Monster am Spieltisch

Liebe Leserin, lieber Leser,

Hinter dem Schirm

du kannst dir „Monster am Spieltisch“ auch anhören, denn dieses Thema wurde auch beim DSA-Rollenspiel-Podcast diskutiert. Text und Podcast haben das gleiche Thema, ergänzen einander, unterscheiden sich allerdings in Detailfragen. Doch nun zur Sache…

Die Welt des Schwarzen Auges dreht sich um Figuren, die Abenteuer erleben. Große Abenteuer brauchen große Heldentaten und hier sind es oft Monster, die es der Heldengruppe ermöglichen, sich in Szene zu setzen. Schon Geron der Einhändige erschlug sieben epische Monster und machte so sein Schwert “Siebenstreich” zur Legende. Warum sollten sich die Spielenden am Tisch mit weniger zufriedengeben?

DSA ist heroische Fantasy. Und gerade Monster sind ideal, um dieses Genre herauszuarbeiten. Wäre ein Abenteuer ein Kinofilm, dann wären die Monsterkämpfe oft die besten Szenen. Man kann vielleicht einwerfen, Monster seien ein D&D-Thema! Allerdings spielen Monster-Kämpfe bei DSA immer wieder eine zentrale Rolle, werden aber zu selten in den Fokus gerückt. Seltsam ist auch, dass im “Bestiarium” teilweise Geschöpfe wie Biestinger, Blütenfeen und Taschendrachen in der Rubrik “Ungeheuer” auftauchen, obwohl die meisten Spielenden sie sicher nicht bekämpfen wollen. Ich kann diese Wesen also als Spielleitung gar nicht als “Monster” nutzen.

Alle Editionen von „Das Schwarze Auge“ hatten ihre eigenen Vorstellungen von Monsterbüchern…

Um die Ursache hierfür zu klären, sollten wir definieren, was funktional betrachtet ein “Monster” ist. Per Negativ-Definition ist festzustellen: Alle Völker, die spielbar sind bzw. spielbar waren, sind KEINE Monster. Menschen, Elfen, Zwerge, Orks, Goblins und Echsenmenschen sind vielleicht Gegenspieler oder Antagonisten, aber keine Monster. Auch Vampire oder Feenwesen sehe ich in diesem Sinn nicht als Monster, da hier ähnliches gilt.

Daher nutze ich für diesen Beitrag folgende Arbeitsdefinition: Monster sind fiktive Wesen, die von den Spielenden weitgehend ohne Gewissensbisse bekämpft werden können. Monster sind Wesen, welche die Spielenden überraschen, schockieren oder in besonderem Ausmaß fordern. Monster sind Urgewalten, mit denen man nicht verhandelt, sondern kämpft.

Wie ich zu dieser Definition komme, werde ich im weiteren Verlauf erklären. Klar sollte aber schon sein, dass ich mich in erster Linie auf Kampf-Encounter beziehe. Monster-Begegnungen können natürlich auch als Rollenspiel-Begegnungen ablaufen, doch das ist nicht Schwerpunkt dieser Kolumne. Hier geht es ums Hauen und Stechen und um die Action, die dann entsteht, wenn sich Kreaturen nur mit blanker Klinge bezwingen lassen. Es folgen also einerseits Tipps für die Spielleitung und andererseits Ratschläge für das Design von Kampf-Encountern. Doch genug der Vorrede, auf geht’s zu den Kriterien.

Kriterium 1: Langweilige Monster sind schlechte Monster.

Bären sind doch lieb! Wer will die denn bekämpfen? (Bild von Fenia Winterkalt)

Gewöhnliche Wölfe, Bären, Ratten und Spinnen sind langweilige Gegner, da sie schon in zu vielen Abenteuern und Computerspielen vorkamen. Selbst wenn ich noch Einsteiger wäre, fände ich den Kampf gegen Ratten wenig heroisch. Zudem sind durchschnittliche Start-Heldinnen nach DSA5-Regeln oft zu stark im Vergleich zu Ratten oder Wolfsratten. Ganz besonders “schlechte” Monster sind für mich Wölfe und Bären, da ich hier viel Mitleid empfinde und sie gar nicht bekämpfen will. Zudem wirkt es einfallslos, wenn im x-ten Abenteuer wieder Wölfe verhauen und verheizt werden. Allein schon bei der Vorstellung muss ich ein Gähnen unterdrücken.

