Die neue Regeledition für DSA wurde im August 2013 auf der RatCon angekündigt und ist seitdem ein großes Thema in den Foren und Blogs mit DSA-Bezug. Im Mai diesen Jahres erschien die Betaversion des Grundregelwerkes, es gibt wöchentliche Berichte der Redaktion, regelmäßige Neuigkeiten im Aventurischen Boten und jede Menge Diskussionen über das Für und Wider der neuen Regeln.
Für uns war das Grund genug, die beiden zuständigen Redakteure Alex Spohr und Jens Ullrich zum Interview zu bitten und ihnen diverse Fragen zum Thema DSA5 zu stellen. Los geht’s!
Allgemeiner Teil
Nandurion: Vor ziemlich genau einem Jahr habt ihr auf der RatCon DSA5 angekündigt, im Mai ist das Beta-Grundregelwerk erschienen. Wie stressig war das letzte Jahr?
Alex: Wie jedes Jahr gibt es Phasen, die stressig sind, und Phasen, die noch stressiger sind. Ein neues Regelwerk zu schreiben ist vom Aufwand her eine andere Hausnummer als eine Spielhilfe oder ein Abenteuer. Und zusätzlich wollten wir dieses Mal das Regelwerk nicht im stillen Kämmerlein entwickeln, sondern die Spieler durch eine Beta-Testphase an der Entwicklung teilhaben lassen. Die Vorbereitungen und die späteren Arbeiten am Regelwerk waren sehr umfangreich (zahlreiche Besprechungen, das Koordinieren von Testgruppen und die Auswertung ihrer Ergebnisse) und nebenbei muss man sich noch um die alltäglichen Arbeiten kümmern. Das konnte nur funktionieren, weil wir ein fantastisches Verlagsteam hatten und Eevie, Marie und Daniel Jens und mir nicht nur mit ihrer Expertise zur Verfügung standen, sondern sich vermehrt um alle anderen Arbeiten und die Bücher der vierten Edition gekümmert haben.
Und obwohl es natürlich manchmal stressig ist: Unsere Arbeit ist auch unser Hobby und wir freuen uns doch zwischendurch immer wieder, wenn wir ein neues Bild von einem Illustrator bekommen, wir eine gelayoutete Farbseite vor uns auf dem Bildschirm sehen und wir am Ende unserer Arbeit ein fertiges Buch in den Händen halten können, das ganz vielen Spielern Freude bereitet.
Jens: Nun, Regelentwicklung ist Arbeit, aber wenn man sie strukturiert angeht, hält sich der Stress halbwegs in Grenzen. Außerdem ist die Entwicklung eines kompletten Regelwerks, besonders für so eine erfolgreiche Reihe wie Das Schwarze Auge, eine ausgesprochen spannende Angelegenheit.
Nandurion: Wie sieht ein typischer Arbeitstag im Leben eines DSA5-Redakteurs aus?
Alex: Vorweg: Es gibt keinen typischen Tag. Neben der Planungs- und Schreibarbeit an DSA5 fallen jeden Tag ganz unterschiedliche Aufgaben an (nicht nur für DSA5-Projekte): Illustrationsbeschreibungen müssen angefertigt, Referenzen zusammengesucht und diese auf unsere Illustratoren verteilt werden; gelegentlich fällt die Planung und Umsetzung von Cons und Messen an (hier müssen die Programmpunkte und Termine festgelegt, Kisten gepackt und Blog-Beiträge geschrieben werden); Threads lesen und mitdiskutieren, Fragen beantworten und Ähnliches gehört ebenfalls zum festen Bestandteil unserer Arbeit. Dazu kommt: Exposés kommentieren; Metaplot-Ideen zu Papier bringen; neue Bücher und andere Produkte planen; Abenteuer schreiben und die Werke anderer Autoren bewerten sowie Verwaltungsarbeit. Gerade Letztere wird immer gerne unterschätzt, ist aber wichtig und manchmal leider sehr zeitaufwändig.
