„Der Feind meines Feindes ist mein Freund.“
Leomar vom Berg zugeschriebenes Zitat aus der Zeit des Khôm-Krieges
„Ich bin Jägerin. Ich gehe jagen.“
Firungeweihte Bjarka Gutmundsdotter nach Sichtung einiger Orks
„Und nun treiben wir den Gegner mit unseren Pferden in den Fluss!“
Kaiser Reno I. zugeschriebenes Sir Bedevere-Gedächtnis-Zitat, getätigt zu
Pferde am Ostufer des Svellts, bei der Sichtung von Orks am anderen Ufer.
Enthalten im Pamphlet: Ich sehe Schwarz… pelze. – Kaisersprüche Renos
Firuns Flüstern – das klingt nach Einsamkeit, Kälte und einem guten Schuss Mystik. Im gegenwärtigen Aventurien denkt man dabei außerdem wohl an den hohen Norden und den Kampf gegen das Eisreich der Hexe und Nagrach-Paktiererin Glorana, zumal wenn der Titel mit dem Thema Splitterdämmerung verknüpft ist. Ergänzt man die drei befellten Herren des Covers, so wird aber auch eines schnell klar: In Fokus des Bandes stehen nicht Menschen oder Firnelfen, die bisher die Publikationen zum Thema dominierten, sondern die Orks des Orklandes, deren Heimat ja nicht gerade in der Nachbarschaft des Eisreiches zu finden ist.
Eine Kampagne für eine Orkgruppe also. Doch so ganz ohne Beteiligung der Menschen soll die böse Eishexe dann doch nicht gestürzt werden: Um auch den Spielern der üblichen verdächtigen Nordlandhelden etwas zu bieten, ist die Handlung parallel für eine zweite Gruppe menschlicher Prägung ausgearbeitet. Beide Stränge laufen dabei im Großen und Ganzen unabhängig voneinander und lassen sich im Prinzip auch separat spielen. Andererseits: Wer nur die Menschenkampagne spielt, weil die Lust auf Orkhelden einfach nicht aufkommen will, verschenkt dabei eine Menge Potential. Außerdem kommt Autor Jens Ullrich den Ork-Skeptikern entgegen und liefert gleich eine ausgearbeitete Gruppe Schwarzpelze als Vorlage, so dass man sich noch nicht einmal die Mühe der Ork-Generierung machen muss.
Ein kleiner Einschub zur Klärung: Im Folgenden unterscheide ich nur noch zwischen „Ork-Gruppe“ und „Menschen-Gruppe“ bzw. „Ork-Kampagne“ und „Menschen-Kampagne“, auch wenn die jeweilige Heldengruppe nicht nur aus Orks und Menschen bestehen muss.
Zurück zur Kampagne für zwei Gruppen: Wie klappt das überhaupt? Kann man seinen Zweitcharakter erschießen? Oder den des Mitspielers? Oder den NPC retten, den Kollege Ork am Spielabend zuvor schon erschlagen hatte? Radio Eriwan sagt: Im Prinzip ja, aber zum einen empfiehlt das Abenteuer an den wenigen Stellen mit einer solchen Gefahr, den Erzählmodus zu nutzen, zum anderen sorgt es eh meist dafür, dass die Gruppen räumlich getrennt sind und erst später mit den Handlungen der jeweils anderen Charaktere konfrontiert werden. Außerdem gibt es Übergabepunkte-Kästen am Ende der einzelnen Kapitel, die Angaben dazu liefern, welche Ereignisse so wichtig für die Handlung sind, dass sie auf jeden Fall eintreten sollten. Hier wird manch leidgeprüfter DSAler „Railroading!“ rufen, während in anderen Gruppen solche Vorgaben generell nur ein Achselzucken hervorrufen dürften. Ich denke, dass ein Konzept für beide Gruppen gefunden wurde, das es erlaubt, das Beste aus der Kampagne heraus zu holen, zumal mit geringem Aufwand an den möglichen Stellen durchaus auch direkte Aufeinandertreffen eingebaut werden können.
Es sind in jedem Fall Querverbindungen zwischen beiden Gruppen eingebaut, so dass es an der einen oder anderen Stelle im Spiel zu Aha-Erlebnissen kommen dürfte. Außerdem gibt es optionale Elemente und freie Handlungswege, womit jeweils nur die Hauptziele festliegen, der Weg dorthin, inklusive Zwischenetappen, aber die Form eines Sandkastens hat. Wenn beispielsweise die Menschen im Rahmen eines optionalen Handlungsfadens um Kollaborateure eine Örtlichkeit untersuchen, wo zuvor die Orks Zeugen eines hinterhältigen Überfalls wurden, so wissen die Spieler zwar schon vom Überfall, jedoch nicht, wer ihn tatsächlich begangen hat. So wird vermieden, dass die als zweites agierende Gruppe sich Wissen erspielen muss, dass die Spieler über die andere Gruppe schon erhalten haben.