Eine Erklärung für die Omnipräsenz von Isegrim & Co ist sicher die Bodenständigkeit von Aventurien. Hier gibt es keine breitgefächerte Menagerie, wie in D&D, hier gibt es stets eine geographisch realistische Tierwelt, was auch gut ist. ABER: Aventurien soll realistisch sein, doch weder bieder noch langweilig. Daher lasse ich Ausreden wie “Aber in der Wildnis von Weiden gibt es nur Wölfe!” nicht gelten. Hier ist von der jeweiligen Spielleitung oder von den aktuellen Abenteuer-Autor*innen mehr Kreativität gefragt. Ein erster Schritt wäre, Wölfe mal gegen Sumpfranzen, Säbelzahntiger oder Silberlöwen auszutauschen. Da fällt DSA-Veteranen zwar nicht die Kinnlade runter, es zeigt aber zumindest, dass in allen Regionen Varianz möglich ist.

Positiv formuliert gilt also: Monster müssen Abwechslung bringen und sollten niemals Standard sein, sie sollen die Spielenden am Tisch aktivieren und herausfordern. Wenn in einem vorliegenden Abenteuer Monster vorkommen, die du als langweilig empfindest, dann trau dich, sie auszutauschen. Es wird sich lohnen!

Falls es geographisch ins Abenteuer passt, habe ich sogar einen konkreten Monster-Tipp: Der Weiße Hetzer ist für mich ein absolutes Positivbeispiel. Er ist fies, mystisch und außergewöhnlich und wird den Spielenden im Gedächtnis bleiben. Er ist zwar grundlegend ein Wolf, aber einer mit zwei Köpfen, vier bis acht Beinen und dämonischen Eigenschaften. Selbstverständlich können nicht an jeder Ecke Weiße Hetzer warten, aber ohne konkrete Beispiele wäre meine Argumentation etwas blutleer. Auch vom Regel-Design her mag ich den Weißen Hetzer und das hat zwei Gründe. Erstens: Er ist zwar gewissermaßen dämonisch, kann aber mit allen Waffen normal bekämpft werden. Zweitens: Der Regeltext bietet unter dem Schlagwort “Großer Bruder” direkt eine stärkere Variante zum normalen Monster. Das macht es beim Spielleiten einfacher, Varianz und taktische Tiefe in Monster-Kämpfe einzubringen.

Folgen wir konsequent der Idee, dass langweilige Monster schlechte Gegner sind, stellt sich die Frage: Ist es legitim, Monster aus anderen Welten einzuschleusen, wenn es dem Spielspaß zugutekommt? Ich hatte mal den Cave Mantis aus dem „Lone Wolf RPG“ importiert und es kam gut an. Die Grundidee klingt vielleicht ungewöhnlich, passt aber zum Ursprung des Themas: Monster (wie zum Beispiel Oger) wurden damals erfunden, damit den Spielenden die Kinnlade runterfällt! Warum trauen wir uns nicht, das gelegentlich zu wiederholen?

Kriterium 2: Sehr menschliche Gegner eignen sich nicht als Monster.

Orks eignen sich nicht für Monster-Encounter. Es sind denkende, fühlende Wesen, die mitunter auch durch Diplomatie zu überzeugen sind.