Das sind nur ein paar Beispiele. Gelegentlich kommen noch besondere Situationen hinzu, wie etwa Besprechungen des Verlags, Autorentreffen, Google-Hangouts (okay, davon hatten wir bislang noch nicht so viele, es wird aber mehr werden).
Was man sicherlich sagen kann: Jeder Arbeitstag ist abwechslungsreich, und selbst die Fahrt nach Waldems-Steinfischbach kann manchmal sehr abenteuerlich sein – vor allem im Winter. Eigentlich gilt auch hier das alte Rollenspiel-Sprichwort „Kein Plan des Spielleiters übersteht den Erstkontakt mit den Spielern“, nur dass es hier leicht abgewandelt heißen muss: „Keine Planung übersteht den Kontakt mit dem neuen Arbeitstag“.
Ansonsten sind die zentralen Arbeiten am DSA5-Regelwerk das Auswerten des Feedbacks und die Bewertung der Diskussionen der neuen Regeln, das Schreiben der Bücher und das Einarbeiten der Kommentare. Zwischendurch diskutieren wir und immer noch einzelne Bereiche mit Arbeitsgruppen von Testspielern und -lesern.
Jens: Im Gegensatz zu Alex arbeite ich von meinem heimischen Büro aus. Von daher bedeutet das hauptsächlich Recherchieren, Entwickeln und Schreiben. Dazu kommen noch die regelmäßigen Gespräche mit Alex und die Betreuung der internen Testrunden.
Nandurion: Was liegt an DSA-Material gerade auf eurem Schreibtisch bzw. woran arbeitet ihr gerade?
Jens: Heute sind neben diesem Interview die Überarbeitung einer Rüstungstabelle und das Plotting eines Abenteuerverlaufs fällig.
Alex: Neben den DSA5-Arbeiten liegt auf meinem Schreibtisch noch das DSA4-Abenteuer Schloss Strobanoff. Das Abenteuer von Oliver Overheu und Lars Heitmann ist fast fertig und wird sich mit einem geheimnisvollen Schloss im Bornland und dem Schatz des Schlossherrn beschäftigen.
In der Pipeline befindet sich zudem noch der dritte Teil des Solo-Abenteuers Die Schwarze Eiche von Sebastian Thurau und das Boron-Vademecum, an dem Martin Schmidt, Christian Bender und Tina Hagner arbeiten.
Zwischendurch, zur Auflockerung, betreue ich ein neues Projekt, dem wir den Titel Heldenwerk gegeben haben. Die Reihe soll dem Wunsch vieler Spieler und Meister Rechnung tragen, die sich kurze, über einen oder zwei Spielabende gehende Abenteuer wünschen.
Nandurion: Bisher habt ihr über 4000 Feedback-Mails bekommen, dazu kommt das Ulisses-Forum, in dem auch rege diskutiert wird. Wie viel Zeit pro Woche nimmt das Bearbeiten des Feedbacks in Anspruch?
Jens: Das variiert. Da Alex die Erstbearbeitung der Feedback-Mails übernommen hat, halte ich hauptsächlich ein Auge auf verschiedene Foren. Die eine oder andere Stunde am Tag kann da schon einmal anfallen, je nachdem, wie viel geschrieben wurde.
Alex: Jede Woche sieht etwas anders aus. Wenn viele zusätzliche Arbeiten anfallen, dann gewiss einige Stunden weniger als im Schnitt. Aber Jens und ich sind fast ausschließlich mit der Bearbeitung und Planung von DSA5 beschäftigt. Mehr als die halbe Arbeitswoche ist auf jeden Fall reserviert. Aber eine genaue Angabe ist wirklich schwierig.
Ganz allein sind wir bei unserer Arbeit an DSA5 übrigens nicht: Wir haben viele fleißige Helfer wie die Beilunker Reiter, zahlreiche Autoren, unsere Alveraniare und Testspieler, die für uns Informationen einholen, vorsortieren, Regeln ausprobieren und uns in vielen anderen Bereichen unterstützen.
Nandurion: Welche Elemente des Beta-Regelwerks sind besser, welche schlechter angekommen als erwartet?
