Offenbarung des Himmels

Cover von Sebastian Wagner

Eine Gastrezension von Jan Engelhardt

Doch der echte Gourmet des Grauens, für den ein neuer Schauder unaussprechlichen Entsetzens das höchste Ziel und die Rechtfertigung seines Daseins darstellt, schätzt die uralten, einsamen Bauernhäuser der abgelegenen Wälder Neuenglands am allermeisten; denn hier vereinen sich die dunklen Elemente der Willenskraft, Verlassenheit, Abartigkeit und des Unwissens zur Vollkommenheit des Abscheulichen.
– H.P. Lovecraft, das Bild im Haus

Offenbarung des Himmels von Sarah Maier war das erste Abenteuer für die fünfte Edition von DSA. Es sollte der Einstieg in die neue Edition sein, in die neuen Metaplot-Themen einführen, Neulingen Aventurien zeigen und für alte Hasen die Brücke schlagen. Eine Menge Aufgaben für 64 Seiten. Inzwischen gibt es für Neulinge andere Möglichkeiten, erstmalig Aventurien zu erkunden. Auch im Metaplot ist einiges passiert, wenn auch nicht unbedingt im Kosch. Dennoch lohnt sich die Frage: Hat die Nummer Eins ihre Ziele erreicht? Ist es ein gutes Abenteuer? Und wenn ja, sollte man es nutzen, um Neulingen DSA zu zeigen? Begeben wir uns doch auf eine Reise in den Kosch.

Gasthaus, Grauen und Gemütlichkeit – worum es geht

Vor nicht allzu langer Zeit ist in den abgelegenen Koschbergen ein Stern vom Himmel gefallen. Die Örtliche Praios-Geweihte Praionde (nein, der Kosch machte noch nie durch Kreativität auf sich aufmerksam) des kleinen Dorfes Altenbrück hat den Stein geborgen, als magisch und potenziell gefährlich erkannt und sicherheitshalber in der tempeleigenen Koschbasalttruhe versteckt, in der ansonsten die Tempelabgaben der Gemeinschaft aufbewahrt werden. Umso ärgerlicher, dass die Kiste samt Gold und Stein bei der nächsten Gelegenheit geklaut wird, was die Helden auf den Plan ruft. Unsere Helden haben als Einstieg die Schafhirtin Irmi vor einem Bären gerettet und sind zum Dank in der hiesigen Taverne bei der gemütlichen Wirtin Gunelde zu Gast. Als Außenstehende, die sich bereits bewährt haben, sind sie der ewigen Abenteuerlogik zur Folge die idealen Ermittler. In einem relativ freien Mittelteil darf nun in Altenbrück recherchiert werden. Die örtlichen Verdächtigen sind ein Elf, der seinem Volk entsprechend wenig Ahnung von mein und dein hat, der zwergische Schmied des Dorfes, der nachts herumzuschleichen scheint und die abseits lebende Jägerin Jadwine, die eine komische Vorliebe für Giftkräuter hat, nicht allzu gerne den Praiosdienst besucht und allgemein als Außenseiterin gilt. Sollte das noch zu subtil sein, gibt der Besen vor der Haustür vielleicht den entscheidenden Hinweis. Für Ablenkung sorgt die Jagd auf einem Baumdrachen, der wie es seine Natur ist, gerne glitzernde Objekte hortet, in diesem Fall aber unschuldig ist.

Das letzte Kapitel ist wieder deutlich linearer. Sind genug Hinweise zusammengetragen, ergibt sich tatsächlich ein erschreckendes Bild. Es wird klar, wer hinter dem Diebstahl steckt und warum. In einem ziemlich furchtbaren (aber zum Glück singulär bleibenden) Fall von Abenteuerwillkür erinnert sich auch genau jetzt endlich der entscheidende Zeuge daran, wo die Bösewichte ihr Versteck haben könnten. In einem sehr linearen Dungeon und unter starkem Zeitdruck, müssen die Helden den wahren Täter stellen, ein Ritual verhindern, die Truhe wiedererlangen und ganz nebenbei noch das Leben Praiondes retten. Dabei wartet das Abenteuer mit einem, gerade für eine Einsteigergeschichte überraschenden Twist auf. Wer mehr zur Auflösung wissen möchte, dem sei der Spoilerteil am Ende der Rezension empfohlen.

