Das Thema Magie und Wissenschaft – wie beides zusammenhängt, miteinander konkurriert oder gar voneinander abhängt – kommt im Rollenspiel nicht nur in Fragen des Hintergrunds der Welt, der Beschaffenheit des grundlegenden Settings oder der Auswahl an spielbaren Charakteren auf, sondern auch und gerade bei der Erstellung des oder beim Werkeln am Regelsystem.
Des Pudels Kern finden wir bereits im Wort: System. Ganz gleich, wie die Zauberkunst in der Spielwelt ausgeformt ist, sobald man sie verregelt, beginnt man unwillkürlich, zu sortieren, zu kategorisieren, und damit gewisse wissenschaftliche Maßstäbe anzusetzen. In wievielen Rollenspielen darf die Magie wohl wirklich machen, was sie will …?
Doch wie geht man als Regeldesigner damit um, wenn man gerade an einem Magieregelwerk bastelt? Wieviel und wie genau gibt man vor und schränkt die Magie dadurch ein? Wie interpretiert man die Regeln und wie wendet man sie später am Spieltisch an? Kann man trotz eines detaillierten Magiesystems irgendwie den Zauber erhalten – oder ist das vielleicht gar nicht gewünscht?
Quasi den Archetypen dieser Debatte fand man vor nun bereits 20 Jahren in einem schwarzen Büchlein namens Mysteria Arkana, das Bestandteil der Box Götter, Magier und Geweihte für die Spielwelt von Das Schwarze Auge war. Das Buch war ganz der aventurischen Zauberei gewidmet und enthielt die Feinheiten des DSA-Magiesystems – welche zu einem guten Teil mit eben jener Box erst eingeführt wurden. Die Hauptverantwortlichen des Werkes schienen sich interessanterweise nicht einig zu sein, welcher der „richtige“ Ansatz zur Magie in der Spielwelt sei, und legten diese unterschiedlichen Haltungen – Xeledon sei Dank! – auch schriftlich nieder. Somit blieb der höchst lesenswerte Disput zwischen Thomas Römer, Hadmar von Wieser und Ulrich Kiesow erhalten und lieferte dem entsprechend geneigten Fan einen kleinen Blick hinter die Kulissen bis in die Köpfe der Macher hinein. Ich glaube, einem der drei „Lager“ konnte sich jeder zuordnen und selbst wenn nicht, half es, sich zu positionieren, seine eigenen Vorlieben zu erkennen oder gar zu hinterfragen.
Für alle, die das Mysteria Arkana nicht ihr Eigen nennen, präsentieren wir euch hier mit freundlicher Genehmigung der ursprünglichen Autoren sowie von Ulisses Spiele das entsprechende Kapitel „Magie und Welt“.
» Download (Auszug: Mysteria Arkana)
Doch soll euch dies vor allem als Grundlage für das Folgende dienen. Auf unsere Bitte hin haben nämlich Thomas Römer und Hadmar von Wieser erneut zur (elektronischen) Feder gegriffen, um ihre damaligen Texte noch einmal kritisch zu prüfen und ihre heutige Sicht auf die Dinge darzulegen. Haben sich die Meinungen über die Jahre gefestigt oder gewandelt? Gab es in der Zwischenzeit neue Aspekte zu entdecken?
Genug der Vorrede, ich überlasse nun den ‚Altmeistern‘ das Wort.
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Thomas Römer: Magie ist Werkzeug
Ich würde einiges zwar heute anders formulieren, aber die Kernaussagen halte ich aufrecht:
- die Konsistenz der Welt, des gemeinsamen Erzählraums, ist wichtig
- eine Verlässlichkeit der Regeln ist wichtig
Magie (egal ob jetzt „wissenschaftlich-handwerkliches Wirken“, „intuitive Manipulation von Umwelt und Personen“ oder „göttliches Eingreifen“) ist im Spielrahmen immer eine Ursache-Wirkung-Beziehung. Und selbst wenn irgendwas „vom Himmel fällt“, sollten die Spieler in der Lage sein, diese Beziehung aufzuspüren. Da unterscheidet sich Zauberwirken nicht von der Aufklärung eines Mordfalls, dem Aufdecken eines Intrigengeflechts oder dem Erkennen mythisch-historischer oder ökologischer Zusammenhänge. Und wenn man auf solche Zusammenhänge verzichtet (was im Rahmen einer gepflegten Dungeon-Tour völlig legitim ist), bleibt Zauberwirken immer noch ein Werkzeug, bei dem der Spieler und sein Charakter sich darauf verlassen können müssen, dass es (im Rahmen der Würfelwahrscheinlichkeiten) funktioniert.
