Schwerter und Giganten

Ende 2013 erschien Die Welt der Schwertmeister. Ein längst totgeglaubter Teil Deres, die Hohlwelt, existierte plötzlich wieder jenseits von ein paar Absätzen in Wege der Zauberei, aus dem Grab geholt von der Riege um Arne Gniech und Marcus Jürgens, der vermutlich einzigen seit der alten Schwertmeisterbox durchgängig bestehenden Tharunrunde Deutschlands. Anfang 2015 kam dann Wege nach Tharun, welches dem Hintergrund den 4.1er Regelsatz überhalf und an die Erfordernisse des Settings anpasste. Und schließlich folgte nun im Januar 2018 auch Schwerter und Giganten, der angekündigte Abenteuerband. Jetzt könnte man über die Verzögerungen klagen, ich sehe es schlicht positiv: Drei Jahre dürften knapp genug Zeit gewesen sein, um durch die Regeln der Runenmagie durchzusteigen. Also, voran ans Werk!

Bei Schwerter und Giganten handelt es sich um ein massives Buch von 192 Seiten im alten Layout, aufgeteilt auf drei Abenteuer, sowie eine doppelseitig farbig bedruckte A3-Karte mit den bespielten Inseln (der Rest des Werks ist in schwarz/weiß gehalten). Damit noch nicht genug, denn seit Kurzem findet sich auf der Uhrwerkhomepage noch Downloadmaterial mit weiteren 73 Seiten. Das klingt jetzt nach mehr, als es tatsächlich ist, denn darunter finden sich auch nochmal alle Karten des Abenteuers, mit den Farbkarten in drei Versionen schwarz/weiß, bunt und bunt ohne SL-Anmerkungen. Und zudem: Regeln, denn aufgrund des 4.1-Moratoriums, dem der Uhrwerkverlag ab 2016 unterlag, durfte das Abenteuer selbst keine Regeln enthalten. So verfügt der Band zwar über Wertekästen für seine NSCs, aber abseits der Eigenschaftswerte sind eben keine expliziten Regelbegriffe abgedruckt. Stattdessen wird gerade im ersten Abenteuer mit stellenweise arg klobigen Umschreibungen gearbeitet, wie zum Beispiel: “Besonderheiten: Ma’yl erleidet nicht so leicht schwere Wunden. Er ist aufgrund seiner Robustheit in der Lage, bis zum Tod weiterzukämpfen und auch schwerste Verletzungen zu überstehen.” Alternativ könnte man an der Stelle auch sagen: “Eisern, Zäher Hund.” Wenn man halt könnte. Stattdessen finden sich die regeltechnischen Angaben eben im PDF, zusammen mit Karten und hilfreichen Kulturbeschreibungen. Auf der positiven Seite kann man sich so besser die Werte zusammenkopieren, die man zum Beispiel für Kämpfe gesammelt braucht. Und auch die insgesamt 9 Seiten Runenzauber verschiedener Charaktere hätten es vermutlich sonst nicht ungekürzt ins Buch geschafft. Und wo wir grad bei tharunspezifischen Dingen sind: Sämtliche Enduriumwaffen des Buchs (und davon gibt es immerhin ein gutes Dutzend) werden mit Eigennamen, Herkunft und Eigenschaften der Erzseele beschrieben. Sehr schön!

Aber zurück zum Band selbst: Das Korrektorat ist größtenteils gut, nur einmal habe ich bisher die Insel Japen als Japan gefunden. Die Bilder sind solide und bilden meist NSCs der Abenteuer in verschiedenen Szenen ab. Vor allem aber sind die Karten überaus hilfreich, die man von den meisten wichtigen Schauplätzen hier vorfindet, und auch das anderthalbseitige Glossar am Ende des Buchs hilft, wenn man wissen will, ob eigentlich der Shin-Makar zu seiner Shin-Dhara einen Shinxasa bekämpfen musste. Zu haben ist das gute Stück für 34,95 € als Hardcover oder für 19,99 € als PDF.

Da nun die Besprechung der einzelnen Abenteuer folgt, empfehle ich potenziellen Spielern, den Browser zu schließen, wenn sie sich nicht gar aufs Schrecklichste verspoilern wollen. Arkan’Zin verzeiht nicht!

Unter fremder Sonne

Kein gelbes U-Boot, bringt aber trotzdem zu neuen Horizonten: die Tiefenträumer (von Sven Dekubanowski)

Das erste Abenteuer aus der Feder von René Littek ist als Einstiegsabenteuer für Tharun konzipiert. Einstieg ist dabei ganz wörtlich zu nehmen, denn die Charaktere beginnen das Abenteuer in Aventurien. Oder in Myranor, denn im Band finden sich immer wieder kleine hilfreiche Kästen, wie das Abenteuer sich verändert, wenn man es mit myranischen Helden spielt. Wie schon eine andere große Expedition beginnt auch diese zu den Hesindedisputen in Thorwal, wo es mehrere Optionen gibt, wie die Helden auf den Plot aufmerksam werden – nötigenfalls werden sie per Runenorakel gecastet und sogar aus weiter Ferne herangeschafft. Mal ernsthaft, Heldenanwerbung per Orakelspruch? Das ist ja wohl der drittälteste Abenteuereinstieg nach “Ihr trefft euch in einer Taverne” und “Ihr wacht in einer Zelle auf”. Wer macht denn heute noch sowas? Ach ja. Naja, hat ja irgendwie auch so einen zeitlosen Charme, nicht wahr?

