Warum NSCs bei DSA früher problematisch und nervig waren und heute langweilig und belanglos sind

Ein Essay von Raphael „Thorus“ Brack

Heiliger Strohsack von Verena SchneiderDieser Gedankengang ist lang geworden. Nicht weniger Aufmerksamkeit verdient ein Aspekt des Schwarzen Auges, der sich von 1984 bis ins Jahr 2022 entspannt. Es geht, wie der Titel bereits provokativ suggeriert, um ein Thema, das in Foren, Blogs und Social Media bereits hoch und runter diskutiert wurde: „Meisterfiguren“ früher und heute.

Dass es tatsächlich objektive Unterschiede in der Konzeption früherer und heutiger NSCs gibt, ist offensichtlich. Das Warum ist interessanter.
In diesem Essay gehe ich darauf ein, wieso sich NSCs in verschiedenen DSA-Epochen so unterschiedlich anfühlen und auf eine teils fanatisch-treue Anhängerschaft zählen können. Beide Figurenarten möchte ich anschließend möglichst gleichmäßig mit Kritik und Lob bewerfen. Zum Ende möchte ich meine Vorstellungen, in Wünsche verpackt, formulieren, wie sich das Beste aus beiden Welten miteinander verbinden ließe, damit sowohl Autor*innen als auch Spielleitungen bestmöglich profitieren können.

Ich lade alle DSA-Fans ein, sich mit mir auf eine kurzweilige Gedankenreise durch den Dschungel literarischer Figurenkonzeptionen zu machen.

Oft gehört: „Waren NSCs früher besser als heute?“ – Die falsche Frage!

Literarische Figuren, ob im Roman, im Rollenspiel, im Theater oder im Film, haben zwei vordergründige „Aufgaben“: Erstens erfüllen sie, ganz schnöde, eine bestimmte Rolle im Rahmen einer Erzählstruktur. Anders gesagt: Sie sind es, an denen die (Erzähl)-Welt ihre Messer schleift. Ohne Figuren, keine Handlung.
Zweitens dienen sie der Identifikation der Rezipient*innen. Figuren sind in Problem- oder Konfliktsituationen beobachtbar, die unweigerlich die Frage aufwerfen: Wie würde ich (oder jemand anders) in der Situation handeln? Sympathie ist keine Voraussetzung für Identifikation: Sogar, wenn wir eine Figur nicht mögen, weil sie überzeichnet, ein Alter Ego der Autor*innen oder schlichtweg unausstehlich ist, kann sie als Wetzstein dienen, an dem man sich vortrefflich abarbeiten kann.

„Damals“ in Aventurien. Ein feiernder Phileasson – Illustr. von Florian Stitz

Auf DSA bezogen, dürften uns sofort einige „Meisterfiguren“ in den Sinn kommen, mit denen Fans eine leidenschaftliche Hassliebe verbindet oder verband. Bis in die frühen Nullerjahre wurden wir bei DSA mit Figuren konfrontiert, die dieses oder jenes besser konnten als unsere Spielfiguren. Oftmals wird diesen Figuren heutzutage vorgeworfen, sie seien einseitig, klischeebehaftet und teilweise sogar problematisch. Nun, das alles stimmt. 

In PNs auf Facebook diskutierte ich unlängst mit einigen Fans, die Redebedarf aufgrund einer Umfrage hatten, die ich in der Das Schwarze Auge-Facebookgruppe von Sören Berndson stellte. Während einige Fans ihre „Helden von Damals“ durch meine Umfrage in ein schlechtes Licht gerückt sahen, gab es auch die Gegenseite, die mir vorwarf, dass ich die damaligen NSCs mit ihren problematischen Verhaltensweisen verharmlosen würde. (Beide Seiten waren sich aber ziemlich einig, dass die von mir gezogene Trennlinie im Jahr 2008 Blödsinn sei.) Allein die Umfrage wurde somit von Einigen als „Angriff“ interpretiert und meiner Person eine „Agenda“ unterstellt. 

Facebook-Umfrage: Welche Zeit hat erinnerungswürdigere und/oder bemerkenswertere NSCs hervorgebracht: Vor 2008: 81 Nach 2008: 10. Stand: 18.08.2021

Beide „Seiten“ interpretierten fälschlicherweise eine ganz konkrete Frage in mein Meinungsbild: „Waren NSCs früher besser als heute?“ Eine solche Frage ist meines Erachtens falsch (weil populistisch) und auch das Jahr 2008 wurde von mir nicht deshalb gewählt, damit die Ergebnisse in eine Richtung tendierten, die meiner ominösen „Agenda“ entsprach. Vielmehr verhält es sich so, dass das Jahr 2008 einerseits in puncto Editionskrieg 4 vs 5 völlig unverdächtig und neutral war. Noch wichtiger, andererseits: 2007 und 2008 erschienen die grundlegenden „Wege-Bände“ im Regelsystem DSA4.1. Diese brachten eine massive Änderung von bisherigen Setzungen mit sich, indem den Spielfiguren (SCs) mehr „Spotlight“ eingeräumt wurde und die NSCs ein Stück zur Seite treten mussten. Eine Entwicklung, die bereits in den Vorjahren begann, aber nun in den Regelbänden zementiert wurde.

In diesem Aufsatz wird es somit ausdrücklich nicht um ein besser oder schlechter von „Meisterfiguren“ gehen, denn dieses ließe sich gar nicht objektiv bemessen. Jede Figur ist so, wie sie am Spieltisch durch die SL dargestellt oder durch die Spieler*innen mittels Rollenhandeln beeinflusst wird, ganz unabhängig davon wie sie in einem Hintergrundband beschrieben ist. Das ist auch zwingend notwendig, denn würden wir uns nicht der eigenen Wirkmächtigkeit auf das Spiel sicher sein können, so wäre die Spielwelt nicht beeinflussbar und somit auch nicht spielenswert!

Besser oder schlechter? Egal! Hauptsache nützlich! 

In diesem Essay soll es um einen anderen, viel wichtigeren Figurenaspekt gehen, und zwar den einzigen, der beiden „Seiten“ zugutekommt: Das „Plot-Hook-Potential“ von NSCs. Frei nach Goethe: „Edel sei die Meisterfigur, hilfreich und gut!“

Dennoch möchte ich als Einstieg die recht eindeutigen Umfrageergebnisse als Aufhänger verwenden: Was viele der Abstimmenden dazu verleitet haben mag, die frühere Figurenriege auszuwählen, dürfte vielschichtige Gründe haben. Womöglich die Tatsache, dass frühere NSCs exaltierter und präsenter waren und einen (manchmal durchaus charmanten) Nerv-Faktor aufwiesen, um uns (und unsere Spielfiguren) im positiven sowie negativen Sinne zu triggern. Fast nie zum Selbstzweck, sondern zum Plotzweck. Außerdem gab es viel weniger NSCs in der Frühzeit des Schwarzen Auges: Wo heute aberhunderte NSCs in den Beschreibungstexten in einer einzelnen Regionalspielhilfe auftauchen, waren es früher lediglich zwei Dutzend. Natürlich gäbe es noch eine einfachere Erklärung: Nostalgie. 

Wenn es um dieses Thema geht, so lese ich seit vielen Jahren in Foren oder Social-Media-Kanälen, dass heutige NSCs etwas blass und unspektakulär wirken und diese Tendenz zunähme. Stimmt das? Und wenn ja, woran könnte das liegen? Bevor ich meine Hypothese(n) vorstelle, zunächst ein Blick auf die Genese einzelner Figuren. Viele NSCs der aventurischen Gegenwart sind „natürlich“ gewachsen (wie z.B. Rohaja von Gareth) und sogar im Verlauf der fortschreitenden Handlung (der lebendigen Geschichte) auf die Welt gekommen. Wir kannten bereits Rohajas Eltern; die Spieler*innen der ersten Stunde hatten sogar mit Rohajas Großeltern zu tun. Eine solche Figur bringt ein hohes Maß an Beständigkeit und Glaubwürdigkeit in die Spielwelt; ein Aspekt, für den DSA gemeinhin gelobt und verehrt wird. 

Die stärkste plot armor des Schwarzen Auges: Kaiserin Rohaja – Illustr. von Tristan Denecke.

Leider werden Figuren wie Rohaja künstlich geschont und tragen dicke plot armor – in den DSA5-Spielhilfen und Abenteuern sogar ausdrücklich markiert durch die Schachfigur des Königs. Das macht sie nicht sonderlich spannend, auch wenn der Charakter der Figur komplex ist. Wir erinnern uns an ihre zurückliegenden Heldentaten, ihre Vorfahren, ihre Familie. Eine Kaiserin Rohaja kann immerhin mit der gleichen klatschpressebegleiteten Faszination betrachtet werden, wie die Mitglieder des britischen Königshauses. Grundsätzlich etwas langweilige Persönlichkeiten, aber mit einem unbestreitbar interessanten und öffentlich exponiertem Leben.

Die andere Möglichkeit: Figuren werden komplett neu konzipiert, also ex nihilo erzeugt, wie eine unserer Spielfiguren bei der Charaktergenerierung. Es macht „Plopp!“ und sie betreten die Spielwelt, wie ein frisch gespawnter Avatar in einem beliebigen Online-Rollenspiel. Für ihr Inplay-Umfeld waren sie natürlich schon immer da; ihre (ebenfalls aufploppenden) Familienangehörigen haben sie schließlich zur Welt kommen und aufwachsen sehen. Ein ganzes soziales Umfeld wird generiert, das aber erst mit dem Augenblick der Generierung (offplay) sichtbar wird. 

Probleme mit Ex-Nihilo-NSCs: Entweder zu blass oder zu überladen

Bei dieser Art von Figuren beobachte ich zwei Extreme, die meines Erachtens beide ein Problem darstellen und Aventurien ein stückweit entmystifiziert und beliebig gemacht haben.

Das eine Extrem: Eine neu erschaffene NSC-Figur wird bewusst farblos und langweilig gestaltet, um in der Welt, in die sie hineingeworfen wurde, bloß nicht anzuecken. Sie muss sich irgendwie hineinwieseln, wie ein zu spät gekommener Gast in eine Kinovorstellung und dann so tun, als wäre ihr Platz nie leer gewesen. Ein prominentes Beispiel hierfür ist der oberste Hetmann Asgrimm Ragnarsson, der de facto vor Die Gestade des Gottwals (GdG) im Background nicht existierte. Diese Figur hat keine Backstory, keine nennenswerte Motivation, keine Geheimnisse und ist die Verkörperung des sprichwörtlichen Blatts im Wind. Beliebig, unecht, austauschbar.

Austauschbar? Falsch! Denn auch er ist mit einer Königsfigur markiert. Spieltechnisch steht er auf einer Stufe mit Kaiserin Rohaja. Spielweltlich wird er in GdG jedoch wortwörtlich als „kleinster gemeinsamer Nenner“ und „Übergangslösung“ beschrieben. Die Qualität beider Herrscherfiguren ist vor allem deshalb so ambivalent, weil die erste natürlich wirkt und die zweite künstlich.