Jens: Ich denke das kann Alex besser beantworten, da er einen besseren Überblick über die Feedback-Mails hat.
Alex: Die Spieltipps und das Einführungskapitel sind sehr gut weggekommen. Zwar sind sie „regelarm“, aber ich hatte erwartet, dass es gerade bei den Spieltipps doch mehr Rückmeldungen gibt. Gerade bei den Testlesern und -spielern gab es sehr viele Kommentare.
Kampf, Magie (und Götterwirken) haben relativ viel Feedback erhalten, vor allem Verbesserungsvorschläge und Kritik. Allerdings habe ich das an diesen Stellen erwartet, denn das sind sehr zentrale Bestandteile des Regelwerks, die für alle Spieler wichtig sind. Diese produzieren erwartungsgemäß mehr Feedback. Wir hatten für den Kampf nach der aufgekommenen Kritik aus dem Ulisses-Forum noch ein weiteres Modell als Alternative angeboten, aber man kann schon erkennen, dass es bei einem solchen Thema sehr schwierig ist, ein System zu entwickeln, das alle Erwartungen erfüllt. Dafür sind die Erwartungen zu unterschiedlich. Allerdings ist die Beta genau dafür da: Es muss noch ausprobiert werden, man muss noch diskutieren und erst danach eine Entscheidung fällen.
Was man klar unterscheiden muss, sind die Feedbackmeinungen und die Diskussionen in den Foren. Die Forenmeinungen sind wesentlich kritischer, was vermutlich am Medium liegt. Zwar beteiligen sich in den Foren nur ein kleiner Teil aller DSA-Spieler, aber der ist sehr aktiv und bringt viele Argumente vor, die man beachten muss. Die Feedbackmails werden eher von den ruhigeren Spielern genutzt, die im Forum gar nicht so aktiv sind. Ihr Feedback bezieht sich vor allem auf einzelne Punkte und es ist nicht auf Diskussion angelegt. Diese Gruppe muss man allein schon aufgrund ihrer Größe berücksichtigen. Sie ist allgemein zufriedener mit den Entwicklungen, wenngleich sie dennoch in der Regel die gleichen Kritikpunkte teilt (etwa die Leiteigenschaften, einige Punkte des Kampf- und Magiesystems).
Nandurion: Gab es Reaktionen, die euch überrascht haben?
Alex: Nein, eigentlich nicht. Unsere Arbeit steht oft im Fokus des Interesses der Spielerschaft und wir werden nicht selten für unsere Entscheidungen kritisiert. Gerade bei einer neuen Edition wird stark darüber diskutiert, ob die neue besser oder schlechter ist usw.
Jens: Auch wenn ich das aktive Fandom gewohnt bin, werde ich manchmal immer noch von der Energie überrascht, die dort frei gesetzt wird.
Nandurion: Ihr habt beide neben der Arbeit an DSA5 noch einen Band für die Splitterdämmerung geschrieben. Wie gut geht das zusammen? Und ist es seltsam, auf einmal wieder nach DSA4-Regeln zu schreiben, wenn man am Tag vorher am neuen Regelwerk gebastelt hat?
Alex: Das bedeutet in jedem Fall noch mehr Arbeit. Aber Jens und ich wollten diese Abenteuer fertig stellen und zwar wie alle Splitterdämmerungsteile vor dem Erscheinen der fünften Edition. Die Abenteuer nicht zu schreiben oder sie ewig hinauszuzögern kam deshalb nicht infrage. Jens’ Abenteuer war etwas früher fertig, meines konnte ich nach der Fertigstellung des Beta-Regelwerks zu Ende bearbeiten.
Jens: Hier liegt ein Irrtum vor. Die Texte von Firuns Flüstern waren größtenteils fertig, bevor ich meine Arbeit an der fünften Edition aufgenommen habe. Daher gab es da kaum relevante Überschneidungen. Grundsätzlich schätze ich es aber, ab und an meine Nase in andere Bereiche zu stecken. Das verringert den Tunnelblick.
