Zwei Bücher lang konnten wir Phexens Diener aus der gleichnamigen Trilogie von Dorothea Bergermann bereits begleiten, nun ist mit Scharfrichter der dritte und letzte Teil erschienen. Während Adara, Faisal und Ragnar in den ersten beiden Bänden jeweils in einer Stadt verweilten, steht ihnen diesmal eine Reise über den halben Kontinent bevor. Auf der Jagd nach dem Bösewicht, der hinter allem Übel steckt, geraten sie natürlich in jede Menge Schwierigkeiten. Lohnt es sich, das Trio auf seiner Verfolgungsjagd zu begleiten? Das versucht diese Rezension herauszufinden. Ich werde an der ein oder anderen Stelle für Interessierte den Inhalt des Buches ausführlicher spoilern, jedoch gibt es vorher stets noch eine Warnung. Informationen aus den Vorgängerbänden sehe ich aber als bekannt an.
Adara und Faisal, die Dritte
Wie bereits bei den Vorgängerbänden ziert das Cover von Scharfrichter eine Illustration, die die beiden Charaktere Adara und Faisal darstellt. Diese Interpretation stammt von Luisa Preißler. Mir gefällt sie an sich gut, nur das Alter der beiden Protagonisten ist nicht so richtig getroffen – auf dem Cover sehen sie eher wie Mitte Zwanzig statt wie Vierzig aus. Auch bei Adaras Haaren, die im Buch als kurz beschrieben werden, ist wohl die genaue Beschreibung dem Effekt des dramatisch wehenden Haars zum Opfer gefallen.
Auf der Jagd nach dem Bösen
Das Buch beginnt mit einem Prolog, der eine Vorschau auf die Ereignisse am Ende der Geschichte bietet und gleich am Anfang Spannung hervorruft. Natürlich will man wissen, wie genau Adara in die missliche Lage gekommen ist, in der sie sich im Prolog befindet, und ob sie sich daraus wieder befreien kann. Das erste Kapitel schließt dann direkt an Tagrichter an: Adara, Faisal und Ragnar befinden sich nach wie vor in Elenvina. Der Praiosakoluth Wulf, den sie als Schuldigen hinter dem Traumsteinhandel enttarnen konnten, sitzt im Gefängnis der Inquisition – doch er schweigt beharrlich und gibt seine Hintermänner nicht preis. Adara fasst also einen gewagten Plan SPOILER ANFANGund überredet Inquisitor Praiodan, den Gefangenen absichtlich aus dem Gefängnis entkommen zu lassen, um ihn dann mit Hilfe einer Liturgie so lange zu verfolgen, bis er sie zur Quelle der dämonischen Traumsteine geführt hat. Zu ihrer großen Unzufriedenheit wird ihr ein Trupp von Bannstrahlern zur Seite gestellt, der ihr helfen und sie überwachen soll. Zudem muss sie noch die in Tagrichter aus den Fängen von Wulf befreite ehemalige Hure Jana nebst Tochter mit auf Reisen nehmen, da diese in Elenvina gesucht wird. Faisal und Ragnar sind natürlich auch wieder mit von der Partie. Ihr Vorhaben, die Bannstrahler durch einen heimlichen, nächtlichen Aufbruch abzuschütteln, misslingt, und so zieht die bunt gemischte Gruppe also gemeinsam los. SPOILER ENDE
Die Reise führt die Phexdiener und ihre Begleiter durch Almada, die Tulamidenlande und schließlich nach Schwarztobrien. Immer wieder treffen sie unterwegs auf Hinweise und Spuren des Handels mit den Traumkristallen. Ebenso wiederholen sich stetige Auseinandersetzungen zwischen dem Bannstrahler Branimar und den beiden Phexgeweihten. Am Ende wartet dann auf alle Beteiligten eine phexische Überraschung.
ACHTUNG, ungeweißte Spoiler zu Handlung folgen:
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In Punin untersucht Adara den Tod eines Phexakoluthen und stößt auf einen weiteren Händler, der die Traumsteine verkauft, während sich der Konflikt zwischen Branimar und Faisal weiter zuspitzt. In Folge dieses Konflikts setzen sich die Bannstrahler ab und reisen auf eigene Faust weiter. In Fasar können Ragnar und Adara endlich die Rezeptbücher für die Traumsteine entschlüsseln und es kommt auf einem Rahjafest zu einer Liebesnacht zwischen Faisal und Adara. Nach einigen Konflikten im Phextempel verlassen die drei Phexdiener zusammen mit Jana die Stadt und folgen weiter der Spur von Wulf.