Denke ich an Monsterkämpfe, denke ich nicht an Grolme, Affenmenschen, Holberker, Zyklopen oder Necker. Sieht eine Storyline das Bekämpfen von Monstern im großen Stil vor, bieten sich unmenschliche Monster an, die wenig Humanoides an sich haben. Das lässt sich anhand des klassischen Dungeoncrawls erklären, denn hier geht es oft darum, in verschiedenen Räumen unterschiedliche Monster zu bekämpfen. Traditionell wird hier mit Monstern nicht debattiert, stattdessen geht es meist darum, Lebenspunkte runterzuwürfeln. Mir ist klar, dass dies nicht jeder mag, aber wenn eine Spielrunde Dungeoncrawls schätzt, dann empfehle ich Monster wie den Morfu: Das Morfu, auch Tlalucswurm genannt, ist eine riesige giftige Nacktschnecke, die gefährliche Hornsplitter verschießen kann. Das Wesen hat den Vorteil, dass sofort klar ist, dass es zum Kampf kommt und weder Diplomatie noch Überredungskunst gefragt sind. Das mag eindimensional klingen, lässt aber die Kämpfer*innen der Runde glänzen und bietet die Gelegenheit, das Genre der heroischen Fantasy herauszuarbeiten. Und meine Erfahrung in Online- und Offline-Runden zeigt, dass klassische Dungeoncrawls immer noch beliebt sind.

Ein weiteres Monster, das ich hier empfehlen möchte, ist der Ghul. Bei dieser Kreatur stehen wahrscheinlich kämpferische Aspekte (also Monsterkampf-Encounter) im Vordergrund. Diese können allerdings mit Rollenspielbegegnungen verknüpft werden, wenn es gelingt, neben normalen Ghulen auch einen “Ghul-König” oder andere herausstechende Individuen ins Abenteuer einzubauen. Hervorragende Anregungen hierzu sind in den Bänden “Von Toten und Untoten” sowie “Dämmerstunden” zu finden. Die verschiedenen Ghul-Typen (wie Späher, Sammler, Fresser…) gibt es aktuell nur für DSA4, aber ich hoffe, dass diese Varianten bald auch bei DSA5 Einzug erhalten.

Gerade unerfahrene Spielleiter*innen tun sich manchmal schwer, auf Klischees wie menschliche oder orkische Räuber zu verzichten. Zudem fehlt neuen  Spielleiter*innen mitunter der Mut, das bodenständige Aventurien ein wenig aufzurütteln. Daher möchte ich die Kolumne mit fünf Tipps abschließen, welche das Spiel fesselnder und unterhaltsamer machen können. Diese Tipps enthalten auch Ratschläge für das Schreiben eigener Abenteuer und können somit vielleicht auch alten „Haudegen“ noch Anregungen bieten.

Aventurien, Myranor, Tharun: Monster-Bücher im Wandel der Zeiten (Foto von Thomas Rietz)

Tipps und Tricks

1Kündige Monster an!

Diese Technik wird auch “Foreshadowing” genannt und beispielsweise in Kinofilmen wie “Alien” genutzt. Typisch ist, dass die Protagonisten, bevor sie das Monster wahrhaftig erblicken, schon Krallenspuren oder Wandreliefs entdecken, die Hinweise auf das Aussehen des Monsters geben. Eine andere Möglichkeit sind zerstörte Objekte, die deutlich machen, wie groß oder stark das mysteriöse Biest sein könnte.

2 Fordere die Spielenden!

Starken Monstern sollte in der Regel der Vorzug gegeben werden.  Nutze Kreaturen, welche die Spieler wirklich fordern. Nicht jede Begegnung muss tödlich sein, aber ein Monsterkampf, nach dem niemand einen Kratzer hat, taugt meiner Meinung nach nichts. Du solltest Monstern – wenn möglich – einen Heimvorteil gewähren, beispielsweise knietiefes Wasser oder Dunkelheit. Knietiefes Wasser kann auch in Dungeonabenteuern eingesetzt werden, wenn der Gegner (beispielsweise ein Alligator) daraus Vorteile zieht. Außerdem können einige Monster aus dem knietiefen, dunklen Wasser quasi überall auftauchen, was zusätzlich für Spannung sorgt.