Nandurion: Woran arbeitest du denn gerade, um den Tunnelblick abzubauen? Kannst du da schon was verraten?
Jens: Aktuell ziehe ich nebenher noch zwei Abenteuerplots hoch. Kernelemente sind jede Menge Zwerge, ein Hammer, große Mengen Ilmenblatt und ein geplatzter Opal.
DSA5 – Organisatorisches
Nandurion: Arbeitet ihr schon an Erweiterungsregeln?
Jens: Der erste Band zu „profanen“ Regeln ist im Planungsstadium. Entsprechend gibt es erste Konzepte für Massenkampf und soziale Konflikte.
Alex: Es macht keinen Sinn, Erweiterungsregeln festzulegen, wenn die Grundregeln sich noch ändern können. Wir haben uns aber bereits ausführliche Gedanken zu den Erweiterungsbänden gemacht und schon teilweise festgelegt, was dort hinein kommt. Wir arbeiten schon im Vorfeld an einigen Texten zu diesen Bänden, aber eben noch ohne harte Regelfestlegungen. Im Fokus steht zunächst die Erweiterung, die sich mit allen „weltlichen Dingen“ wie Talenten und Kampf beschäftigt. Als Arbeitstitel hatten wir früher mal vom profanen Band gesprochen, aber das wird nicht der Titel sein, den das Buch bekommt. Darin enthalten sein werden Erweiterungen zu Talenten und dem Kampf (beispielsweise mehr Kampfstile und weitere Sonderfertigkeiten).
Nandurion: Wie sieht der Kontakt zu anderen Kontinenten – v. a. Myranor – bezüglich DSA5 aus? Sind die myranischen Regelschreiber in die DSA5-Erstellung involviert? Wurde das neue Layout gleich für Myranor mitentwickelt?
Alex: Das Regelwerk wird die Ausgangsbasis für alle derischen Kontinente sein, also auch für Myranor und Uthuria (sowie für Tharun – und was immer noch kommen mag).
Wir haben Spezialregeln für die anderen Kontinente auf dem Schirm (z. B. den mehrhändigen Kampf oder Sonderfälle wie große Körper der Baramunen oder Kentori), aber es ist kein myranischer Regelschreiber direkt involviert.
Uns ist es sehr wichtig, dass wir in dieser Edition im Auge behalten, dass die Regeln für alle Kontinente gleich funktionieren bzw. die Unterschiede im Vorfeld erfasst werden, sodass keine Unstimmigkeiten entstehen.
Bezüglich des Layouts kann ich noch nichts sagen. Zunächst muss das allgemeine Layout fertig werden.
DSA5 – Konkrete Fragen
Nandurion: Das neue System lädt viel stärker als DSA4.1 dazu ein, die Professionen umzubauen, was von manchen kritisiert wird: Wo „Bauer“ draufsteht, kann plötzlich Krieger drin sein. Seht ihr das als Problem? Warum habt ihr euch für diese größere Offenheit in der Generierung entschieden?
Alex: Generell sehen wir nichts Schlechtes daran, dass man sich als Spieler nun den Helden basteln kann, den man auch spielen möchte. Wir haben weiterhin „Masken“ und Vorlagen für bestimmte Konzepte angegeben, sodass man sich als Spieler und Meister daran orientieren kann, wenn man dies möchte.
Jens: Eine offene Charaktergenerierung ermöglicht die größtmögliche Flexibilität, um am Ende den Charakter spielen zu können, den man will. Entsprechend sind die Schablonen nur Beispiele. Welchen Namen das Kind am Ende trägt, bleibt ganz dem Spieler und gegebenenfalls der Spielrunde überlassen. Es ist zum Glück nicht unsere Aufgabe, den Spielern en detail vorzuschreiben, was sie zu spielen haben und was nicht.
Nandurion: Auf dem AP-Niveau „Erfahren“ generierte Helden, die mit Attacke 20 und Parade 19 starten und binnen weniger AP das noch auf 22/21 oder mehr ausbauen können – waren euch diese hohen Werte bewusst? Ist das so beabsichtigt?