Eine solche Konsistenz und Verlässlichkeit „der Story“ oder „dem Moment“ zu opfern, halte ich für Willkür, die zumindest meinem Spielempfinden massiv abträglich ist. Das heißt nun nicht, dass es nicht Bereiche geben kann, die nicht den außerhalb des Vorstellungsraums gültigen Naturgesetzen oder einer „anderen“ Logik folgen, auf die man sich erst einstellen muss – Hohl- und Flachwelten, die typischen Feenwelten oder ein Alice im Wunderland-Setting gehören dazu –, aber auch hier muss es möglich sein, „hinter den Vorhang“ zu schauen. Sonst kann ich gleich anstatt des Spielabends einen Trip schmeißen.
Dazu kommt: Story ist nicht das, was vorne reingesteckt wird, sondern das, was hinten rauskommt; das ist die implizite Verpflichtung des Spielleiters (und ich bin so konservativ, eine solche Rollenverteilung in Spieler und SL immer noch als den Normalfall zu sehen), anhand der Aktionen der SC und der Ergebnisse der Zufallskomponenten (a.k.a. Würfelwürfe) zu improvisieren und den Handlungsverlauf flexibel zu halten. Unnötige Anhängigkeit von Würfelergebnissen oder von SL-Willkür kann man im Rahmen der Regeln durch Gummipunkt-Systeme prima abfangen, ohne dass man sich mit „Ist halt Magie.“ ein Hintertürchen offen halten muss. Andererseits muss ich als Regeldesigner auch nicht jeden pisseligen +1-Effekt nachhalten (bzw.: vorgeben); eine gröbere Auslegung von Wirkung und Effekten und eventuell eine Begrenzung derselben nimmt auch viel Regel-Blätterei und -Feilscherei aus dem Spiel.
Aber letztendlich ist es nicht nur der vom impliziten Gruppenvertrag geregelte gemeinsame Erzählraum (also: was in einer vorgegebenen Welt erlebbar und ausspielbar ist), sondern ein Spiel (deswegen ist in der Original-Bezeichnung unseres Hobbys auch game mit drin), bei dem man gemeinsam Freude haben soll und gemeinsam ein Ziel erreicht.
Thomas Römer studierte Physik und Astronomie und ist seit 25 Jahren Rollenspieldesigner und -autor.
Nach der deutschen Ausgabe von Shadowrun und dem Schwarzen Auge entwickelt er jetzt an Splittermond mit.
Daneben ist er in der Skeptiker-Bewegung aktiv und schreibt gerade an einem Sachbuch
über das Sonnensystem und seine Mythen.
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Hadmar von Wieser: Magie ist Erlebnis
Magie und Wissenschaft ist wahrscheinlich das Thema meines Lebens. Mein Studium und meine Publikationen sind seit 50 Jahren darauf ausgerichtet, Magie zu verstehen und wissenschaftlich zu verstehen. Schon meine ersten krakeligen Texte mit vier Jahren wollten erklären, wie Magie funktioniert.
Sehen wir uns an, wie Magie seit Jahrtausenden wahrgenommen und dargestellt wird. Ob Homer oder Tolkien, ob Shakespeare-Theater oder Hollywood-Blockbuster, ob Märchen oder Fantasy-Roman, immer können wir drei klare Muster erkennen:
1. Überirdisch: Magie durchbricht oder überwindet die Regeln der gewöhnlichen Welt.
2. Geheimnisvoll: Es gibt keine konventionelle Erklärung dafür.
3. Einzigartig: Das Phänomen findet nur ein einziges Mal statt; allenfalls hat ein Held drei Wünsche oder Anwendungen, aber auch diese haben klar unterscheidbare Effekte.
Nur in zwei Unterhaltungsformen – Pen & Paper und elektronische Spiele – sieht Magie meistens völlig anders aus: Dort können Magier genau das und nur das, was auf ihrer Liste steht; meistens sehr wenig, aber das mit klar vorhersagbaren Effekten; und jederzeit, immer wieder. Das Ergebnis: Flammenlanzen im Dauerfeuer, industrielles Heilen, routinemäßiges Teleportieren.
Für mich ist das genau das Gegenteil von Magie: kontrolliert statt überirdisch, berechenbar statt geheimnisvoll, reproduzierbar statt einzigartig.
Wie in dem alten Witz: „Wow, das war ein toller Sonnenuntergang. Fahren wir in den 65. Stock und sehen ihn uns noch mal an?“ Nein, bestimmt nicht. Denn das, was den Sonnenuntergang zauberhaft macht, geht verloren, wenn ich so denke.
In allen klassischen Quellen sagt der weißbärtige Magier: „Es gibt eine Möglichkeit, ihn zu retten. Aber sie ist sehr gefährlich und niemand hat es je versucht.“
Aber in den meisten Rollenspielen sagt der Magier: „Was soll’s? Ich habe 10 Minuten Cooldown. Klappt zwar nur mit 23%, aber wenn ich es sechs, sieben mal versuche, kriegen wir es hin.“
Bin ich der einzige, der das uncool findet? Für mich zerstört das die Magie, die ich im Fantasy-Rollenspiel suche.
