Von Kyndoch nach Gratenfels Teil 4

Das Kyndoch-Kontor war von Ende der 90er bis weit in die Nuller-Jahre hinein eine Internetseite, wie es seinerzeit viele gab. Das besondere Verdienst des Betreibers Jesco von Voss war jedoch die Sammlung von Errata und Meistertipps, die man hier zu beinahe jedem Abenteuer gebündelt einsehen konnte. Nach dem Aus dieser bemerkenswerten Internetpräsenz fanden diese Inhalte eine vorübergehende Heimat auf Alveran.org, zu dieser Zeit eine der größte und aktivsten DSA-Webseiten. Nachdem auch Alveran wenige Jahre später seine Pforten für immer schloss, wanderte von Voss Vermächtnis in die umfangreichen Archive der Wiki-Aventurica. Dort sind sie auch heute noch zu finden.

Im letzten Teil meiner Meistertipps zum Abenteuer Über den Greifenpass von Thomas Finn werde ich noch einmal zurückschauen und eine Bewertung vornehmen, ob meine Ideen funktioniert haben und welche Ressourcen und Anpassungen für das Abenteuer erstellt wurden.

Der Blick zurück

Der Plan ist der Plan ist der Plan
– Mantra des Controllers

Am Ende stellt man oft fest, dass alles anders gekommen ist als gedacht. Als ich begann meine Chronik für eine neue Spielrunde zu planen, war meine Idee, nach einem maßgeschneiderten Einstieg einige kleinere Szenarien zu spielen und die Heldengruppe dann Über den Greifenpass zu schicken und Ihnen so die erste Feuerprobe in der Welt des Schwarzen Auges zu gönnen. Ein paar Jahre und eine Pandemie später ist keiner der ursprünglichen Spieler mehr in der Gruppe. Von fünf Helden, die sich in Gratenfels trafen um auf Abenteuer auszuziehen hat nur einer das Finale erreicht. Das Leben ist doch turbulenter als ich alter Möchtegernspießer mit das immer wünsche.

In Gratenfels erweiterte ich die Möglichkeiten eine Einladung zum Abendessen bei Balthasius zu bekommen. Die Möglichkeit Hauptmann Arto bei einer Geiselname zu unterstützen funktionierte hervorragend und ließ weder den Hauptmann wie einen Volltrottel noch die Helden wie billige Kammerjäger aussehen. Auch das Abendessen mit Sintelfink gelang hervorragend. Schlüssel hierzu war einerseits die verschiedenen Figuren nicht alle gleichzeitig auflaufen zu lassen und außerdem ein paar erlesene Beleidigungen durch Sintelfink parat zu haben.

Auch das Bestiarium war mit seiner Inszenierung ein voller Erfolg. Wie so viele Meister habe ich die Zusammensetzung der Bestien geändert. Höhlenbär, Großer Schröter und Maraskantarantel stellen eine gelungene Komposition dar. Während die Schröter sich konventionell zum Kampf stellten, konnte ich den unerfahrenen Spielern mit der giftigen Maraske ein spannendes Duell im Zwergenviertel bieten. Meine Idee der Gruppe einen Grolm als Sidekick mitzugeben, der im späteren Finale eine Rolle spielen sollte, kam jedoch nicht an. Das Gasthaus zum Schwarzen Keiler bietet sich für die Einführung weiterer Meisterpersonen an.

Nach der Festival Atmosphäre mit Heldentaten und Belobigungen wechselt die Stimmung mit der Erkundung von Domaris Schwarzem Turm ins Unheimliche. Der besessene Turm machte den Spielern ganz schön zu schaffen und die Luft brannte. Für das haptische Erlebnis am Spieltisch verwendete ich mein flexibles Turmmodell, welches besonders davon profitierte, dass die Helden sich bei der Erkundung des Turms trennten. Leider wurde das Finale durch die fortgeschrittene Stunde etwas abgekürzt und der Dämon kam nicht mehr so recht zur Geltung. In jedem Fall bleibt der Fokus auf die Treppen in Erinnerung und mindestens ein Held nahm wohl eine mittlere Treppenphobie mit.