Alex: Wir wollten eigentlich die Möglichkeit zulassen, zu Beginn gute Kämpfer spielen zu können. Durch die Sonderfertigkeiten, die insbesondere bei den wirklich guten Fähigkeiten extreme Erschwernisse hervorrufen, brauchte man als sehr fähiger Kämpfer entsprechend hohe Werte. Gerade Kämpfer sollten ja eigentlich nach erfolgreicher Ausbildung in ihrem Bereich wirklich kompetent sein.
Allerdings haben wir ja bereits ein anderes Kampfmodell mit niedrigen Parade-Werten vorgestellt, es kann also gut sein, dass wir die Höhe der Werte und die Funktionen grundlegend ändern und auch die Sonderfertigkeiten daran anpassen.
Jens: Es gab da einige unerwünschte Kaskadeneffekte. Aber wie sicher schon bemerkt, wird am Kampfsystem und damit indirekt auch an der Generierung von kämpfenden Charakteren noch gewerkelt.
Nandurion: Häufig kritisiert werden die Leiteigenschaften: Während sie im Kampf weitaus wichtiger sind als die Kampftechniken machen sie zum Beispiel im Magiebereich kaum einen Unterschied – über Vorteile lassen sich für Startcharaktere maximal 65 AsP anhäufen, über die Leiteigenschaft nur 4–6, andere Auswirkungen hat sie kaum. Plant ihr da eine Angleichung der Relevanz und wenn ja, in welche Richtung?
Alex: Ja, wir werden an dieser Stelle noch Änderungen vornehmen. Das wird auch von den neuen Modellen zum Thema Kampf und Magie abhängen, wie dies schlussendlich aussehen wird.
Nandurion: Gerade im Bereich der Magie und magischer Helden gibt es einige Änderungen: Gildenmagier verlassen ihre Ausbildung mit etwa halb so vielen Sprüchen wie zuvor und der Zauberspeicher ist komplett aus dem Regelwerk geflogen. Wie wird sich das im Hintergrund auswirken? Wird es eine Ingameerklärung geben wie beim Editionswechsel 3 zu 4?
Alex: Zunächst zum Zauberspeicher: Der ist nicht aus dem Regelwerk geflogen, aber wir wollten ihn erst im Magie-Erweiterungsband vorstellen, ebenso andere Stabzauber. Die Stabzauber in der Beta-Version sind keineswegs vollständig.
Bei der Zahl der zu Beginn verfügbaren Zauber haben wir sehr tief angesetzt, wir werden die Zahl nochmal deutlich erhöhen (allerdings nicht so hoch ansetzen wie unter DSA4).
Generell werden wir über den Boten oder andere Medien immer mal wieder Hinweise auf Änderungen einstreuen, warum jetzt etwas in dieser Edition anders funktioniert als in Edition 4. Nicht zu jedem Thema, aber an verschiedenen Stellen (z. B. zu der größeren Menge an Karma oder den Zaubertricks). Uns ist es wichtig, dass innerhalb der Spielwelt solche Veränderungen nicht einfach so aus dem Nichts auftauchen, wenn man dafür stattdessen eine gute Erklärung gibt.
Jens: Genau.
Nandurion: Heißt das aber nicht im Umkehrschluss, dass man den Helden ihre höheren Karmapunkte und SchiPs wieder wegnehmen müsste, wenn man mit DSA5-Helden z. B. die Borbaradkampagne spielen will?
Alex: Neue Edition bringen immer auch Veränderungen mit sich. Mit DSA4-Helden Das Wirtshaus zum Schwarzen Keiler zu spielen, bedeutet aber auch nicht, dass man keine Geweihten spielen kann, nur weil es bei DSA1 noch keine Geweihten gab. Jede Gruppe sollte sich entscheiden, ob sie ältere Abenteuer anpasst. Und falls wir eine entsprechende Neuauflage machen, dann können wir Hinweise einfügen, welche Änderungen notwendig sind, um auch den Umstand der höheren Karmaenergie und der SchiPs zu erklären (wobei dies bei SchiPs ein deutlich kleineres Problem ist, da man sie einfach als eigenständige Spielressource behandeln kann).