Das andere Extrem: Eine neu erschaffene Figur wird unter dem Ballast künstlicher Komplexität begraben, der tausend Gründe liefert, um eine eigentlich übermächtige Figur künstlich klein und/oder in ihrer Region zu halten. Hier steht ebenso deutlich das angeblich so leicht zu stehlende Spotlight und die Besorgnis um unsere Held*innen im Mittelpunkt. Eine Leitlinie, die eigentlich gut gedacht und auch gut umgesetzt wurde, mit dem gut gemeinten Ansinnen, player empowerment zu fördern. Eine Leitlinie, die ich damals persönlich sehr begrüßt habe und für die ich mich in nahezu jedem Spielsystem einsetze. Bei DSA, so muss ich feststellen, habe ich diese Meinung mittlerweile revidieren müssen. Denn dieses mutige Experiment ist meiner Meinung nach krachend gescheitert. Das Abwälzen der Verantwortung auf die Spielrunde passt nicht zu DSA und hat der Glaubwürdigkeit der Spielwelt leider massiv geschadet. Ich komme später auf diesen Punkt zurück.

Beide Extremfälle haben eines gemeinsam: Sie zeigen Arten von Figuren, die in unterschiedlichem Ausmaß, hilflos und/oder inkompetent sind. Der generische Kommandant der Stadtwache war stets ein klassisches Beispiel, das es sogar zum Rollenspiel-Trope geschafft hat. Doch dieser halbironische „Die Stadtwache ist unfähig-Befund“ erstreckt sich mittlerweile auch auf Staatsoberhäupter und Kirchenobere, weil irgendjemand mal irgendwann dachte (inklusive meiner Wenigkeit), dass dies das heldenhafte Spiel stärken würde. Die letzten Jahre haben deutlich gezeigt: Das Gegenteil ist der Fall. Unsere Heldinnen und Helden treiben in einem Ozean der Inkompetenz! Nicht länger auf Ebene der trotteligen Stadtwache, sondern auf geopolitischer Bühne.

Die Last auf den Schultern der Spielrunde

Vorbei die Zeiten, in denen NSCs, die auch als Romanfiguren den Plot vorantrieben, mutige und eigensinnige Entscheidungen treffen durften. Was erleben wir stattdessen? Vom nostrischen Flunderfischer bis zur Kaiserin: Allesamt getriebene Persönlichkeiten, die nur noch eine Handlungsart kennen: Die Reaktion. Das Heft des Handelns haben sie zwangsweise an unsere Spielfiguren abtreten müssen, sofern sie nicht durch (zugegeben sehr stimmungsvolle) Kampagnen wie den Rabenkrieg gerailroadet werden. Dies ist nicht nur eine spürbar künstliche Beeinflussung aus dem Außen und dementsprechend immersionsbrechend (vergleichbar mit einer Regisseurin, die ihrem auf der Bühne stehenden Hauptdarsteller während der laufenden Theatervorstellung zuruft, er solle sich noch einmal umziehen), sondern obendrein eine Inplay-Aufgabe für unsere Held*innen, die ihresgleichen sucht! Nicht einmal die Gezeichneten trugen diese gewaltige (Plot-)Verantwortung auf ihren Schultern! 

Das Spotlight, das auf den Held*innen und nicht mehr auf den NSCs liegt, hat einen Preis: Die Fleißarbeit, um aus einem guten Abenteuer ein großartiges Abenteuer zu machen, liegt nicht mehr bei Autor*innen, sondern bei jeder einzelnen Spielrunde. (Ein Beispiel hierfür sind die kurz gehaltenen Heldenwerk-Bände, die auf 16 Seiten lediglich einen Rahmen abstecken, der anschließend von der Spielrunde gefüllt werden muss.) Dieser Aufwand ist vergleichbar mit Erzählspielen, die mit ihren „Chroniken“ genannten Storyentwicklungen eher Serienstaffeln ähneln als den Questen in der klassischen Fantasy.

Die NSCs wiederum, die in dieser von Held*innen und ihren Spieler*innen getragenen Welt leben, haben bestenfalls gut orchestrierte Statistenrollen. Im schlechtesten Fall sind sie Kulisse. Das Handeln der aventurischen Bevölkerung geht selbst dann nicht über ein Schulterzucken hinaus, wenn eine Stadt wie Arivor pulverisiert wird. Zum Vergleich: Der Untergang des kleinen Dschungelstädtchens Altaïa, am sprichwörtlichen Südrand der Welt, hatte anno dazumal eine viel größere Strahlkraft und wurde in mehreren Botenausgaben, in Abenteuerbänden und in Romanen thematisiert. Und Elems Vernichtung wirkt sogar seit über 1000 Jahren nach. Die neu verordnete Nicht-Reaktion der NSCs schadet der Glaubwürdigkeit der gesamten Spielwelt, indem sie ähnliche Ereignisse der Vergangenheit nachträglich banalisiert. 

Scheinbar ist es erwünscht, dass es in Aventurien nur noch eine einzige Gruppierung gibt, die Betroffenheit zeigen darf und in sich einen gewissen Heldenmut entdeckt, um von Ort zu Ort zu reisen und Probleme anzupacken: Die Heldengruppe. Genauer gesagt: Unsere Heldengruppe. Situationen, in denen die Spielgruppe zu spät erscheint oder die Info erhält, dass Problem XYZ bereits von anderen, womöglich kompetenteren Held*innen erledigt wurde, sind gar nicht mehr vorgesehen, obwohl das im Rahmen des „fantastischen Realismus“ (er ruhe in Frieden) eigentlich die Regel und nicht die Ausnahme sein sollte.
Wie konnte es dazu kommen?

Der Unterschied von Film- und Serienfiguren als Vorbild für NSCs

Hierzu muss ein Exkurs vorangestellt werden, der die Inspirationsquellen für damalige und heutige NSCs, von denen sich Autor*innen bewusst oder unbewusst beeinflussen ließen, gegenüberstellt.

Es ist tatsächlich seltsam. Warum wirken heutige Figuren bei DSA auf viele Fans deutlich blasser als in den 80ern und 90ern, obwohl es doch viel mehr Franchises und Inspirationsquellen gibt als damals? Hierzu stelle ich als erste Hypothese auf, dass sich die meisten DSA-Figuren der Frühzeit an schwer klischeebehafteten Film- oder Romanfiguren anlehnten und in dieser Hinsicht unterkomplex waren. (Dass dies kein Vorurteil ist, zeigen die in letzten Jahren häufigen Interviews mit DSA-Urgesteinen wie Werner Fuchs oder Hadmar Wieser, die auf entsprechende zeitgenössische Inspirationen verweisen.)

Meine zweite Hypothese: Heutige DSA-Figuren orientieren sich dagegen an ausdifferenzierten (also hochkomplexen) Serienfiguren; vor allem an Figuren aus serials statt aus procedurals,  da sich Seh- und Konsumgewohnheiten verändert haben. 

Eine kurze Erläuterung, um zunächst die Begrifflichkeiten zu klären: Als procedural bezeichnet man TV-Serien, die innerhalb einer Episode eine abgeschlossene Handlung aufweisen. In diesem Fall spricht man auch von episodic. Eine Figurenentwicklung findet über den Zeitraum der Serie entweder gar nicht oder nur sehr langsam statt. Beispiele für eine derart langsame Figurenentwicklung und Erzählweise, wie sie bis zur Jahrtausendwende in der Fantastik vorherrschend war, wären Serien wie Star Trek: The Original Series, teilw. auch The Next Generation (TNG). Noch heute funktionieren vor allem Crime-Serien so. In der Regel setzt sich das stets gleiche Figurenensemble innerhalb einer Episode mit einem Problem (beispielsweise Mordfall) auseinander, das am Ende der Folge gelöst wird. Natürlich mag es im Hintergrund auch einen Metaplot geben, der die Einzelepisoden überspannt und eine gewisse Charakterentwicklung ermöglicht. (Beispiele sind 90er-Serien wie The X-Files, Sailor Moon, Xena, Stargate: SG 1). Die Zusehenden können dennoch getrost eine oder zwei Folgen verpassen und dann wieder einschalten. Eine allseits bekannte Serie, die, von wenigen Ausnahmen abgesehen, den Status Quo am Ende jeder Episode wieder herstellt und in der die Figuren selbst über Jahrzehnte nicht altern, sind beispielsweise die Simpsons.

Procedurals ähneln im dreiaktigen Aufbau (set up, confrontation, resolution) damit den meisten Filmen oder Bühnenwerken, zählen also zur Literaturgattung der Dramatik, auch wenn sie sich in einem entscheidenden Punkt unterscheiden: Während in procedurals am Ende einer Folge zumeist der Status Quo wieder hergestellt wird, ist dies bei einem dramatischen Werk niemals der Fall. Hier endet die Geschichte mit einem Happy End (Komödie) oder einem Bad End (Tragödie). Der Status Quo kann nie wieder erreicht werden, da entweder die Held*innen oder Antagonist*innen (bzw. bei Shakespeare auch gerne mal sämtliche Hauptfiguren) tot auf der Bühne liegen. 

Heute (also in den 20ern) begegnen uns Serien überwiegend in Form von serials, bei denen die Handlungskurve eher einer Achterbahn ähnelt, die ständig Höhepunkt auf Höhepunkt (confrontations) aufeinanderstapelt (z.B. Squid Game, Haus des Geldes) und manchmal gefühlt niemals (Supernatural) oder ziemlich unbefriedigend endet (Lost und GoT). Bei serials ist zumeist der Weg das Ziel.

Entscheidend angeschoben wurde der Erfolg dieser Erzählstruktur durch den Sender HBO, der zur Jahrtausendwende Serien wie die Sopranos auf die heimischen Bildschirme zauberte. Heute gibt es auf Streamingportalen wie Netflix, Amazon Prime und Co. kaum noch procedurals; fast alle Serien starten als serials, die man staffelweise durchgucken kann (Bingewatching) und uns dazu bringen, immer „nur noch eine Folge“ weiter zu schauen. Waren Cliffhanger früher Staffelfinals vorenthalten, bekommen wir nun einen ebensolchen am Ende jeder Episode. Daher hat die erste Staffel von Star Trek: Picard im Gegensatz zu TNG auch nur zehn Folgen statt 26 und erzählt eine einzelne Geschichte, die sich über die gesamte Staffel erstreckt. Vorbei sind die Zeiten, mit dem Transporterunfall der Woche.