Die gute Fee sagt nicht: „Du hast drei Wünsche frei. Hier ist eine Liste möglicher Wünsche.“ Gandalf hat nicht an der Akademie für Weiße Bann- und Kampfmagie in Gondor studiert; er hat keine Spruchlisten und keine Prozentchancen für Balrog-Bannen. Morgaine Le Fey kämpft nicht gegen Arthur, indem sie ihm die in hundert Dungeons bewährte Kombination aus Freeze, Fireball, Fireball, Fireball entgegenwirft. Der Dschinni in Disney’s Aladdin wirkt keinen Zauber ein zweites Mal. Nicht einen einzigen. Er macht immer etwas Neues, Fantastisches, Magisches.
Sehen wir uns eine der berühmtesten Magierszenen der Weltkultur an: Gandalf und der Balrog auf der Brücke. Wir wissen nicht einmal, ob er da einen Zauber wirkt. Ist es ein Zauberspruch mit verbaler Komponente? Ist es ein Stabritual, als er den Stab auf den Boden stößt? Ist es ein Bann? Oder Beherrschungsmagie? Oder ein Schutzzauber? Zerstört Gandalf die Brücke – oder der 100%-Backlash, als der Balrog den magischen Schild attackiert?
Wir wissen es nicht. Auch nicht nach 50 Jahren Fankult und ein paar hundert Doktorarbeiten. Alles was wir wissen, ist was wir erleben: eine Szene von so einzigartiger Macht und Willensstärke, dass sich der Magier als sprichwörtliches Symbol in unseren Geist gebrannt hat. Tausende Fans verstellen einem Freund den Weg und sagen im Spaß „You shall not pass!“ Sie beschwören dabei immer wieder das Mana, das von diesem Zauber noch immer übrig durch den Äther strahlt.
Das ist Magie. Und das liegt nicht daran, dass es in einem Long- und Bestseller geschieht. Es liegt daran, dass es auch in unserer Wirklichkeit Magie gibt. Aber wir können sie nur erleben, wenn wir uns an die uralten Regeln der Magie halten. So wie es Tolkien in dieser Szene macht. Kein rechnerisches Regelgefuchse mit Tabellen und Rechenformeln, sondern dramaturgische, archetypische und psychische Regeln.
Überirdisch, geheimnisvoll, einzigartig.
Diese Szene hat alles: Machtworte in einer arkanen Sprache. Lyrische Formeln. Universell verständliche Gesten. Klare symbolische Handlungen. Fokussierte Energie. Elementare Gegensätze. Blau-weißes Licht gegen rot-schwarze Finsternis. Die Szene entspricht der magischen Tradition. Stab und Schwert sind die Symbole von Feuer und Luft – die Elemente, in denen gekämpft wird.
Das sind die Regeln der Magie.
Ich werde oft gefragt, was die absurdeste Regelfrage war, die ich jemals erhielt. Das war zweifellos ein Brief von 1987: „Auf dem Heldenbrief steht die Rubrik ‚Sonstige Ausrüstungsgegenstände‘. Bitte schicken Sie mir eine Liste aller sonstigen Ausrüstungsgegenstände.“
Aber im Grunde ist das typisch. Denn genau so gehen DSA und die anderen Mainstream-Rollenspiele mit Magie um. „Bitte schicken Sie mir eine Liste aller überirdischen, geheimnisvollen und einzigartigen Phänomene. Oder noch besser: Verkaufen Sie sie mir.“
Heute sind nur mehr ein paar tausend Rollenspieler über, die so spielen. Der Großteil der jungen Männer ist in die Computerspiele abgewandert. Wer gerne berechenbare Ergebnisse haben will, geht in ein Spiel, das auf einem Rechner läuft. Klare reproduzierbare Ergebnisse, aber ohne selbst 300 Seiten Regeln wälzen zu müssen.
Der Großteil der Frauen ist in die Esoterik abgewandert. Geheimnisvolle Begriffe, romantische Rituale und jede Menge Zutaten, die man kaufen kann. Nur keine Fakten. Nichts Berechenbares, Vorhersehbares, Geregeltes.
Wenn ich Magieregeln kritisiere, kommt typischerweise der Einwand: „Aber der Spielleiter muss doch das Spiel irgendwie regeln.“
Nein. Teilweise Ja, aber vor allem Nein.
Ersten gibt es inzwischen etliche Rollenspiele, die nicht einmal mehr einen Spielleiter brauchen. Zahlreiche weitere Systeme zeigen, dass die Regelmechanismen nicht nötig sind, in die sich die Anfangssysteme aus den 80er-Jahren unrettbar verrannt haben. Stufen, Erfolgswürfe, Listen des Erlaubten.