3 Nutze Varianten!

Nutze bei mehreren Kreaturen – wenn möglich – auch Varianten. Du findest diese Varianten unter Schlagworten wie “Großer Bruder” oder eventuell unter Begriffen wie “Weibchen” und “Männchen”. Weibliche Kalekken sind beispielsweise viel stärker als männliche. Zum Nachschlagen der Varianten kannst du die kostenlose DSA-Regel-Wiki verwenden.

4 Achte auf innere Werte!

Ich bevorzuge Monster mit hohen Attackewerten und schlechten Verteidigungswerten. Regeltechnisch betrachtet sind Gegner mit AT 14 und Verteidigungswert 6 immer spannender als solche mit 11/10, da Letzteres den Kampf unnötig verlangsamen würde. Ein gutes Beispiel ist hier der Alligator. Bedenke zudem, dass auch Monster verschiedene Sonderfertigkeiten beherrschen und hier sollte aus dem Vollen geschöpft werden. Zum Beispiel: Die Sonderfertigkeit „Vorstoß“ gibt einen Bonus von 2 auf den Angriff und führt dazu, dass die Gegner nicht mehr parieren (können). Das finde ich als Spielleiter  faszinierend. Weiterhin liebe ich Monster mit niedrigem Rüstungsschutz und hohen Lebenspunkten. Der Kampf ist dadurch nicht einfach, aber die Spieler erkennen deutlich eine Progression. Zudem erleichtert dies spannende Kampfbeschreibungen.

5 Do it yourself!

Gemeint ist hier kein Baumarkt-Slogan, sondern ganz konkret der Monster-Baukasten, welcher in “Die Flusslande” zu finden ist. Dieses Baukasten-System ist gar nicht so bekannt und versteckt sich in der Spielhilfe auf Seite 175/176. Das Ganze eignet sich, um eigene Monster zu konstruieren. So können altmodische Gegner wie Bären aufgepeppt werden. Hier könntest du den Bären etwa mit dem Darkha-Dämon kombinieren, um deine Spielrunde zu überraschen. Alternativ können bekannte Chimären (wie die Wolfsechse) erweitert werden. Durch Auswürfeln erhält die Kreatur dann Tentakel, zusätzliche Klauen, einen menschlichen Verstand, magische Fähigkeiten oder ähnliches. Für mich klingt das nach Spaß!

Nandus Balken Schmal Spoiler

Ich hoffe, beim Lesen der Kolumne ist bei euch Begeisterung für Monster-Encounter aufgekommen. Sind meine Tipps hilfreich? Habt ihr weitere Tipps oder Ratschläge? Dann hinterlasst gern einen Kommentar! Zudem bitte ich alle Leser*innen, unbedingt mal in den Podcast reinzuhören, bei dem ich zum vorliegenden Thema mitreden durfte.

Über sirius

Sirius heißt im wahren Leben Moritz und wuchs mitten im Ruhrgebiet auf. Seit Anfang der 90er bereist er nicht nur Aventurien, sondern auch andere fantastische Welten. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Pen&Paper, PC-Games, Hörbücher oder Kartenspiele handelt. Unterwegs erkennt man ihn daran, dass er fast immer ein gutes Buch dabei hat, das nicht dem Mainstream entspricht. Von Nerd-Themen, die über DSA hinausgehen, berichtet er auf seinem Blog hochleveln.de
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5 Antworten zu Monster am Spieltisch

  1. Pingback: Monster = Größe + Stärke + Häßlichkeit? | Nandurion

  2. Pingback: Nandurion und DSA-Rollenspiel-Podcast: Monster ins Spiel einbinden – Nuntiovolo.de

  3. Xeledorn sagt:

    Der Band „Aventurisches Transmutarium“ kann mittlerweile sogar über den Collectors Club vorbestellt werden. Damit kommen dann viele neue Monster ins Spiel. Da freue ich mich schon auf das vorab PDF.

  4. FRAZ sagt:

    Mit „Ungeheuerlich“ bietet Nandurion seinen eigenen kleinen Monster Baukasten. Ist zwar für DSA4 konzipiert, lässt sich aber sicher auch als Inspiration für DSA4 nutzen.

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