Um den audiovisuellen Exkurs wieder auf die Literaturschiene zu lenken: Procedurals verwenden grundsätzlich einen drei- oder fünfaktigen Dramenaufbau während serials sich an der altehrwürdigen „Heldenreise“ orientieren. Vorbilder für letztgenannte Erzählweise sind sowohl die antiken Heldensagen (Illias, Gilgamesch) als auch die Nibelungen- oder Artussage. Diese Werke erstrecken sich, wie die Irrfahrten des listenreichen Odysseus, über viele kleinere zusammenhängende Teilgeschichten mit unzähligen überraschenden Wendungen, vielen grausamen Toden von Haupt- und Nebenfiguren und spektakuläre Schlachten. Wer nun Vikings, Squid Game, Walking Dead und Game of Thrones vor Augen hat, der bedanke sich beim alten Homer. 😉

Dramatische NSCs ticken anders als epische (und bleiben besser im Kopf!)

Ich möchte festhalten, dass beide Erzählweisen weder neu noch kritikwürdig sind. Das eine ist Dramatik, das andere ist Epik. Beides brachte großartige Literatur hervor, aber nicht beides ist gleichermaßen auch für uns als Rollenspielende geeignet, denn wir sind, dem Aufführungs- und Ausspielcharakter unseres Hobbys geschuldet, primär anschlussfähig an das Drama, nicht an die Epik.
Sprich: Die SL stellt in jedem Rollenspiel laufend „Bühnenbilder“ vor und wie sich uns eine Szene darbietet. Was danach passiert, ist reines Improvisationstheater, selbst wenn schlimmstes Railroading zu Grunde liegt.

Beide Erzählweisen beeinflussen sehr stark, wie die handelnden Figuren eingesetzt werden und welche Rolle sie für die Handlung spielen. Oder, um es klar zu sagen: Rollenspielautor*innen, die sich bewusst oder unbewusst an dramatischen Figuren orientieren, erschaffen andere NSCs, als jene, die sich an epischen Figuren orientieren.

Auf den Punkt gebracht: Die DSA1-3 Autor*innen hatten verstärkt (und vermutlich völlig unbewusst) dramatische Vorbilder im Kopf; die DSA4-5 Autor*innen epische.

Nachvollzogen werden kann dieses Phänomen erneut am Vorbild der Serienlandschaft: Obwohl serial-Serien viel mehr Zeit haben, um ihre Figuren zu begleiten, bleiben uns procedural-Film- und Fernsehfiguren besser im Gedächtnis und wir haben sogar den Eindruck, sie besser zu kennen. Figuren in Bühnenstücken oder Filmen mit klar definierten Akten (wie in procedurals) bleiben uns besser im Gedächtnis, obwohl wir „weniger Zeit“ mit ihnen verbringen. Von „Heldenreisen“ oder serials bleiben hingegen oftmals nur Hauptfigur und Antagonist*in im Hinterkopf. Ein Schicksal, das keineswegs im schlechten Storytelling begründet liegt, sondern in der Natur des Epos: Sämtliche Hauptfiguren aus „Vikings“ nach einem Jahr aufzählen zu müssen ist ähnlich schwierig, wie die zwölf Ritter der Tafelrunde aus der Artussage zu benennen. Artus, Lancelot, äh… Galahad… öhm… Und natürlich gibt es Obernerds (ich bin so einer, wenn es um Battlestar Galactica geht), die ein Epos oder eine Serie von vorn bis hinten mitsprechen können und für die das in ihrem jeweiligen Franchise ein Klacks ist und die selbst die Litanei der Zwerge aus dem Hobbit runterbeten können (Biffur? Boffur? Bombur? Äh…).

Die „Normal-Konsumierenden“ schaffen das aber nicht. Warum? Weil weniger ausdefinierte Figuren einen Interpretationsspielraum lassen. Leerstellen, die von unseren Gedanken und Wünschen ausgefüllt werden und dafür sorgen, dass wir eine eigene Vorstellung einer Figur entwickeln können. Darth Vader war eine tolle Projektionsfläche, solange wir Episode I-III nicht kannten. Nun wissen wir zwar, dass Vader keinen Sand mag, aber das Mysterium um die Figur wurde ein stückweit zerstört.

Serials (und Filmreihen, wie das Marvel Cinematic Universe) leuchten Figuren vollständig aus, so dass wir nicht gezwungen sind, uns selbständig tiefergehend mit ihnen beschäftigen zu müssen, indem wir Leerstellen füllen. Die Folge: Etwas, was uns weniger beschäftigt, verschwindet schneller aus dem Gedächtnis. Eine solche Figuren-Konzeption ist primär auf Konsum (passiv), nicht auf Produktion (aktiv) angelegt. Als Rollenspieler*innen konsumieren wir aber nicht, sondern füllen – gemeinsam mit der Spielleitung – die Spielwelt mit Leben, üben also eine schöpferische Tätigkeit aus. Für das Erleben, Empfinden und Handeln unserer aventurischen Figuren, bzw. die Auseinandersetzung unserer SCs mit NSCs ist die Konfrontation mit serial-beeinflussten „Meisterfiguren“ daher eine unglückliche Wahl. 

Früher: Kiesow und Co schrieben procedurals und entwarfen Bühnenfiguren

Um einen Kritikpunkt an meiner Hypothese gleich vorwegzunehmen: Natürlich hatten sich die Urväter und -mütter von DSA mutmaßlich an epischen, fantastischen Werken (z.B.: Der Herr der Ringe, mit Frodos klassischer Heldenreise) und nicht primär an zeitgenössischen Fernsehserien orientiert. Das, was sie dann jedoch für das Spiel extrahierten, war nichts anderes als ein Drehbuch, inklusive Figurenbeschreibungen und Bühnenanweisungen für das Ausspielen von Rollen. Eine epische Vorlage wurde dramatisiert: DSA1-3 Abenteuerbände sind daher oftmals Drehbücher, mit ausführlichen Szenenbeschreibungen und Rollentexten für NSCs. Gemeinhin bekannt als Railroading.

Enger Präsentationskorridor: Wer 1990 auf den wenigen Bildschirmen (Film/Fernsehen) auftauchte, war „relevanter“: Das „Wetten Dass?-Lagerfeuerphänomen“. Breiter Präsentationskorridor: Heutzutage ist der Medienkonsum stark fragmentiert und mehr Akteur*innen wetteifern um die Gunst des Publikums.

Hinzukam, dass der mediale Alltag der damaligen Zeit, der unbewusst das medienaffine schreibende Individuum beeinflusst, durchweg procedural angelegt war. Ob im Film oder im Fernsehen: Serial-Erzählweisen existierten höchstens in Seifenopern, im Pro-Wrestling oder in Comic-Magazinen. Filme hatten noch keine tausend Fortsetzungen wie das Marvel Cinematic Universe und im TV bekam man nur eine einzelne wöchentliche Episode seiner (procedural) Lieblingsserie geboten. Auch „Stars“ wurden rasch „Weltstars“, da der Präsentationskorridor (siehe Abbildung) ohne das Internet deutlich kleiner war und die Anzahl an „Promis“, die eine Präsentationsfläche hatten, stark begrenzt war. Self-promoting und self-publishing waren unmöglich; die Anzahl an prominenten Personen war einerseits deutlich kleiner und das Streben nach Aufmerksamkeit andererseits „schillernder“, um bloß nicht aus dem Aufmerksamkeitskorridor der Masse (oftmals Fernsehen oder Boulevardzeitung) zu fallen. Auch dies dürfte Einfluss auf die damalige DSA-Figurenriege gehabt haben, die mit den TV-Stars ebenfalls eine Gemeinsamkeit teilte: Die geringere Anzahl. 

Was ebenfalls objektiv darstellbar ist, ist der dramaturgische Aufbau der frühen DSA-Publikationen: Ich habe den Großteil der erschienenen DSA-Abenteuer gelesen und große Unterschiede zwischen den Abenteuern aus den 1990er Jahren und den heutigen festgestellt. Die Abenteuer der ersten bis dritten Edition ähnelten (außerhalb der Kampagnen) sehr stark den procedurals. Sie konnten problemlos in unterschiedlicher Reihenfolge gespielt werden und die Heldengruppe legte enorme Distanzen zwischen den Startorten der Abenteuer zurück. Annähernd jedes Abenteuer erzählte eine eigenständige Geschichte, fast immer der klassischen Dramenstruktur folgend. (Angefangen mit Silvanas Befreiung). Selbst über Reiseabenteuer (Über den Greifenpass, Staub und Sterne, Alptraum ohne Ende) lässt sich eine Dramenstruktur legen, bei den genannten Beispielen handelt es sich um ein Fünfaktschema.

Heute haben wir es entweder mit stark modularisierten Abenteuern zu tun, in denen sich verschiedene Stationen in beliebiger Reihenfolge anlaufen lassen oder mit Varianten der Heldenreise, die sich an jeder Station zu einer Mini-Sandbox öffnen, aber dazwischen mehr oder weniger stark gerailroadet sind. (Beispiel: Neue Bande & Uralter Zwist, Klingen der Nacht) Interessant sind Abenteuer, die in der Kapitelnennung und im Vorwort zwar für sich in Anspruch nehmen, drei Akte zu haben, die sich aber als waschechte Sandbox (bzw. Plotpoint-Kampagne) entpuppen, in der die Handlung voranschreitet, sofern eine ausreichende Anzahl an Informationen gesammelt oder ein bestimmtes Ereignis durch die SCs losgetreten wurde. (Beispiel: Ein Tod in Grangor)
Drei- und Fünfakter sind aus den größeren Abenteuerbänden völlig verschwunden, lediglich einige Heldenwerke weisen, auch aufgrund ihrer Kürze, einen rudimentären Dramenaufbau auf. Hier möchte ich stellvertretend das Heldenwerk Der Stille Pfad nennen, das sich in der Einleitung zwar zweigeteilt gibt, aber tatsächlich ein waschechter Dreiakter ist.

Ein Sonderfall ist das Abenteuer Krallenspuren. Dieses bezeichnet sich in seiner Einleitung selbst als Drama und tatsächlich ist es rein formal in drei Kapitel unterteilt. Diese stellen sich aber jeweils als abgeschlossene Dreiakter heraus und ergeben gemeinsam drei Abenteuer, die aufeinander aufbauen. Einzig die Dungeoncrawler scheinen echte Evergreens zu bleiben, findet man sie doch auch heute noch im Schwarzen Auge: Wer einfach mal wieder durch Katakomben und Keller stromern möchte, wird mit einem Heldenwerk wie z.B. Des Wandelbaren Schicksal glücklich. 😉

Zudem konnte ich bei meinen Nachforschungen feststellen, dass die damaligen, (vermeintlich) häufig auftretenden Figuren so angelegt waren, dass sie flexibel auftauchen und wieder verschwinden konnten, wie „Q“ in Star Trek TNG, „Ares“ bei Xena oder der „Raucher“ bei Akte X. Sehr praktisch, denn als Autor*in konnte eine solche (Reiz-)figur jederzeit eingesetzt und am Ende des Abenteuers wieder „entlassen“ werden.

