Ob als Locke, Amirwolf oder El Presidente hat Julian Klippert zwischen 2010 und 2015 an Nandurion mitgewirkt. Während seiner Zeit begleitete er neben vielen Neuigkeiten auch Personalangelegenheiten mit seriösen Nachrichtenbeiträgen und verabschiedete auf diese Weise unter anderem Patric Götz, Thomas Römer, Chris Gosse und Uli Lindner aus Aventurien. Bereits Mitte 2012 wurde er angeblich zum Präsidenten von Nandurion gekrönt gewählt und trägt seither einen Ehrennamen.
Verdächtig lange ließ er uns mit einer Antwort auf unsere Interviewfragen zum 10-jährigen Jubiläum warten, reichte sie aber dann wider Erwarten ein paar Minuten vor Ablauf der Frist doch noch ein. Wer nun genau liest, kann den Grund erahnen, warum mal wieder alles so knapp werden musste.
Nandurion: Wie kamst du zu DSA und auf welchen Zwischenstationen schließlich zu Nandurion?
Julian: Mein Erstkontakt mit DSA und dem Rollenspiel generell war vor 17 Jahren in der 9. Klasse und plätscherte erst mal ein paar Jahre vor sich hin. Es wurde ein wenig gekämpft, die, die sich auskannten, spielten Magier, trieben den Plot voran und der Rest würfelte und trank Hopfenkaltgetränke.
Bis ich ca. 4 Jahre später mich mit meiner neuen Freundin (inzwischen sind wir verheiratet und haben zwei Kinder) selbst in die Materie reingefuchst habe und wir uns nach und nach alle Publikationen aus der 4er Edition sowie alte Abenteuer erstanden haben. Daraus wurden dann mehr als ein Dutzend parallele Spielrunden/Abenteuer und die Woche bestand aus 3-4 Sessions. Ja, das waren recht exzessive Zeiten. ^^
Zu dieser Zeit war natürlich Alveran.org die Adresse Nummer Eins für aktuelle Neuigkeiten und ich habe wirklich jede kleine Neuigkeit von einer Con aufgesaugt, doch dann kam die „Wachholz-Affäre“ und auf einmal waren die Pforten von Alveran geschlossen. Als dann Ben Maier Nandurion gründete war ich sehr froh darüber und da ich zu dem Zeitpunkt meine Zeit vor allem zu Hause und mit DSA verbracht habe, habe ich bei Nandurion mal angeklopft und recht schnell war ich ein fester Teil von Nandurion und dann durch den zwischenzeitlichen Ausstieg von Ben Maier aus beruflichen Gründen (Nandurion war zeitweise ein Sprungbrett, um für Ulisses zu arbeiten) wurde unter anderem mir die Administration anvertraut (Danke Ben für das Vertrauen damals).
Wie schon erwähnt, wechselten einige zu Ulisses mit der Zeit. Das tat ich zwar nicht, aber nichtsdestotrotz kam es durch den häufigen Kontakt mit Ulisses und dem Uhrwerk Verlag dazu, dass auch ich irgendwann in offizielle Dinge involviert war. Sei es als Alveraniar (erinnert sich noch wer?) und auch als Autor für ein paar Publikationen für Aventurien, Myranor und Uthuria. Da ich nebenbei inzwischen im Comicladen in Hannover arbeitete und generell die Distanz zu den Verlagen nicht mehr so groß war, entschloss ich mich schweren Herzens 2015 bei Nandurion als El Presidente zu verabschieden.
Nandurion: Wofür stand Nandurion in der Anfangszeit und was verbindest du damit?
Julian: Nach dem Ende von Alveran (bei den Göttern!) war eine große Lücke entstanden. Es gab keine DSA-Newsseite, die alle Informationen aus der Welt des Schwarzen Auge mehr sammelte. Das war mMn gerade am Anfang ein großer Schwerpunkt und wurde dann durch feine Kategorien wie den Spottgesang und die Werkbank abgerundet. Sehr viel gute Erinnerungen habe ich darüber hinaus allerdings mit etwas anderem: unserem internen Skypechat. Ein Safespace für Nerds und den alltäglichen Wahnsinn. Liebe Nanduriat*innen von damals, das war eine spaßige Zeit! <3
Nandurion: Welche sind deine Lieblingsbeiträge von Nandurion gewesen, evtl. auch deinen eigenen?
Julian: Wer denkt sich denn diese schwierigen Fragen aus? *lacht* [Anm. der Redaktion: Ich! Noch lachst du, aber wir sind noch nicht fertig 🙂] Meine eigenen Beiträge würde ich tatsächlich nicht dazu zählen, da zusammen mit Feyamius mein Schwerpunkt auf den Newsartikeln lag und es quasi einen kleinen Wettlauf gab, wer schneller und mehr News raushauen konnte. xD
Ansonsten waren unsere Formate wie der Passierschlag sehr unterhaltsam, Joschs Rezensionen immer legendär und dann natürlich unsere Adventskalender und Geburtstagsbeiträge. Ersteres vermutlich die stressigste Idee, die wir hatten, aber es hat wirklich richtig viel Freude gemacht, mit der Community zusammen Beiträge zu erstellen.