Nandurion: Im Beta-Regelwerk gibt es jetzt auch Helden bisher „vollmagischer“ Traditionen mit extrem geringem AsP-Potenzial. Was hat man sich z. B. hintergrundtechnisch unter einem Gildenmagier mit dem Vorteil Zauberer I vorzustellen?
Alex: Bei dem konkreten Beispiel könnte es sich um einen Scholaren handeln, der während seiner Ausbildung abgebrochen hat. Er kennt sich zwar grundlegend mit seiner Tradition aus (und ist kein Scharlatan), aber sein Potenzial wurde bei seiner Ausbildung noch nicht bis zum Ende ausgeweitet. Oder er ist ein minder(-magisch) begabter Schüler (und ist von der Akademie geflogen, weil alle Versuche, sein Potenzial zu entwickeln, scheiterten).
Jens: Es könnte ein ausgebrannter Magier sein, oder einer, der sich an seiner Akademie durchgemogelt hat oder sogar vor Beendigung seines Studiums exmatrikuliert wurde oder aus anderen Gründen frühzeitig die Akademie verlassen hat. Vielleicht hat er aber auch schlicht einen Bud-Spencer-Gedächtnisschlag von einem Oger kassiert und kann seitdem nicht mehr auf sein volles Potential zurückgreifen.
Nandurion: Wird es den Schlag dann auch als Sonderfertigkeit geben? Hört sich nützlich an.
Alex: Dazu am besten ein Zitat eines sehr klugen Mannes: „Das kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen.”
Nandurion: In den Foren wird häufig die geringere Flexibilität der Zauber kritisiert – es gibt zum Beispiel weniger Varianten und spontane Modifikationen. Wird sich daran mit den Magiebänden noch etwas ändern oder bleiben die Zauber auf dem Komplexitätsniveau, das das Grundregelwerk vorgibt?
Jens: Es werden sicher noch einige Varianten hinzukommen.
Alex: Grundlegend ist es uns erst mal ein Anliegen, die Zauber so zu gestalten, dass ihre Grundversion schon nützlich ist – also erzwungene Modifikationen überflüssig zu machen.
Varianten wird es weiter geben, aber das wird einheitlicher angewandt werden als vorher. Es kann z. B. sein, dass jeder Zauber bei einem bestimmten FW eine Variante automatisch freischaltet (z.B. bei den FW-Stufen 4/8/12/16).
Und es ist bislang nur die Beta-Version, die nur einige Optionen zeigen soll. In der finalen Version wird es deutlich mehr geben.
Nandurion: Ein Held der Stufe „Erfahren“ kann zur Generierung nur Maximalwerte von 10 bei seinen Fertigkeiten aufweisen. Um den Elementaren Diener bzw. den Invocatio Minor zu lernen, benötigt man allerdings 12 in den Vorgängersprüchen Manifesto bzw. Invocatio Minima. Wolltet ihr die Beschwörung für Einsteigerhelden damit aus dem Spiel nehmen?
Alex: Nein, dieser Punkt ist uns tatsächlich einfach entgangen. Ihr könnt davon ausgehen, dass wir das noch angleichen, wobei wir durchaus je nach Erfahrung des Helden bestimmte Möglichkeiten zulassen oder eben nicht zulassen wollen (also sprich: Wir halten es nicht für ratsam, wenn der Scholar schon einen vielfachgehörnten Dämon rufen kann). Hier gilt es natürlich, einen guten Kompromiss zwischen der Hintergrundwelt und gut balancierten Regeln zu finden.
Jens: Hier wird noch etwas gewerkelt. Es wird wohl darauf hinaus laufen, dass man zu Anfang elementare Diener und niedere Dämonen beschwören kann.
