„Die Streittürme der alten Familias herrschen über Taladur, die Eisenstadt im Herzen Almadas. Nach Ratsmeisterin Giulianas überraschendem Tod beginnt das Spiel um die Macht. Noch bevor der Sarg die Gruft erreicht, werden Fächer aufgeklappt und Degen geschliffen, Intrigen gesponnen und Söldner angeworben. Wird es gelingen, die Wut von Giulianas Familia zu zähmen, bevor sie alles zerstört, was vor ihre Klingen kommt? Unter jenen, die nach den höchsten Würden streben, finden sich auch die Ernathesa und die Amazetti, seit jeher Erzrivalen im Handel mit dem kostbaren Alaun. Gibt es jetzt, wo die Gedanken der Magnaten allein auf die Ausweitung ihres Einflusses gerichtet sind, noch Hoffnung für die Träume zweier Liebender?“
Bernard Craws Startroman der Taladurreihe beginnt vielversprechend: Nämlich mit dem Mord an der Ratsmeisterin Giuliana und damit an der einflussreichsten Person der Stadt. Im Mittelpunkt der Geschichte steht dann im Weiteren aber nicht die Aufklärung dieses Mordes, sondern der Zwist der zahlreichen Familias in Taladur und eine Liebesgeschichte zweier Personen aus verfeindeten Lagern.
Auf Seite 191 steht geschrieben: „Maraskanische Tragödien […] begannen mit einer kaum überschaubaren Anzahl an Figuren.“ Und man möchte fast meinen, dass der Roman sich hiermit selbst charakterisiert. Es werden im Fortgang der Erzählung so viele Figuren erwähnt, dass ich oft beim zweiten Auftauchen eines Namens schon wieder vergessen hatte, wo ich ihn das erste Mal gelesen habe und wer sich hinter dem Namen verbirgt. Zum Glück gibt es ein ausführliches Glossar mit kleinen Anmerkungen, sodass sich der Blick dorthin auch für Leser lohnt, die ein gutes Namensgedächtnis haben.
Das kaum überschaubare Personal an Figuren wird benötigt, um die zahlreichen Stränge der Geschichte zu erzählen, die parallel ablaufen. Diese drehen sich um den fähigen Mordermittler, eine Sekte, einen Handelsmann mit dubiosen Geschäftspraktiken, einen darpatischen Edelmann, eine verstoßene Familia, die Ferkinas, einen Alchemisten, eine geheime Tanzgesellschaft, die Soberans sowie ein Dutzend weitere Familienmitglieder.
Für meinen Geschmack sind das eindeutig zu viele Plots. Das resultierende Wirrwarr vermittelt zwar ganz gut, dass Intrigen und Streitereien in Taladur an der Tagesordnung sind, jedoch habe ich beim Lesen schnell den Überblick verloren. Meine Hoffnung, dass die verschiedenen Handlungsstränge zum Ende hin zusammengeführt werden und die Geschichten dadurch ein wenig mehr an Tiefe gewinnen, wurde leider enttäuscht. Die Plots verbleiben auch auf der letzten Seite weiterhin in der Schwebe und werden nicht zu Ende erzählt. Das Ganze wirkt daher wie ein Vorgeplänkel für einen hoffentlich spannenden Nachfolger und ergibt keinen halbwegs geschlossenen Roman.
Die Personen werden ansonsten recht nett beschrieben, und man erhält einen guten Eindruck in die Gedankenwelt der Hauptprotagonisten und in die Kultur Almadas. Gerade die Sichtweise des oben erwähnten darpatischen Adligen auf die ihm fremde almadanische Kultur fand ich amüsant. Besonders tief gehen die Eindrücke allerdings nie, da stets zur nächsten Handlung geeilt werden muss.
Unschön fällt die Konzeption einer jungen Familienerbin auf, die nach einem Vorfall in der Kindheit einen Parasiten in Form eines grün pulsierenden Kraken im Gesicht trägt. Das erinnert mich ein bisschen zu sehr an Futuramas Gehirnschnecke und wirkt auf mich einfach unaventurisch. Da Herkunft und Wesen des Parasiten nicht aufgeklärt werden und es auch keinen fühlbaren erzählerischen Mehrwert gibt, frage ich mich, was genau mit dieser Verunstaltung der Person eigentlich bezweckt wird.
Warum das Buch dennoch lesenswert ist? Es werden sämtliche wichtigen Personen in Taladur eingeführt und viele Handlungsstränge versprechen eine spannende Geschichte in den nächsten Teilen. Jeder, der sich für die Reihe interessiert, erhält hier daher einen ersten Appetithappen. Ob das zehn Euro wert ist, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Für eine halbe Geschichte geben sich auch nicht mehr als halb so viele Einhörner her. Daher erscheinen insgesamt nur 4 von insgesamt 9.
Mit freundlicher Unterstützung in Form eines Rezensionsexemplars von der Ulisses-Spiele GmbH und dem F-Shop.
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„Meine Hoffnung, dass die verschiedenen Handlungsstränge zum Ende hin zusammengeführt werden und die Geschichten dadurch ein wenig mehr an Tiefe gewinnen, wurde leider enttäuscht.“ Kann ich nicht nachvollziehen, man weiß das die Reihe doch 6 Bände umfassen soll. Da ist es doch nicht verwunderlich das am Ende von Band 1 alle Handlungsstränge offen bleiben. Und ich finde schon das genügend Stränge zusammengeführt werden und man dadurch einen guten Überblick über das Geflecht innerhalb von Taladur bekommt. Da is der zweite Band schon (meiner Meinung) viel schwächer wie der Erste.
Da sich mein Leseeindruck mit dem von tzzzpfff deckt, gebe ich auch mal direkt meinen Senf dazu. Ich denke auch, dass der Roman als Exposition zu einem Sechsteiler recht gut funktioniert (mal abgesehen von diesem Kraken-Unfug… WTF?). So wie ich das Konzept der Taladur-Reihe verstehe, soll das aber nicht – überspitzt – ein Roman in sechs Bänden sein, sondern eine Reihe von sechs Romanen, bei denen jeder Roman für sich eine geschlossene Geschichte erzählt und es darüber hinaus bandübergreifende Plots gibt. Und irgendwie kommt der erste Aspekt bei „Türme im Nebel“ zu kurz, was vermutlich daran liegt, dass der Band die Herkulesaufgabe hat, alle übergreifenden Plotstränge vorzubereiten. Das heißt letztendlich: Jeder, der Lust auf die ganze Reihe hat, kann hier bedenkenlos zugreifen (sofern er in Gedanken diesen Krakenunfug per mentaler Autokorrektur durch was anderes ersetzt), alle anderen sind hier aber nicht gut bedient.