Schüttelspeer lässt grüßen
Die Last der Türme – ein sehr passender Name, buchstäblich, wie sich im Finale des Romans zeigt. Ja, ein Finale! Das, was dem ersten Buch gefehlt hat, existiert im zweiten Band der Reihe und ist auch ein echtes Highlight.
Aber zuerst mal von Anfang an:
Es geht diesmal um zwei Hauptstränge; der eine ist die heimliche Liebesbeziehung zwischen Boromeo und Jazemina, der sich vermutlich durch die gesamte Türme von Taladur-Reihe erstrecken wird. Am Ende des ersten Teils wurde Boromeo in ein Arbeitslager verschleppt, und so wird diesmal erzählt, welch menschenunwürdige Bedingungen dort herrschen und welche schrecklichen Dinge sich dort noch zutragen. Jazemina hingegen versucht herauszufinden, wo sich Boromeo befindet, und landet daraufhin bei den Traumwanderern, einer Sekte von Träumern (mit Drogen und so), in der auch Boromeo Mitglied ist.
Die Geschichte wird im zweiten Teil zwar nicht entscheidend vorangebracht, jedoch gibt es lesenswerte Szenen, sowohl mit Boromeo und den Ereignissen um das Arbeitslager als auch mit Jazemina und ihren gemeinsamen Träumen in der Sekte um den zwielichtigen Anführer Yelador. Jazemina ist mir dadurch allerdings nicht sympathischer geworden, sie verhält sich nach wie vor sehr naiv und lässt sich von anderen weiterhin leicht steuern. Ich bin gespannt, ob über die nächsten Teile bei ihr noch eine Veränderung stattfindet.
Zweieinhalb Männer
Der zweite Handlungsstrang dreht sich um die Familie Xetarro, genauer: um Lumino, den alten und magisch potenten Soberan* und seine zwei adoptierten Sprösslinge, den zahoristämmigen Zahir und den pubertierenden Hesindio. Die Frage des Nachfolgers steht an, und es besteht bei allen kein Zweifel daran, dass Hesindio der Mundillo* wird.
Wie es sich für Taladur gehört, geht es auch hier hauptsächlich um Liebe, Macht und Intrigen, diesmal alles innerhalb der Xetarros. Zahir gibt dabei den sympathischen Helden, mit dem sich der Leser und die Leserin identifizieren soll – oder besser: Jeder Mann will so sein wie er, und jede Frau will ihn haben. Er ist definitiv zu ehrlich für Ränkespiele und daher ideal als Mirhamionette, sowohl für seinen Ziehvater als auch für seinen jüngeren Bruder. Hesindio hingegen ist das Arschlochkind, das nach außen hin jedem Honig ums Maul schmiert, dabei aber nur an sich denkt und, wenn er erst mal groß ist, dafür sicher auch über Leichen gehen wird. Man möchte ihn auf jeder einzelnen Seite des Buches über’s Knie legen.
Hesindio ist ganz der Papa, denn Lumino ist ebenso hinterhältig und intrigant, auch wenn er dabei eher den Fortbestand seiner Familie zum Ziel hat, denn eigene Macht hat er wohl schon genug angesammelt, da er auch noch Hellsichtsmagier und entsprechend gefürchtet in der Stadt ist.
Der Autor, André Wiesler, spielt gut mit den gegensätzlichen Hauptfiguren. Zahir durchlebt im Buch eine Wandlung vom anfangs sehr naiven Jungen, der einfach nur gut fechten kann, zum hinterfragenden Erwachsenen. Hesindio hingegen wird sich vermutlich nie ändern, aber es hat Spaß gemacht, seine stets fiesen Gedanken lesen zu dürfen und die Antipathie gegen ihn immer mehr aufzubauen. Lumino war zwar ähnlich und – da erwachsen und magisch – viel mächtiger, allerdings fand ich seine Entscheidungen nicht immer logisch. Vielleicht hätte es gut getan, noch mehr Einblick in seine verworrenen Gedanken zu geben. Diverse Sexszenen haben mich positiv überrascht, sind sie doch nicht sinnlos eingefügt worden, sondern tragen auch etwas zur Geschichte bei. So wird gleich auf Seite 4 beschrieben, wie Zahir sich mit einer Zofe „vergnügt“, während Lumino ihm die Hand hält. Eine klare Machtdemonstration des Vaters gegenüber dem Sohn in der intimsten Alltagssituation.
Nebensächliches gibt es auch
Der Roman nimmt für meinen Geschmack ein wenig zu langsam an Fahrt auf, erst auf den letzten 50 Seiten geht es so richtig los. Durch die ersten Passagen musste ich mich etwas quälen, um in das Buch hineinzufinden. Die Nebenschauplätze, die im ersten Teil Erwähnung finden, bleiben auch hier nebensächlich. Es wirkt, als wolle man schnell die Ereignisse abarbeiten, damit sie im dritten Teil weiterbehandelt werden können. Dazu gehören die Familia Cordellesa, das Biest Doloresa und der Mord an der Ratsmeisterin. Ja, der Mord, der ganz am Anfang der Taladur-Reihe steht und wohl zu einem Hauptanliegen der Autoren gehören sollte, wird hier in einem Kapitel abgehandelt. Dort wird erklärt, wer der Mörder ist und welches Motiv er hatte. Da hätte ich doch wesentlich mehr erwartet. So hätte man es konsequenterweise gleich weglassen können. Wenigstens erfährt nur der Leser von den Hintergründen, sodass die Aufdeckung des Mörders in den Nachfolgebänden schön thematisiert werden könnte.
Um überhaupt die Nebenschauplätze verstehen zu können, empfiehlt es sich übrigens, den ersten Band zu lesen, denn eine Zusammenfassung der bisherigen Ereignisse gibt es nicht.
Fazit
Alles in allem ist Die Last der Türme ein recht guter Roman geworden, der mich zwar nicht immer gefesselt, sondern manchmal etwas gequält hat, aber zum Schluss hin immer besser wurde. Die Personen sind glaubwürdig, wenn auch manchmal für meinen Geschmack zu stereotyp, und viele davon richtig schön intrigant, wie es sich für Taladur gehört. Das Ende ist, wie ich es mir gerne wünsche: Jemand stirbt. Und doch bleibt eine große Tür offen für zukünftige Konflikte. Ich freue mich jedenfalls auf den dritten Teil.
Die Hälfte der Einhörner findet sich auf jeden Fall ein. Natürlich aufgerundet, da halbe Einhörner nicht schön aussehen. Ein schwarzes Einhorn aus Jazeminas Traum hat sich noch dazugemogelt, sodass nun 6 Einhörner für die Bewertung angetrabt kommen.
* Der Soberan ist das Oberhaupt einer Familia, der Mundillo ist sein designierter Nachfolger.
Interessant, wie aus der Last im Fazit plötzlich das Spiel wird… 😉
Auf jeden Fall wurde ich jetzt dazu angeregt, den Roman noch einmal zu lesen. Irgendwie entging mir, wer der Mörder ist…
Fehler wurde ausgebessert, danke für den fixen Hinweis 🙂