Nandurion: Es gibt in der DSA5-Beta nun einheitliche Mechanismen für Zauberer und Geweihte. Im Feedback-Artikel vom 30.07.2014 habt ihr gesagt, dass das Phänomen der „Karmalzauberei“ auch hintergrundtechnisch erklärt wird. Wie wird das aussehen? Wird es Abenteuer oder Botenartikel geben, die sich mit dem Phänomen der erstarkenden Geweihten beschäftigen?
Jens: Das geht definitiv an Alex. 😉
Alex: Es wird sicherlich den einen oder anderen kleinen Artikel (und vielleicht auch Abenteuer) dazu geben. Ähnlich wie mit der Einführung der Merkmalskenntnis bei DSA4 werden aventurische Gelehrte Veränderungen bemerken und darüber spekulieren und diskutieren.
Wir werden nicht jeden neuen Zauber, nicht jede Änderung thematisieren, aber einige ausgewählte Punkte aufführen. So kann es beispielsweise sein, dass eine Heldengruppe im Grab eines Magiermoguls eine neue Thesis entdeckt, die sich dann in den tulamidischen Akademien verbreitet. Oder ein Geweihter hat von einem Heiligen seiner Kirche eine Vision erhalten und kann eine alte Liturgie rekonstruieren. Auch die Forschungen der Magier in Punin und anderswo können so endlich Früchte tragen und es herrscht kein Stillstand.
Gerade in der Geweihtenschaft werden einige Priester bemerken, dass sie über mehr Kraft als früher verfügen und das kann schon als göttliches Zeichen gedeutet werden. Auf Konzilen wird dies vielleicht ein Gesprächsthema sein oder es wird einige Geweihte dazu bringen, herauszufinden zu wollen, warum dies geschieht.
Nandurion: Eine Neuerung bei DSA5 sind die Schicksalspunkte, die für regeltechnische Vorteile ausgegeben werden können. Andere Systeme setzen dazu zum Beispiel noch die Möglichkeit des „Faktenschaffens“ („Wie gut, dass ich den Wächter am Tor aus Kindertagen kenne…“) ein. Weshalb habt ihr euch für die DSA5-Variante der Schicksalspunkte entschieden?
Alex: In einer frühen Fassung des Regelwerks hatten wir noch ein paar zusätzliche Möglichkeiten für die Nutzung von Schicksalspunkten aufgeführt. Da gab es zum einen „ist nur ’ne Fleischwunde“, wo man Schaden verringern konnte, und die Option, stärker in die Spielwelt einzugreifen.
Wir haben diese Optionen aber zunächst entfernt, weil sie bei unseren Testlesern nicht so gut angekommen sind. Als Optionalregel wären sie aber sicherlich denkbar, wir stellen sie noch mal im Detail vor.
Es kann also gut sein, dass wir weitere Möglichkeiten für den Einsatz von Schicksalspunkten aufführen – und einige der bestehenden Optionen noch ändern.
Jens: Form und Funktion der Schicksalspunkte sind zwischen Alex und mir ein Hort ausgiebiger Diskussionen. Die Option, eine Probe zu wiederholen oder von vorne herein seine Chancen zu verbessern finde ich eine sehr charmante Methode, um in bestimmten, durch eine Ressource begrenzten Situationen die Handlung in eine Richtung zu entwickeln, die dem Spieler gefällt. Dabei gehe ich nicht zwingend davon aus, dass Spieler einzig vom Effizienzgedanken getrieben werden.
Entweder…oder?
Nandurion: Nach den vielen Regelfragen schließen wir nun mit unserer allseits beliebten Entweder-Oder-Kategorie. Also, Alex und Jens:
Räuberbande oder Fliegende Festung?
Alex: Räuberbande.
Jens: Zählt borbaradianisches Limbus-U-Boot? Nein? Dann eher fliegende Festung. Außer die Räuberbande ist mehr als bloß AP-Spender.
Nächste spielbare Rasse: Trolle oder Meckerdrachen?
Alex: Meckerdrachen, die sind regeltechnisch problemloser erstellbar.
Jens: Eher Oger als Trolle. Aber Trolle tun es auch.
Wahre Helden™ oder Normalos mit Aufstiegschance?
Alex und Jens: Normalos, die zu Helden werden.