Richtig ist: Jedes menschliche Zusammenleben braucht Regeln. Aber Regeln bedeutet nicht Eigenschaftswerte, Wahrscheinlichkeiten und Formeln. Regeln lauten eher „Du sollst nicht töten“ oder „Wer das tut, wird ausgeschlossen“.
Ich verstehe ja das Problem: Die Regelfanatiker haben Angst, dass Spieler ohne Regeln tun, was immer sie wollen. Aber das haben Listen und Werte noch nie verhindert. Nicht beim Hack’n Slay, nicht beim Playerkilling, auch nicht in der Magie.
Spielrunden funktionieren vor allem durch den Gruppenvertrag, indem sich Spieler einigen, was gutes Spiel ist und was das Spiel stört oder zerstört.
Für Magie gibt es klare Gesetze. Die Magietheorie hat sie über Jahrtausende erarbeitet:
- Das Gesetz der Assoziation (Ähnliches zieht Ähnliches an)
- Das Gesetz der Übertragung (Dinge, die einander berühren, bleiben auch nach Trennung verbunden)
- Das Gesetz des Okkulten (Verborgenes ist mächtig)
- Mikrokosmos und Makrokosmos (Wie oben, so unten; wie innen, so außen; wie im Kleinen, so im Großen)
- Das Symbol
- Die arkane Tradition (Geheimhaltung)
(Mehr dazu findest Du im Internet unter meinem Namen.)
In meiner Spielwelt Mythomar, die dieses Jahr 30 Jahre alt wird, hat noch kein Spieler einen Erfahrungspunkt gesehen oder eine Stufe. Es gibt keine Astralpunkte, keine Spruchlisten und keine Magie-Widerstands-Prüfziffer nach EU-Norm.
Trotzdem wissen der Theurg und die Schlangen-Hexe und der Oger-Schamane, was sie können, was sie nicht können, und was sie versuchen könnten. Und vor allem wissen sie, wie sie ihren Mitspielern ein magisches Spielerlebnis bieten können.
Ich habe auch in anderen Spielsystemen meinen Spielern immer magisch alle Macht gelassen, vorausgesetzt sie hielten sich an die magischen Gesetze. Dann wurde die Geschichte immer wieder überirdisch, geheimnisvoll und einzigartig. Sprich: magisch.
Seltsam. So unterschiedlich die beiden Ansätze sind, sie sind beide für mich nachvollziehbar. Sie sind schlecht bis gar nicht kombinierbar. Aber dennoch denke ich, dass beide Ansätze funktionieren und Spielspass bereiten können. Die beiden Meinungen gehen noch weiter auseinander, als sie es ursprünglich vor 20 Jahren in der DSA Veröffentlichung taten.
Die Sicht von Hadmar von Wieser ist radikaler und kann IMO nur in einer sehr guten Gruppe funktionieren. Die Sicht von Thomas Römer ist erst einmal vertrauter. Ich werde noch viel darüber nachdenken…
Ich danke beiden für Ihre interessanten Ausführungen.
Es geht mir nach dem Lesen wie Michael – viel Stoff zum Nachdenken.
Danke!
*amKopfkratz* Entweder geht der Witz an mir komplett vorbei, weil er zu subtil ist – oder es ist gar keiner. Aber Wieser hat doch mehr als einmal betont, den „Herrn der Ringe“ absichtlich nicht gelesen zu haben, warum also nun hier ein Tolkien-Beispiel? Ich bin ehrlich verwirrt.
Vielleicht hat er wie jeder kluge Mensch nur die Filme geschaut? *duck und weg*
War auch mein Gedanke, aber das würde dann ebenfalls seine Argumentation bezüglich der Tolkien-Verweigerung („ich will mich davon nicht – wenn auch unbewusst – beeinflussen lassen“) ad absurdum führen.
Da hatte ich mich aber schon mehrmals drüber gewundert, da Hadmar in jüngerer Zeit schon öfter Tolkien-Beispiele brachte. Wahrscheinlich ist die (25 Jahre alte?) „Nicht-Gelesen-Aussage“ einfach nicht mehr aktuell. Irgendwann war er wahrscheinlich auch über den Punkt hinaus, dass ihn die Lektüre stark beeinflusst hätte.
Solche Widersprüche trifft man bei Hadamars Äußerungen öfter mal 😉
Ich muss zugeben, das Damals wie heute mit Hadamars Ausführungen ins keinster Weise etwas Anfangen kann. Und ihnen logischerweise auch in keinster Weise zustimmen kann…
Was allerdings nicht heist, das man mit diesem Spielstil nicht sehr viel Spass haben kann 🙂
Ich denke einfach, das es sehr auf die eigenen, gewohnten Denkstrukturen ankommt.