In Dunkelhain wurde die Lage deutlich interessanter, weil ich den ermordeten Brautvater mit ins Spiel brachte. Die Idee, den Toten am Wegesrand zum Vater der Braut zu machen, stammt übrigens nicht von mir, ich finde jedoch die Quelle nicht mehr. Dennoch verbrachten wir auf diesem Weg fast einen ganzen Spielabend in Dunkelhain und die dramatische Intensität der Situation bleibt sicher noch einige Zeit im Gedächtnis. Zentrale Figur des Geschehens im Ort ist auf jeden Fall der Travia-Geweihte Torben Fürchtegott, dessen Autorität zwar alle anerkennen, der von mir aber gleichzeitig etwas überfordert gespielt wurde. So blieb für die Helden in jedem Fall genug Raum für eigene Entfaltung in diesem Abschnitt, der durch den Kontrast von fröhlichem Fest und traurigen Nachrichten geprägt wurde.

Mit der Reise in die Feenwelt ändert sich die Stimmung des Abenteuers nun erneut. Diese Episode wurde von mir massiv ausgebaut und ebenfalls auf die Länge eines eigenen Spielabends erweitert. Die besondere Fremdartigkeit wurde mit einer ordentlichen Prise Humor gewürzt. Die Gefahr in eine Kröte verwandelt zu werden und die finale Flucht vor den Jägern der Fee stehen jedoch auch für sehr reale Gefahren. Auch hier erlaubten die emotionalen Kontraste wieder ein intensives Rollenspielerlebnis. Tatsächlich nutzte ich die Rückkehr aus der Feenwelt sogar für die Einführung eines neuen Spielers, der als blinder Krötenpassagier den Weg aus der Anderwelt findet.

Algortons Tal breitet sich schließlich wie eine große Sandbox vor den Helden aus. Planung und Taktik stehen mehr im Fokus dieses finalen Teils. Während der Anreise schlugen sich die Helden bereits mit Harpyien herum, so dass diese jederzeit in das Geschehen eingebunden werden konnten. Das Orklager erschien so wehrhaft, dass man gezielt nach weiteren Möglichkeiten suchte und so auch ohne Kobold, Grolm oder wasauchimmer den Eingang zur Mine fand. Die Karte des Tals wurde dabei nur recht kurz bespielt. Der Aufwand der Herstellung hat sich für mich also nur bedingt gelohnt. Der Dungeon unter dem Berg geriet trotz geringer Monsterdichte zum intensiven Erlebnis. Nach den Weiten der Berge kippt die Stimmung nun ins klaustrophobische mit Alienvibes von Riesenspinnen und Riesenamöben.

In der Festung selbst sah sich die veränderte Gruppe nun mit einer unbekannten Zahl von Gegner konfrontiert. Der Kerker in der Festung diente mir ebenfalls zur Einführung einer neuen Heldin in die Runde. Die Gegenwehr der Streunerin und der Einsatz des Alchemisten hielten die Heldengruppe nachhaltig auf, so dass nur der mutige Einsatz von Zauberei und Kletterkunst die Erstürmung der Plattform möglich machten. Je nach den Möglichkeiten einer Heldengruppe, kann ein solches Vorgehen jedoch auch zu größeren Schwierigkeiten führen. Dass ich im Eifer des Gefechtes dann die Grolme als lebenden Astralspeicher vergessen hatte, war dann nicht mehr so schlimm, da sich ohnehin niemand mehr an die Elemente aus dem Beginn des Abenteuers erinnern konnte.

Der Endkampf war zwar ein wenig statisch mit vielen AT/PA Folgen, aber dennoch unterhaltsam. Der Einsatz von Gift, Hypnose und Hexenfledermäusen behinderte die Helden massiv und führte somit auch dazu, dass die eigentlich überlegenen Kämpfer nicht so leichtes Spiel hatten. Als Joker-Elemente hatte ich die Chimäre zurückgehalten, die nicht direkt in den Kampf eingriff und außerdem einige Harpyien, welche den Turm umkreisten. Zudem hatte der singende Pfeil das Vertrautentier eines Geoden herbeigerufen, welcher ebenfalls in den Kampf eingriff, als er Yalas Vertrautenschlange entführte und somit den Behinderungen durch Hypnose und weiteren Vergiftungen ein Ende setzte. Solcherlei Flexibilität erwies sich somit sich für ein kämpferisches Finale einmal mehr als sehr hilfreich, da das Würfelglück sonst schnell in die eine oder andere Richtung ausschlagen kann.

