Im Jahr 2024 feierte das Schwarze Auge seinen 40sten Geburtstag. Oder besser Erscheinungstag. Seit nunmehr vier Jahrzehnten erkunden Rollenspieler die Welt des Schwarzen Auges und durchstreifen mit ihren Heldinnen und Helden den Kontinent Aventurien. Angesichts dieses großartigen Jubiläums durfte man gespannt sein, wie der aktuelle Rechteinhaber Ulisses Spiele das Jubiläum begehen würde. Für meinen persönlichen Geschmack waren die Festschriften und Jubiläumsprodukte eher überschaubar, doch eine Ankündigung hatte zumindest sofort mein Interesse geweckt. Es sollte eine vollständige Bibliographie des Schwarzen Auges in vier Bänden geben. Zu Recht durfte man hier wohl mehr als eine langweilige Liste mit Einträgen wie aus einem wissenschaftlichen Quellenverzeichnis erwarten.
Erster Streich 1984 bis 1993
Um wenigstens etwas Platz für Inhalte zu gewinnen wurde die Bibliographie auf vier Bände aufgeteilt. Jedem Jahrzehnt seit Erscheinen ist damit ein eigener Band gewidmet. Der vorliegende erste Teil betrachtet die Jahre 1984 (war da nicht mal was mit diesem Jahr) bis 1993. Diese Zeitspanne umfasst recht genau die ersten beiden Editionen bis zum Erscheinen von DSA3. Aus meiner persönlichen Perspektive ist dies recht spannend, weil die Bibliographie somit genau dort endet, wo meine eigene Geschichte des Schwarzen Auges beginnt.
Gleich zu Beginn fühle ich mich zurückversetzt in eine Vergangenheit, die aus Sicht des Bandes zwar in der Zukunft liegt, aber dennoch ein wichtiges Stück meiner persönlichen DSA-Geschichte ist. Das Vorwort von Mark Wachholz ist ein Auszug aus einem Text der 2005 in Magische Zeiten erschien und wohl in Teilen ein Update erfahren hat (sonst gäbe es wohl keine Verweise auf die 5. Edition). Der Berliner Drehbuchautor Mark Wachholz war nicht nur DSA-Autor und Redaktionsmitglied, sondern auch das Gesicht der Webseite Alveran.org, die seinerzeit zu den bekanntesten Anlaufstellen für das Schwarze Auge überhaupt gehörte. Sein Ausschluss aus der Redaktion sorgte damals für die Wachholz-Affäre und hatte auch das Ende der Webseite Alveran.org zur Folge. Diese Ereignisse waren damals der Anstoß für Ben Maier die Seite Nandurion.de zu gründen. Als jahrelanger Admin von Alveran.org und dienstältester aktiver Nanduriat sind mir Marks Beiträge zur Geschichte des Schwarzen Auges natürlich in besonders intensiver Erinnerung. So erfüllt mich denn auch eine gewisse Freude darüber, dass für die Bibliographie offenbar eine Lösung gefunden wurde, Marks Texte in diesem und dem folgenden Band zu präsentieren.
Neben diesem historischen Abriss mit wohlig nostalgische Schauer finden sich einige Interviews, hauptsächlich mit Ulrich Kiesow und Hadmar von Wieser, die als Zeitzeugnisse dienen mögen. An der einen oder anderen Stelle gibt es auch seltenere Einblicke in die Ereignisse hinter den Kulissen, etwa wenn Wieser von der Entwicklung der ersten DSA-Brettspiele berichtet. Neben diesen historischen Dokumenten finden sich auch einige Zwischentexte, die von Thorsten Most und Josch Zahradnik stammen. Die beiden langjährigen DSAler und ehemaligen Nanduriaten geben uns einige Handreichungen zu verschiedenen Kapiteln. Leider vermisse ich in diesen Texten den ganz besonderen Humor, der die Texte dieses Duos sonst immer wieder auszeichnet.