Durch meinen naturwissenschaftlichen Hintergrund bin ich es Gewohnt Strukturen und Regeln zu suchen und zu sehen. Ich kann mir nicht vorstellen, das etwas ohne klare Regeln und Sternstrukturen abläuft. Das etwas existiert das nicht peer se Wiederholbar ist. Sollte etwas vermeintlich nicht Wiederholbar sein, dann kenne ich einfach noch nicht alle Parameter, oder habe einen Fehler gemacht.
Entsprechend ist mit Thomas Römers Aussage, damals wie heute, natürlich auch die meine 🙂
Aber schön zu sehen, das auch nach bald 30 Jahren nichts an solchen elementaren Postionen geändert hat.
Was mich mal gerne lesen würde, wäre ein Text zu dem Thema von jedem Mitglied der aktuellen Redaktion…
Thomas Römer hat seinerzeit der Magie in DSA4 seinen Stempel aufgedrückt und wüsste gerne welche Stempel aktuell im Umlauf sind 🙂
Nanuriaten: Sattelt die Pferde, Packt Feder, Pergament und Tinte ein und ran an die aktuelle Redax 😉
Gruß:
ChaoGirDja
Ob Hadmar mal Mage – the Ascension gespielt hat? Das Magie“system“ kommt zumindest einigermaßen nahe an das ran, was er schreibt.
So schön Hadmar von Wiesers Anspruch, Magie zu etwas Besonderem zu machen, dass sich einer rationalen Erklärung entzieht, lässt sich das schwer mit einem Spielsystem vereinbaren, wo die gesamte Welt vom Drachentöter bis zur Hartwurst in Werte heruntergebrochen ist. Wenn die mondänen Aktionen eines Kriegers beispielsweise nach bestimmten Regeln funktionieren, bei Würfelwürfen von XY treffen und Schaden machen, ist das zu einem gewissen Maße vorhersehbar. Klar nimmt es etwas von dem Mystischen an der Magie oder dem Götterwirken, wenn diese ebenso planbar werden sollen, aber es wäre einfach unfair, einen Zauberer nicht auch ähnlichen Mechanismen zu unterwerfen wie nichtmagischen Helden. Ich bin da klar bei Thomas Römer. Im Kontext eines auf Würfelwürfen und Werten basierenden Spiels muss auch Magie gewissen Regeln gehorchen, sonst muss man eben ein freies Rollenspiel ohne jegliche Regeln pflegen und auch sämtliche nichtmagische Aktionen allein durch Beschreibungen abhandeln.
Ich denke, Hadmars Ansatz funktioniert recht gut, solange Magier keine SCs sind und man sie auch als NSCs nicht zu häufig antrifft. Effektiv verwendet man sie nicht als gleichberechtigte Charaktere einer Handlung, sondern als Ereignisse in der Geschichte, als Naturgewalten, die weder vom Regelwerk noch von den Spielern hinterfragt werden, genau wie man sich bei einem Vulkanausbruch nicht überlegt, ob der jetzt noch genug Magmapunkte für die Aktion „Lava schleudern“ übrig hat.
In einem Setting, wo z.B. Zauberkönige über Nationen herrschen und nur in anderen Zauberern würdige Gegner finden, wo die Konfrontation mit einem solchen höchstens das Finale einer Kampagne darstellen kann, kann man sowas bringen.
In einem Setting mit relativ alltäglicher Magie geht es voll in die Hose, denn was alltäglich ist, muss in seinem Ausmaß bestimmbar, muss regelbar und mit den Möglichkeiten anderer SCs vergleichbar sein.
Ich bin da echt hin- und hergerissen und finde, dass beide Ansichten ihr Pro und Contra haben. für die Praxis im Rollenspiel hat der Ansatz von Thomas natürlich große Vorteile. Und ich bin auch absolut dafür, dass man sich als Spieler darauf verlassen kann, was der eigene Held kann und weiß und das nicht einfach vom SL mit einem „ja nee, das klappt nicht, weil MAGIC HAPPENS und so“ abgebügelt wird. Wobei es schon cool sein kann, wenn unvorhersehbare Dinge passieren, aber die müssen eine innerweltliche Erklärung haben und nicht einfach in den Raum geworfen werden, damit der Hellsichtsmagier nicht den Detektivplot kaputtmacht.
Andererseits kann ich Hadmars Ansatz aber auch nachvollziehen und finde sein Bild der Magie eigentlich auch ziemlich cool. Tatsächlich habe mir auch schon manchmal gewünscht, dass ein Charakter „einfach mal so“ einen unerklärlichen Effekt hervorruft oder dergleichen. Ich glaube, dass es sehr viel Spaß machen kann, ganz ohne feste Zahlen und Regeln mit Magie zu hantieren. Ich denke allerdings, dass dafür die Gruppe sehr gut aufeinander eingespielt sein muss und der SL ein gewisses Gespür dafür benötigt. Vermutlich ist DSA auch nicht das richtige System dafür. Aber grundsätzlich würde ich ein solches Konzept durchaus gern mal ausprobieren.