Obwohl eine Sache, wo ich involviert war, sei dann doch noch erwähnt unser Aprilscherz zum Thema El Presidente, als wir unseren eigenen Metaplot schufen.
Nandurion: Welches ist mit Blick auf Pen&Paper deine Lieblingsprofession bzw. dein favorisierter Heldentypus?
Julian: Schon wieder so eine schwierige Frage. Rollenspiel macht für mich gerade dadurch den Reiz aus, dass du in so viele verschiedene Rollen und Personen hineinschlüpfen kannst. Generell bin ich aber ein Freund von Charakterentwicklungen. Lange Zeit habe ich zum Beispiel nie einen Einstieg in eine Shadowrun- Runde gefunden, weil um mich herum alles irgendwelche zweidimensionalen Söldner*innen waren, die einfach nur ihre Jobs erledigen. Meine Charaktere passten da nie rein, waren es das wohlbehütete Konzernkid, was aus Langeweile hackt, oder der Troll und Fußballultra aus dem Pott, der seine Mamutschka pflegt. Alles Charaktere, die erstmal in die Schatten hineingezogen werden müssen, was mMn gerade die Faszination von Shadowrun ausmacht, warum eine Person in die Schatten geht.
In Bezug auf DSA ist das eigentlich ähnlich. Ich habe lange Zeit eine halbelfische Ifirn-Geweihte gespielt, die es sehr schnell in den Süden und nach Maraskan verschlug und inzwischen mit einer Maraskanerin liiert ist und eine Ziehtochter großzieht. Eine Entwicklung, die eigentlich nur am Spieltisch passieren kann und nicht am Reißbrett entstehen kann. Ein anderes Beispiel ist eine norbardische Viertelzauberin, die auf Grund einer Familienheirat ausgebüchst ist und unter Thorwaler*innen gelandet ist und nun auf einer Otta die Meere unsicher macht und trotz ihrer Unstetigkeit versucht eine ausgebildete Magierin zu werden.
Insgesamt ist es also eher der Typus „Held*in in Ausbildung“. ^^
Nandurion: Was gefällt und/oder missfällt dir an DSA besonders in Bezug auf Settings (Aventurien, Myranor, Uthuria, Tharun oder Rakshazar), Regionen und Abenteuergenre? Was sollte bleiben und was sollte sich ändern?
Julian: Mir ist bewusst, dass die Kontinente immer gerne kritisiert worden sind, wegen merkwürdigen irdischen Vergleichen oder die Probleme mit den Proportionen (Uthuria ist da leider in die andere Richtung eskaliert), dennoch hat mir eigentlich kein Setting oder Region besonders missfallen, da es für mich inneraventurisch gut ineinander griff und ich die kurzen Reisewege für die Vielzahl an Kulturen als nicht so dramatisch empfand wie einige (Hobby-)Historiker*innen.
Generell war ich immer ein Fan von Dere als Gesamtwerk und kann zumindest behaupten, sogar für drei Kontinente offizielle Texte beigesteuert zu haben, deswegen finde ich es sehr traurig, dass außerhalb von Aventurien aktuell leider nichts mehr passiert. Uthuria hatte immenses Potential, was leider nicht genutzt wurde und gerade Myranor hat sich bis zum Ende in eine sehr spielbare Richtung entwickelt.
Der Charme von DSA war für mich, dass ich mir eigentlich nach so gut wie jedem 4er Regionalband vorstellen konnte, in dieser Region mal ein Abenteuer zu spielen oder zu leiten. Ganz oben bei den aventurischen Regionen sind bei mir dann aber das Orkland und Svellttal und Almada. Gefolgt vom Horasreich, Maraskan und Albernia. Weswegen ich mich damals auch gefreut habe, in den aventurischen Jahrbüchern zwei meiner Lieblingsregion auf den neuesten Stand bringen zu dürfen.
Nandurion: Spielst du heutzutage noch Pen&Paper und wie relevant war früher das Thema online zu spielen?
Julian: Die letzten Jahre waren für mich sehr arm an Pen&Paper. Allerdings habe ich es geschafft mitten im Coronalockdown eine Onlinerunde zu starten und daraus hat sich eine kleine Splittermond-Spielrunde entwickelt. Das ist zeitgleich auch mein erster Ausflug ins Thema Rollenspiele online spielen und ich muss sagen, selbst in Deutschland funktioniert das mit diesem Internet in der Hinsicht ganz okay.
Nandurion: Wie hat sich die Stimmung in der DSA-Community und der Austausch mit der Leserschaft im Laufe der Zeit entwickelt?