Ihr Weg führt sie schließlich nach Schwarztobrien, in das ehemalige Lehen von Wulf, aus dem auch Jana stammt. Nach kurzem Ausspähen steht fest, dass sich auf dem Wehrhof des kleinen Dorfes Emmerstädt mehrere Zauberer und Alchimisten befinden, die dort die Traumsteine herstellen und auf dem Gelände ein Unheiligtum errichtet haben. Hier holt die Handlung nun den Prolog wieder ein und es kommt zum Finale. Die drei Götterdiener können das Unheiligtum durch eine Bitte an Phex, den Wehrhof für einen Tag als einen seiner Tempel anzunehmen, vernichten. Während des Kampfes mit Wulf und seinen Schergen retten sich Adara und Faisal gegenseitig das Leben und gestehen sich ihre Liebe. Der entscheidende Schlag gegen Wulf gelingt aber Jana, die sich nun endlich für die Jahre der Zwangsprostitution rächt. Am Ende stellt sich heraus, dass Phex seinen ganz eigenen Willen und Adara tatsächlich den Wehrhof dauerhaft zu einem Tempel geweiht hat, so dass sie und Faisal sich nun dort niederlassen und versuchen, den schwarztobrischen Bewohnern die Götter wieder nahe zu bringen.
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***SPOILER ENDE***
Licht und Schatten
Nach zwei jeweils in einer Stadt spielenden Teilen ist Scharfrichter nun mehr oder weniger ein Reiseroman mit Stadtepisoden geworden, was man dem Buch natürlich anmerkt. So geht die Handlung in hohem Tempo voran, was dafür sorgt, dass das Buch zum einen sehr spannend ist, zum anderen aber mitunter auch recht gehetzt wirkt. Das wirkt sich für mich vor allem negativ auf die Entwicklung der Charaktere aus, da ihnen einfach nicht genug Zeit zur Verfügung steht, um ihre Veränderung plausibel zu erklären. Zum Beispiel ist die Entwicklung von Jana, SPOILER die sich von der eingeschüchterten Hure zur Rächerin wandelt SPOILER ENDE, eigentlich sehr schön, sie kommt für mich aber plötzlich und nicht wirklich nachvollziehbar daher. In einem Moment sitzt sie noch wimmernd in der Ecke, im nächsten kann sie im Rahjatempel ihre Vergangenheit plötzlich hinter sich lassen. Auch die Liebesgeschichte zwischen Adara und Faisal fand ich sehr sprunghaft. SPOILER Er schmachtet sie an, sie bemerkt es nicht, dann landen sie im Bett und einige Wochen später gestehen sie sich ihre Liebe, obwohl Adara bis dahin kaum Anzeichen zeigte, dass sie in Faisal mehr als einen guten Freund sieht. Den Liebesschwur mitten im Endkampf fand ich auch ohnehin etwas deplatziert. SPOILER ENDE
Für mich wäre es hier wichtig gewesen, dass sich die Charaktere langsamer entwickeln und dieser Entwicklung mehr Platz gelassen wird. Hier ist natürlich darauf zu verweisen, dass es für DSA-Romane eine Zeichenbegrenzung gibt, mit der die Autorin auskommen musste. Leider hat das dem Buch nicht unbedingt gut getan, denn mit 100 Seiten mehr wäre sicherlich Vieles weniger plötzlich und ruckelig dahergekommen.