Der Grund der Anwerbung verspricht auf jeden Fall erstmal Großes: Ein hochelfisches U-Boot namens Tiefenträumer in Gestalt eines hölzernen Riesentintenfischs mit Schiffsseele ist aufgetaucht und behauptet, zusammen mit dem professionellen Spinner Hohlwelttheoretiker Hadumar von Wiesen-Ostreich in Tharun gewesen zu sein, bevor es ohne ihn zurück nach Aventurien fliehen musste. Die Schiffsseele möchte nun eine Rettungsexpedition starten und der/die aktuelle thorwalsche Hetmann/Hetfrau der Hetleute stimmt diesem Ansinnen zur Vergrößerung der thorwalschen Kartothek aus reiner Menschenfreundlichkeit zu. Und ja, die Beschreibung des Thorwaleroberhaupts ist bewusst gewählt, denn das Abenteuer ist zeitlich variabel gelagert und gibt auch die wesentlichen Veränderungen für ein früheres oder späteres Startdatum an, was zum Beispiel die aktive Quanionsqueste oder das Pergament des Reisenden angeht. Auch finden sich ein paar Ideen für alternative Auftraggeber.

Das Boot selbst ist auf jeden Fall gleich mal ein Höhepunkt des Abenteuers, das die zwei Seiten Beschreibung vollends verdient und vom Fantasylevel durchaus mit der Sulman al’Nassori und ähnlichen Werken mithalten kann. Insbesondere die Steuerung, die in fortgeschrittener Variante eine intime Beinahe-Verschmelzung mit dem Schiff beinhaltet, ist ein großartiges Konzept. Würde es nicht um eine Reise in die Hohlwelt gehen, würde ich sagen, dass dieses Schiff eigentlich schon zu viel Fantasy im ersten Akt des Abenteuers ist, doch ein guter SL sollte imstande sein, auch am Zielort der Reise noch genug Sense of Wonder einzubauen. Auf jeden Fall sollte man sich aber Gedanken machen, was mit dem Schiff am Ende des Abenteuers geschieht, falls man nach Aventurien zurückkehrt, da es viele Seefahrtsabenteuer doch etwas sehr vereinfachen würde – es kann sich natürlich durch seine Eigensinnigkeit jedem plottechnisch ungewünschten Zugriff leicht entziehen, aber andererseits könnte es für eine hochstufige Gruppe auch zurückkehren, wenn es eines Tages gilt, Bahamuts Ruf zu folgen.

Ein Schwachpunkt soll aber nicht unerwähnt bleiben: Es gibt keinerlei Angaben bezüglich einer magischen Analyse des Schiffs. Und während man das bei der nahen Thorwaler Hellsichtsakademie noch irgendwie hingebogen bekommt (“Und dann meinte sie: Wer mich so anstarrt, kriegt ein Bad im winterlichen Fjord spendiert!”), wird es doch schwierig, die SCs die komplette Reise über davon abzuhalten. Die Analyse einer größeren Ansammlung hochelfischer Artefakte ist vielleicht nicht das, was man als SL locker aus dem Ärmel geschüttelt bekommt.

Wenn die Helden mit einer Schiffsseele noch nicht ausgelastet sind, bietet das Abenteuer auch noch insgesamt zwölf NSCs, die sie auf der Expedition begleiten, unterstützen oder behindern können, mit klassischen Rollen wie “Magischer Berater”, “Besserwisserin” und “Verräter mit eigener Agenda”. Dem SL wird hier vorgeschlagen, nach Belieben so viele auszuwählen, wie in sein Abenteuer passen und er sich darzustellen zutraut.

Sind die Leinen losgemacht, folgt nach einem kleinen Intermezzo mit ein paar PTgAdS (Patriotischen Thorwalern gegen die Arkanisierung der Seefahrt) dann auch schon die mehrtägige Tauchfahrt mit ein bisschen Forschungs- und Gesellschaftsplot in der Tiefsee, bis am Ende noch ein zu bekämpfendes Seeungeheuer auftaucht. Abtaucht? Umtaucht? Egal. Zum Kampf (bzw. dem eher anzuratenden schnellen Durchbruch samt Flucht) finden sich zwar weder im Abenteuer noch im Bonusmaterial richtige Regeln, aber zumindest ein paar Ideen, wie sich die Charaktere einbringen können.

Dann lassen die Helden schließlich die Tiefsee hinter sich und tauchen Unter Fremder (nämlich tharunischer) Sonne auf. Das Abenteuer bietet hier schon ein paar recht gute Hilfestellungen, wie die Helden die Fremdartigkeit der tharunischen Geographie mitbekommen können. Hinzufügen möchte ich zum einen noch den Hinweis, dass der Wechsel vom winterlichen Thorwal zur feuchtwarmen Insel Balmora eine Erwähnung verdient. Zum anderen kann man den Verlauf der merkwürdigen tharunischen Sonne wunderbar nachstellen, falls man am Spielort zufälligerweise LEDs mit Farbwechselfunktion als Lichtquelle verfügbar hat.

Wichtiger Teil der tharunischen Etikette: Nicht über Kriegsschildkrötenreiter lachen! (von Björn Lensig)

Zur Einführung in die tharunische Gesellschaft nutzt das Abenteuer einen schönen Kunstgriff: Hadumar von Wiesen-Ostreich ist zwar nicht vor Ort, hat aber einigen Tharunern schlicht Garethi beigebracht und mit seiner großzügigen Überlassung eines Artefakts auch erstmal ein gewisses Wohlwollen gegenüber seltsamen Fremden erwirkt, so dass die SCs zu einem bestimmten Grad Narrenfreiheit haben und nicht der erste gesellschaftliche Fehltritt gleich das Abenteuer beendet. Die wirklich mächtigen NSCs erst später eintreffen zu lassen, wie es das Kapitel vorsieht, erscheint mir dabei ebenfalls sinnvoll. Und dass die wahrscheinlichste Dolmetscherin eine intrigante Ader hat und später ihre Stellung voll und ganz ausnutzen könnte, ist eine nette Idee, wie auch allgemein das Kapitel wieder mit interessanten Figuren aufwartet.