Zu viel des Guten – Der Lokalkolorit.

Ja, wir spielen in den Koscher Bergen. Ja, die große Bedrohung ist, dass jemand den armen Dörflern ihre Zenttruhe geklaut hat. Ja, die Protagonisten heißen Gunelde Dinkelkorn, Ettel Algerein und Jadwine Hasenschreck. Die Kneipe heißt Kornstubn und alle kommen aus dem Dorf Altenbrück. Ja, das hier ist Bauergaming in Reinform. … Und das ist völlig in Ordnung. Wir haben die letzten Momente von DSA 4 mit Dämonenarchen, toten Kirchenmüttern, Perricum in Trümmern, Gareth unter Belagerung und unsterblichen Strategen verbracht. Es musste wieder kleiner werden. Eine neue Edition beginnt und mit ihre kommt eine neue Generation an Helden, die sich erst hocharbeiten müssen. Und bereits jetzt zeichnen sich ja größere Bedrohungen ab und mit der Idylle ist es schnell vorbei. Soweit also alles im Grünen. (Oder eher auf der schönen grünen Alm.)
ABER: Musste es wirklich sein, dass wir noch einmal erwähnen, dass die Einwohner selbst ihr Dorf „Oidnbrückl“ nennen und die Brücke „Ufzistägle“? Klar, in einem Lokalkolorit-Heldenwerk zu genauso einem Thema kann man das machen. Großartig gelungen z.B. in Angbarer Bock. Aber im ersten Abenteuer für DSA5 überhaupt? Für Leute, die sich gerade ihre Kriegerin/Magierin/Elfe erstellt haben und Abenteuer erleben wollen? Seit Jahren versuche ich Leuten zu erklären, dass DSA eben mehr ist, als blöde Heimatfilmromantik und dann knallt mir die Autorin „Ufzistägle“ vor den Latz. *seufz*
Mach einem wird es gefallen, es passt auch ins Thema, keine Frage, aber ich persönlich habe die Namen entschärft und jedem, der es mit Neulingen spielt rate ich, das gleiche zu tun. Die Autorin scheint derartig in den koscher Lokalkolorit verliebt zu sein, dass sie für noch mehr Flair eine Seite örtlicher Sagen und Legenden anfügt, die nichts mit dem Plot zu tun haben. Das ist an sich eine prima Sache, wenn der Platz nicht anderswo empfindlich fehlen würde. Dazu später mehr.

Die Welt ist ein Dorf – Charaktere und Metaplot

Dem Koscher sein Freund und Helfer: die freundliche Praios-Geweihte von Nebenan
Künstlerin: Lorena Lammer

Kommen wir zu einem Teil der koscher Dörflichkeit, den das Abenteuer richtig gut macht: seine Charaktere. Nicht nur ist jeder einzelne Dörfler, der eine Rolle spielt liebevoll ausgearbeitet. Mein Favorit war der gierige Krämer mit seiner versoffenen grobschlächtigen Frau. Sie alle helfen dabei, Aventurien ein Stück weit vorzustellen, ohne dass es zwanghaft wirkt. Sogar jene Bauersfamilien, die nur ein paar Stichworte bekommen wirken farbig und sind gut darstellbar. Als Auftraggeberin fungiert Praionde, eine junge, wohlmeinende, leicht überforderte Praios-Geweihte. Eine Praiotin als gute Autoritätsperson? Allein dafür muss man das Abenteuer mögen. Ich kenne mehr als einen Spielleiter persönlich, die noch Jahre lang Schwierigkeiten damit hatten, ihre Gruppe zur Kooperation mit dem Funzelpfaffen zu bewegen, weil ihr erster Eindruck der Kirche überhaupt ein hexenverbrennender, fanatischer Soziopath war. Dass sich dieser dann in einem eigentlich cleveren Twist als Betrüger herausstellte fiel gar nicht mehr ins Gewicht. Ähnlich ist es auch mit den anderen Figuren. Der Zwerg (herrlich brummig und überraschend emotional verletzlich) und der Elf (herrlich esoterisch-nervig verkopft) zeichnen jeweils spezielle aventurische Charakteristika ihrer Völker nach, ohne komplett ins Klischee abzudriften. Ähnlich gezeichnet ist die Außenseiterin Jadwine, deren Rolle in der Geschichte mir jedoch nicht letztgültig gefallen will.