In jedem Fall fand ich den Disput (sowohl den alten, der mir bis dato noch nicht bekannt war, als auch den neuen) sehr interessant. Danke an Thomas und Hadmar!
Ich war früher auch ein starker Verfechter der „wahret den Mythos, pflegt das Unwissbare“-Philosophie (inklusive unvorhersehbarer Nebenwirkungen, jeder Menge verdeckter Würfelwürfe und allem vermeintlich realistischen Pipapo), habe in den letzten Jahren aber immer stärker die Erfahrung gemacht, dass ich mit einem offeneren, klaren Regeln folgenden Spiel(leitungs)stil besser fahre. Insbesondere seit ich wieder regelmäßig in die Verlegenheit komme, selbst nicht mehr nur Spielleiter, sondern auch Spieler zu sein, ist mir klar geworden, wie wichtig es ist, sich auf feste Regeln und eine konsistente Spielweltlogik verlassen zu können. Insbesondere habe ich den Eindruck gewonnen, dass man umso weniger am Spieltisch selbst gestalterisch tätig werden kann, je mehr man der reinen Spielleiterwillkür ausgeliefert ist. Wenn ich die Konsequenzen meiner Handlungen als Held nicht relativ klar abschätzen kann, dann fühle ich mich als Spieler stärker in die Passivität gedrängt und neige dazu, mich von der Geschichte berieseln zu lassen, ohne wirklich einen Einfluss auf sie zu nehmen. Insofern brauche ich verlässliche und belastbare Regeln, denen auch die innerweltliche Logik folgt, nur dann kann ich das volle Interaktionspotential ausschöpfen. Wenn der Eindruck von Beliebigkeit und Willkür bezüglich der Auswirkungen meiner Aktionen als Spieler entsteht, wird das recht schnell frustrierend – und genau das ist mein Problem mit Hadmars Ausführungen.
Japp, ich glaube, wenn man selbst einen Magiebegabten spielt, muss man sich bei diesem Ansatz darauf verlassen können, dass alles, was man probiert (und damit der eigenen Spielfigur zutraut), auch klappt. Oder zumindest mit einer einschätzbaren Wahrscheinlichkeit klappt. Vielleicht hat man einfach eine „Magie“-Fertigkeit, auf die man würfelt, egal was man tun möchte, und wenn sie gelingt, tritt der Effekt ein. Sobald man hier aber anfängt, die entsprechende Probe je nach „Grad der magischen Auswirkungen“ oder so zu modifizieren, führt man wieder ein System ein. Man muss abwägen, was größere Eingriffe sind als andere, und wie sie sich auf die Wahrscheinlichkeiten auswirken.
Ich denke, Magie à la Hadmar in seiner reinsten Form funktioniert nur in Erzählspielen, nicht aber in klassischen Rollenspielen.
Man sieht es auch an seinen Beispielen: Filme, Serien, Mythen, Geschichten. Allesamt bereits abgeschlossene, fertige Erzählungen. Sobald man partizipieren kann – Rollenspiel, Computerspiel – kommen die bösen, berechenbaren Regeln ins Spiel (wie Thomas auch schon schrieb: Man beachte das game).
Doch auch im klassischen Rollenspiel könnte man sich auf dem Pfad der Magiefreiheit zumindest etwas an Hadmars Position annähern. Beispiele wurden ja schon genannt: Magus tut dies zum Beispiel (wobei sich hier der Spielleiter wohl nicht umsonst Erzähler nennt), aber auch das komplizierte myranische Magiesystem würde sich dazu eignen, beinahe mit jedem Mal Zaubern einen frischen Effekt zu generieren und dennoch ein berechenbares System zu haben, das quasi im Hintergrund abläuft. Einfacher, aber mit mehr Magus-mäßiger Handwedelei verbunden, würde das Dunkle-Zeiten-Myranor-Anrufungssystem (wenn man davon absieht, dass es inplay Götterwirken ist) funktionieren.
Ich gehe also mal soweit, zu postulieren: Ein maximal mystisches Magiesystem lebt von höchst hochfrequenter Handwedelei. Es liegt in der Natur der Sache: Je unberechenbarer die Magie (für die Spieler!) sein soll, desto unberechenbarer müssen die Magieregeln sein. Ich wiederhole ausgeklammert: Für die Spieler, denn auch das verregelste System kann (!) inplay als ausgesprochen mystisch gelten. Die myranischen Optimaten mögen die verschiedenen Faktoren eines Zaubers quasi-mathematisch zu einer Formel, einer Matrix zusammensetzen – genau so gut könnte man das myranische Magiesystem aber auch als Grundlage für eine schamanistische Tradition verstehen, die die Outplay-Berechnungen nicht sehen, sondern die verschiedenen Einflüsse nur immer wieder neu kombinieren, um immer wieder neue magische Phänomene zu beschwören.