Auswürfeln oder Ausspielen?
Alex: Ausspielen.
Jens: Offen würfeln und dann ausspielen.
Halbe Parade oder Halbes Hähnchen?
Alex: Halbe Parade. Wenn es Pommes gewesen wären, hätte ich schwach werden können.
Jens: Das kommt auf die Menge der Hähnchen an. Wenn es nur eins ist, dann definitiv halbe Parade.
Nandurion: Und damit sind wir am Ende angekommen. Vielen Dank euch beiden für die ausführlichen Antworten und viel Erfolg mit der weiteren Arbeit an DSA5!
Das Interview führten Curima und Cifer
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Hallo Leute,
ich habe gerade gelesen das der Zauberspeicher eventuell später wieder eingeführt werden soll. Ich kann sehr gut verstehen das man als Gildenmagier den Stab sehr gut findet. Was ich mir aber wünsche würde, wäre das allen anderen magischen Traditionen ähnliche Mittel in die Hand gegeben werden. Ich habe gerne Lust auch mal eetwas anders zu spielen als immer nur Gildenmagier, habe dann aber immer das Gefühl im Vergleich deutlich weniger zu können. Der Zauberspeicher sollte ähnlich wie der Waffenmeister sein, also geringe Verbreitung und die Redax sollte genau definieren was er können soll. In der aktuellen Fassung als massiver AsP Speicher und als Möglichkeit mit geringem Risiko die stärksten Zauber auszulösen finde ich den viel zu mächtig. Gerade die geringen Kosten von nur 200 AP waren in DSA4 viel wenig. Wenn es so ein Artefakt gibt, sollten andere Klassen (+Profane und Geweihte) auch in solch einen Genuss kommen können. In unserer aktuellen Gruppe kam es allein wegen dem Zauberspeicher zu einigen Konflikten mit den Rollenspielern auf der einen und den Powergamern auf der anderen Seite. Da ist es dann schwer den Powermagier ihr liebsten Spielzeug als Meister wegzunehmen.
Danke
Der Zauberspeicher wurde extrem viel diskutiert, auch auf der Ratcon. Das er doch wiederkommt, entgegen aller Gerüchte, heisst nicht das er an der berechtigten Kritik vorbeikommt, da wird sicher dran geschraubt.
Thx für das Update
mMn sollten die beiden sich doch lieber ganz dem regelwerk und dem feedback widmen, wenn es denn noch das beste dsa aller zeiten werden soll. dsa5 bleibt wohl über ein jahrzehnt aktuell, da lohnt es sich doch, alle kraft dort rein zu stecken. finde sowieso dass 2 redakteure die sich hauptsächlich mit den neuen regeln beschäftigen viel zu wenig.
Mich wundert, dass ein fest angestellter Redakteur nach den ganzen Ulisses-Skandalen der letzten Jahre nicht mehr zwingend in Waldems arbeiten muss.
Das war doch mal DAS Hauptkriterium für eine Anstellung.
Schade, dass die Erkenntnis so spät kommt.
Ich habe mir das Beta-5-Regelwerk gekauft…. hm.
Ich habe aber auch über 12 Jahren mir
Wege…
… der Helden
… des Schwertes
… der Magie
… der Götter
das Liber Cantiones,
das Arsenal
das Zoo-Botanica
und noch viele andere Hardcoverbände gekauft, mein Ikea-Billy ächzt und biegt sich.
Jetzt soll ich das alles vergessen können?
Wie lange dauert es denn, bis alle diese Bände in 5.0 wieder draußen sind, denn wer hätte denn Lust, z.B. einen magiebegabten Charakter zu spielen ohne WdM-Pendant? Noch mal 5 Jahre?
Meine Spielergruppe wird dem System 5. definitiv ne Chance geben, hoffe die o.g. Bände erscheinen in Jahresfrist neu. Ansonsten werden wir gute Neuerungen scham- und schmerzlos nach 4.1 konvertieren und das auch bleiben. „Saumagen kostet bei uns 3 GP. So einfach.
vlg
Martin
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