Unvermeidlich ist auch, dass die Interviews und Berichte als Originaldokumente manche Dinge wiederholen. Wiesers Argentia gehört genauso dazu, wie das berühmte Treffen der Langen. Auch Witzkos geharnischte Briefe an die Redaktion, als Reaktion auf die Ignoranz seiner vorherigen Eingaben, finden mehrfach Erwähnung.
Inhalte
- Vorwort und Geschichte des Schwarzen Auges
- DSA1: Produkte
- DSA2: Produkte
- DSA3: Produkte
- Sonderreihen: DSA Junior und DSA Professional
- Der Aventurische Bote
- Fern der Seiten: Digitale Spiele
- Geschichten aller Art: Wunderwelten, Romane, Der letzte Held
- Gesellschaftsspiele aller Art: Miniaturen, Brettspiele, Kartenspiele
- Zubehör und Merchandise
Gesamteindruck
Am Ende muss man bei aller Liebe konstatieren, der vorliegende Band bleibt im Wesentlichen eine Bibliographie. Die Zahl der Anekdoten und zusätzlichen Texte ist sehr überschaubar. Jedes Produkt erhält ausreichend Platz für eine Vorstellung mit Bild, Klappentext und weiteren Ergänzungen. Leider sind diese zusätzlichen Ergänzungen jedoch nur kurz und knapp, teilweise redundant und manchmal auch einfach nicht vorhanden. Hier wird meines Erachtens die Chance verpasst, die einzelnen Produkte durch eine individuelle Betrachtung zur würdigen. Es hätte gewiss eine Fülle von Dingen gegeben, die diesen Teil wirklich besonders und lesenswert gemacht hätten.
Was geschah hinter den Kulissen in der Redaktion? Welche Figuren/Monster/Orte tauchen hier erstmals auf? Welche Plots wurden hier in Gang gesetzt und welche Setzungen für die Zukunft gemacht? Wie sieht der Autor oder die Autorin (nicht alle leben noch) das Werk heute und welche Wahrnehmung haben andere von diesem Produkt (Volkes Stimme)? Auch solche Schmankerl wie Kiesows Not mit Schmidt Spiele als er eine Reihe von Abenteuertiteln ankündigen musste, ohne zu wissen wer der Autor oder was der Inhalt dieser Produkte sein würde, wären hier gut aufgehoben. Ja hier wäre definitiv noch mehr gegangen.
Festzuhalten bleibt die nach wie vor hohe Produktionsqualität und die liebevolle Aufmachung. Die Bibliographie ist ein gutes Nachschlagewerk, ganz besonders auch für jene von uns, die nicht seit 40 Jahren Komplettsammler sind. Für Nostalgiker und DSA-Nerds ist die Bibliographie selbstverständlich ein Muss. Für die DSA-Praktiker bleibt die Bibliographie wohl ein Produkt mit eher fragwürdigem Nutzen.
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Gibt es im Band Quellenangabe; damit man weiß was neu dazu gekommen: Im Lexikon+Almanach, WuWe, natürlich Zauberzeit, und MZ & Boten, waren beinahe die einzigen schriftlichen Einblicke (u.a. TS nicht vergessen) neben Con-Auftritten wo mal etwas über DSA-Intern geplaudert wurde. 🙂
Der Fokus liegt generell ganz klar auf den Produkten. Es gibt zwar ein paar Einblicke, hier über die Ursprünge des Spiels, aber das hält sich stark in Grenzen. Im zweiten Band finden wir natürlich Texte zum Tod von Ulrich Kiesow. Dies hier ist jedoch kein Anekdotenband über die Arbeit der Redaktion. Die Bände sind ja ohnehin schon recht umfangreich, sonst wäre da sicher noch mehr gegangen. Manch ein Produkt hat ja durchaus eine interessante Entstehungsgeschichte. Dies ausführlicher zu beleuchten wäre für Leute wie mich zwar ungeheuer spannend, hätte die Seitenzahlen aber vermutlich bis ins Unanständige aufgebläht.