Durch nostalgische Verklärung ist jedoch fast in Vergessenheit geraten, dass die Auftritte dieser Persönlichkeiten eigentlich recht rar gesät waren. Meist genügte bereits ein einziger Auftritt in einem früheren Abenteuer und ein Wiedersehen innerhalb der Borbaradkampagne, um den Eindruck zu vermitteln, eine Figur sei omnipräsent. Getreu dem Sprichwort „Willst du gelten, mach dich selten!“ ist auch Nahema eine solche Figur, die bis zur G7 in Goldene Blüten auf blauem Grund (1996) nur kleinere Nebenauftritte in Abenteuern wie Tödlicher Wein (1987) hatte und ansonsten nur im Hintergrund herumschwirrte. Nahema reichte allein ein Auftritt im Kettenhemd Im Orkenhort (1987), um einen Legendenstatus zu erlangen. 

Die meisten dieser Figuren hatten, wie u.a. von Werner Fuchs und Hadmar von Wieser in Orkenspalter TV-Interviews bestätigt, die Aufgabe als Vorbild und Messlatte für die Heldengruppe zu dienen. Magierinnen sollten Nahema nacheifern, Krieger Raidri und Abenteurer Phileasson. Diese scheinbar übermenschlichen Individuen waren gar nicht als „Mary Sues“ und „deus ex machina“ gedacht, wie sie oftmals betrachtet wurden und werden. Sie sollten als vertraute, reisefreudige Gestalten dienen, die an jedem Ort Aventuriens auftauchen konnten, genau wie die Heldenfiguren der Spielgruppe.

Genauer betrachtet waren und sind selbst die mächtigsten dieser Figuren auch gar keine halbgöttlichen Allrounder: Oftmals sind sie auf einigen Gebieten zwar wahnsinnig übertalentiert; auf vielen anderen jedoch unbeholfen oder sogar völlig unfähig.

Raidri und Rakorium Muntagonus mögen als Kämpfer bzw. Gelehrter herausragend sein; ihre Sozialkompetenz oder Fähigkeit zur Selbstorganisation sind, gelinde gesagt, katastrophal. Als typische Einzelgänger (abgesehen von Nottel…) sind sie stets auf Heldengruppen angewiesen, die ihnen zwei Dinge voraus haben: Einerseits die Vielseitigkeit einer Gruppe, die als arbeitsteiliger Mikrokosmos individuelle Schwächen überdecken kann. Andererseits die aus begrenzten Fähig- und Fertigkeiten geborene Kreativität. Bekanntlich macht Not erfinderisch; ein Zustand und eine Eigenschaft, die einer Nahema völlig abgehen dürften.

Allen Figuren ist gemeinsam, dass sie erinnerungswürdig sind. Nicht, weil sie besonders gut geschrieben wären. Nicht, weil sie wahnsinnig vielschichtig wären, sondern weil sie, im Rahmen von kleinen drei- bis fünfaktigen Theaterstücken (also Abenteuerbänden), eine bestimmte Rolle und Aufgabe auszufüllen hatten; somit die Handlung vorantrieben und obendrein stets durch ein besonderes Charaktermerkmal aus ihrer sozialen Umwelt herausragten. Und selbst damals waren die Figuren bereits divers: PoC-Promis wie Dschelef ibn Jassafer, non-heteronormative Figuren wie z.B. Thesia von Ilmenstein, aber auch Nahema, als eine der frühesten genderfluiden Figuren überhaupt, (wenn wir Kaiser*in Hal außen vor lassen), steht gewissermaßen für eine Art von Paradigmenwechsel und Vorbild: Nahema sprengt die gesellschaftlichen Vorgaben und Erwartungen ebenso wie universale Regelmechaniken. Selbst der vielgescholtene Raidri kann noch als Vorbild dienen. Und zwar als schlechtes. Ein alternder Held, der aufzeigt, wie gelebte, sexistische Machokultur irgendwann zu einer tragikomischen Persiflage verkommt, die nur noch peinlich und mitleiderregend ist. Ebenso hat Mháire Stritter mit Legatin des Bösen bewiesen, dass selbst eine göttliche Großmacht wie Pardona eine unglaublich spannende und von Selbstzweifeln durchzogene Figur sein kann, wenn sie eine schlimme Daseinsphase durchleben muss.

Alle genannten Eigenschaften oder Eigenarten haben diese Figuren „im Gepäck“, wenn sie auf unsere Held*innen treffen und stets lösen sie Emotionen aus, die sie zu erinnerungswürdigen Figuren machen. Ganz in der Tradition der Bühnenfigur des Hamlet, der den Schädel des früheren Hofnarren Yorick hochhält, vermögen gute Figuren dem Antlitz der menschlichen Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten, indem sie aus ihrer literarischen Welt heraus wirken, die Vierte Wand zu durchbrechen und uns … nun ja, mitunter tierisch auf den Senkel gehen. Sowohl Hamlet als auch Nahema enthalten nachweislich eine provozierende (mitunter politische) Komponente, die heftige Reaktionen beim Publikum auslöst und uns ermöglicht, uns über den Umgang mit Ihnen klar zu werden. 

Die Urväter und -mütter von DSA wussten, dass Figuren nicht sonderlich komplex sein müssen, um große Emotionen hervorzurufen. Es genügt, wenn eine Figur provoziert und gleichzeitig Leerstellen (somit Interpretationsspielraum) offen lässt, um Spannung zu ermöglichen. Ein Plädoyer und gutes Beispiel dafür, dass man nicht alles bei DSA bis ins letzte Detail ausdefinieren und entmystifizieren sollte, wie es spätestens mit der (unsäglichen) Historia Aventurica Einzug gehalten hat.

Wollen wir eine Lehre aus der NSC-Gestaltung der Frühzeit ziehen, dann diese: Lücken sind es, die unser Kopfkino zum Laufen bringen! Wie ist es heutzutage darum bestellt?

Heute: Die Autor*innen sehen serials und entwerfen blasse Statistenrollen 

Die meisten modernen NSCs werden für einzelne Abenteuerbände erschaffen, mit einem Bauernsymbol gekennzeichnet und spielen danach nie wieder eine Rolle in anderen Abenteuern. Bereits beim Lesen weiß ich somit als SL: Ich muss mir den Namen nur für die nächste Spielsitzung merken. Ich könnte mir auch selbst einen ausdenken; niemand würde es je erfahren. Schade, besonders wenn sie den Held*innen ans Herz wachsen, wie der herrlich chaotische Draufgänger und Flößer Ulward Dreubner, den wir im Abenteuer Neue Bande & Uralter Zwist kennenlernen durften und der (Bauernsymbol sei Dank…) nie wieder in einer Publikation auftauchen wird.

Auch die über Abenteuertexte hinausgehenden, bekannten Figuren, wie z.B. ein Asgrimm Ragnarsson sind keine Figur in einem Theaterstück, sondern lediglich eine Kulisse, die – wie Rohaja – von der Redax ein Königssymbol erhalten hat. Eine Requisite, die keine andere Aufgabe hat, als in ihrem jeweiligen Setting (das sie mutmaßlich nie verlässt) auf die Spielgruppe zu warten, Plot abzuwerfen und dann auf das Verhalten der SCs zu reagieren. 

Kjaska, hier illustriert von Regina Kallasch: Eine komplexe, „gewachsene“, aber langweilige Figur, mit einer interessanten Tochter, über die wir aber kaum etwas wissen. Idun hätte eher eine Illustration verdient…

De facto ist Aventurien mittlerweile voll mit diesen Requisitenfiguren, die fester an ihre jeweilige Settingbubble gekettet sind als der Namenlose an die Sternenbresche. Doch wollen wir positiv sein und einige Beispiele für aktuelle Figuren herausstellen, die großes Potential hätten, wenn sie nicht künstlich kleingehalten würden: 

Unvorstellbar, dass ein König Wendelmir VI. Zornbrecht (oder seine großartige Gegenspielerin auf nostrischer Seite, Rondriane von Sappenstiel) Eskapaden außerhalb Andergasts ausleben könnte. Beide Figuren hätten großes Potential, „echte“ Bühnenfiguren von shakespearesken Ausmaßen zu sein. Sie dürfen nur nicht, denn sie müssen in ihrem „Reservat“ auf die Held*innen warten. König Wendelmir und Rondriane Sappenstiel hatten ihren letzten Auftritt 2016, im selben Abenteuer wie Ulward Dreubner. Interessante Figuren, die seither „brach liegen“.

Dann wären aus dem Aventurischen Nordwesten noch Fürst Finnian von Albernia und seine Geliebte Idun Kjaskasdottir zu erwähnen: Finnian ist ein echter Held und Seefahrer und Idun eine recht unbekannte, aber mysteriöse Abenteuerin, die in Albernia den Hof aufmischt. Beide haben (durch ihre Leerstellen) viel Plothook-Potential. Und dadurch, dass sie ständig auf Reisen sind, müssten sie zwangsläufig einer Spielgruppe über den Weg laufen.
 
Ich habe bewusst nur NSCs ausgewählt, von denen es bereits länger vorliegende DSA5-Publikationen gibt, um einmal zu schauen, wie sie sich seither „entwickelt“ haben. Antwort: Überhaupt nicht. Wendelmir, Rondriane (2016), Finnian, Idun (2017); sie erfreuen sich vermutlich bester Gesundheit. Doch als in der Region umtriebige SL habe ich Fragen: Was machen die heute? Was treibt sie um? Warum haben sie ein „Königssymbol“, wenn sie sowieso nicht verwendet werden? Was hätte ich in dieser Zeit als Spielleitung mit ihnen machen können? Meiner Meinung nach ist eine Figur unnütz, wenn die SL sie nicht verwenden darf.
Derlei vernachlässigte „Meisterfiguren“ finden sich dutzend- und hundertfach in Aventurien. Durchaus interessante Figuren, die aber keinen spieltechnischen Nutzen haben. 

Und wenn tatsächlich einmal eine Figur aus dem aventurischen Hintergrund die Welt erschüttern darf (ich sehe dich an, Oderin du Metuant!), dann leider immer mit leicht angezogener Handbremse und mit einem unerfreulichen Rucksack ausstaffiert, der den Ballast überzogen-künstlicher Komplexität enthält, um den Charakter möglichst zu verkomplizieren. Oderin teilt die Endgame-Mentalität eines Haffax: Als alter Sack vor dem dräuenden Ableben nochmal richtig auf den Putz hauen. Ja, grundsätzlich cool! Aber wieso bekommen wir diese Mentalität nicht ebenso für Figuren, die kein Nothing-to-lose-Päckchen mit sich herumtragen? 