Verwirrende Karten und harte Kämpfe

Was gibt es noch zu sagen? Ach ja: DER ERSTE GEGNER DES ABENTEUERS IST EIN POTENZIELLER TPK!! Der Einstieg in das Abenteuer ist wie gesagt der Kampf gegen einen Schwarzbären, um eine junge Schäferin zu retten. „Cool“, dachte sich der erfahrene Meister. Wenn man das dritte Mal den Plothook-NPC in der ersten Szene vor 2w6+2 Räubern/Wölfen/Goblins/Orks gerettet hat, ist ein Bär mal was anderes. Der Haken ist nur: So ein Bär ist auch ein anderes Kaliber. Meine Gruppe (zwergischer Krieger, meridianischer Söldner, Graumagierin und Diebin) hatten ganz schön zu knabbern. Weniger Kampfstarke Gruppen kann man da durchaus aus den Latschen werfen. Das ist auch insoweit schade, als dass der erste Kampf in einem System ja eine Stimmung setzt. Meine Gruppe aus Neulingen war danach zunächst sehr ängstlich, zu kämpfen und dann regelrecht enttäuscht davon, wie einfach sich der Baumdrache nicht lange später umhauen ließ.

Die gerettete Schäferin Irmi tut, nachdem sie die Helden ins Dorf gebracht hat, übrigens genau eine Sache: Sie verschwindet aus dem Plot. Und das ist Teil eines Größeren Problems mit dem Abenteuer. Die Vorstellung der Dörfler, so liebenswert sie auch sind ist etwas … inkonsequent. Das beginnt schon damit, dass Dörflerbeschreibungen an drei Stellen im Buch stehen. Einen groben Überblick ohne direkten Plotbezug gibt es in Kapitel 1. Wichtige Zeugen stehen in Kapitel 2. Und sollte eine Person tatsächlich Dreck am Stecken haben, erfolgt eine nähere Charakterisierung in Kapitel 3. Das ist eine Menge Geblättere. Es gibt neben den oben genannten Verdächtigen zwei Bauersfamilien, die für die Recherche wichtig sind: Die Hasenbrodts und die Eichbuschs. (Wieder so tolle Koscher Namen, oder?) Beide sind auch total liebevoll gestaltet. Leider gehört die junge Schäferin Irmi, die die Helden schon kennen zu keiner von ihnen. Das ist einfach eine verpasste Gelegenheit. Ebenso lässt sich aus einer Gerüchteliste entnehmen, dass der Sohn eines anderen Hofes heimlich in Irmi verliebt ist. Ein schönes Detail. Leider gehört auch er nicht zu den beiden relevanten Familien, sodass es wahrscheinlich niemand bemerken wird. Weiter erschwert wird das ganze durch die Karte. Die ist zwar wunderschön, zeigt aber nicht alle relevanten Häuser. Wo welche der Bauersfamilien wohnt, die man als Zeugen befragen muss ist nicht verzeichnet. Dafür ist die Mühle extra beschriftet, deren Besitzer für den Plot keinerlei Rolle spielt. Dass die Community inzwischen eine ganze Reihe eigener Karten geschaffen hat (etwa hier, hier und hier), die die Lage verbessern, ist zwar ein absoluter Ritterschlag für ebenjene, aber bezeugt letztendlich nur, wie viele Leute sich an dem eigentlichen Problem störten.