Julian: Da kann ich keine richtige Aussage zu treffen, da ich aus diversen Gründen schon seit gut vier Jahren die DSA-Community nicht wirklich verfolge. Das liegt zum einen an meinem doch sehr zeitintensiven Engagement für die Partei Die PARTEI, für die ich hier in Hannover mit meinen Fraktionen im Stadtrat (deren Geschäftsstelle ich auch leite) und der Regionsversammlung sitze sowie Kreisvorsitzender in Hannover und stellvertretender Landesvorsitzender von Niedersachsen bin. Der andere Grund ist, dass ich mit DSA5 bisher nicht sehr warm geworden bin und durch einige Wechsel im Verlag auch kaum noch Kontakt bestand.
Nandurion: Welche anderen Rollenspielprodukte hast du neben DSA kennengelernt und was gefällt dir darunter besonders, evtl. auch einzelne Publikationen?
Julian: Tatsächlich ist DSA für mich immer noch ein Stück Zuhause und wird für mich immer DAS Rollenspiel bleiben. Der Detailgrad an Geschichte ist einfach einzigartig und lässt sich nur schwer mit anderen Welten vergleichen.
Andere (gespielte) Ausflüge beschränken sich dann eher auch auf bekannten Mainstream. Ich liebe den cthulhoiden Horror, der allerdings nicht mit jeder Runde funktioniert und das Regelsystem passte für mich leider nie zum Setting.
Wie schon erwähnt finde ich auch als Kontrastprogramm Shadowrun sehr erfrischend und ich bin ein großer Freund vom Hamburg-Setting, allerdings komme ich da mit den Versionen kaum hinterher und bisher gab es noch keine Runde, in der das Hacking wirklich gut am Spieltisch funktioniert hat.
Weiterhin ist Splittermond eine gelungene Alternative zu DSA und gerade die schlankeren Regelinstrumente sind sehr entspannend und ich hoffe noch viele Onlinesessions in nächster Zeit auf Lorakis verbringen zu können.
Last but not least: Hollow Earth Expedition. Nazis, Dinosaurier, Nazis auf Dinosaurier! Ein spaßiges Pulp-Setting, flotten Regeln und das erste System was ich damals als Supporter für den Uhrwerk Verlag supporten durfte. Das war für mich der Einstieg in die Welt der offiziellen Conrunden, ohne die ich vermutlich nie später mal als Alveraniar und kurzer Myraniar tätig gewesen wäre.
Nandurion: Welchen Roman – den nicht jeder kennt – sollte man als Pen&Paper-Spieler*in gelesen haben?
Julian: Die meisten Bücher, die sich bei mir auf dem Nachttisch stapeln, sind aktuell eher Sachliteratur und nur Roll Inclusive hatte sich thematisch passend dazwischen gemogelt. Deswegen würde ich davon ab lieber den Comic Nimona von Noelle Stevenson empfehlen, mit dem jede*r Spieler*in ihren Spaß haben sollte und zum anderen Queer*welten von Judith Vogt, Kathrin Doedenhoft und Lena Richter, ein queerfeministisches Sci-Fi- und Fantasy-Magazin, dessen zweite Ausgabe gerade erschienen ist.
Nandurion: Kennst du einen Film zum Thema Pen&Paper, den du empfehlen würdest?
Julian: Ich bedanke mich für diese Frage, möchte aber eine andere Frage beantworten und möchte euch den Genderswapped Podcast von Judith Vogt und Lena Richter (ja, die beiden nochmal) ans Herz legen. Zum einen macht es Spaß den beiden zu Lauschen und zum anderen berichten sie über wichtige Themen am Rollenspieltisch und aus der Rollenspielwelt, die zumindest bis vor ein paar Jahren noch viel zu kurz kamen.
Nandurion: An welchen Projekten arbeitest du aktuell?
Julian: Meine aktuellen Projekte sind meine zwei Kinder (zwei Wochen bzw. dreieinhalb Jahre jung) sowie die politische Machtergreifung durch meine Wiederwahl in Hannover bei der Kommunalwahl 2021. Das führt aktuell (leider) dazu, dass mir für Schreibprojekte einfach die Zeit fehlt, auch wenn es mir in den Händen kribbelt, mal wieder in die Welt der Rollenspiele einzutauchen.
Irgendwo hege ich noch den Gedanken meine Ideen und gestellten Weichen zum Thema Orkland/Svellttal und Almada zu verwirklichen. Dafür gibt es aktuell aber weder Planung noch Anzeichen, doch wer weiß.
Vielen Dank für eure Anfrage, lasst euch feiern und auf viele weitere Jahre!
Nandurion dankt für das gerade noch zum Jubiläum fristgerecht eingereichte Interview
und wünscht euch alles Gute nachträglich zur Geburt eures Kindes!
El Presidente! Ich wünsche Dir und uns allen, dass wir Dich bald auch ganz offiziell in Deutschland mit diesem Namen ansprechen dürfen. Wenn unsere Republik sich erst einmal anfühlt wie ein einziger großer Nandurion-Chat anno 2011, kann uns nichts mehr passieren. Ich werde heute Abend auf Dich und in Erinnerung an die großartige gemeinsame Zeit ein Glas trinken.
Danke auch an Nandurion für das schöne Interview.
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