A propos nicht vor Ort: Hier wandelt sich die Zielstellung des Abenteuers. Die Helden finden zwar Hadumars Haus (samt meiner Lieblingsstelle des Abenteuers: die Geheimtür, auf der groß und deutlich GEHEIMTÜR draufsteht – allerdings in für Tharuner unbekannten Kusliker Zeichen), doch in seinem Tagebuch erfahren sie, dass er schon vor einiger Zeit die Insel verlassen hat. Und an dieser Stelle hakt aus meiner Sicht das Abenteuer gleich doppelt, denn erstens ist Hadumar irgendwie schon 380 Tage in der Hohlwelt, während der restliche Plot schreibt, das Hochelfen-U-Boot sei schnurstracks nach Thorwal zurückgekehrt, so dass eigentlich inklusive Heldenanreise höchstens vier, fünf Monate vergangen sein könnten. Das kriegt man aber mit einer längeren Irrfahrt und Genesungsphase geflickt. Zudem geht das Abenteuer offenbar davon aus, dass die Helden schlicht mit den Schultern zucken, Hadumar aufgeben und die lokalen Probleme der Balmorer für interessanter halten, ohne dass erstmal eine offensichtliche Belohnung oder sonstige Motivation jenseits von “denen geht’s halt schlecht” winkt.

Die Balmorer haben nämlich ihre eigenen Schwierigkeiten mit einem Morguai (Blutmagier) und dessen Tochter, die versuchen, mittels eines Artefakts und ihrer eigenen Magie die Lebenskraft einer Gigantin, verkörpert durch das Gebirge der Insel, auszusaugen. Das führt auch schon zu kräftigen Problemen in Form von Missernten und allgemein absterbender Natur. Die Helden können zunächst noch ein wenig in einem Mordfall ermitteln, der mit dem Artefaktdiebstahl zusammenhängt, am Ende machen sie sich aber mit einem Schwertmeister samt Helferlein auf den Weg, den Fiesewicht zu stellen. Auf dem Weg dorthin gibt es nochmal ein paar spannende tharunische Phänomene wie die Nanja-Heiligtümer, das Finale des Abenteuers ist aber ein ziemlich geradliniger Dungeoncrawl mit böse kicherndem Schwarzmagier. Interessant dürfte noch die Belohnung sein: Neben ein paar Runensteinen kann man das beseelte Enduriumschwert eines zum Untoten erhobenen Schwertmeisters abgreifen. Sollte dieser Gegner zu stark sein, bietet es sich aus meiner Sicht an, während des Kampfs die Schwertseele gegen ihn rebellieren und immer mal wieder zu Fehlschlägen verleiten zu lassen, denn ein gammeliger Untoter dürfte für die eitle Seele vermutlich kein erstrebenswerter Meister sein.

Am Ende des Abenteuers steht die Frage nach der Fortsetzung: Die Gruppe kann prinzipiell mit der Tiefenträumer wieder nach Aventurien zurückkehren, es ist aber auch möglich, in Tharun zu verweilen und zum Beispiel nach Hadumar zu suchen, entweder mit Schiff oder ohne.

Zwischenfazit: Grundlegend halte ich Unter Fremder Sonne für ein sehr solides Abenteuer, sowohl für einen Kurzausflug in die Hohlwelt als auch für den Beginn einer dortigen Kampagne. Das Abenteuer stattet die Charaktere mit einer guten Startposition aus, von der sie weiter die Welt erforschen können. Besonders lohnenswert erscheint es mir, das Abenteuer mit Veteranen der Phileassonsaga zu spielen, die sowohl mit der thorwalschen Seefahrt als auch mit seltsamen Expeditionen und besonderen Schiffen schon ihre Erlebnisse haben. Nicht ganz so gut gelungen finde ich die Überleitung vom Plot “Rettet Hadumar!” zum Plot “Wer ist eigentlich dieser Hadumar, wir haben hier einen Schwarzmagier zu plätten!”. Denn insbesondere, wenn die Charaktere in gar zu viele Fettnäpfchen treten oder die Schattenseiten der Tharuner Gesellschaft zu stark ins Rampenlicht gerückt werden, mag es um die Hilfsbereitschaft nicht zu gut bestellt sein. Insgesamt ist das Abenteuer als Entdeckungsszenario aber auf jeden Fall zu empfehlen. Eine Runde mit einem Spielleiter, der den Sense of Wonder des Entdeckens einer neuen Welt gut rüberbringen kann, wird damit viel Freude haben.

Die Jagd von Japen

Gift und Galle lauern auf die Helden – und in den Dschungel geht es auch noch! (von Sven Dekubanowski)

War das vorige Abenteuer noch der Einstieg nach Tharun, sollten die Charaktere hier schon mit beiden Beinen auf dem Boden der hohlweltlichen Tatsachen stehen. Auf dem Programm stehen Intrigen, Mord, Verrat und Krieg im Reich Hashandra, genauer: Den Inseln Bekan und Japen.

Das Abenteuer von Arne Gniech bietet dem Spielleiter, dessen Anforderungen es zu Recht als “sehr hoch” beschreibt, zwei große Herausforderungen: Erstens muss er mehrere Dutzend NSCs mit jeweils eigenen Agenden und Loyalitäten überblicken. Zweitens muss er in den Spielern Respekt für einen NSC schaffen, zu dessen Titeln “Träger der Ananaskrone” zählt. Bei letzterem halte ich Hopfen und Malz für allgemein verloren, bei ersterem … nunja. Der SL erhält zusätzlich zu den Profilen eine tabellarische Auflistung und einen Stammbaum. Leider scheint mindestens einem Charakter (der Spitzelin Rahil) eine eigene Charakterbeschreibung abhanden gekommen zu sein, obwohl es einen ins Leere laufenden Seitenverweis auf sie gibt und sie für einen Ausläufer des Plots nicht völlig unwichtig ist. Ich würde auf jeden Fall empfehlen, sich als SL die Meisterpersonen nochmal herauszuschreiben und grafisch ins Verhältnis zu setzen – auf eine derartige Mindmap hatte ich im Bonusmaterial eigentlich gehofft, wurde aber leider enttäuscht. Und wo ich gerade am Mosern bin: Es mag zwar sehr stimmig sein, keine Altersangaben zu tätigen, weil Tharun kein Konzept von Jahren hat, aber es ist schon etwas irritierend, von den “jungen Kindern” des Inselherrschers zu sprechen, von denen eines kurz vor der Schwertmeisterweihe steht. Auch wenn man als SL die NSCs am Ende im Kopf hat, muss man natürlich noch zusehen, sie den Spielern begreiflich und unterscheidbar zu machen, was gerade bei den tharunischen Namen nicht ganz leicht ist. Der Autor empfiehlt hier, die NSCs möglichst nach und nach einzuführen und mittels des tharunischen Hofprotokolls die Namen permanent zu wiederholen, bis sie irgendwann sitzen. Im Zweifel sind aber auch ein paar Personen markiert, die man einfach weglassen oder in den Hintergrund verschwinden lassen kann.

Zur eigentlichen Handlung: Die Helden kommen auf der Insel Bekan an, wo sie am Hof des Inselherrschers freundlich empfangen werden. Dekata Kilimatar und seine Familie sind für tharunische Verhältnisse tatsächlich mal ziemliche Sympathieträger, was aber auch seinen dramaturgischen Grund hat: Dekata hat nicht eben viele Verbündete, dafür umso mehr Rivalen, und braucht die Helden, um seine Macht zu erhalten. Das Abenteuer beginnt erstmal ruhig damit, dass sich die SCs an Dekatas Hof einleben. Das Kapitel enthält dabei Beschreibungen und Karten von Stadt und Marakai-Feste sowie den ersten Teil der langen Personenauflistung des Abenteuers. Es gibt einige Szenen, die in erster Linie dazu dienen, die Nebenpersonen besser kennenzulernen, aber auch schon erste Herausforderungen bereithalten, wie eine aus der Bahn geratende Schwertmeisterprüfung. Ebenfalls werden einige Gerüchte und Geheimnisse des Ortes aufbereitet. Leider wurde hier stellenweise die schnelle Informationsauffindung dem schöneren Schreibstil geopfert, so dass zum Beispiel bei den Gerüchten um den Richter Dodobikil zwar erwähnt wird, dass er seinen Amtsvorgänger angeklagt und getötet hat, nicht aber, dass das tatsächlich geschah, um zu verschleiern, dass Dodobikil in Wahrheit eine Frau ist. Um das zu erfahren, muss man dann zurück zu ihrem Profil blättern.

Ich hätte mir hier zudem noch ein paar kleine Vignetten abseits der größeren Szenen gewünscht, um mehr Aufhänger für soziale Interaktion mit einzelnen Figuren zu haben – und seien es auch nur belanglose Dinge wie “X schimpft einen Pagen aus, der seine Rüstung nicht ordentlich poliert habe, und klagt danach einem Helden sein Leid”. Ins Rollen kommt das Geschehen mit zwei parallel ablaufenden Ereignissen: Zum einen versucht die Tochter des Herrschers, mit einem Helden anzubändeln, zum anderen kommt mit dem Richter Caatas ein ziemlicher Unsympath an den Hof, dem noch dazu die erwähnte Tochter eigentlich versprochen ist. Da er den Helden beinahe inflagranti erwischt, fehlt mir hier ein wenig die Einordnung, wie die tharunische Gesellschaft die Taten der Tochter bewerten würde. Zudem wird das Artefakt der Tochter etwas widersprüchlich angewandt: Laut Beschreibungskasten ermöglicht es ihr die einstündige Verwandlung in einen Schwan, einen Absatz früher nutzt sie es aber eine ganze Nacht lang. Und nein, die Romanze ist glücklicherweise nicht nötig. Das Abenteuer hält an dieser Stelle auch andere Optionen bereit, mit der guten Frau ins Gespräch zu kommen.

All dies ist aber letztlich nur Vorgeplänkel, denn Caatas überbringt dem Inselherrscher eine Einladung zur herrschaftlichen Jagd auf der Nachbarinsel Japen zusammen mit zwei anderen Gruppierungen – selbstverständlich bedeutet das dann auch eine neue Personenliste. Deren Konstellationen sind ähnlich wie die des ersten Hofes interessant gestaltet, da die eigentliche Gegnerin tatsächlich die Mutter des dortigen Inselherrschers ist, die über Intrigen gefühlt die halbe Personenliste des gesamten Abenteuers auf ihrer Seite hält, während ihr Sohn eher eine Marionette darstellt.

Kilimatar lädt die Helden ein, ihm zur Jagd zu folgen – nicht ohne Hintergedanken, da dort seine Rivalen sonst arg in der Überzahl wären. Auf der Insel angekommen folgt erst ein wenig gesellschaftliches Geplänkel, bevor es dann zur Jagd geht. In letzterer kommen natürlich insbesondere Wildnischaraktere zum Zug, zumal sich hier auch die Gelegenheit ergibt, eins der etwas schrägen tharunischen Reittiere – wahlweise Käfer oder Spinne – für einen SC zu ergattern und später abrichten zu lassen. Natürlich geht weder am Hof noch bei der Jagd alles glatt, wenn sich Kriminalfälle, Jagdunfälle und schließlich auch ein Mordanschlag sowie ein Brigantaiangriff anschließen. Die von Beginn an eisige Höflichkeit wird immer spröder, bis sie schließlich ganz bricht und eine der geladenen Parteien abreist (und wie von Anfang an geplant direkt Kilimatars Insel einnimmt). Die Aufgabe der Helden besteht hier abseits des eigentlichen Jagdgeschehens primär darin, Schadensbegrenzung zu betreiben, wirklich gut wird ihre Seite aber ziemlich sicher nicht davonkommen, da der gesamte Jagdausflug auf die Demütigung von Kilimatar ausgerichtet ist. Das kann am Spieltisch möglicherweise demotivierend wirken, so dass es sich anbietet, auf der eigentlichen Jagd auch ein paar Erfolgserlebnisse zu gönnen. Etwas seltsam wirkt auf mich auch ein Mordanschlag auf Caatas, der gelingen muss, obwohl das Opfer zu diesem Zeitpunkt eine offensichtliche Zielscheibe darstellt – es ist zwar unwahrscheinlich, dass die Helden sonderliche Sympathie für ihn empfinden, aber eine um ihr Ansehen besorgte Gruppe könnte dennoch versuchen, ihn zu schützen, was dann misslingen müsste, um den weiteren Plotverlauf zu ermöglichen.

Eine größere Zäsur liegt in dem Angriff einer Brigantaibande, der zwar abgewehrt wird, aber mit der Entführung des Sohnes von Kilimatar endet (/enden muss). Da der Inselherrscher verletzt darniederliegt, sollen die Helden ihn zurückholen. Eine neue Fraktion? Das heißt natürlich auch eine neue Personenliste, die wieder allerlei interessante Figuren mit unterschiedlichen Interessen einführt. Leider mangelt es an einer genauen Zahl der Brigantai (neben 18 benannten Personen gibt es noch “weitere junge Kämpfer und etwa zwei Dutzend Frauen und Kinder”) und zum ersten Mal in diesem sonst vorzüglich kartografierten Abenteuer fehlt auch ein Plan ihres Lagers. Hier stellt sich vor allem die Frage, ob die SCs auf die Idee kommen, mit den Brigantai, die sich bis eben noch als kompromisslose Gegner präsentierten, nun zu verhandeln und sie sogar auf Kilimatars Seite ziehen wollen. Denn tun sie das, können sie für das Finale tatsächlich an eine wesentlich größere Streitmacht gelangen, weil die Zielstellung der Brigantai eigentlich mittlerweile eine deutlich andere als angenommen ist – nur sehe ich nicht so recht, wie die Charaktere mit ihrem Wissen auf die Idee dazu kommen können, denn die meisten Indizien deuteten zuvor eher darauf hin, dass sie Kilimatars Erzfeinde sind.

A propos Finale: Das findet statt, sobald die Helden mit Kilimatar wieder zurück auf Bekan sind und feststellen, dass in dessen Abwesenheit jemand seine Insel geklaut hat. Die Rückeroberung stellt dann den furiosen und gut gestalteten Endkampf dar, in dessen Verlauf zuvor besonders aufmerksame Helden auch noch einen mächtigen alten Schutzzauber der Insel nutzen können.

Zwischenfazit: Diverse Kritikpunkte weiter oben sollten nicht darüber hinwegtäuschen: Die Jagd von Japen kann ein großartiges Abenteuer sein. Man muss sich als SL nur absolut bewusst machen, dass man jede Menge Arbeit in die Vorbereitung stecken sollte. Wenn man das aber tut und noch ein, zwei Schwächen ausbügelt, hält man einen tollen Intrigenplot in den Händen, an den sich die Spieler sicher noch lange Zeit erinnern werden. Aufwerten kann man das übrigens noch durch einige Szenarien aus dem Uhrwerk!-Magazin, die auf Inseln in der Nähe spielen und beispielsweise als Vorbereitung für das Abenteuer genutzt werden können.

Im Fliederwald

Eine Pilgerfahrt zum Fliederwald – klingt doch eigentlich ganz friedlich, oder? (von Sven Dekubanowski)

Aller guten Dinge sind drei. Das Abenteuer Im Fliederwald stammt von Marcus Jürgens, spielt im Reich Ilshi Vailen und dreht sich erneut um Hof-Intrigen, die zum Sturz einer Inselherrscherin führen könnten (wir erinnern uns: In Ilshi Vailen herrscht Gleichberechtigung, so dass Schwertmeisterin und Schwertmeister zusammen in trauter Einigkeit den Abschaum aus der Bauernkaste drangsalieren können).

Man könnte sich nun fragen, ob das gleich zweimal enthalten sein muss, doch aus meiner Sicht unterscheidet sich der Fliederwald von Japen deutlich, denn während im zweiten Bandabenteuer die Loyalität der Helden relativ klar vorgegeben ist und ein Seitenwechsel relativ fix das Abenteuer beendet, ist hier zwar der genommene Weg linear, aber die Seite kann frei gewählt und sogar im Verlauf des Abenteuers gewechselt werden. Aber dazu später mehr.

Die Personenauflistung scheint mir hier im Vergleich zu den anderen Abenteuern besser gelungen zu sein, da tatsächlich alle wesentlichen Informationen zu den handelnden Personen versammelt sind (natürlich mit Ausnahme der Werte, die aber zumindest nicht wieder ellenlang umschrieben werden). Auch hier versammeln sich wieder ein Haufen unaussprechlicher und unmerkbarer Namen, die nochmal dadurch schlimmer gemacht werden, dass ilshitische Guerai als Nachnamen die Namen eines wichtigen besiegten Feindes annehmen, so dass Abhinvasrajadam Nateenajawasa und Nateenajawasa Jethani nicht mal miteinander verwandt sind, sondern sich nur mal auf die Schnauze gehauen haben. Insofern gilt es auch hier wieder, ein gutes Namensgedächtnis zu entwickeln – zur Entwarnung sei aber gesagt, dass das Personenverzeichnis insgesamt wesentlich kürzer ist. Darauf folgen zwei Seiten voller interessanter Gerüchte, die sehr gut nach dem klassischen +/- Schema aufbereitet sind, das DSA-Veteranen schon bekannt sein dürfte. Unschön erscheint mir lediglich, dass die zwei Personen, mit denen die SCs laut Abenteuerbeschreibung auf einer der Seiten am ehesten interagieren, nur Kurzprofile mit wenigen Wesenszügen statt einer ordentlichen Ausarbeitung erhalten haben.

Das Abenteuer beginnt mal wieder mit der Ankunft der Charaktere auf einer Insel – dieses Mal dem schönen Dimvat. Dort scheint die Inselherrscherin dem Wahnsinn verfallen zu sein und nach einer kurzen Kennenlernphase wird von ihrem Vertrauten beschlossen, dass sie sich auf eine Pilgerreise zum Ojo’Sombri-Schrein im namensgebenden Fliederwald machen wird, der ihr hoffentlich zur Genesung verhelfen wird. Damit in ihrer Abwesenheit ihr Hofstaat nicht putscht, wird dieser kurzerhand eingepackt und mitgenommen, inklusive der Charaktere.

Natürlich eskalieren die Dinge ein wenig: Der Wahnsinn der Herrscherin ist nicht zufällig, sondern wurde von einer Magierin herbeigeführt, die damit einen Herrschaftswechsel zugunsten einer progressiven Fraktion, die das strenge Kastensystem minimal aufweichen will, herbeiführen möchte. Da die Pilgerreise den Zauber beenden und die Intrige auffliegen lassen könnte, müssen die Verschwörer nun schnell handeln und erklären am Ende des ersten Reisetags die Herrscherin offen für abgesetzt. Die Reisegruppe teilt sich nunmehr in Loyalisten und Putschisten auf. Um ein zu großes Blutvergießen zu verhindern, stellt ein anwesender Priester Regeln für den “Wettstreit” auf, die im Großen und Ganzen darauf hinauslaufen, dass die Rebellen einen Vorsprung erhalten und versuchen dürfen, die Loyalisten davon abzuhalten, den Fliederwald zu erreichen. Spannend wird das allein schon durch das Kastensystem Ilshi Vailens, nach dem selbst zum Zweck des Putsches niemand einen Herrscher direkt angreifen darf, so dass es letztlich darum geht, die gegnerische Seite so stark zu schwächen, dass diese nicht mehr gewinnen kann und sich die jeweilige Führungsperson dann ehrenhaft das Leben nehmen darf. So können heimliche Charaktere zwar ihre Stärken ausspielen, aber nicht zum Beispiel durch einen Anschlag auf die Inselherrin oder ihren Rivalen das Abenteuer direkt beenden. Wie oben schon erwähnt, ist nicht vorbestimmt, welcher Seite die Charaktere sich anschließen – nur die Neutralität ist ihnen verwehrt.

Rebelliert nicht etwa gegen die ilshitische Namensgebung: Nateenajawa Jethani (von Tomek Schukalla)

Soviel zur Theorie. In der Praxis muss man (leider?) sagen, dass die Seite der Rebellen einfach cooler ist. Wo die Fraktion der Inselherrscherin ein paar Gefechte gegen die Rebellen und ein Monster schlagen muss, kann man auf Rebellenseite die gefährlichen tharunischen Nächte im Freien überdauern, Kampfplätze präparieren, mit einem Naturgeist sowie einer Brigantaigruppe verhandeln, einen mythischen Berg erklimmen und die Hintergründe der Verschwörung zumindest teilweise aufdecken. Außerdem kann man Kojani-Satsawa Bragga treffen, die mein absoluter Lieblings-NSC des gesamten Bandes ist: eine Guerai, die als früheres Opfer eines arroganten Schwertmeisters erstmal eine natürliche Sympathieträgerin für die Spieler ist. Bis man erfährt, dass sie ihre illegitime Liebhaberin, eine Runenmagierin, in die Intrige um die Inselherrin mit hereinzog. Und davor bereits ihre Jugendfreundin im rituellen Zweikampf besiegte und damit auf dem niederen Guereirang festnagelte. Und im Abenteuerverlauf besagte Jugendfreundin auf eine suizidale Mission gegen einen Priester schicken wird. Und die postmortale Rache dieses Priesters vermutlich dank ihrer Runenmagierfreundin überstehen und sogar noch eine Schwertmeisterweihe daraus herausschlagen wird. Und am Ende sich selbst bei Versagen ihrer Seite noch der Gewinnerin andienen kann, die aufgrund des Ausblutens ihrer Streitkräfte auch kaum eine andere Wahl hat, als ihr sogar noch ein höheres Amt anzuvertrauen. In Tharun gewinnen halt die Mistkerle – sofern die Helden sich nicht gegen sie stellen.

Nach den Reiseetappen gibt es am Rand des Fliederwaldes die vorerst letzte Schlacht. Hier findet sich aus meiner Sicht ein kleines Problem, denn ab hier wird im Abenteuertext stärker davon ausgegangen, dass die Helden auf Seite der Herrscherin sind. Zumeist ist es nicht unendlich schwer, sich den alternativen Ablauf herzuleiten, doch der hakt insofern, als dass für Spieler auf Seiten der Putschisten bei einem Sieg in der Schlacht eigentlich gar kein Grund besteht, den Fliederwald tatsächlich zu betreten – die Inselherrin ist dann bereits tot. Das würde ich so umgehen, als dass die Endschlacht aus Sicht der Loyalisten schlicht eine Finte ist, während die Inselherrin auf anderem Wege verdeckt in den Wald geschafft wird und die Charaktere selbst im Falle eines Sieges ihr nach müssen.

Denn auf den Fliederwald selbst zu verzichten wäre geradezu frevelhaft. Hier gewinnen die Charaktere in traumartigen Sequenzen Einblicke in die Gedankenwelt ihrer Mitreisenden und können so die Ereignisse um die Verschwörung zusammensetzen. Der Haken daran: Um diese Erinnerungen auch zu behalten, müssten sie einen Teil ihrer eigenen abgeben, so dass ein Charakter, der von der kastenlosen Geburt eines Schwertmeisters weiß, dafür seine eigene Herkunft vergessen mag. Eine sehr schöne Zwickmühle, die ich mir auch gut im Spiel vorstellen kann, doch leider wird sie ein wenig dadurch unterlaufen, dass im folgenden Epilog nicht mehr viel aus diesen Enthüllungen entsteht. Auch hier wird im Nachgang wieder nur die Option des Siegs der Inselherrin näher ausgeführt. Die NSCs haben ihre eigenen Erkenntnisse gewonnen, so dass insgesamt ein unangenehmes Gefühl von “Wir erklären mal fix noch den Spielern den Plot, den ihre Charaktere nicht gerafft haben” entsteht, statt dem Erinnerung-Wechsel-Dich-Spiel tatsächliche Plotrelevanz zu verleihen.