Ebenso harte Kämpfe wie am Anfang des Abenteuers warten auch im letzten Dungeon. Spinnen, Wolfsratten und schließlich 13 (!) menschliche Gegner warten hier auf die Helden. Das ist für eine Gruppe der Stufe „erfahren“ eine Menge Holz, auch wenn das Abenteuer großzügig befindet, dass immer nur ein Teil der Gegner gleichzeitig angreift, weil ein Teil mit einem Ritual beschäftigt ist. An sich ist das Finale sauber inszeniert. Es geht erst durch einige Räume mit Viehzeug, um die Lebenspunkte runterzuziehen und ein bisschen Gift zu verteilen und dann in den finale Ritualaum. Hier sollen explizit nicht alle Feinde umgeboxt werden, sondern primär ein Ritual rechtzeitig verhindert und die Anführerin ausgeschaltet. Ein Timer sorgt für Druck. Spannend, episch und überraschend komplex für so ein Dorfabenteuer. Etwas mehr Ausarbeitung wäre aber schön gewesen, für diesen letzten Raum. Wie verhalten sich die Gegner genau? Wie viele braucht es für das Ritual? Wer steht wo? Es gibt einen Haufen wertvoller Tipps, aber zusammenbauen muss der Meister sein Finale selbst. Der Platz für etwas mehr wäre vorhanden gewesen, hätte man auf die Koscher Legenden verzichtet oder die Gegnerblöcke für Spinnen, Wolfsratten und Wölfe weggelassen. Nein, ich werde jetzt nicht beginnen, mich über die allgemeine Designentscheidung auszulassen, wegen der „Nur Grundregelwerk und Almanach“-Politik jedes Abenteuer mit Wertekästen zuzubauen. Auch wenn ich kein Fan davon bin, verstehe ich den Ansatz ja. Aber die drei genannten sind explizit Almanach-Kreaturen. Sogar im Rahmen dieser Politik sind die redundant. Bei den Wolfsratten wurde übrigens die Fähigkeit „Angriff auf ungeschützte Stellen“ vergessen, die es ihnen ermöglicht, unter bestimmten Umständen Rüstungen ignorieren. Normalerweise wäre mir so etwas egal, aber 1w3 oder 1w3 rüstungsignorierend ist schon ein ziemlicher Unterschied. Ebenso bin ich mir nicht sicher, ob sich die Autorin bewusst war, wie mächtig das Gift von Höhlenspinnen ist. Das Zeug wirkt kumulativ! Gerade Einsteigergruppen rate ich, die Kämpfe etwas abzumildern.

Ganz schön gefährlich so ein Bär
Bild von Lorena Lammer

So, nun aber genug gejammert. Zum Schluss noch zusammenhanglos ein paar Dinge, die ich richtig gut fand:

  1. Nach dem besiegten Bären und der beruhigten Schäferin gilt es, Lämmchen einzusammeln, bevor es dunkel wird. Das ist nicht nur niedlich, sondern auch zur Abwechslung mal ein sinnvoller Einsatz für die Sammelprobe.
  2. Für nächtliche Beschattungen in Altenbrück gibt es eine tolle Zufallstabelle, die bei potentiellen Sackgassen die Ermittlungen immer wieder in neue Richtungen führen kann.
  3. Ein Baumdrache klaut glitzerndes Zeug und gerät deshalb unter Verdacht. Das weckt ganz wunderbare „die Zuflucht“ Nostalgie.
  4. Die Einkaufsliste des örtlichen Krämers ist super. Genau die richtige Mischung aus hilfreichem Zeug, Ramsch und Lokalkolorit.

Bevor ich zur Wertung schreite, sei noch auf den Spoilerteil am Ende dieses Textes verwiesen. Hier komme ich noch einmal auf die Auflösung des Abenteuers zu sprechen.

Was bleibt am Ende

Viele gute Ideen, eine solide, aber etwas chaotische Umsetzung. Meine Gruppe hatte zumindest ihre Freude mit dem Abenteuer und wollte danach weiter DSA spielen, nur auf Pilzgerichte hatte sie eine Weile keine Lust mehr.

Neun Einhörner sind losgezogen, um die neue Edition zu erkunden. Eines davon fiel in Schockstarre, als es auf dem Ortsschild „Oidnbrückl“ las und wurde dann direkt von einem Bären zerfleischt. Eines hat sich zwischen den Buchdeckeln auf der NPC-Suche verirrt und ein letztes fragt sich bis heute, warum der Stern jetzt eigentlich so wichtig war. Die restlichen sechs genießen eine spannende Vorschau auf die großen Ereignisse im Kleinen mit erinnerungswerten Figuren und einem coolen Twist.

