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat.
Dieser Beitrag wurde unter 7 Einhörner, Das Schwarze Auge, DSA4, Rezension abgelegt und mit , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Rezension zu Blutige Hatz

  1. Pingback: Nandurion rezensiert Abenteuer „Blutige Hatz“ – Nuntiovolo.de

  2. Pingback: Neujahrsrätsel gelöst! | Nandurion

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert