Thesen und Fragen zum Einstieg
Josch: Meine Bruderschwestern! Wie schön, dass ihr euch heute hier mit mir versammelt habt, um über Uthuria bzw. über das aktuelle Bonus-PDF Uthars Land und dessen Rezeption in der Gemeinschaft der (Ex-)Gläubigen zu disputieren. Lasst mich mit einem kurzen Erfahrungsbericht beginnen und euch dann einige Thesen und Vermutungen zum dialektischen Fraß vorwerfen.
Nach dem Erscheinen des erwarteten Bonusmaterials zu An fremden Gestaden gab es sogleich negative Kommentare, und auch meine erste Reaktion war eher verhalten. Als ich dann Arkanils Artikel las, hatte ich zunächst das Gefühl, hier würde mir vollkommen aus der Seele gesprochen. Zuviel Simulationsgedöns, zuviel Regeln und Tabellen, dafür aber zu wenig von dem, was wirklich fetzt und Uthuria von Beginn an verleihen könnte, was das Setting so dringend braucht: Entdeckerfeeling vom Moment der Ankunft an, reichlich Szenarioideen, Mysterien und zahlreiche Details zur Vermittlung von uthurischem Flair, die über die klassische Trias von Waffen, Gift und Getier hinausgehen.
Natürlich wäre es unrealistisch gewesen, zu erwarten, dass das PDF jetzt alle Schwächen des Abenteuers ausgleicht, aber einige Ungereimtheiten in der Überfahrt hätten sich doch noch ausräumen lassen, so, wie man ja, Praios sei’s gedankt, auch die Größe Uthurias endlich auf ein spielbares und dere-konsistentes Maß heruntergeschraubt hat.
Dass man diesen blöden Fluch des Numinoru nicht einfach wegerratieren will, leuchtet mir inzwischen (nach der Lektüre von Grüne Hölle 1) in Grenzen ein, aber einen alternativen und sinnvolleren Vorschlag dazu, wie und warum die Helden sich diesen zuziehen, und vielleicht auch ein paar weitere Ausbesserungen der Macken des ersten Abenteuers in Uthuria, hätten mich mit AfG sicher mehr versöhnt, als es dieses PDF jetzt tut.
Da wären wir also: Hätte, könnte, müsste, sollte, hätte wollen können, sollte gewollt gekonnt haben etc. pp. u.s.w. Also wieder mal alles für den Hugo, was die Grünschnäbel verbrochen haben. NÄÄK!
Inzwischen bin ich deutlich vorsichtiger, was mein Urteil angeht, nachdem ich noch einmal in mich gegangen bin und über einige Dinge reflektiert habe. Und das kam so:
Mir ist nämlich aufgefallen: Wie kommt es eigentlich, dass ich enttäuscht über den Inhalt des Bonusmaterials bin, aber die Gelegenheit nicht wahrgenommen habe, mich selbst an der so löblichen Feedback-Aktion zu beteiligen? Habe ich irgendeine Zeile auf einem der einschlägigen Kanäle geschrieben, um meine Wünsche mitzuteilen? Nein, habe ich nicht. Da muss ich mir also mal an die eigene Nase fassen, und ich vermute, ich bin damit nicht ganz alleine. Warum? Weil meine Uthuria-Vorfreude gleich zu Beginn einen gehörigen Dämpfer bekommen hat und meine Begeisterung für das Thema seitdem eher vor sich hinplätschert. So sag ich es mir. Das ist aber bei genauem Betrachten eine eher missratene Ausrede.
Heinz: Nääääääk Nuk! Näänuk! (Übersetzung: „Mooooment! Ich dachte, mein 20-Minütiger Rant in der Show – und auch eure Rezi von Thamor – wären Feedback genug gewesen? Wegen der Fluch-Sache und der sinnlosen Plots habe ich meiner Schergin sogar erstmals befohlen, das Buch von Tisch zu schubsen. Wie kann man das als Verlag ignorieren?“)
Josch: Wenn wir jetzt mal annehmen, dass der Inhalt des Bonusmaterials so in etwa die Wünsche derjenigen Leute bedient, die sich an der Feedback-Aktion beteiligt haben, dann gibt es eigentlich nur eine Schlussfolgerung. Sie lautet:
(T1) Diejenigen, die sich eher für spannende Abenteuerszenarien und fetzige Sachen anstelle von Tabellen und Wirtschaftssimulationsvorlagen interessieren, sind entweder in der radikalen Minderheit oder aber haben sich kaum an der Feedback-Aktion beteiligt.
Heinz: Nööööööööööök! (Übersetzung: „In solch einer Welt will ich nicht leben!“)
Josch: Das steht jetzt aber alles in auffälligem Kontrast zu den Beschwerden über den Inhalt des PDFs.
Meine zweite These lautet daher:
(T2) Wenn alle, die jetzt mit dem Inhalt des Bonus-PDF unzufrieden sind, sich vorab bei der Feedback-Aktion ebenso ausführlich eingebracht hätten wie jetzt bei der nachträglichen Kritik, dann wäre das Bonus-PDF anders ausgefallen, und vielleicht wären dann auch alle zufriedener.
Nun will ich natürlich niemandem das Recht absprechen, auch ohne Beteiligung an der Feedback-Aktion über deren Resultat zu meckern. Das hier ist das Internet, und da darf sich sowieso jeder permanent über alles beschweren, wenn er oder sie oder es will. Und natürlich ist es auch Aufgabe des Verlags und nicht Aufgabe der Spieler- und Käuferschaft, für die Qualität der Produkte zu sorgen. So weit, so bekannt, so oft wiederholt.
Dennoch, so finde ich, lautet die zentrale Frage, die sich angesichts von „Uthars Land“ stellt, weniger, warum die Autoren nicht den Inhalt gebracht haben, den wir uns gewünscht hätten, und auch nicht, wo genau welche Ausrüstungs- und Ackerbauregeln unrealistisch geraten sind, sondern vielmehr, wie es eigentlich kommt, dass die Resonanz auf diese eigentlich doch sehr begrüßenswerte Feedback-Aktion anscheinend eher mau war.
Allgemein beschleicht mich der Verdacht, dass manch eine(r) sich inzwischen, was DSA betrifft, deutlich eher dazu motivieren kann, einen Verriss oder eine ausführliche negative Bewertung zu verfassen, als sich vorab mit Wünschen und Kommentaren bei so einer Aktion zu Wort zu melden. Das ist schade. Und es erinnert mich sehr an die Endzeiten des ursprünglich so geliebten Alveran-Forums, als man manchen Usern guten Gewissens unterstellen konnte, dass sie dem nächsten DSA-Fehlschlag mit mehr Freude entgegen fieberten als der nächsten gelungenen Aktion. Was also ist uns inzwischen bei Uthuria eigentlich wichtiger: Zufriedenstellende DSA-Produkte oder ein Anlass, um mal wieder über Ulisses und das Redaktions- bzw. Autorenteam ablästern zu können?
Heinz: Neeek nuk Näk! (Übersetzung: „Tendenziöse Frage! Ich finde für mich immer einen goldenen Mittelweg.“)
Josch: Natürlich ist das Verhältnis zwischen Ulisses und Fans teils immer noch alles andere als easy-schneasy, und vermutlich sind die Bösen auch hier immer die anderen. Dennoch, und damit schließe ich:
(T3) Wenn wir Feedback-Angebote der Form „Was fehlt euch und was hättet ihr denn gerne?“ wie im Fall von Uthuria nicht wahrnehmen und dann im Nachhinein dennoch rummöppern, dann dürfen wir uns zumindest nicht wundern, dass die Dinge nicht so laufen, wie wir es gerne hätten. Es sei denn natürlich, wir hätten es gerade so besonders gerne.
Preiset die Schönheit, und widersprecht mir bitte.
Kommentar #1
Vibart: Drei Thesen von Josch, die, wie ich finde, durchaus einen Kern der momentanen Diskussion treffen. Ich habe absolut den Eindruck, dass nach der wortreichen und durchaus in vielen Aspekten berechtigten Kritik am Kampagnenauftakt recht wenig konkrete Verbesserungsvorschläge beim Verlag ankam. Eine Minderheit sind die Abenteurer gegenüber den Sim-Dere-Puristen nämlich sicherlich nicht. Aber es ist eben einfacher zu sagen, was mir nicht gefällt, als zu erläutern, was man genau umbauen müsste, damit es mir gefällt. Und da würde ich mich selbst als durchaus kritischen Spieler gar nicht aus diesem Mechanismus ausnehmen wollen.
Die Lehre wäre aus meiner Sicht auf beiden Seiten zu ziehen. Das laute Foren-Fandom sollte sich bei zukünftigen Nachfragen stärker konstruktiv beteiligen, wenn man sie schon mal lässt und falls Ulisses nach dieser Erfahrung jemals noch mal ein solches „Bring-dich-ein“-Projekt startet. Der Verlag sollte aber auch frühzeitiger den Fans hinterherlaufen, so schwer das aus der Sicht eines „Machers“ fällt, und zusammenstellen, was bis jetzt geäußert wurde und was eventuell noch fehlt. Ist das die Aufgabe eines Verlags? Sicherlich nicht. Wäre es dem Ergebnis zuträglich gewesen? Sicherlich ja. Geht’s uns um Ergebnisse? Einigen ja, einigen wohl auch nicht.
Ich finde darüber hinaus, dass sich einige der Dinge im Bonusmaterial finden, deren Fehlen vorher lauthals beklagt wurden. Nicht wenige Stimmen haben es damals sehr kritsch gesehen, dass das Abenteuer keine Hilfe zum Aufbau einer Siedlung leistet, und das wurde jetzt im Addon nachgeholt. Dass dafür mal wieder Werte und Preise bei DSA aus Selemer Traumgesichten zu stammen scheinen, verwundert nicht, ist aber erneut schade.
Somit würde ich gerne noch These T4 hinzufügen, und zwar in Form einer Weisheit der maraskanischen Asketin Ayiderasab der Zerstreuten:
(T4) „Ein Brei, der von zu vielen Köchen verwürzt wurde, kann auch mit einer Nachspeise nicht mehr den Geschmack des Weisen finden.“
Soll heißen, vermutlich hatte das Bonusmaterial gar keine Chance, denn Uthuria war von Anfang an konzeptionell und vom Produktionsprozess her ein Problemkind. Wer erwartet hatte, ein Download-PDF würde den Kampagneneinstieg retten, leidet ebenfalls unter oben erwähnten Selemer Traumgesichten und baut Luftschlösser zwischen alten Echsenruinen.
Allerdings gibt es auch noch T5. Wieder Ayiderasab:
(T5) „Wer nach dem Arm eines Stürzenden greift und diesen verfehlt, der handelt weiser als der, der jammernd am Klippenrand verharrt.“
Soll heißen: Alleine die Tatsache, dass man sich an das Fandom gewandt hat, dass man auf Kritik reagierte, dass man sich die Arbeit machte, kostenlos Zusatzmaterial hinzuzugeben, ist dem Verlag und vor allem den verantwortlichen Autoren hoch anzurechnen. Dass dabei eher wenig herauskam, ist auch mit die Schuld derjenigen, die jetzt wieder im Netz alles besser wissen. Aber vom Grundansatz finde ich dieses „Sagt uns, was ihr noch dazu haben wollt“ eine schöne Sache, die weiterverfolgt werden sollte.
Ob Uthuria noch aus der stürmischen See herausmanövriert? Es wird sich erst im Folgeband zeigen. Er ist nämlich die echte Chance, die Sache zu retten.
Kommentar #2
Bardo: Ich habe mich sehr gefreut, dass das versprochene Bonusmaterial Uthars Land jüngst veröffentlicht wurde. Vielleicht fixt es sogar den ein oder anderen Uthuriaverweigerer an. Mit den hübschen Illustrationen und dem neuen Uthuria-Layout macht es auf jeden Fall optisch viel her. Und auch inhaltlich finde ich es größtenteils sehr inspirierend. Allerdings habe ich auch ein paar kleinere oder größere Kritikpunkte, die ich nicht verschweigen will.
/Nerdragemodus on/
Komischerweise tauchen nur sehr wenig Änderungen und Ergänzungen bei gerade den Punkten auf, die am heißesten im Vorfeld kritisiert wurden. Dass es tatsächlich so ist, dass die Mehrheit derjenigen, die Feedback gegeben haben, etwas anderes gewollt haben, müssen wir einfach als offizielle Behauptung hinnehmen. Ich persönlich kann mir auch vorstellen, dass gewisse Kritikpunkte eher ignoriert wurden, weil sie abzuändern ziemlich aufwendig gewesen wäre, oder weil man Angst hatte, sich durch deren Korrekturen und dem damit einhergehenden Fehlereingeständnis bei gravierenden Schwächen des Abenteuers eine Blöße zu geben.
Man hat außerdem verpasst, ausgiebige Kultur- und Vegetationsbeschreibungen zu den Inseln nachzureichen, die es möglich machen, eine realistische Einschätzung von Erkundungen vorzunehmen. Die Karibik wurde im Jahr 1492 entdeckt – erst 1520 betraten die Spanier erstmals die Aztekenhauptstadt Tenochtitlan. Das sind fast 30 Jahre! Der Abenteuerplot erlaubt aufgrund des fortgeschrittenen Alters eines gewissen Herrns zugegebenermaßen keinen zeitlichen Spielraum von 30 Jahren. Allerdings hatte ich den Eindruck, dass An fremden Gestaden nicht nur ein reines Abenteuer, sondern auch eine Art Quelle für andere, künftige Uthuriaüberfahrten sein sollte/könnte.
Erstaunlich finde ich zudem, dass es noch immer kein Szenario und keine stimmungsvolle Beschreibung zum Erstkontakt mit dem neuen Kontinent gibt. Arkanil hatte dies ausführlich auf seinem Blog diskutiert, und man stelle sich mal einen Christoph-Kolumbus-Film über die Entdeckung Amerikas vor, in welchem die Kamera gerade noch die Strapazen der Überreise zeigt und im nächsten Moment, wie sich die Entdecker mit Macheten durch den Festlanddschungel schlagen. Und ja: für die, die den Band nicht gelesen haben: Es ist tatsächlich so, dass es keinerlei Kapitel zur Ankunft/zum Ankern vor Uthuria gibt.
Erfreulich ist, dass die Größe Uthurias den gegebenen Bedingungen und der innerderischen Logik angepasst wurde. Zuvor gab es aufgrund der schieren Größe des neuen Kontinents problematische Überschneidungen mit Myranor, dem Kontinent im Westen. Ich hätte mir an dieser Stelle allerdings eine Erklärung gewünscht, wieso gerade auf „ca. 40%“, und wieso zum Namenlosen eigentlich CIRCA? Nicht, dass das genaue Streckenbestimmungen und Reisezeitberechnungen unnötig verkompliziert und zu Streitereien zwischen Meister und Spielern führen kann. Ich hatte den Eindruck, dass sich Thamor vom DereGlobus-Projekt sehr fundierte Gedanken zur Größe Uthurias gemacht hatte, und wenn ich mich recht entsinne, war er auf ungefähr 33% gekommen. Wie ist die Differenz zu erklären? Die Jungs vom DereGlobus-Projekt sind keine DSA-Redakteure, aber neben ein paar Hobbygeographen haben sie auch Geoinformatiker und studierte Geographen in ihren Reihen. Sie sollten also in diesem speziellen Punkt eine ungemein wertvolle Quelle für die Uthuriaredaktion sein. Offenbar hat der Verlag Angst, dass es nach außen so wirken könnte, als hätten die Fans mehr Ahnung von der Materie als der Verlag selbst. Wenn es sich aber offenkundig um ein komplexes Thema wie Geographie handelt, empfinde ich es als Zeichen innerer Größe, wenn man auf die Expertise anderer zurückgreift, anstatt sich selbst was aus den Fingern zu saugen.
Ich finde es fein, dass Tabellen zum Aufbau eines Basislagers in das Bonusmaterial integriert wurden. Die hitzige Diskussion im Ulissesforum, die dadurch angestoßen wurde, dass ein Bauer mit Talentwert 10 unter diesen Bedingungen weniger erntet als sein Eigenbedarf (ohne Familie) beträgt, lässt allerdings erste Zweifel entstehen. Ich selbst habe bisher noch keine Berechnungen mit den in den Tabellen gegebenen Daten durchgeführt und kann daher noch keine eigene Meinung zu diesem Brennpunkt geben. Ich will nur zu bedenken geben, dass Urwaldboden sehr arm an Nährstoffen ist, weswegen viele Urwaldbewohner spezielle Techniken hatten, wie sie den Boden fruchtbar hielten. Das sollte allerdings bei der ersten Ernte noch keine Rolle spielen. Erst bei darauf folgenden Ernten sollten erste Probleme auftreten. Dies ist jedoch explizit im Bonusmaterial nicht erwähnt. Spezifische Probleme dieser Art finde ich als Simulationist und Aufbauliebhaber herausfordernd, und ich fühle mich enttäuscht, da ich gerne etwas gelernt hätte, das über 0815-Standardüberlegungen zur Selbstversorgung hinausgeht. Ich vermisse hier spezifische Informationen zu Problemen, die durch klimatische oder gar kulturelle Besonderheiten des neuen Kontinents entstehen und die strategische Planungen würzen und ihnen ordentlich Lokalkolorit verpassen.
/Nerdragemodus off/
Kommentar #3
Salaza: Nun, grundsätzlich stimme ich mit den hier präsentierten Thesen durchaus überein. Aber vielleicht ist der eine oder andere Gedanke dazu ja doch hilfreich oder von Interesse. Also, hier meine 2 Kreuzer zu dem Ganzen:
Nach der ersten These sollen entweder die Abenteuerliebhaber gegenüber den Harcore-Simulationisten bei unserem Spiel in der Minderheit sein oder erstere sich einfach nicht beim Feedback beteiligt haben. Ich will nicht bestreiten, dass dies die zwei naheliegendsten Möglichkeiten sind, aber man kann sich vielleicht auch Gedanken zur Frage machen: „Warum könnte das so sein?“ Also: Warum haben möglicherweise deutlich weniger der Abenteuerliebhaber als Simulationisten Interesse an Verbesserungsmöglichkeiten bekundet? Ich denke, das liegt doch schon daran, dass An fremden Gestaden für erstere nach allem bisher Kolportierten deutlich uninteressanter ist als für letztere. Bevor der Band erschien, freuten sich vermutlich beide Fraktionen auf das Abenteuer und hätten sich zu dem Zeitpunkt wohl auch beide in eine Umfrage eingebracht. Es verhieß ja die Entdeckung eines neuen Kontinents mit Möglichkeiten für Abenteuer und Möglichkeiten zur Kolonialisierungssimulation. Nach Erscheinen des Bandes dürfte der Gruppe der Abenteuerliebhaber die Lust aber deutlich stärker vergällt worden sein als den Simulationsfreunden, so dass eine Verschiebung in der aktivierbaren Spielerschaft stattfand.
Man könnte als These T6 also von der normativen Kraft des Faktischen sprechen:
(T6) Die Art der Abenteueraufnahme bei verschiedenen Spielertypen legt auch fest, in wieweit man diese hinterher noch für Arbeit am Abenteuer begeistern kann.
Es sollte also nicht verwundern, dass die Spieler, deren Erwartungen am stärksten enttäuscht wurden, sich am wenigsten für Feedback gewinnen ließen.
Die Thesen 2 und 3 kann ich auch so unterschreiben. Ich bin mir ebenfalls sicher, dass das Bonusmaterial anders aussehen würde, wenn sich die Kritiker allesamt beim Feedback beteiligt hätten. Meine Gedanken gehen hier aber auch noch in diese Richtung: Warum hört man jetzt soviel Kritik und so wenig Lob, trotz kostenlosem Bonusmaterial?
Zum einen greift hier wohl die übliche Asymmetrie der Kritik: Negative Äußerungen sind meist lauter als positive. Man äußert sich in der Regel, wenn einem etwas nicht gefällt oder wenn einem etwas wirklich super gefällt. Solange etwas aber nur „einfach gut“ ist und einen nicht direkt zu Jubelstürmen hinreißt, ist man doch meist eher nur stiller Genießer.
Daneben ist hier aber wohl erschwerend hinzugekommen, dass viele Spieler von An fremden Gestaden nicht gerade wenig enttäuscht waren. Dass das Bonusmaterial nicht das Abenteuer komplett ändern kann – dazu bräuchte es im Endeffekt einen neuen Abenteuerband – sollte jedem klar sein. In der Summe betrachtet bleibt dann bei vielen unterm Strich doch Frust über, auch wenn der durch das Bonbon vielleicht kleiner geworden ist. Und dieser Frust äußert sich in weiterem Meckern. Als These 7 würde ich daher sagen:
(T7) Die Kritik am Bonusmaterial speist sich vor allem aus der Unzufriedenheit am Hauptprodukt, und weniger aus dem Material selbst, das höchstens mit kleinen Ungereimtheiten den Kristallisationspunkt liefert.
Grundsätzlich sehe ich aber auch darüber hinaus manchen Beitrag, der mir als reine Freude am Shitstorm vorkommt. Ich habe das Gefühl, dass sich dabei eine tiefersitzende Unzufriedenheit mit der Entwicklung von DSA Bahn bricht. Meine Meinung dazu ist, dass es utopisch ist, zu glauben, dass ein Spiel über 30 Jahre einen homogenen, festen Kurs fahren könnte. Es entwickelt sich, verändert sich und wird dabei immer wieder Spieler verlieren. Das ist zwar schade, aber unumgänglich. Die Alternative wäre ewige Unveränderlichkeit, und das wäre in meinen Augen dann doch tödlich langweilig (wir hätten dann heute immer noch DSA1).
Ziel – für den Verlag – muss nur sein, dass jeweils genügend neue Spieler dazu gewonnen werden. Solange das passiert – und mein Gefühl, gespeist bspw. durch die letzten Cons, ist, dass es aktuell durchaus so aussieht – solange kann diese im Endeffekt für den Verlag unnütze Kritik am grundsätzlichen Kurs ignoriert werden. Die Spielerschaft passt sich auf Dauer (siehe T6) automatisch an die verändernde Welt an – denn die, die die Veränderungen blöd finden, gehen irgendwann – die Welt passt sich im günstigsten Fall aber natürlich auch an die Wünsche der Spieler an. Verlag und Autoren wollen ja schließlich glückliche Spieler.
So wird Uthurias Zukunft wohl am stärksten über die Verkaufszahlen entschieden werden. Schlägt sich die Kritik auch hier nieder, wird es stärkere Änderungen geben. Verkauft es sich trotz der Kritik passabel oder gut – weil u. U. einer stillen Mehrheit der Stil einfach gefällt – dann werden die Änderungen wohl verständlicherweise ausbleiben.
Abspann
Josch: Dass ich mich noch mal in maraskanischer Philosophie belehren lassen darf! Wie schön ist doch die Welt! Ich danke euch allen für diesen spontanen Tsa-Disput und hoffe, dass Uthuria noch die Faszination entfalten wird, die es entfalten kann, und nicht erst in acht Jahren in einer Neuauflage bei einem anderen Verlag zu seinem vollen Recht kommt.
Bis dahin stehen wir und sehen betroffen: Der Limbus zu, und alle Fragen offen. Ich sage daher: Bis zum näksten Mal! Allerdings nicht, ohne die Anzahl der hier vertretenen Thesen noch auf die wohlgefällige Zahl von acht zu erhöhen und die Diskussion zugleich ein wenig zusammenzufassen:
(T8) Neue Kontinente bleiben bei DSA eine schwere Geburt – für Spieler wie für Autoren.
Heinz: NUUUUUUUUUUUUUK! (Übers.: „Das waren meine Worte! Plagiator! „Ich werde sofort veranlassen, dass deine Dissertation bei Nandu-Plag geprüft wird!“)
Thesen gehören an Türen genagelt! Wobei mir von Teesen immer schwummrig wird … äh, anderes Thema. 😉
Ich hätte da eine recht simple Erklärung für die mangelnde Resonanz. Vielleicht haben sich viele, wie ich, noch nicht ausführlich genug mit dem Objekt der Unbegierde in ausreichendem Maße persönlich auseinander gesetzt, um etwas Konstruktives beizusteuern. Nach dem teils niederschmetternden Äußerungen wäre das zumindest nachvollziehbar. Wenn ich so überfliege, was alles bemängelt wurde, würd es mich nicht wundern, wenn sich viele erst garnicht näher mit dem Werk befasst hätten. Nur mal so als Theorie in den Raum geworfen. 😉
Ging mir genauso wie Rukus. Uthuria liegt erstmal ganz unten im Stapel der noch zu lesenden DSA-Publikationen. In einigen Jahren dann gerne Feedback!
Ganz abgesehen mal davon, dass es in meinen bisherigen DSA-Gruppen üblich war, dass nur der designierte SL das Werk gelesen hat. Bedeutet, dass höchstens jeder vierte bis fünfte DSA’ler das Ding überhaupt liest. Und meist erst dann ausführlich, wenn die Kampagne / das Abenteuer konkret ansteht.
Kleine Anregung meinerseits: Warum könnte man die Kritik am jetzt veröffentlichten Bonusmaterial nicht nutzen, um weiteres PDF-Bonusmaterial zu veröffentlichen, das die bislang vernachlässigte Fraktion der Spielerschaft (zu der ich mich nebenbei zähle) bedient? Klar bedeutet das eine Menge Arbeit für den Autor/Verlag, aber immerhin geht es hier um ein frisch aus dem Taufbecken gehobenes Projekt für die Zukunft. Da wäre ich als Verantwortlicher jedenfalls sehr interessiert, meine komplette Spielerschaft mit nach Uthuria mitzunehmen, schon wegen des zukünftigen Umsatzes… Weshalb nicht also auch noch abenteuer-/flairlastiges Bonusmaterial in einer zweiten PDF, gerne auch nach einem vorherigen, zweiten Aufruf an die Spielerschaft, sich zu beteiligen? Meines Erachtens eine bessere Lösung als jetzt auf beiden Seiten zu schmollen und Uthuria zu Grabe zu tragen, bevor es richtig losgeht…
Petition meinerseits: Wie wäre es mit einem Abenteuer/Szenario-Wettbewerb „Willkommen in der grünen Hölle“ oder so ähnlich, in dem das bisher stiefmütterlich behandelte Entdeckerthema aufgegriffen wird? Einhörner, wie wär’s? Zeit, Lust und Muse?
Ich bin der Meinung, daß es noch ein grundlegendes Problem zum Thema Feedback über Foren gibt: Die dort vertretenen Spieler sind nicht die Mehrheit der DSA-Spieler da draußen. Und sie sind auch nicht eine „statistisch verwertbare Stichprobe“ aus diesen.
Es geht mir dabei nicht um „richtig“ oder „falsch“. Ein jeder möge gerne so spielen wie er mag – auch ich hatte große simulationistische Zeiten.
Aber es wurde die Chance vertan, Uthuria als „abenteuerliche Entdeckerkampagne“ zu platzieren. Stattdessen ist der Feedback gebenden Forenöffentlichkeit (also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einer Minderheit der DSA Spieler) gefolgt worden und es ist eine „simulationistische Entdeckerkampagne“ geworden (als Beleg dazu siehe auch die „Gründstückspreisregelungen für Porto Velvenya“ – pdf).
Die Analyse, die Kritik am Bonusmaterial breche eigentlich nur der Kritik am Hauptabenteuer bahn, halte ich im Übrigen für vollständig zutreffend. Für mich gilt das auf jeden Fall – ich hatte noch gehofft…
Aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen wird berichtet, daß gerade die Einsteigerabenteuer (E1 ff.) sich besonders gut verkaufen. (Als weiterer Anhaltspunkt eignen sich z. B. die Amazon Verkaufsränge ganz gut.)
Werden die von Simulationisten gekauft oder von den einfacher gestrickten Rollenspielern wie mir?
Ich würde sagen, die ganzen Querelen zeigen eigentlich, dass es ganz schön harkt im Getriebe. Es läuft nicht mehr rund. Wenn schon von außen ein solches organisatorisches und inhaltliches Chaos sichtbar ist, wie muss es dann intern erst aussehen. Der Verdacht kommt auf, dass nicht nur der Verlag heillos überfordert ist, sondern auch die DSA Redaktion. Vielleicht sollte man einfach einmal eine Denkpause einlegen, anstatt pdf-Dateien herauszuhauen, von denen niemand mehr so recht weiß, ob es ernst gemeint ist oder ob es sich um einen Scherzartikel handelt.
Muss ernst gemeint sein. Der erste April liegt noch in weiter Ferne. 😉
Ich meinte diese Diskussion hier: http://goo.gl/6MgxL 😉
Muss ich mich als Kunde schämen, weil ich kein Feedback gegeben habe, oder könnte die Redaktion nicht aus eigenem Interesse auch mal selbst Rezensionen und in Foren lesen? Man könnte ja auch einen Minijobber dafür einstellen 😉 Es ist so viel wertvolles Feedback bereits vorhanden.
Ich ärgere mich nicht über Landwirtschaftssimulatoren, die Seiten kann ich überblättern und finde immer noch genügend Inspiration. Ich ärgere mich, weil offensichtliche Fehler nicht korrigiert wurden.
Ich fühle mich irgendwie grade auch in meiner Simulationistenseele (die – ganz Giftinsel-like – natürlich mitnichten als einzige in meiner Brust schlägt…) tierisch missverstanden. Als Simulationist ist mir wichtig, dass ich eine Welt vorfinde, die glaubwürdig ist und die auch ohne die Anwesenheit von Spielercharakteren und deren Abenteuerhandlungen funktioniert. Das bedeutet mitnichten (!!!), dass ich möglichst detaillierte und kleinteilige Regelungen für jedweden unbedeutenden Aspekt des derischen Alltagslebens brauche oder haben will. Ich möchte nur, dass die Mechanik im Hintergrund auch funktioniert und sich nicht aufgrund offensichtlicher Unstimmigkeiten beim ersten Härtetest in Wohlgefallen auflöst. In gewisser Weise ist es da sogar kontraproduktiv, allzu viele Regeln zu definieren, weil dadurch die Wahrscheinlichkeit unauflösbarer Widersprüche nur umso größer wird. Insofern fürchte ich, dass man mit einer Vielzahl neuer Regeln und Tabellen auch und gerade den Simulationisten nicht unbedingt einen Gefallen tut. Es kommt diesbezüglich halt vor allem auf die Qualität an, nicht auf die reine Quantität.