NSCs als Bereicherung und philosophischer Denkanstoß

Dabei ist es gar nicht so schwer, Figuren zu entwickeln, die uns in eine Welt hineinreißen und das Spiel bereichern. Das gilt auch für die (tatsächlich oder vermeintlich) Bösen. Multiperspektivisch betrachtet sind die besten „bösen Figuren“ stets jene, deren Motivation den Rezipierenden (also Lesenden, Spielenden, Spielleitenden oder dem Publikum) offenbar wird. 
Gutes Figurendesign muss keine literarische Raketenwissenschaft sein! Nehmen wir nur zwei prominente Figuren, die mir als Nanduriaten nahe liegen: Die Nanduszwillinge Borbarad und Rohal.

Borbarad wurde und wird gern als Bösewicht, als Oberschurke betrachtet. Dabei wird er von Überlegungen getrieben, die den aufgeklärten Idealen der irdischen Moderne nicht unähnlich sind. Eine Figur, die uns den Spiegel vorhält und uns – über die Begrenzungen des Mediums hinausgehend – grübeln lässt:

Das klingt doch eigentlich alles ganz vernünftig, was er da sagt?! Abstreifen der klerikalen, göttlichen Bevormundung und Befreiung des Individuums… nennt man das nicht Aufklärung? Ist der Humanismus und die Befreiung aus der Bevormundung durch Religion und Feudalismus etwa das ultimativ Böse in Aventurien?
Gut, Borbarads Methoden sind vielleicht etwas drastisch.
Aber… Stehen wir, bzw. unsere SCs wirklich auf der richtigen Seite?

Eine Figur, die diesen mephistophelischen Zweifel in uns säen kann, ist Storygold! Einer der Gründe, warum die G7 bis heute Legendenstatus hat und umgangssprachlich (Borbaradkampagne) sogar nach dem Bösewicht benannt ist: Wir mögen die „Figur“ Borbarad, obwohl wir den „Charakter“ Borbarads vielleicht hassen. 
Die Figur kann auch unseren SCs kein Spotlight stehlen, denn diese kämen bereits spielmechanisch nie in eine ähnliche Machtposition, um ähnlich sphärenerschütternde Ansinnen verfolgen zu können.

Demgegenüber wurde mit Rohal ein fatalistischer und kühler machiavellistischer Geist als vertrauenswürdiger und verehrungswürdiger Gegenpart präsentiert. Letzteres, also die Verehrung, speist sich allein durch den Beinamen „der Weise“, also durch eine billige Fremdzuschreibung. Rohal entspricht somit dem väterlichen, milden, gütigen, weisen König mit dem Weihnachtsmannbart, dem man guten Gewissens und in märchenhafter Manier die Herrschaft antragen würde, während man sein demokratisches Selbstverständnis gedankenlos an der Garderobe abgibt. Rohal ist demnach die Verkörperung des im Kyffhäuser schlummernden Kaisers Barbarossa, der erfolgreich urdeutsche Feudalsehnsüchte triggert, wenn man es mal ganz drastisch formuliert. 

Wir selbst dürfen als Publikum, je nach Beschäftigungstiefe, entscheiden, ob wir in Rohal einen Gandalf und in Borbarad einen Saruman sehen, oder in Rohal einen Papst und in Borbarad Nietzsche. Figurendesign done right! 

Den Regionalspielhilfen Gestade des Gottwals und Flusslande habe ich hier auf Nandurion eine Geographiebuchmentalität vorgeworfen, die sich auch in ihren belanglosen und blassen Figuren widerspiegelt. Diese RSHs sagen mir lediglich, wie die Region ist und wer dort lebt. Nicht, was ich dort als Spieler erleben, erreichen oder gar verändern kann und wer mir auf diesem Weg zu Hilfe oder in die Quere kommt.

Die Regionalspielhilfen Siebenwindküste, Streitende Königreiche, Dornenreich und besonders Havena strahlen hingegen das Gegenteil aus: Sie nehmen Bezug auf Historie und Geschichten der Region. Sie atmen aventurische Abenteuerlust. Sie lassen uns interessante, einflussreiche und wichtige Figuren treffen, von denen sich erahnen lässt, dass sie nicht nur Kulisse sind, sondern die Region auch dann gestalten, wenn wir einmal nicht hinschauen. Ich traue einem Numinorukult in Havena durchaus zu, in Abwesenheit der Held*innen weitere Anhängerschaft zu generieren. Ebenso denke ich, dass König Wendelmir von Andergast weiterhin tüchtig die Sau rauslässt, wenn gerade keiner hinguckt (und es guckt schon seit sechs Jahren niemand mehr hin…). Dagegen vermute ich, dass ein Windbeutel wie Asgrimm Ragnarsson (zwei m, zwei s, ich versuche es mir zu merken…) lediglich mit seiner Angelrute am Pier sitzt und Swafnir nen guten Wal sein lässt.

Die Figurenriege als Opfer einer „Zirkusmentalität“

Die Foren und Threads in den letzten Jahren hatten und haben einen Grundtenor, wenn es um „Heutige NSCs“ in Aventurien geht: Die aktuelle Figurenriege sei zu blass und langweilig. Nicht, weil sie nicht grundsätzlich glaubwürdig im Hintergrund verankert wäre: Sämtliche Verknüpfungen (außer Asgrimms) ergeben meiner Meinung nach immer Sinn und zeugen von großem und umsichtigen Rechercheaufwand. Doch das Schwarze Auge ist einstmals durch Erzählungen und Geschichten erfolgreich geworden. Der vielbeschworene Metaplot, der das System von allen anderen Rollenspielsystemen abhebt, basiert auf einer endlosen Anzahl von Komödien und Tragödien und nicht darauf, eine besonders exakte Fantasyweltsimulation zu sein. Ich möchte zu einer Metapher greifen, um den letzten Unterschied zwischen früheren und heutigen NSCs zu erklären:

  • Früher gab es zunächst nur Geschichten (Abenteuer), die die Spielwelt prägten. Erst danach war eine zusammenfassende Beschreibung der Welt möglich. Figuren erlebten und erlitten Dinge, die würdig waren, um am Lagerfeuer erzählt und ERST DANN in einer Chronik (Spielhilfe) festgehalten zu werden.
  • Heute ist es exakt umgekehrt: Über eine bereits vorhandene Manege wird lediglich ein neues Zirkuszelt namens „Regionalspielhilfe“ gespannt, das von begleitenden erscheinenden Abenteuern und ihren Figuren gehalten wird. Diese Figuren erleben und erleiden Dinge, einzig zum Zweck, die Standhaftigkeit (= Glaubwürdigkeit) des Zirkuszelts zu stützen.

Diese Zirkusmetapher ist beabsichtigt. Die derzeitige DSA-Publikationsstrategie gleicht – ganz wertfrei – einem Wanderzirkus, der Rohajas Reisekaisertum Konkurrenz macht: Spektakuläre Release-Events, teilweise mit Crowdfunding und großem Feuerwerk, anschließend Weiterzug zum nächsten Event. Zurück bleibt ein kurzzeitig aufgehübschter Festplatz, der langsam verwildert und verwahrlost, bis zehn Jahre später (in- oder offplay) mal wieder eine Abenteuerkampagne oder eine neue Spielhilfe in die Nähe kommt. Diese Strategie funktioniert prima für Spielwelten wie HeXXen 1733, das in einem konsequenten Timefreeze nur das Jahr 1733 beschreibt und alles was danach kommt vertrauensvoll der SL überlässt. Das funktioniert aber immer seltener für „laufende Welten“, wie Aventurien, vor allem dann, wenn sie größer und größer werden und die Beschreibungstiefe noch stärker zunimmt. Erschwerend kommt hinzu, dass die einzige Konstante, der Aventurische Bote, als Ingame-Zeitung wegfällt. Mittlerweile sind die Ausgaben ein wildes Sammelsurium von Artikeln, die zwar nebeneinanderstehen, aber chronologisch teils mehrere Jahre auseinander liegen.

Eine fortwährende, lebendige Geschichte mit glaubwürdigen, lebendigen Figuren (und diesen Anspruch hat DSA) würde vielmehr eine konstante, gleichmäßige Pflege anstelle eines „Release-Event-Wanderzirkus“ voraussetzen. Das KANN allerdings beim mittlerweile gigantischen Umfang Aventuriens gar nicht funktionieren und ist dem Verlag und der Redaktion daher auch ausdrücklich nicht vorzuwerfen. Man kann schlecht an einem Rennwagen herumschrauben, während er in der Kurve zum Überholen ansetzt. Ein Grund mit, warum die Sehnsucht nach einem abgeschlossenen Regelsystem (wie 4.1 oder gar DSA3) unter SLs ähnlich groß ist, wie jene nach lange zurückliegenden, abgeschlossenen Kampagnen. (Die Views der Borbaradkampagne bei Orkenspalter TV gehen in die Zehntausende.) 

So sind Regionalspielhilfen, wie die von mir so stark kritisierten Bände GdG und Flusslande Symptom und nicht Ursache einer Grundproblematik: Im laufenden Betrieb alle Figurenfäden zusammen halten und trotz Deadline-Druck und wirtschaftlichen Notwendigkeiten ein großartiges Produkt unter widrigsten Umständen zu erschaffen und dabei möglichst den Aventuristik-Absolvent*innen im DSA-Fandom nicht vors Schienbein zu treten ist quasi unmöglich.

Dennoch möchte ich hier mit einem „Wunschkonzert“ an die DSA-Redaktion enden, wie sich das Problem vielleicht vermeiden oder abmildern ließe. Die Wünsche sind teilweise sehr radikal und stehen jeweils für sich; in Kombination schließen sich einige sogar aus. Ich bin sehr auf die Meinungen in den Kommentaren gespannt.

Erster Wunsch: Gönnt euch einen Timefreeze!

Nehmt euch, wie bis vor einigen Jahren das Warhammer 40k-Franchise, einfach die Zeit, um alles auf den neuesten Stand zu bringen. Lasst die Uhr auf 1045 BF stehen, bis die (meisten) Regionalspielhilfen durch sind. Nehmt euch Zeit, um spannende Figuren auszuarbeiten, diese mit unseren SCs durch großartige Abenteuer zu scheuchen und hinterher in Regionalspielhilfen zu verewigen. Gönnt uns die Vorfreude, das Jahr 1046 BF herbei zu fiebern! Macht 1045 BF zum besten Jahr der aventurischen Geschichte! Auch, wenn es irdisch drei, fünf oder sogar zehn Jahre andauert. Für dergestalt etablierte und gut ausgearbeitete Figuren ist hinterher auch die erzählerische Fallhöhe viel größer. 😉

Zweiter Wunsch: Sternenfall – Lasst es endlich krachen!

Sternenfall

Illustration des Sternenfalls von Nadine Schäkel.

Noch nie sahen wir Spielleitungen uns einer dergestalt fragmentierten und diffusen Plotlage gegenüber, die so schlecht greifbar ist. Jahrelang wurden wir nun mit Andeutungen, Effekthaschereien und Schockmomenten (Arivor) hingehalten, die auf ebenjene Wanderzirkus-Art wie Blitze einschlugen, aber de facto innerhalb der Spielwelt keine spürbaren Auswirkungen zeigten.
Vielleicht ist das spannend. Für zwei, drei Jahre, so dass man als SL sagen kann: „Okay, warte ich mal ab, was rauskommt.“ Doch ein Plot, der so unpräzise, undurchsichtig und unverbindlich jahrelang durch die Spielwelt mäandert, ist schlimmer, als einen Pudding an die Wand zu nageln. Ich bin als SL der Regisseur, ich muss das Drehbuch und die Rollen kennen, bevor ich mit dem Dreh beginne.
Herzliche Bitte: Verratet uns euren „Plan“ oder beendet es. Gerne spektakulär und episch. Lasst den „Knoten“ platzen mit einem neuen Orkensturm, einem Siebenjährigen Krieg in Mittelaventurien, einer Rückkehr Pyrdacors oder einer Kampagne, an dessen Ende die Spielgruppe den Namenlösen tötet.

Es ist völlig egal, welche Gottheit bei der „Reise nach Alveran“ einen Platz im neuen Zeitalter ergattert, wenn die Musik ausgeht. Das interessiert unsere Held*innen genauso wenig, wie die Information, was es im „Betrunkenen Junker“ in Gradnochsjepengurken am Windstag zu Mittag gibt. (Für die, die es wissen möchten: Kohlsuppe. Dank der teils absurden Beschreibungstiefe Aventuriens kein Witz, sondern tatsächlich so.) 

Sowohl SCs als auch NSCs brauchen handfeste Konflikte, Probleme und Krisen, um schillern zu können. Eine diffuse Hintergrundbedrohung, die sich über ein halbes Jahrzehnt mit foreshadowing herumschlägt, ist für ein „Heldenrollenspiel“ zu abstrakt. Persönlich hoffe ich auf das Banner der Treue von Bernd Ochs. 😉 

Dritter Wunsch: Von Parallelwelten und verschollenen Kontinenten

Radikale Idee: Kappt die alten Zöpfe und Gepflogenheiten und macht in einer Parallelwelt („B-Venturien“) weiter; gerne auch verbunden mit einem Zeitsprung von zehn, fünfzehn Jahren in die Zukunft (nach Ende des Sternenfalls). Dass die Idee einer Parallelwelt nicht schlecht und/oder undurchführbar ist, haben Orkenspalter TV mit ihrer Borbarad-Kampagne eindrucksvoll bewiesen. Und dass die Idee keineswegs abwegig ist, zeigt gerade Midgard, das mit Midgard 6 genau diesen Weg beschreitet. Nehmt gern den Sternenfall als Auslöser. Viele der jetzigen Figuren (und neu geschaffene) könnten fortan befreit aufspielen und müssen sich keinen Deut mehr um aventurische Stimmigkeit und Kanontreue scheren. Alles, was vor DSA5 erschien, sind „Legenden“. Können so stattgefunden haben, oder auch nicht.

Apropos Welten: Lasst in B-Venturien den Efferdwall und Co. wegfallen, damit wir endlich erfahren, was außerhalb Aventuriens passiert. Myranor, Tharun, Uthuria: Seit einem halben Jahrzehnt liegt der Großteil Deres ungenutzt herum. Ihr habt Myranor und Tharun bereits vor Jahren aus dem Uhrwerk-Verlag zurückgeholt, um ganz DSA unter einem Dach zu haben. Seitdem gammeln diese Welten aber nur herum, wie ein Abschreibungsobjekt, in das es hineinregnet. Sehr traurig. (Stand Februar 2022: Mittlerweile wurde durch ein Insight-Video bestätigt, dass sich der Verlag dieses Problems bewusst ist und die Reihen weitergeführt werden sollen. Allerdings erst in einigen Jahren. Trotzdem traurig.) 

Auch das damalige Uralt-Unterfangen, das noch in den Nullerjahren von Mark Wachholz formuliert wurde, könnte reizvoll sein: Die Kaiser-Hal-Box. Eine Settingbox, ähnlich der sehr erfolgreichen Dunkle-Zeiten-Box, die das Aventurien des Jahres 1000 BF beschreibt. Gegenwärtig produziert Anton Weste einige interessante Werke zu jener Zeit, die durchaus auf Gegenliebe stoßen.
Irgendetwas sagt mir, dass eine „Kaiser-Hal-Box“ als Crowdfunding durch die Decke gehen würde…

Vierter Wunsch: Mehr Horizontale Charakterprogression

Jetzt einmal ein Lob: Ob in den Streitenden Königreichen, der altehrwürdigen Borbaradkampagne, der Wildermarkkampagne oder in der jüngst erschienenen Rabenkriegkampagne: Unsere Held*innen können abseits von Zahlen und Werten auf Charakterbögen Erfahrungen und Ehren in einer Welt erlangen, die sich nicht im engeren Sinne bemessen lassen. Dazu gehören Titel, Ränge und Auszeichnungen, Privilegien und Ämter. Nichtmaterielle Dinge, die „erspielt“ werden und nicht in Abenteuerpunkten oder Dukaten aufzuwiegen sind. Das sind großartige Spielanreize, weiter so! 

Die horizontale Progression kann gerne auf NSCs ausgeweitet werden: Zeichnet für die wichtigsten NSCs Möglichkeiten vor, wie sich die Figur (durch Beeinflussung oder Untätigkeit der SCs) entwickeln könnte, ohne dass spätere Publikationen dem neuen Status Quo widersprechen und verknüpft Schicksale von Figuren und SCs.
Beispiel: Würde in den Streitenden Königreichen stehen, dass König Wendelmir irgendwann in den nächsten drei bis fünf Jahren heimlich ein uneheliches Kind zeugt (möglicherweise mit einer Heldin?), das eventuell entführt wird, so hielte ihn das Ganze ziemlich auf Trab, ohne dass der „Kanon“ dadurch Schaden nähme. Die Figur könnte weiter wachsen und hätte etwas zu tun, ohne dass beständig das Augenmerk auf ihr läge.

Fünfter und letzter Wunsch: Schenkt uns neue, prominente Reisefiguren!

Völlig unabhängig von allen anderen Wünschen, mein größter Wunsch zum Schluss:
Gebt uns Fans, SLs (und auch den Autor*innen) endlich wieder allseits verwendbare, aventurienweit agierende „Reisefiguren mit Wiedererkennungswert“, die nicht an eine Region gebunden sind. Figuren, über die wir uns aufregen können; deren rettende Hand wir herbeisehnen dürfen; denen wir in Romanen über die Schulter schauen können; an denen wir wachsen und die wir eines Tages vielleicht zu überflügeln vermögen. 

Es bräuchte lediglich ein dutzend reisende „Springer“- und „Königs“-Figuren (Fangt mit Fürst Finnian an. Der rockt!) und einen Pool aus zwei dutzend weiteren Figuren, die jederzeit von SLs und Autor*innen verwendet und wieder zurückgesetzt werden können. Vielleicht verwendet ihr für die letzteren den noch freien „Läufer“ als Schachfigur.
Stirbt eine solche Figur innerhalb einer Spielrunde, kann sie problemlos unter einem anderen Namen oder Geschlecht erneut Verwendung finden.

Wichtig ist, dass diese Figuren keine Kulisse sind, sondern eine Agenda haben, eine wichtige Rolle verkörpern oder Dinge besser können als die SCs (selbst wenn damit das Regelwerk ausgehebelt oder gedehnt würde). Kurzum: Figuren, die nicht inkompetent, desinteressiert, unfähig oder selbstzufrieden sind, sondern eigene Träume und Visionen verfolgen, die wir wundervoll oder verabscheuungswürdig finden können und über die wir Spieler*innen noch auf dem Heimweg vom Spielabend stundenlang philosophieren (und uns herzhaft aufregen) können. Man könnte sogar eine Spielhilfe daraus machen und Autor*innen und SLs ein Füllhorn an stets verfügbaren Bühnenfiguren bieten, die wir nach Herzenslust aus dem Hut zaubern können.

Wie so etwas aussehen könnte, zeigt die liebevolle Fan-Spielhilfe zu den Kindern des 23. Ingerimm (Danke an Christian Gross für die freundliche Erinnerung! Hier der Downloadlink zur Spielhilfe beim Orkenspalter.)

Wie käme eine solche Spielhilfe wohl im offiziellen Gewand bei den DSA-Fans an?
Nun, auch für solche Zweifelsfragen wurden Crowdfundings erfunden… 😉 

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28 Antworten zu Warum NSCs bei DSA früher problematisch und nervig waren und heute langweilig und belanglos sind

  1. Skeptisches Einhorn sagt:

    Also muss man wieder 15 sein damit die NSC cool werden. Verstehe. Figuren ohne Abenteuer sind langweilig und Leben nicht in der Welt. Abenteuer müssen von sich aus Spannend sein. Und..

    Die Figuren im Stillen Pfad waren so Fad wie eine Scheibe Toast

    • Thorus84 sagt:

      NSCs sind letztlich genau so, wie sie die SL am Spieltisch darstellt. Und dafür benötigt sie entweder ausgeprägtes Improvisationstalent; dann ist es völlig unerheblich, wie die Vorlage konzeptioniert wurde.
      Oder die SL benötigt eine gute Vorlage, also Figurenbeschreibungen, auf die sie zurückgreifen kann.
      Um diese Vorlagen geht es hier. Um die Figurenkonzeption. Und die ist auch außerhalb des Spieltischs wichtig, z.B. in Romanen, wo das Improvisationstalent der SL die Stärken und Schwächen der Figurenkonzeption nicht ausgleichen kann.

      Bzgl. Der Stille Pfad: Das AB wurde hier als Exempel für ein Dreiaktschema aufgeführt.
      Ich habe keinerlei Wertung des Abenteuers vorgenommen und mich auch zu den Figuren nicht geäußert. Insofern verstehe ich den Nachsatz nicht. 😉

      Danke für deinen Kommentar.

  2. Bernd Jacobitz sagt:

    Schönes fundiertes Essay.
    Mag ich auch für vieles nicht die entsprechenden Informationen haben (Aventurien und der Plot haben für mich und in meinen Spielen nur sehr selten eine Rolle gespielt.) So kann ich doch nachvollziehen worüber hier nachgedacht wird.
    Ich kann mich immer noch an die Worte eines Freundes erinnern als man festlegte, dass die Jahre irdisch und aventurisch zeitlich gleich laufen sollten. „Das wird denen früher oder später auf die Füße fallen.“
    Ganz persönlich finde ich Parallelwelten oder Zeitsprünge in regelmäßigen Abständen sehr gut.
    1. Kann man sich entscheiden den Status Quo beizubehalten und einfach zu spielen.
    2. Will die Gruppe und der SL weltbewegend sein ist Platz dafür.
    3. Zeitsprünge von hinreichender Länge ermöglichen oder vereinfachen vieles, den Wechsel von Regeln (z.B. bei Editionen), das Einbinden von kulturellen oder technischen Veränderungen u.v.m.

    • Eismann sagt:

      Wobei man sagen muss, dass bei jeder beliebigen Entscheidung zu DSA irgendwer „Das wird denen früher oder später auf die Füße fallen.“ sagt.

    • Thorus84 sagt:

      @Bernd:
      Ganz lieben Dank für das nette Feedback. 🙂
      Zu den Zeitsprüngen/Parallelwelten: Ich finde das auch recht reizvoll; gleichzeitig sind allerdings vor allem die Parallelwelten echte Shitstorm-Lieferanten innerhalb der Community, weshalb ich mir die zwar wünsche, gleichzeitig aber überzeugt bin, dass man hier sehr sehr filigran vorgehen müsste, um die Fans nicht zu verschrecken.
      Das ist wie mit den Globulen. Entweder man liebt oder hasst sie. 😉

      @Jens:
      Das ist wohl wahr. Ich denke, dass man sich innerhalb der DSA-Community nicht bewegen kann, ohne dass man jemandem auf die Füße latscht. Da kann man beispielsweise ein endcooles Katzensetting auf die Pfoten stellen und irgendeiner kräht, er möchte aber lieber Hunde haben. 😉

  3. Telling sagt:

    Eine sehr fundierte, gut formulierte Zusammenfassung vieler Dinge, die ich ebenfalls in diversen Rezensionen kritisert habe, aber niemals so auf den Punkt hätte bringen können.
    Die Theaterritter-Kampagne und mit ihr die Figuren Leudara von Firunen und Nadjescha von Leufurten sind für mich auch klassische Opfer des serials-Problems.
    Auch der Vergleich mit dem Pudding trifft es auf den Punkt – aktuelle Abenteuer leite ich deswegen (fast) gar nicht mehr.
    Die Wünsche nach Reisefiguren, Time Freeze und dem verdammten Ende des Sternenfalls kann ich genauso unterschreiben. Bitte! Und bitte vorgestern!

    • Thorus84 sagt:

      Vielen Dank für deinen Kommentar. Ja, in der Theaterritter-Kampagne liegen tatsächlich noch einige „Schätze“ begraben, die es zu heben gilt. 😉
      Deinen Frust bzgl. der Kampagne kann ich nachvollziehen, ich möchte dir aber im gleichen Atemzug sehr die Rabenkrieg-Kampagne ans Herz legen, die hier deutlich geschickter vorgeht. Allerdings eignet sich nicht jeder Heldentypus für das Gemetzel im Tiefen Süden. Hier auf Nandurion findest du meine Rezi zur Kampagne; schau mal, ob dir das evtl. zusagt: Klick mich.

  4. Christian Gross sagt:

    Hiho,
    Zu deinem 5. Wunsch gäbe es ja die „Kinder des 23. ING“:
    https://www.orkenspalter.de/filebase/index.php?file/2560-die-kinder-des-23-ingerimm-die-spielhilfe/
    Ist zwar inoffiziell, aber fein.
    Greets,
    Christian (einer der Autoren in dem Projekt)

    • Thorus84 sagt:

      Kenne ich, liebe ich. Wie alle Fanprojekte. 😉 Diese Spielhilfe wird von mir immer gerne verwendet.
      Inhalte wie die „K23ING“ sind es, die das „Look & Feel“ von DSA genau erfassen und weiterführen. Ich werde das auch im Text nochmal ergänzen, danke für den Hinweis!

  5. Pingback: Nandurion: Essay zu DSA-NSCs früher und heute – Nuntiovolo.de

  6. Martin sagt:

    Spannender Artikel. Vielen Dank dafür! Ich verfolge DSA seit Jahren als Spieler mit immer weiter wachsendem Desinteresse an neueren offiziellen Publikationen. Meine Gedanken, nachdem ich deinen Artikel gelesen habe:

    Es wundert mich nicht, dass die alten NSCs als „erinnerungswürdiger und bemerkenswerter“ wahrgenommen werden. Sie entstanden in einer kleineren Welt, die noch wenige Seiten füllte, und in der es eine größere Überschneidung der Spieler in der Wahrnehmung von DSA gab. Jeder, der in den frühen Jahren aktiv war, kennt die Figuren aus der Anfangszeit auch, sie wurden dutzende Male aufgegriffen und haben einen hohen Wiedererkennungswert.

    Aber wofür ist das wichtig? Für DSA als Spiel, oder für DSA als Produkt? Ich denke, für das Spiel am Spieltisch selbst braucht es keine NSCs, die über die Gruppe heraus erinnerungswürdig sind. Jede Gruppe kann eine Figur wie den genannten Wendelmir problemlos zu einem zentralen Element einer Kampagne machen, ob als Schurke oder als Held. So ist er angelegt. Es ist auch nicht gesagt, dass er unfähig ist. Das kann sich immer noch am Spieltisch entscheiden. Er bietet eine Reihe an Aufhängern, die man für die eigene Gruppe aufgreifen kann. Ist das nicht genau das, wonach ich suche, wenn ich meine eigene Geschichte erzählen will?

    Auf der anderen Seite steht DSA als Produkt. Und das speist sich dann aus der gemeinsamen Rezeption über die Grenzen der eigenen Spielgruppe hinweg. Und hier sind die NSCs, deren Geschichte dem Spielleiter überlassen wird, dann natürlich nicht so effektiv, wie diejenigen, deren Geschichte von der Redaktion in offiziellen Publikationen geschrieben wird. Wen interessiert es, wenn Wendelmir in meiner Homebrew-Kampagne eine tolle Charakterentwicklung vom Widerling zum verantwortungsvollen Herrscher hingelegt hat? Meine Spielgruppe, sonst aber auch niemand. Darüber kann man nicht reden. Das erzeugt keine Community, kein Zusammengehörigkeitsgefühl. Und das fehlt dann dem Produkt DSA, gerade in den Räumen, wo es rezipiert wird. Es gibt dann zwar coole Geschichten, aber eben weniger coole geteilte Geschichten.

    Ich denke, die lebendige Welt voranzutreiben mit starken Akteuren, die dann von den SCs flankiert werden können, ist eine gute Produktstragie, weil es das gemeinsame Erleben stärkt, das Gefühl der Kunden (der Spieler/Spielleiter), auch Teil von einer großen Geschichte zu sein mit ihrer Spielrunde. Hingegen erzeugen einzelne Settingboxen, so toll sie auch sein mögen, nur zusammenhanglose Blasen für die jeweilige Spielgruppe. Vielleicht sind sie technisch betrachtet ein besseres Produkt, aber nicht aus Marketing-Sicht, weil sie einen geringere emotionale Verbindung erzeugen.

  7. Torben von Gareth sagt:

    Danke für diesen Artikel. Bei den Wünschen stimme ich nicht so zu, aber bei der Analyse der Abenteuer der letzten 10 Jahre.
    90 % der Autoren der letzten Jahre sind Leute, die es nicht schaffen ein Abenteuer kompakt abzuschließen. Ich brauche keine Serie in einem Abenteuer, sondern einen Film mit genau einem Teil. Ob Sandbox oder Railroad ist egal, aber bitte klar abgegrenzt und abgeschlossen. Danach ein schöner Artikel im Aventurischen Boten und fertig. Statt dessen kommt heutzutage viel enttäuschender Müll, der weder mich als Spielleiter noch meine Spieler begeistert und vom Schreiberling schwach ausgearbeitet wurde. Wo sind die Dialoge der Meisterpersonen geblieben zum Vorlesen, dass ich als SL sehe, wie es in den Spielern während des Vorlesens arbeitet. Und an alle Autoren, die das hier zufällig lesen: Du gehörst wahrscheinlich zu dieser Gruppe, tut mir leid.
    Ich will hier niemand persönlich beleidigen (weil ich denke dass jeder dazulernen kann), aber meine Meinung zu 90 schlechten Werken loswerden.
    Und verzeiht bitte, dass ich generischen Maskulin verwende, um alle Schreibenden anzusprechen.

  8. Vigo Valpowitsch sagt:

    Vielen Dank für den interessanten Artikel!

    Insb. Deine Einschätzung zur aktuellen Lage von DSA 5 teile ich vollkommen.

    Genau wie bei einigen Serien habe ich bei DSA 5 oft das Gefühl, dass zwar viele Dinge — z.B. das Artwork — unglaublich gut und liebevoll gemacht sind, der Aspekt eine spannende Geschichte zu erzählen dafür aber auf der Strecke bleibt.

    • Krassling sagt:

      Leider ein Eindruck, den ich ebenfalls immer wieder habe. Die Produktionsprozesse bzgl. Aufmachung, Illustrationen und Ergänzungsprodukten sind so gut wie noch nie. Die inhaltliche Weiterentwicklung bleibt jedoch auf der Strecke.

      Meine erste These dazu wäre die Allokation der Ressourcen an anderer Stelle. Insbesondere der Regel- oder besser Crunchwahn und der Komplettierungszwang spielen hier eine Rolle. Es ist vollkommen klar, dass man weniger Ressourcen für erzählerische Entwicklung hat, wenn man „erst mal alle Regeln rausbringen“ muss. Wenn man dann noch den Anspruch hat möglichst zügig alle (!) Regionen Aventuriens (erneut) zu beschreiben, dann sind einem allein durch die diversen Produktflöten so viele Produkte vorgegeben, dass kaum noch Zeit für etwas anderes bleibt. Warum wir allerdings statt Myranor und Uthuria zu bereisen jetzt Katzen in Havena spielen können, kann ich dadurch natürlich nicht erklären.

      Meine zweite These steht im Widerspruch zu einer oben getroffenen. Geschichten bringen kein Geld. Regeln verkaufen bringt Geld. Ausrüstungskataloge verkaufen bringt Geld. Regionalbände verkaufen sich vielleicht auch noch ganz gut. Immerhin kann man dazu lokale Ausrüstungskataloge verkaufen und die Bände enthalten lokalen Crunch.
      Wer kauft schon Abenteuer oder Geschichten? Moment, die Phileasson-Saga ist schon wieder auf der Beststellerliste und wird von Unmengen Leuten gelesen, die noch nie von Aventurien gehört haben? Ach egal.

      Spannend ist vielleicht noch die Frage, wie wir als Fans und vor allem als Konsumenten Impulse geben können, die sagen interessante Figuren und Geschichten lohnen sich doch. Aber das ist dann vielleicht ein Thema für einen andere Kolumne.

      • Eismann sagt:

        Wie schon das eine oder andere Mal geschrieben: Katzen in Havena gibt es, weil ich da Bock drauf hatte. Da besteht keinerlei Konkurrenzbeziehung zu Myranor oder Uthuria. Mit den Kontinenten hatte ich sowieso nie was zu tun.

        • Hina sagt:

          Das ist ja auch toll, dass Du das dann in diesem Rahmen offiziell verwirklichen konntest. Kapazitaeten des Verlages bindet es dennoch, und stellt damit zumindestens mal eine Gelegenheitseinbusse dar, die moeglicherweise sonst fuer Myranor oder Uthuria (oder …) haette genutzt werden koennen.

  9. Taika sagt:

    Den Theoretischen Teil finde ich sehr schön geschrieben.
    Den Schlüssen kann ich nicht folgen, vor allem den daraus entstehenden Wünschen.
    Ich hin mit DSA5 hinzugekommen und seit dem wird in diversen Foren und Beiträgen wahlweise von laschen NSCs oder ideenlosen RSHs geschrieben.

    Das kann ich ganz und gar nicht unterschreiben. Für mich tauchen fast überall Plothooks auf.
    Ich halte mich allerdings auch für ein sehr kreativen Menschen.
    Ich fühle mich in DSA/Aventurien Pudelwohl, kann mich mit dem Großteil der Community nicht identifizieren.
    Zu unkreativ und „Obrigkeitshörig“. Was die Redax nicht freigegeben hat wird nicht berücksichtigt, weil nicht „offiziell“.
    Warum nicht das was publiziert wird als Grundlage nehmen und daraus was cooles machen?
    Man muss ja nicht immer warten, bis einem das Stück Mundgerecht geschnitten wird.
    Das Figuren brach liegen, liegt ja vor allem daran, das man bei der Masse an Beschreibungen die für DSA5 noch fehlt nicht die Zeit hat für jede Region ständig Abenteuer zu veröffentlichen.
    Na und? Denkt euch doch selbst welche aus!
    Klar, Reise NSCs sind praktisch, wo wir aber bei Logik sind:
    Die meisten Menschen bleiben in ihree Umgebung (Arbeit, Verpflichtungen, soziales Umfeld) und nur wenige bereisen exzessiv die Welt. Das gilt für das Jahr 2022 in unserer Wel mit all ihren Möglichkeiten (Flugzeuge etc.). Warum sollte in einer mittelalterlichen Welt quasi jeder etwas wichtigere NSC Umherreisen? Das ergibt übergaupt keinen Sinn. Das Rohaja im Mittelreich am Kaiserhof bleibt ist völlig nachvollziehbar und lässt die Welt realistisch erscheinen. Ich würde mich eher wundern ihr in den Dampfenden Dschungeln über den Weg zu laufen…

    • Krassling sagt:

      Ich vermute, dass es sich dabei um ein Missverständnis handelt. Niemand sagt, dass es keine „Plothooks“ gibt. (Obwohl, tatsächlich hat Arkanil mal etwas in der Art bemängelt, als er DSA mit anderen Reihen verglichen hat).

      Es geht auch nicht darum, die Leute sich nichts selbst ausdenken können. Hier geht es darum, dass man das was publiziert wird anders und mutmaßlich besser machen könnte. Und der Fokus des Artikels liegt insbesondere auf den Meisterpersonen. Klar kannst du sagen, ich brauche das alles nicht, weil mich die offiziellen Produkte sowieso nicht interessieren. Ich schreibe ja eh alles selbst. Das ist auch vollkommen in Ordnung so und niemand wird es dir irgendwie ausreden sollen. Es bietet nur keine wirkliche Grundlage für einen Dialog.
      Das gleiche könnte man über die Regeln sagen. Wenn ich jedem, der irgendwelche Regeln kritisiert, nur sagte „änder es halt so wie du willst, weil die offiziellen Regeln sind eh nur Vorschläge,“ dann ist das letztlich kein konstruktiver Dialog.

      Und als Denkanstoß könntest du vielleicht noch einmal darüber nachdenken, oder diskutieren, was es mit den reisenden Meisterpersonen auf sich hat. Es ergibt absolut Sinn im Sinne des Ziels interessante Figuren zu erschaffen. Die wichtigsten umherreisenden Personen einen Chronik sind meist die Heldengruppe selbst. Und wiederkehrende Figuren neben den Spieler-Figuren sollten daher möglicherweise auch mobil sein.
      Ich behaupte übrigens, dass diese Idee auch ein Anstoß für den Band „Die reisende Kaiserin“ war. Es gibt zwar ein historisches Vorbild für den reisenden Kaiserhof, aber der Anstoß war sicher nicht irgendeine Historizität.
      Und ein Erzschurke von Kaliber eines Galotta, Riak Ashim, Skrechu, Xeraan oder wie sie alle heißen braucht für seinen Masterplan natürlich auch etwas größere Maßstäbe als sein Geburtsdorf. Mobilität ist da gewissermaßen Grundvoraussetzung.

  10. Krassling sagt:

    Ein sehr spannender Artikel auf dessen Veröffentlichung ich lange gewartet habe. Ich hoffe, dass die Ideen nicht nur hier auf Nandurion weiter aufgegriffen werden.

  11. Schattenfalk sagt:

    Erst einmal vielen Dank für den Artikel. Es werden Dinge angesprochen, die mich auch schon (unterschwellig) beschäftigt haben, die ich aber bisher nicht wirklich benennen konnte. Ob ich alles genauso sehe, weiß ich noch nicht. Dazu muss ich mir den Artikel wohl mehrfach zu Gemüte führen.

    Den Kommentar schreibe ich aus einem ganz anderen Grund. Spontan kam mir nämlich ein Gedanke: Wenn wir doch alle so kreativ sind (keine Ironie!) und uns etwas in Aventurien fehlt, warum erschaffen wir es nicht einfach? Es gibt ja schon einige Projekte wie z.B. auch die ausgearbeiteten Geweihten verschiedener Gottheiten. Warum machen wir das nicht für solche „reisenden Charaktere“?

    Dabei denke ich gar nicht an neu zu gestaltende NSC, sondern an die geliebten, lange gespielten Charaktere, die nun einfach zu mächtig / zu hochstufig geworden sind, um noch in den einfachen Abenteuern benutzt zu werden. So gibt es in unserer Gruppe eine Hesinde-Geweihte, die nun nach der Quanions-Queste vor allem in den Wissenstalenten Werte hat, die einem die Tränen in die Augen treiben. IT hat sie schon im Laufe der Kampagne von der Magisterin der Magister höchstpersönlich die Leitung der neuen Abteilung „interklerikale Kooperation“ bekommen (warum sollte sie sonst nach Praios‘ Licht suchen?!). Nach der Kampagne ist sie nun quer durch Aventurien unterwegs und immer dort anzutreffen, wo es Reibungsflächen zwischen den örtlichen Hesinde-Tempeln und anderen Glaubensgemeinschaften gibt.

    Wie wäre es, wenn man diese Person ausgearbeitet zur Verfügung stellen würde – also ihren Hintergrund, ihre Motivation, ihre typische Vorgehensweise, wo man in einem Abenteuer auf sie stoßen kann, dazu noch ein paar Macken und Besonderheiten – so dass sich jeder daran bedienen kann? Und natürlich nicht nur sie, sondern jede Menge anderer Personen, die sich dazu eignen, beliebig eingesetzt werden zu können?

    Wäre das eventuell vielleicht sogar etwas für einen kleinen Wettbewerb? Ich meine Simias Werkbank gibt es ja schließlich immer noch, oder? Oder ist meine Idee völlig abwegig?

    • Krassling sagt:

      Natürlich kann ich nur für mich sprechen, aber selbstverständlich nutze ich solche Figuren für meine eigenen Runden.
      Wiederum muss ich jedoch ergänzen, dass meine private Lösung die Redaktion nicht ihrer Aufgabe enthebt die offiziellen Produkte interessant zu gestalten. Die mach-es-doch-selbst Lösung lässt sich nämlich auf buchstäblich alles anwenden.

      Die Frage, die womöglich dahinter steckt, nämlich wofür wir überhaupt „offizielle“ Setzungen brauchen, ist eine gänzlich andere und wird in diesem Artikel nicht behandelt.

      • Leomar sagt:

        „Wiederum muss ich jedoch ergänzen, dass meine private Lösung die Redaktion nicht ihrer Aufgabe enthebt die offiziellen Produkte interessant zu gestalten.“
        Ja, das sollte eigentlich selbstverständlich sein, ist es aber nicht…
        Wobei das interessanteste DSA5-Abenteuer mit dutzenden interessanten NSCs nur ein von DSA4 konvertiertes Abenteuer (das unnötigerweise weitere NSCs einführt).

        Die frühen NSCs, besonders auch die angeblich so übermenschlichen (Nahema, Raidri, Yppolita, Arombolosch…), waren auch nicht so von der Redaktion geschützt, wie die heutigen. Ein Beispiel aus der Sternenträgerkampagne gefällig? Dort gibt es einen NSC, mit dem nicht interagieren soll (ist ja eh nur ein Traum…), aber vorsorglich wird der NSC mit einem Seelenkraftwert von 12 (!) ausgestattet. Wie langweilig… Und wenn man das kritisiert, bekommt man als Antwort ein „Das ist so, basta!“
        Nahemas Kettenhemd war übrigens nur dazu da, dass die SCs den NSC nicht schon aus der Entfernung töten (ja, damals hat man zuerst geschossen und dann gelootet, Abenteuer ade…). Dabei hätte ein weniger dramatischer und vor allem stimmungsvollerer Auftritt das ganze unnötig gemacht. Ich frag mich bis heute, warum sich die Abenteurer von einem potentiellen Auftraggeber bedroht fühlen müssen und der/die Spielleiter/-in damit unnötig vor Probleme gestellt wird. Damals war ich leider noch nicht so erfahren, das umzugestalten.

    • Leomar sagt:

      Also ich hab jetzt schon mehrmals in Con-Abenteuern SCs von mir als NSCs verwendet. Das hat den Vorteil, dass man sich nicht viel ausdenken muss und die Geschichte des eigenen SCs bunter wird. Das Auftreten (beim zweiten Mal) diente aber nur dazu, die Handlung ins Rollen zu bringen, der Charakter war weder Auftraggeber noch Handlanger oder Gegner, eher eine Ablenkung, um den eigentlichen Bösewicht nicht zu früh zu enttarnen.

  12. zakkarus sagt:

    Was ich – als „Histroiker“ – traurig fand das die Heptarchen nie nachträglich einen Hintergrund bekamen, selbst bei Galotta sucht man in denm Romane vergelbich nach Familienangehöirgen. Und bei Haffax wurde nie wieder die gute Kurzgeschichte Garadan aufgegriffen. Das machte all diese Supergegner leider recht blaß.

  13. Hina sagt:

    Die Rohal-Borbarad-Dialektik hast Du uebrigens in beispielloser Klarheit und Eleganz auf den Punkt gebracht. Hut ab!

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