Ein Stein im Nebel von Mike Antonowitsch und Volker Weinzheimer, das siebte Abenteuer aus der T-Reihe, steht inhaltlich in Zusammenhang mit dem Abenteuerband Der Mondenkaiser von Michael Masberg und Daniel Simon Richter, in dem die aktuelle Entwicklung um Gegenkaiser Selindian Hal und Almada behandelt wird. Ich habe mir das Abenteuer einmal daraufhin angeschaut, was für einen Eindruck es als eigenständiges Szenario macht. Eine Rezension, die auch die Verknüpfung zum „Mondenkaiser“ berücksichtigt, findet ihr bald ebenfalls an dieser Stelle.
Zum Hintergrund:
Ein Stein im Nebel dreht sich um das Wirken Tilldan Greifentreus von Nebelstein, Meister der Mark Greifenfurt, auf den auch der Titel des Abenteuers anspielt. Schon seit längerer Zeit kollaboriert Tilldan mit den Orks, wobei er die Handlungsfreiheit nutzt, über die er verfügt, seit Gräfin Irmenella von Wertlingen sich in die Obhut der Noioniten begeben hat. Tilldans ursprünglicher Plan sah vor, ein eigenes Heer auszuheben, um zusammen mit Almada einen Vorstoß gegen das Mittelreich führen zu können. Aufgrund von Ereignissen, die Gegenstand des Abenteuers Der Mondenkaiser sind, wird es hierzu jedoch nicht mehr kommen. Der Aikar hat Tilldan fallen gelassen, der sich nun zum eigenen Handeln genötigt sieht, alles auf eine Karte setzt und die endgültige Macht über die Mark Greifenfurt anstrebt. Die Vorraussetzungen hierfür sind immer noch günstig, aber wie jeder leidgeprüfte Bösewicht weiß, hat auch der beste Plan seine Tücken, die meist in Form von Spielerhelden daher kommen. So auch hier.
Besagte Helden begeben sich im Auftrag Reto von Schattensteins, des von Tilldan abgesetzten Heermeisters der Mark, auf die Suche nach dem verschwundenen Prinzen Edelbrecht von Eberstamm. (Edelbrecht wurde — was die Helden zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht wissen — von Tildans Schergen gefangen gesetzt.) Als Ausgangspunkt dienen hierbei Informationen über das ursprünglich geplante Ziel von dessen Reise sowie die auf den ersten Blick recht kruden Verschwörungstheorien Retos.
Mit Helden, die nicht an den Geschehnissen im „Mondenkaiser“ beteiligt waren, funktioniert der Aufhänger des Abenteuers nur, wenn sie sich bereits in irgend einer Weise um Greifenfurt verdient gemacht haben und das Vertrauen Reto von Schattensteins erworben haben. Dies ist auch deshalb von Bedeutung, weil von Schattenstein im Abenteuer die Rolle des leicht paranoiden Verschwörungstheoretikers spielt, der am Ende doch Recht behält. Es ist nicht selbstverständlich, dass die Helden sich allein aufgrund solcher Zweifel im Winter auf die Suche nach einem verschwundenen Prinzen machen, zumal eine offizielle Erklärung für dessen Verschwinden existiert.
Der Hauptteil des Abenteuers dreht sich um die Suche nach Edelbrecht. Das Abenteuer enthält hierfür vor allem Beschreibungen verschiedener Ereignisse, die Schritt für Schritt Hinweise auf den Verbleib des Prinzen und eine größere Verschwörung liefern. Die Suche ist dabei insgesamt recht offen gehalten. Bei den meisten Ereignissen gibt es mehrere Optionen für den weiteren Verlauf, wobei die Helden je nach Verhalten ihren im Verborgenen agierenden Gegenspielern mehr oder weniger Grund geben, auf sie aufmerksam zu werden.
Die vorgeschlagenen Ereignisse geben ein gutes Gerüst ab, um die Suche nach Edelbrecht auszuspielen, es bietet sich aber an, diesen Teil durch eigene Ideen zu ergänzen und auszuschmücken (und z.B. auch die ein oder andere falsche Spur zu legen). Mein einziger Kritikpunkt an dieser Stelle betrifft die Tatsache, dass die vorgeschlagenen Begebenheiten mit einer Ausnahme eher Zufallsbegegnungen sind, in welche die Helden hineinstolpern. Dies gilt auch für die zentrale Begegnung mit dem verletzten Bannerträger Edelbrechts, der weiß, wo der Prinz gefangen gehalten wird und der den Helden den entscheidenden Hinweis zu den Hintergründen der Verschleppung nennen kann. Auf viele Spieler dürfte dies eher unbefriedigend wirken, so dass es sich empfiehlt, hier etwas Zeit und Arbeit zu investieren, um das Finden des Bannerträgers stärker als Ergebnis einer echten Spurensuche zu inszenieren.