Hier würde ich empfehlen, ergebnisoffener vorzugehen und die Szene umzustrukturieren: Die Charaktere verfügen, solange sie am Ojo’Sombri-Schrein in der MItte des Waldes sind, sowohl über die eigenen als auch die fremden Erinnerungen und können sich intern auch darüber austauschen, müssen dann aber auch einzeln darüber entscheiden, welche der fremden Erinnerungen sie jeweils im Austausch gegen eine eigene behalten – eine abgelehnte Erinnerung entschwindet dann natürlich auch dem Rest der Gruppe. Mit getroffener Entscheidung reisen die Helden weiter und begegnen der Gesandtschaft der nunmehr genesenen Inselherrin samt ihres Vertrauten und des Obersten Schwertmeisters, um dort das Zünglein an der Waage darzustellen. Sie sind in der Situation in der Überzahl und die Inselherrin ist faktisch in ihrer Gewalt, sie haben aber möglicherweise auch neue Erkenntnisse, die sie zum Seitenwechsel veranlassen könnten. Die NSCs verfügen von sich aus nur über die Erinnerungen, die dramaturgisch sinnvoll sind (die Runenherrin ist tief erschüttert über den Betrug ihrer Freundin, der Oberste Schwertmeister weiß um seine kastenlose Geburt und will sich deshalb in ein aussichtsloses Gefecht gegen die Helden stürzen) und was sonst enthüllt wird, hängt rein von den behaltenen Erinnerungen der Helden ab. Dann geht es zurück in die “reale” Welt.

Ohne Veränderung des Abenteuers wäre dramaturgisch optimal, aber vermutlich sehr schwer am Spieltisch herbeizuführen, eine Gruppe, die erst bei den Putschisten startet, aber möglichst spät (nach Kojani-Satsawas Schwertmeisterweihe) die Seite wechselt.

Zwischenfazit: Im Fliederwald ist ein räumlich sehr lineares Abenteuer, das seine Stärken sowohl in den Charakteren beider Seiten als auch in den gebotenen fantastischen Szenen findet – gerade das Finale mit der Wahl, welche Erinnerungen die Charaktere behalten, ist großartig. Im Vergleich zur Jagd von Japen ist der Vorbereitungsaufwand zudem etwas geringer und die SCs brauchen weniger AP auf dem Bogen, um größeren Einfluss auf den Plot zu haben, was angesichts der Zahl wirklich langjähriger Tharungruppen (man erinnere sich: ca. eine) sicher hilfreich sein mag. Wem es übrigens völlig unerklärlicherweise an einem passenden Charakter mangelt: Die Tharunmacher haben Simias Werkbank in den vergangenen Adventskalendern mittlerweile drei Archetypen aus Ilshi Vailen spendiert. Negativ aufgefallen ist mir eigentlich nur der Mangel an coolen Szenen auf Loyalistenseite am Anfang, die völlige Vernachlässigung der Möglichkeit eines Rebellensiegs im Finale und die Irrelevanz der geteilten Erinnerungen für den Abenteuerausgang.

Das Sterben, die Hohlwelt und der ganze Rest

Das ist er also, der Abenteuerband zu Tharun. Und damit, so muss man leider sagen, zumindest in näherer Zeit der letzte Tharunband. Denn laut Aussagen von Ulisses, die die Lizenz vor Kurzem heimgeholt haben, ist in Bezug auf die Hohlwelt in der 5. Edition noch nichts spruchreif. Idealerweise sollten also die drei veröffentlichten Bände – Welt, Wege und Schwerter – Tharun am Leben erhalten, bis Ulisses es erneut ausgräbt. Engor hat zu diesem Zweck bereits sein Plädoyer Tharun darf nicht sterben! verfasst, dem ich mich vollumfänglich anschließen möchte. Tharun ist ein cooles Setting – sogar ein Haufen cooler Settings –, das so in der Form nirgends sonst auf Dere existiert. Und es freut mich sehr, dass die Memoria Myrana nunmehr auch ein Schwesterprojekt in Form des Horts der tharunischen Maturai betreibt.

Bleibt die Frage, wie gut der Band selbst für den Fortbestand der Reihe sorgen kann. Unter fremder Sonne ist natürlich das klassische Einführungs-Reiseabenteuer. Doch entgegen dem, was man vermuten könnte, handelt es sich bei den anderen beiden Abenteuern keineswegs um Fortsetzungen. Das erste und das zweite Abenteuer trennen räumlich mal eben an die 17.000 Meilen, das zweite ist vom dritten immerhin noch 5.000 Meilen entfernt (zur Erinnerung: Das ist anderthalb mal so weit wie Aventurien in längster Ausdehnung, in einem Setting mit miserablen Hochseefahrtsfähigkeiten). Will man alle drei Abenteuer spielen, erscheint es mir am sinnvollsten, als Einführung mit einer aventurischen Gruppe Unter fremder Sonne zu spielen, dann auf ilshitische Charaktere (zum Beispiel die oben erwähnten Archetypen) umzusteigen, nach ein paar selbsterdachten Abenteuern dann Im Fliederwald einzuschieben und sich schließlich einen Grund aus den Fingern zu saugen, warum es die Helden für die Jagd von Japen nach Hashandra verschlägt – glücklicherweise ist das Ziel der Rebellen aus dem Fliederwald auch, dort militärische Eroberungen vorantreiben zu können, und der diplomatisch isolierte Kilimatar kann es sich kaum leisten, selbst ilshitische Gäste abzuweisen. Das ist dann aber auf jeden Fall eine längere Kampagne mit sehr, sehr viel Eigenbau, kein “wir spielen mal eben drei Abenteuer runter und schauen dann, was wir weiter mit Tharun anstellen”. Wäre es besser gewesen, direkt aufeinander aufbauende Abenteuer zu veröffentlichen, um einen leichteren Einstieg in die Hohlwelt zu bekommen? Ich weiß es nicht. Die gewählten Abenteuer scheinen mir auf jeden Fall gut geeignet, um etliche Facetten Tharuns wie unterschiedliche Reiche, Hofhaltung, verdeckten und offenen Konflikt, Runenmagie und Götterfurcht sowie natürlich die tharunischen Naturphänomene ins Spiel zu bringen. Mit drei direkt aufeinanderfolgenden Szenarien wäre es vielleicht schwerer gewesen, so unterschiedliche Teile zu beleuchten und zudem tatsächlich in die tharunische High Society aufzusteigen und über das Schicksal von Inselherren mitzubestimmen – gerade dieses Epiklevel war aber das, womit “DSA Professional” mal angefangen hatte.