Mit der durchgestylten aventurischen Spruchzauberei funktioniert dies halt nicht, aber das war wohl auch einfach nicht der Anspruch. Die Welt sollte so nicht funktionieren. Aventurische Magie ist größtenteils eben berechenbar, läuft in gewissen Bahnen und Parametern.
Wollte man es anders, bräuchte man ein anderes Magieregelwerk.
Na ja….reden wir von einem literarischen Moment oder der Poesie im Rollenspiel ? Letztere gilt es natürlich zu erwecken. Aber wo ein Magier nicht nur Nsc oder Magie nur ein Phänomen ist braucht es diese greifbar machende Mechanismen. Das schafft eine Mechanik derer sich ein Merlin oder Gandalf mehr oder weniger auch bediente und die mich als Magierspieler auch eher näher an diese Realität und deren Inszenierung heranbringt als davon entfernt. Wer das nicht möchte kann genau wie bei anderen Regeln wieder vereinfachen. Das ewige Spiel: Oh, wir brauchen da Spezialregeln. Oder oh, das ist zuviel gewürfel. Wem es keine Spielgestaltung bringt der soll eben weglassen und dem anderen hilft es die jeweilige Situation mittels Werten wie gewünscht komplex zu simulieren. Also mir gefällt es gut einen Zauberwirker Widerstandsüberwindung, Erfahrungssammlung durch plastische Simulation erfahrbar zu machen. Ich mag deshalb komplexe Detailregeln, die man aber auch mal vereinfachen kann, was zumeist gut möglich ist.
Ehrlich gesagt stehe ich eher der Seite Hadmars näher.
Wenn ich an meine 20 Jährige Rollenspiel Karriere erinnere (okay, die Anfänge, wo ich mit meinem 8-Stufe Zwerg Conan in einer Regentonne eine magische Axt gefunden und mit dieser Gareth erobert habe, will ich mal nicht zählen…), habe ich die besten Erlebnisse mit just diesem (regel-)freien Abenteuern gehabt, wo entweder Regeln nicht gezählt oder nicht existent waren. Natürlich muss ich dazu sagen, ich habe durchaus eine darstellerische (manche behaupten divenhafte) Neigung zum Rollenspiel. Für mich ist der Weg das Ziel. Doch reine darstellerische Abende sind mit einer konstanten Gruppe meiner Erfahrung nach nur möglich, wenn wirklich alle dies genauso sehen und sich untereinander auch gut kennen. Ohne Vertrauen und blindem Verständnis kann solch ein Spielstil nicht funktionieren. Gerade bei One-Shots hat eine gewisse freie Regelinterpretation immer super funktioniert! Bei einer konstanten, langen Gruppe eher nicht.
Ich mag das Mysterium und ich mag auch das Geheimnisvolle. Und ja, bei der aventurischen Magie geht mir das mittlerweile ziemlich ab. Es ist nichts Geheimnisvolles mehr an der aventurischen Magie…aber nur wenn man sich die Regelbücher durchliest. Denn ich habe auch in einem verschachtelten und komplexen System wie DSA4 erlebt, wie Magie geheimnisvoll wird und sich seine Unberechenbarkeit bewahrt: Wenn der olporter Magier eine thorwalsche Formel brüllt und mit prahlerischer Geste auf einen Punkt vor uns zeigt (an dem gerade 50 Khurkach aufgezogen sind). Wenn er dann beschreibt, wie seine Haare von dem aufkommendem Sturm aufgewirbelt werden, er immer wieder die Formel brüllt und zu guter Letzt sich eine riesige Windhose genau in den besagten Khurkach bildet! Wenn dann beschrieben wird, wie die Orks durch Luft geschleudert werden, sich unsere Helden festhalten müssen, um nicht von den Beinen geholt zu werden und nur der olporter Magus mit weit ausgestreckten Armen in diesem Sturm steht, wie ein Fels, ja dann bin ich immer noch fasziniert von Magie und kann immer noch die Mystik und das Unbekannte nachvollziehen, was mein Held in diesem Moment in Aventurien gefühlt hat.
Natürlich kann so eine Szene auch anders aussehen: „Ich mach eine Windhose mit verkürzter Zauberdauer…Geschafft! Die Orks müssen jetzt eine KK-Probe + X ablegen, um nicht weggeweht zu werden…“. Klar kommt da keine geheimnisvolle Stimmung auf.