Anstelle des Dharais, den Thomas Finn als Rausschmeißer vorgesehen hatte, waren dies bei mir die Orks vor den Toren. Diese hätten ebenfalls als eigenständige Partei eingesetzt werden können. So verhinderten sie eine langwierige Plünderorgie und bildeten einen weitern dramaturgischen Druckpunkt. Immerhin müssen die Helden davon ausgehen, dass sich in dem abgelegenen Tal nun eine gut geschützte Festung in der Hand einer kleinen orkischen Streitmacht befindet. Die Krönung des Sieges ist es also, dem Tod ein weiteres Mal entronnen zu sein. Der Geode als Fluchthilfe ist natürlich eine gute Möglichkeit auch das Interesse anderer Figuren in der lebendigen Spielwelt an den Ereignissen zu betonen. Auch ohne Hilfe hätten die Helden den Abzug sicher mit den Schwarzpelzen verhandeln können. Dies hätte jedoch sicher noch einiges an weiterer Spielzeit und womöglich schmerzhafte Einschnitte bei den Helden gekostet.

Fazit

Über den Greifenpass - CoverDas Einsteigerabenteuer Über den Greifenpass hat seinem Namen mal wieder alle Ehre gemacht. Gerade die Vielseitigkeit, welche die verschiedenen Abschnitte mitbringen macht es zu einem echten Erlebnis. Wenn man die Andersartigkeit der verschiedenen Episoden besonders betont, gewinnt dieses Abenteuer meines Erachtens deutlich. In meinem Fall war auch das Ein- und Austreten von Spielern und Heldinnen kein Problem. Meine Befürchtung die wiederholten dungeonartigen Elemente würden sich abnutzen, konnten aufgrund der verschiedenartigen Inszenierungen ausgeräumt werden. Zudem habe ich hier recht gute Erfahrungen mit dem Einsatz von haptischen Elementen gemacht und inzwischen haben die meisten Mitspieler eigene Miniaturen dabei, um ihren Auftritt angemessen zu inszenieren. Insgesamt würde ich das Abenteuer wohl genau so noch einmal inszenieren.

Ressourcen

Über die Zeit ist einiges an Material für dieses Abenteuer entstanden oder von mir genutzt worden:

  • Karte von Gratenfels: Meine Modifikation von Ralf Hlawatschs Karte hat einen eigenen Artikel auf Nandurion
  • Plan des Wirtshauses zum Schwarzen Keiler: Obschon nur ein kleines Handout verwendete ich hierzu die Pläne aus dem Abenteuer Rückkehr zum Schwarzen Keiler
  • Handout einer magischen Pfeilspitze, echte Kinderarbeit

    Handout singender Pfeil: Dies erhielten die Helden im Schwarzen Keiler als zusätzliches Element, wie im ersten Teil der Reihe beschrieben. Eine meiner Töchter bastelte aus Schaumgummi eine Pfeilspitze als Handout, um am Spieltisch eine haptische Repräsentation des Artefakts zu haben

  • Turmmodell: Mein flexibles Turmmodell kam in diesem Abenteuer gleich zwei Mal zum Einsatz. Einmal mit entsprechenden Auflegern für Domaris Turm und ein zweites Mal als Etagen des Turms von Algortons verborgener Feste. Eine Abbildung ist im zweiten Teil der Meistertipps zu diesem Abenteuer zu sehen.
  • Karte von Dunkelhain: Das Dörfchen Dunkelhain erhielt ebenfalls eine A3 Karte zum Bespielen. Diese wurde von einer meiner Mitspielerinnen gefertigt.
  • Obeliskenbild: Da mir die Zeichnung aus dem Abenteuer nicht zusagte, entwarf ich eine eigene Variante für die Anleitung zum Wasserschöpfen in der Feenwelt. Diese sollte meiner Vorstellung einer menschengemachten Hilfestellung für die magische Quelle besser entsprechen und findet sich ebenfalls im zweiten Teil der Tipps.
  • Verfolgungskarten: Um die Harpyien präsent zu machen inszenierte ich eine Verfolgungsjagd, bei der die Helden den fliegenden Kreaturen entkommen müssen. Die Karten selbst sind im dritten Teil dieser Reihe hinterlegt. Der von mir entwickelte Mechanismus für Verfolgungsjagden mit dem diese Karten eingesetzt werden, findet sich ebenfalls in einem Beitrag auf Nandurion.
  • Karte von Algortons Tal: Die Karte des Tals wird samt ihrer Entstehung ebenfalls in einem eigenen Artikel auf Nandurion behandelt.
  • Dungeontiles für die Mine: Die Mine unter der Festung wurde mit Hilfe einer Reihe von 3D Dungeontiles bespielt, die ein Mitspieler aus seinem Fundus mitgebracht hatte.

Referenzen

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