Absolut wichtig für die Abenteuer ist natürlich, dass sich die Spieler auf die Welt und die Gesellschaft einlassen. Wo man das erste noch relativ gut einfach so durchspielen kann (der tharunische Teil folgt ja in Grundzügen doch “Wehrloses Dorf braucht Helden zwecks Schwarzmagierbekämpfung” und ist bei Etikettepatzern bewusst vergebend ausgelegt), brauchen die anderen beiden auf jeden Fall engagierte Spieler. Wenn die sich nicht eigene Namenslisten erstellen und selbst Schlüsse ziehen, wer gegen wen intrigieren könnte und wem man wie besser nicht auf die Füße treten sollte, kann man als SL faktisch einpacken.

Mehr als schmückendes Beiwerk – Frauen in Tharun (von Thomek Schukalla)

Im Hinblick auf die Spielereinbindung ist natürlich auch die Frage nach weiblichen SCs interessant – gerade in Bezug auf Spielerinnen, die kein Crossgender mögen, aber dennoch in die Hohlwelt einsteigen wollen. Diese haben in Unter fremder Sonne eigentlich keine großen Probleme, sofern sie clever genug sind, in größerer Gesellschaft ihre Waffen an die männlichen Kollegen abzugeben und erst später wieder an sich zu nehmen. Gerade die mitreisenden NSCs sind so gesetzt, dass sie nach etwas Überzeugungsarbeit auch kämpfende Frauen akzeptieren können. Die Jagd von Japen ist demgegenüber schwieriger, da die hashandrische Gesellschaft nicht wie die lanianische Frauen (wenn auch auf ziemlich chauvinistische Art) wertschätzt. Hier muss man sich als Spielerin schon genau überlegen, was für einen Charakter man ins Feld führt – einzig als Delegation aus dem “nahen” (ich erwähnte schon die 5000 Meilen?) Ilshi Vailen hat man möglicherwese relative Wahlfreiheit. Auf jeden Fall scheint mir ein weiblicher Charakter aber gut als Vertraute für den Subplot um die Tochter des Inselherrschers geeignet. Und natürlich gibt es im Wege nach Tharun mal eben sechs Seiten, die sich genau um das Thema drehen – mögliche Rollen gibt es von der Nanurta-Azarai über die Masha bis zur als Mann Verkleideten also durchaus. Übrigens Achtung: Dass es sich bei dem Richter Dodobikil aus dem Abenteuer um eine verkleidete Frau handelt, wird in dem Abschnitt von WnT unter “Frauen in Männergestalt” ohne weitere Markierung gespoilert! Der Fliederwald ist demgegenüber natürlich völlig unkritisch: In Ilshi Vailen herrscht wie erwähnt Gleichberechtigung, mit Ausnahme der meisten Priesterämter stehen alle Berufe und sozialen Schichten auch Frauen offen.

Witziges Detail am Rande, wo wir gerade im Zeitalter von Wege der Vereinigung leben: Unter fremder Sonne und Die Jagd von Japen enthalten durchaus auch romantische Angebote an Spielercharaktere, die aber irgendwie alle von Frauen ausgehen. Einen unerfahrenen Guerai, der unbeholfen eine Affäre mit einem weiblichen (oder männlichen) Charakter anfangen will oder in Erfahrung bringen möchte, wer denn der Vormund einer Heldin ist, damit er um ihre Hand anhalten kann, hätte ich auf jeden Fall noch eine schöne Note gefunden.

Fazit

Schwerter und Giganten stellt für mich einen absolut würdigen Abenteuerband (und – leider, leider – vorerst Abschlussband) der Tharunreihe dar. Die Abenteuer sind gut geeignet, um unterschiedliche Facetten der Hohlwelt zu erfassen. Klar ist natürlich, dass gerade die Jagd von Japen einen unheimlichen Vorbereitungsaufwand bedeutet und auch die anderen beiden nicht mal eben locker flockig aus der meisterlichen Hand geschüttelt werden sollten. Und ich muss sagen, die Detailfehler schmerzen mich schon ein wenig, weil der Band eigentlich noch Besseres verdient hätte. Die Anlagen hat er auf jeden Fall. Insofern:

Neun Guerainhörner kreuzen die Hörner mit Spei-Affen, Rakshasa, Zinakai, Morguai, Intriganten und Shinxasa. Nach zähem Ringen müssen sich zwei geschlagen geben, doch sehr solide sieben wiehern triumphierend und betrachten ihr neues silberglänzendes Fell. Ein achtes mag sich ihnen noch anschließen, wenn der Betrachter besonders auf die exotischen Settings und fremden Gesellschaftsstrukturen steht, die hier erkundet werden.

Weitere Rezensionen in den Limbusweiten

Nandurion dankt dem Uhrwerk-Verlag für das Rezensionsexemplar!
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2 Antworten zu Schwerter und Giganten

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