Auf der einen Seite stimme ich Hadmar zu, dass Magie geheimnisvoll und nicht zu einem alltäglichem Handwerkszeug verkommen soll! Auf der anderen Seite glaube ich aber, dass Regeln und Mystik sich nicht ausschließen müssen. Ich glaube, es hängt an jedem selbst, das Geheimnis Magie ins Spiel einzubringen und dies für seine Mitspieler erlebbar zu machen. Wenn man es nur will, geht das auch!
@Thomas und Hadmar
Auch von meiner Seite, vielen Dank nochmal für eure Darlegungen!
Das, was du in deinem ersten Absatz schilderst, ist dann halt irgendwie eher ein reines Erzählspiel, bei dem letztlich alles geht, was man sich vorstellen kann. Das kann natürlich mit den richtigen Mitspielern einwandfrei funktionieren und durchaus auch Spaß machen, ist Leuten wie mir aber einfach zu frei. Konkret würde ein deutlicher Regelverzicht in meiner Spielrunde wohl eher auf ein stundenlanges Gefeilsche mit dem Spielleiter bezüglich dessen, was nun möglich ist und was nicht, hinauslaufen.
Gerade mit einem System wie dem DSA-Regelwerk (das ich in diesem Kontext völlig unabhängig von der Spielwelt Aventurien/Dere betrachtet wissen möchte) ist ein freies Erzählspiel meiner Meinung nach auch so ziemlich gar nicht vereinbar. Insofern liest sich für mich dann auch dein zweiter Absatz – überspitzt formuliert – ungefähr so: „Man kann auch mit den DSA4-Magieregeln die Mystik bewahren, wenn man auf die DSA4-Magieregeln verzichtet.“ Anhand des Beispiels glaube ich aber zu wissen, was du eigentlich meinst und dass die überspitzte Formulierung dir letztlich das Wort im Mund herumdreht, wofür ich mich dann auch hiermit direkt mal entschuldigen möchte.
In dem von dir beschriebenen Beispiel lässt sich die hübsche Fluff-Beschreibung doch problemlos mit einer korrekten Regelanwendung unter einen Hut bringen, was auch in meinen Augen einen wirklich schönen Spielstil ergibt. Wie du schon sagst: Regeln und Mystik müssen sich keineswegs ausschließen, das ist der entscheidende Punkt hier. Mein Problem ist auch eher, dass sich die Hadmarsche Mystik in meinen Augen auf rein willkürliche Handwedelei begründet, nicht auf eine angenehm fluffige Ummantelung eines harten, crunchigen und vor allem verlässlichen Regelkerns.
Okay, vielleicht habe ich meinen Standpunkt etwas schlecht formuliert. 🙂
Ich bin bei Hadmar, wenn es um Mystik und das Geheimnisvolle geht. Das man Magie etwas Geheimnisvolles geben sollte, damit es nicht zu alltäglich wird. Aber ich weiche von seiner Meinung dahingehend stark ab, dass das immer ausschließlich was mit Nicht-Regeln zu tun hat. Ich bin da bei dir: Willkürliche Entscheidungen sind in einer Gruppe immer schlecht. Aber „Magie als Werkzeug“ möchte ich allerdings auch nicht haben. Daher ist mein Empfinden, dass ich Hadmar in seiner Meinung näher stehe, als die von Thomas.
Und du erkennst es richtig: Aus meiner Sicht hängt es von der Gruppe ab, ob Magie was Besonderes ist. Und jeder kann dazu beitragen, entweder als Zauberer, der den Zauber IT beschreibt, und als Spieler, die IT beschreiben, wie Ihre Helden auf die Magie reagieren.
Ob es jetzt harte Regeln sein müssen (wie bei DSA oder Pathfinder) oder eher offene, wie bei den alten WoD Sachen, das ist sicherlich Geschmackssache. Bei One-Shots haben sich offene Regeln für mich immer bewährt, bei einer konstanten Gruppe, würde ich immer etwas härteren Crunch bevorzugen.
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Eigentlich ist da kein Widerspruch.
Man kann sogar die Positionen bezüglich der Schlußfolgerung umdrehen:
Dahingehend das manchem ohne Zauberkonzept nicht einfällt was Er/Sie machen soll, oder das die Regel grade die Phantasie anregt.
Komplexe Magie jedenfalls IST Wissenschaft oder zumindest Handwerk. Handwerk die Technik W. die Analyse. Der Magier muß umso genauer überlegen was er will, je genauer der Zauber sein soll.
Will ich das nicht simulieren kann ich ja vereinfachen.
Oder ich überlaße es Artefakten oder den Göttern wie beim Karmazauber, oder in der Tharuner Runenmagie auch dem Zufall.
Aber wer präzise Zaubert ist ein Handwerker mit einer Formel.
Die kann man vereinfachen, weglassen, aber wo ist das dan kreativer. Zufall ist naiver aber nicht gleich kreativer.