Ich empfehle das Abenteuer für Einsteigergruppen ebenso wie für DAS-Veteranen, die DSA5 kennenlernen wollen. Der Meister hingegen sollte in jedem Fall etwas Erfahrung mitbringen, um die Probleme gut zu umschiffen. Einsteigermeister greifen lieber zur Drachenritter-Box.

Die Auflösung – Spoilerwarnung!

Die Auflösung des Diebstahls hat weit größere Bewandtnis als nur schnöde Habgier. Die ach so gemütliche Wirtin Gunelde ist eine Geweihte des Namenlosen. Seit Wochen und Monaten hat sie sich mittels Manipulation, Lügen und wohlportionierten Rattenpilzen im Eintopf eine Anhängerschaft aufgebaut. Der Kult hat die Zehnttruhe gestohlen um aus dem Gold eine Statue für ihren Gott zu gießen, die nun geweiht werden soll. Im abschließenden Dungeon muss nun verhindert werden, dass Gundelde und ihre Kultisten dem Namenlosen einen Tempel erschaffen, geweiht mit dem Blut der lieben Praionde. Teil des Kultes sind neben einigen unwichtigen Dörflern, die nur eine stichpunktartige Begründung für ihn Tun erhalten der schmierige Krämer Ettel und die Hexe Jadwine in einer Schlüsseposition. Es handelt sich also um eine Hexe, die zur Abwechslung einmal zu Recht mit Argwohn betrachtet wird. Gerade in einem Einsteigerabenteuer, das aventurische Gruppen wie Zwerge, Elfen, Hexen und Geweihte archetypisch vorstellt, finde ich das richtig gut.

Versteht mich nicht falsch, wie viele andere auch, bin ich ein Fan von Hexen, die ein bisschen feministisch daherkommen, den Leuten ihre Vorurteile aufzeigen und eigentlich die Guten sind. Aber gerade für Einsteiger ist es schön, einmal zu zeigen, warum Hexen in Aventurien eben skeptisch beäugt werden. Im direkten Anschluss kann man ja Hexenreigen spielen, um die andere Seite kennen zu lernen. Jadwine als Figur ist jedoch etwas schwächer ausgefallen als der übrige Cast. Einerseits lebt sie nicht weit vom Dorf entfernt, zahlt brav ihren Zehnt und treibt auch Handel. Andererseits hat sie einen unfassbar bösen Giftgarten voller illegalem Zeug und scheint weder für die Götter noch die Menschen viel übrig zu haben. So wie das Abenteuer sie präsentiert, bin ich mir nicht sicher, ob die große Überraschung nun ist, dass sie tatsächlich böse ist oder eher warum in den letzten Jahren noch kein wütender Mob ihre Hütte gestürmt hat. Keinerlei Rolle spielt ihr Vertrautentier, was nicht ganz passend anmutet, wenn man bedenkt, wie bemüht das Abenteuer ansonsten ist, klassische, aventurische Archetypen vorzustellen. Da ist der Elf mit seinem Seeleninstrument, der Zwerg mit seiner Schmiedewerkstatt und die Hexe OHNE ihr Vertrautentier. An sich kein Problem aber etwas seltsam. Und warum sie jetzt genau für die Kultisten arbeitet, bleibt auch etwas unklar. Sie hat sich angeschlossen, weil sie Praioten nicht mag und kann jetzt keinen Rückzieher mehr machen… Wirklich? Wer hindert sie denn? Immerhin kann sie fliegen. Der gesamte Charakter macht ein bisschen den Eindruck, als hätte man sie zunächst als falsche Verdächtige geschrieben, dann aber gemerkt, dass man irgendwie noch die Kultistenreihen auffüllen muss. Nichts allzu gravierendes aber trotzdem schade. Ein bisschen mehr Platz, um die Figur auszuarbeiten hätte hier gutgetan.