Der gewählte Plotaufbau hinterlässt auch im Aufbau des Bandes seine Spuren. Die insgesamt 10 Kapitel sind gleichmäßig auf beide Gruppen verteilt. Dabei richtet sich die Nummerierung nach der Spielreihenfolge und bietet so den roten Faden, den man bei der Übersicht benötigt. Die Reihenfolge im Buch ist aber auf zwei Linien aufgeteilt, so dass in der ersten Hälfte die ungeraden Kapitel der Menschenkampagne stehen, in der zweiten Hälfte die geraden Kapitel der Orkkampagne. So muss man während des Spiels meist weniger blättern, wenn man Informationen für die jeweils aktuelle Seite sucht. Nur wenn man die zeitlich in der Nähe liegenden Informationen der anderen Linie benötigt, wird es etwas unübersichtlicher, was aber nicht so häufig vorkommen dürfte. Wer in Rechnen eine Probe +0 bestanden hat (bzw. für DSA5-Spieler: eine Sammelprobe mit 5 FP), kann nun schlussfolgern, dass die Gesamtkampagne mit einem (ungeraden) Menschenkapitel startet und der absolute Abschluss mit einem (geraden) Orkkapitel erfolgt.
Schwarzpelz und Glatthaut – ein Überblick über die Handlung
Kommen wir zur eigentlichen Handlung: Die erste Hälfte des Abenteuers dreht sich um den orkischen Angriff auf die Rondrianer-Burg Emmeranstreu. Diese liegt am Ufer des Dergel in der Markgrafschaft Greifenfurt an der Grenze zu Weiden. Die Orkcharaktere sind Teil des Heerzugs, der durch menschlichen Verrat an den Türmen der Finsterwacht vorbei fast unbemerkt über den Finsterkamm kommt. Die menschlichen Charaktere gehen derweil auf genau dieser Burg Hinweisen auf seltsame kultische Handlungen eben dieser Kollaborateure nach. Sie geraten dabei in den Angriff, über dessen Zeitpunkt die Rondrianer nur sehr knapp vorher informiert werden. Die Orks können zwar die Umgebung plündern und die Burg wird durch Verrat schwer beschädigt, doch der Angriff scheitert. Die Orks ziehen sich zurück, und die Menschen können anschließend versuchen, die Verräter in den eigenen Reihen dingfest zu machen.
Der zweite Teil der Handlung leitet das eigentliche Kampagnen-Ziel ein: Die Führer der Orks, darunter der Aikar, interessieren sich endlich für die visionären Aussagen eines Schneeork-Gesandten namens Riul’ta. Dieser hatte schon vorher versucht, die schwarzpelzigen Verwandten mittels der Weissagung des Stummen Jägers zu einem Heerzug gegen die Eishexe zu animieren. Der Stumme Jäger ist dabei natürlich Firun, der den Schwarzpelzen als neuer großer Geist erscheint und unter den Ork-Helden später einen Auserwählten sogar weihen wird. Das Orkheer zieht durch Elfen- und Nivesenlande ins Eisreich, wobei es im besten Fall, von den Spitzohren geduldet, eine vorgegebene Route einschlägt. Die Menschen bekommen derweil vom uralten geweihten Einsiedler Eisbart den Auftrag, den ursprünglichen Mikails-Pfeil zu rekonstruieren, was sie nach Bjaldorn bringt. Das Orkheer schlägt schließlich die Feldschlacht gegen die Diener Gloranas, während die Menschen mit dem wiedererstandenen Pfeil den Zugang zur Festung der Eishexe ermöglichen, diese dort stellen und töten. Die Orks erobern derweil den Nagrach-Splitter und sichern diesen für den Aikar.
Im Folgenden werfe ich einen detaillierten Blick auf die einzelnen Teile des Bandes. Wem das zu lang ist, der kann von hier auch direkt zum Fazit springen, wo ich die wesentlichen Punkte noch einmal aufgreife.
BLICK AUFS WESEN – Einstieg und Grundstruktur
Grundsätzlich bietet die Einleitung soliden Standard: Die Übersicht über die Handlung im Hintergrund, einen möglichen groben Verlauf des Abenteuers und die Auswahl passender Helden. Dazu kommen einige sinnvolle Facetten, die nicht Standard, aber auch der besonderen Gruppenauswahl geschuldet sind. Einmal geht es dabei um die Gestaltung der Ork-Charaktere, die in offiziellen Abenteuern sonst eher selten als spielbar gelten. Neben der ausführlichen Präsentation von vorgefertigten Schwarzpelzen wird zusätzlich der Einsatz eigener Orks oder sogar Goblins und Achaz besprochen. Im Abenteuer finden sich dazu Hinweise, wie Szenen an solche eigenen Helden angepasst werden können.