Haben die Helden einmal begriffen, wie der Intrigantenhase läuft, dürfte bei ihnen der Wunsch entstehen, Edelbrecht zu befreien und der Gegenseite mal zu zeigen, wo der Kriegshammer so hängt. Hier muss sich das Abenteuer nun leider aus Platzgründen mit einigen Notizen zur Beschreibung von Burg Finster und den Möglichkeiten, in diese einzudringen, begnügen. Immerhin findet sich ein kurz gehaltener Vorschlag zum Ablauf der Ereignisse.
Noch knapper abgehalten ist der letzte Teil des Szenarios, in dem skizziert wird, welche Aufgaben sich für die Helden und den befreiten Prinzen im Anschluss stellen (Tilldan zu Fall bringen), was hierfür zu tun ist (die Gräfin aus dem Kloster holen, Verbündete suchen) und in welche Ereignisse die hier begonnenen Handlungsstränge schließlich münden (Schlacht am Stein 1034 BF, Tod Tilldans, Genesung Irmenellas).
Zwar kann das Abenteuer auch mit der Befreiung Edelbrechts abgeschlossen werden, ich vermute jedoch, dass dies kaum den Wünschen der meisten Spieler entsprechen dürfte. Positiv betrachtet heißt das: Hier gibt es viel Freiheit zur Ausarbeitung eines Ereignisses der offiziellen Historie. Negativ betrachtet ließe sich sagen: Hier wartet eine gehörige Portion Vorbereitungsarbeit.
Ein Stein im Nebel hinterlässt einen positiven Gesamteindruck. Die Aufmachung ist für ein T-Abenteuer wirklich ordentlich, die enthaltene Karte der Mark Greifenfurt erweist sich als nützlich, ebenso die Handouts im Anhang. Die Beschreibungen sind an mehreren Stellen notgedrungen skizzenhaft. Der Kürze ist auch geschuldet, dass nicht nur Spieler etwas puzzeln müssen, um alle Mosaiksteine des Handlungsgerüsts zusammenzusetzen. Der Kern des Abenteuers, d.h. die Hintergründe, Motive und Ziele der Hauptpersonen sowie die Ereignisse zur Ausgestaltung der Suche, ist aber hinreichend ausführlich ausgeführt. An vielen Stellen wird zwar auf den „Mondenkaiser“ verwiesen, dies betrifft aber häufig die Beschreibung von Personen, die man notfalls auch improvisieren kann.
Insgesamt wäre es zwar sicherlich praktisch, den „Mondenkaiser“ als zusätzliche Quelle zur Hand zu haben, notwendig ist es jedoch nicht. Auch müssen Helden nicht Teil der Ereignisse um Selindian Hal gewesen sein, um am Geschehen um den Nebelsteiner Gefallen zu finden. Ein Stein im Nebel ergibt auch für sich genommen eine hinreichend geschlossene Geschichte. Gruppen mit einem Herz für Greifenfurter und dem Wunsch, dem Ork mal wieder eins über den Schwarzpelz zu brennen, sind hier sicherlich an der richtigen Adresse, sofern ihr Spielleiter etwas Aufwand nicht scheut.
Wermutstropfen: Die behandelten Ereignisse sind schon fast zu interessant, um sie lediglich in einem T-Abenteuer und in aller Kürze abzuhandeln. Zu hoffen bleibt ebenfalls, dass Ein Stein im Nebel bald auch seinen Weg in die Hände derer finden kann, die keine Gelegenheit hatten, das Abenteuer auf einem der Cons zu erhaschen. Da auch ich zu dieser Gruppe gehöre, sei an dieser Stelle noch einmal ein herzlicher Dank an den unvergleichlichen Thamor ausgesprochen, dessen Großzügigkeit ich mein Exemplar verdanke. Sechs von neun Einhörnern entbieten Dir ihren Gruß!