Der Teil der Handlung, der sich mit dem Konflikt zwischen den Phexgeweihten und den Bannstrahlern beschäftigt, ist für mich leider einer, den ich lieber zugunsten von anderen Dingen gekürzt oder gestrichen gesehen hätte. Streit zwischen Praios- und Phexkirche gab es in Tagrichter schon zu Genüge. Hier wiederholt er sich nun und kommt zu einem wenig befriedigenden Ende, SPOILER als die Bannstrahler einfach in Fasar zurückgelassen werden, ohne dass der Konflikt zwischen Faisal, Adara und Branimar gelöst wird. Wenn die Bannstrahler ohnehin am Ende nichts zum Finale beitragen, hätte man sie gar nicht erst mitschicken oder nach den ersten Tagen der Reise von den Phexensdienern trennen können. SPOILER ENDE
Apropos Finale: Dieses geht dramatisch vonstatten, SPOILER das Ende kann man aber getrost als komplettes Happy End bezeichnen. Bei einem Kampf gegen mehrere Dämonenanbeter und Paktierer aus den Schwarzen Landen hätte ich einige Verluste auf Seiten der Guten durchaus realistisch und passend empfunden. SPOILER ENDE
Eine kleine Anmerkung muss ich leider als Hintergrundnazi noch machen: Die Rahjahochgeweihte Reshalia ai Djer Khalil in Fasar ist laut offizieller Setzung blind. Das wird leider im Roman ignoriert, so dass sie Faisals Tanz beobachtet und Adara beim Gespräch ansieht. Das ist zwar nur eine Kleinigkeit, hat mich beim Lesen aber irritiert.
Auf der anderen Seite hat der Roman auch sehr viel Gutes zu bieten. Adara, die im Nachtrichter von vielen Lesern als zu perfekt und mit zu vielen Fähigkeiten gesegnet aufgenommen wurde, hat hier deutlichere Schwächen bekommen. Sie ist eigensinnig, lässt sich nicht helfen, verfolgt ihre Pläne fanatisch und legt sich auch mit Leuten an, die sie besser in Ruhe gelassen hätte. Gleichzeitig kann man sie für ihre Unerbittlichkeit, mit der sie den Dämonenbündlern das Handwerk legen will, nur bewundern. Bei Faisal wird die Diskrepanz zwischen Phexgeweihtem und Schwarzmagier sehr gut thematisiert und seine unnachahmliche blumige Sprechweise und elegante Art macht ihn für mich zu einem sehr lebendigen Charakter. Auch Ragnar, der in mehreren Szenen des Romans auf sich allein gestellt ist, entwickelt sich schön vom unbeholfenen Novizen zum angehenden Geweihten. Besonders gut gefallen hat mir die Szene, in der er sich gegen Adara auflehnt und ihr zeigt, dass sie dabei ist, vom richtigen Weg abzukommen.
Wie bereits in den ersten beiden Teilen gibt es diverse stimmungsvolle Beschreibungen von Liturgien, Gottesdiensten und phexgefälliger Meditation. Diese gehören für mich zu den absoluten Highlights des Buches, da sie stets sehr plastisch und einfühlsam geschrieben sind. Auch die Liturgie, die durchgeführt wird, damit Adara Wulf verfolgen kann, sowie deren Folgen finde ich gut gelungen – auch wenn man die Folgen dieser gerne noch etwas deutlicher hätte schildern können. Ein weiterer Pluspunkt geht an die Schilderung der verschiedenen Städte, deren Flair stets bei mir als Leser angekommen ist.
Fazit
Alles in allem ist Scharfrichter ein gelungener Abschluss der Phexens Diener-Trilogie, der sehr spannend ist und mich beim Lesen gepackt hat. Die Reise ging für mich aber an einigen Stellen zu schnell voran und gerade die Charakterentwicklung blieb dabei manchmal auf der Strecke. Dafür kann Scharfrichter aber wieder einmal mit schönen und stimmungsvollen Beschreibungen des Dienstes an Phex aufwarten. Wer Nachtrichter und Tagrichter gelesen hat, sollte in jedem Fall zugreifen, wer die Vorgängerbände nicht kennt und sich für die Phexkirche, Intrigen und Alchimie begeistern kann, fängt am besten mit Band 1 an, da die Geschichte sonst nicht verständlich ist.
Bewertung
9 Einhörner sind mit Adara, Ragnar und Faisal in Elenvina aufgebrochen. Eins blieb bei den Bannstrahlern zurück, ein weiteres hätte gern mehr Zeit mit den Charakteren verbracht. Einhorn Nummer 3 betrachtet noch das rasant herangepreschte Ende und ist sich nicht sicher, ob es glücklich damit ist. Somit bleiben 6 Einhörner, die den Phexens Dienern begeistert zujubeln. Wer hohes Tempo schätzt und Wert auf stimmungsvolle Beschreibungen legt, kann aber gut und gern noch eines dazu addieren.
Mit freundlicher Unterstützung in Form eines Rezensionsexemplars von der Ulisses-Spiele GmbH und dem F-Shop.
Vielen Dank für diese auch für mich als Autor sehr aufschlussreiche Rezension.