Und auch ein Simulationist will letztlich doch Spaß beim Spielen haben, zumindest will ich das. Und wenngleich mir dabei eine glaubwürdige Hintergrundwelt, vor der ich meine Helden und NSCs agieren lassen kann, wichtig ist, liefert diese doch „nur“ den atmosphärischen Hintergrund und nicht den eigentlichen Plot, ohne den ein Spielabend letztlich ziel- und planlos vor sich hin treibt. Selbst wenn man also glaubt, mit einer Vielzahl an Tabellen und Regeln den Simulationisten glücklich machen zu können, sollte man darüber hinaus die eigentliche Handlung eben nicht vernachlässigen.
Das Dilemma von Uthuria lässt sich wohl wirklich schön an der reinen Tatsache klarmachen, dass es eigentlich um die faszinierende und spannende Entdeckung eines neuen Kontinents gehen soll, man dabei aber überhaupt nicht auf den eigentlich zentralen Moment der Landung auf diesem Kontinent eingeht. Das führt doch die eigentliche Idee einer Entdeckerkampagne völlig ad absurdum – und zwar sowohl für Simulationisten als auch für Narrativisten, Gamisten und jeden normalen Spieler, der sich irgendwo dazwischen einordnen würde – und hat in meinem Fall dazu geführt, dass ich im Moment überhaupt kein Interesse habe, mich auf Uthuria einzulassen. Da muss ich „An fremden Gestaden“ leider so offensichtlich in die Kategorie „Thema verfehlt“ einordnen, dass man das mit dem an sich löblichen Bonusmaterial tatsächlich nicht mehr wirklich geraderücken konnte.
Ach – vielen Dank! Du sprichst mir aus der Seele! Ich wollte nach dem Durchlesen der „Diskussion“ gerade einen längeren Text schreiben, in dem ich Ausdrücke, dass ich die Simulationisten (zu denen ich mich zählen würde) völlig missverstanden sehe, da sie nur ZUSÄTZLICH zu einem guten Plot, auch noch eine funktionierende Hintergrundswelt haben wollen, und sehe dann, dass dies schon jemand dies in hervorragender Weise getan hat.
@ Nandurion Team: Ich kenne jetzt nicht die Leute die sich auf Cons etc. um einen stärkeren Simulativen Hintergrund bemüht haben, aber es müssen „extrem schräge Vögel“ gewesen sein, dass man in einer Welt, in der sie die Mehrheit der Rollenspieler stellen, nicht mehr leben möchte…
The legendary Firefox
Kommt ja noch hinzu, dass Uthuria auf Dere noch nicht mal final plaziert wurde! Wie soll man da verbindliche Rahmenbedingungen für die Entdeckung setzen.
Und die Lage von Porto Velvenya ist ungefähr so entlegen, als ob Christoph Kolumbus von vornherein gezielt die Meerenge von Panama angesteuert hätte. Mit Zufällen, Strömungen oder Winden kann man das kaum noch geraderücken – eher schon muss man die Zusatzannahme einführen, dass die Koordinaten dieser alten Echsenstadt schon vorher in Aventurien aufgefunden wurden. Was natürlich zusätzlichen Stoff für ein aventurisches Abenteuer abgäbe.
Und die Stoerrebrandt-Expedition hat ebenfalls keine Chance, zufällig Porto Velvenya zu erreichen. Dafür müsste man schon Klabintos Karte oder Klabintos Gedächtnis herhalten lassen. Nur – was für eine „Entdeckung“ ist es, wenn man sich an vorgefundenen Koordinaten entlang nach Süden hangelt? Dieser Entdeckerplot ist schon recht elend vermurkst!
Bei dem Weg: ich habe gerade zu diesem Thema eine Eingabe per Email gemacht – und nichts davon im Bonusmaterial wiedergefunden. Wie ich unterstelle darum, weil niemand dort eine klare Vorstellung hat, wie dieses Problem noch geradegerückt werden kann.
Ich bin so frei und verlinke hier einfach mal meine doch recht ausführlichen Gedanken zu Uthuria: Uthuria.