Ganz anders gestaltet sich Wirtin Gunelde. Wir alle kennen den Archetyp der lieben, dicklichen Tavernenwirtin aus jedem Rollenspiel. Dass sie am Ende den Kult anführt, hat zumindest meine Gruppe tatsächlich nicht kommen sehen. Und gleichzeitig waren die Zeichen von Anfang an da. Der Plotwist funktioniert. Das Leitmotiv des Abenteuers, das man andauernd leckeres lokales Essen angedreht bekommt, wird zum ekelhaften Horrorelement, wenn die Gruppe versteht, dass es Rattenpilze waren, die sie da mit Begeisterung in sich reingeschaufelt haben. Goethe Rohal der Weise (oder war es doch ein Nanduriat) hat mal gesagt, der Reiz von Aventurien sei eine Postkartenidylle, in die sich das Grauen ergießt. Und genau das funktioniert hier perfekt. Im Kern der idyllischen Dorfgemeinschaft wächst etwas Dunkles heran und hinter der Fassade des Friedens verrottet etwas. Nebenbei bekommen die Diener des Namenlosen endlich mal ein Gesicht. Irgendwie hatten sie in vergangenen Editionen oftmals diese undankbare Randrolle von „Die sind halt Böse, weil sie Böse sind“ und stanken damit reichlich ab, gegen ihre Kollegen in Schwarz-Rot mit der perfiden Ideologie oder die Orks mit ihrer aggressiven, aber durchdachten Kultur. Jetzt haben sie Motive, Ziele und Träume, die einem durchaus bewegen. Klar, sie sind immer noch vor allem Böse, aber man erkennt eben die dahinterliegenden Strukturen. Die schmierige Krämer des Dorfes hat sich den Kult aus Goldgier angeschlossen, aber nachdem wir uns in den letzten Tagen ansehen durften, wie dysfunktional und traurig seine Ehe ist, erkennen wir, dass die Strukturen des Bösen oftmals tiefer liegen, als das, was sogar die Akteure selbst zu sehen glauben. Die Motivationen sind hier clever und subtil.

Spielt leider nur auf dem Titelbild eine prominente Rolle: der gefallene Stern von Lorena Lammer

An dieser Front macht die Offenbarung alles richtig. Genau das sind die Konfliktlinien des Sternenfalls. Nicht die Bedrohung von außen ist es, die die idyllische Gemeinschaft in Gefahr bringt, nicht die Horden der Orks oder Borbaradianer, sondern jene von Innen. Der Kampf von Göttern gegeneinander bedeutet im Kleinen immer den Kampf um die Seelen der Menschen. Großartig!
Apropos Sternenfall. Der gefallene Stern ist so eine Sache. Eigentlich ist er für das Abenteuer nämlich komplett egal. Die Kultisten wollen das Gold einschmelzen, die Dörfler wollen ihr Gold zurück. Der Stern wirkt irgendwie drangetackert. Die Autorin müht sich sichtlich, ihn einzubringen. Sowohl Praionde, als auch Gunelde hatten Visionen von ihm und deuten ihn als ein Vorzeichen. Am Ende darf man ihn dann ein bisschen magisch analysieren und (reichlich railroadig) nach Angbar bringen, wo er (bis zum heutigen Tag) verwahrt wird. So in etwa darf man sich das wohl vorstellen. Schade. So gut die Themen des Sternenfalls auch angesprochen werden, so egal ist der eigentliche Stern.
Ebenfalls kurz erwähnt sei an dieser Stelle noch, dass die Helden in der Kulthöhle noch die niedergeschriebenen Visionen der Priesterin finden können. Das Geschreibsel ist reichlich vage und an einigen Stellen verwischt und scheint auf Dinge hinzuweisen, die der Sternenfall noch zu bringen vermag. Als Metaplot-Enthusiast freut mich dass natürlich, aber innerhalb der Spielwelt wird es kaum Relevanz haben. Es bleib ein Easter-Egg für Fans.

Das Ende

Echt jetzt.

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3 Antworten zu Offenbarung des Himmels

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  2. Pingback: Nandurion rezensiert „Offenbarung des Himmels“ – Nuntiovolo.de

  3. queery sagt:

    Spannend zu lesen. Danke für die Rezension.

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