Weitere Hilfen hier und an passenden Stellen im Band behandeln den Problemfall, dass ein Charakter im fortgeschrittenen Verlauf der Handlung neu eingebunden werden soll – gerade bei einem solch längeren Werk eine wichtige Hilfe für den Spielleiter, vor allem, wenn man in der eigenen Gruppe auch den Tod von Helden-Charakteren akzeptiert. Schließlich enthält der Band die inzwischen üblichen „zu leicht?/zu schwer?“-Kästen, die dem Spielleiter helfen, Abschnitte für die eigene Gruppe leichter oder herausfordernder zu gestalten. Auch dies halte ich für eine sehr gute und sinnvolle Sache.
Leider vermisse ich auch Dinge im Abenteuer: Vor allem gibt es keine einzige Übersichtskarte für irgendeine der Handlungs-Regionen oder für die Züge der Parteien. Das ist wirklich mager, zumal es so zu schwer verständlichen oder sogar widersprüchlichen örtlichen Beschreibungen kommt (mehr zu solchen weiter unten). Auch eine Zeitleiste ist nicht vorhanden, der zeitliche Ablauf wird nur grob beschrieben, und auf die Möglichkeiten zur Abstimmung wird oberflächlich eingegangen. Ein Gutteil der Handlung ist dabei zeitlich sehr variabel, was einen minutiösen Übersichtsplan nicht unbedingt sinnvoll erscheinen lassen mag. Dennoch wäre es möglich gewesen, eine grobe chronologische Zeitleiste zu erstellen, die bei der eigenen Planung als Ausgangspunkt hätte dienen können. Als Spielleiter muss man sich eine solche aus den Abenteuerinformationen selbst erstellen, was ich ebenfalls sehr mager finde.
Macht man sich diese Arbeit, dann stellt man zudem fest, dass die Angaben hinten und vorne nicht stimmen können und die immense Ausdehnung des Nordens völlig unterschätzt bzw. ignoriert wird. Dem Abenteuer zufolge soll die Endschlacht um Gloranas Eisfestung Mitte Rondra stattfinden (was nicht ganz unwichtig ist, da so weit im Norden der Winter schnell und unbarmherzig zurück kommt; Mitte August ist da schon ein Zeitpunkt, der nicht allzu weit nach hinten verschoben werden darf), der Angriff auf Emmeranstreu findet laut Setzung aber schon am 15. Rahja statt. Macht also rund zwei Monate Zeit. Wie das klappen soll, ist mir schleierhaft, es sei denn, man ignoriert die normalerweise genutzten Tagesstreckenlängen von 20 bis 30 Meilen. Nur ein kurzes Beispiel zu den konkreten Angaben: Das Orkheer soll in einem Tag bei Tiefhusen über den Svellt setzen und dann bis Norhus kommen. Das sind etwa 60 bis 70 Meilen, also eher zwei Tagesetappen. Schaut man sich einmal detailliert die Gesamtstrecke an, dann kommt man zu folgender Rechnung:
- die Ork-Helden ziehen auf Nebenstrecken über den Finsterkamm durch die Wildnis mit Aufenthalt in Khezzara bis in ihr Sommerlager: etwa 480 Meilen plus Aufenthalt – sagen wir 2 Tage;
- Aufenthalt im Sommerlager: nach Abenteuer „mehrere Wochen“, also zumindest 2 Wochen;
- Weg vom Sommerlager über Blutzinnen/Ogerzähne bis Tiefhusen: etwa 210 Meilen plus Aufenthalt in Tiefhusen (nach Abenteuer „einige Tage“), sagen wir wieder 2 Tage;
- Weg von Tiefhusen über Norhus bis nordöstlich des Rorwheds vor Einhorngras und Silberbuchenwald: etwa 140 Meilen;
- mit Elfen abgestimmter Weg bis Oblarasim nach Abenteuerangaben: 700 Meilen (in 25 Tagen, was eine Tagesetappe von in der Wildnis wirklich guten 28 Meilen ergibt);
- von Oblarasim über Naaulok bis zum Kuri in der Brydia: 300 Meilen;
- Abstecher zu Gloranas Schneepalast bei Paavi und zum Kuri zurück: 520 Meilen;
- vom Kuri zur Feste Shu-Drasz an der Nordspitze der Grimmfrostöde: 540 Meilen;
- zum Eisschloss Schirach’ras durch Schwarzes Eis: 100 Meilen (nach Abenteuer in einer Woche – vergleichsweise schnell für die unwirtlichste Gegend Aventuriens);
Rechnet man diese Werte zusammen, dann kommt man auf eine stolze Strecke von rund 3000 Meilen (die obigen Werte ergeben 2990 Meilen)! Der Autor legt dem Zug durch die Elfenlande eine Tagesleistung von 28 Meilen pro Tag zugrunde. In Anbetracht der Tatsache, dass das Heer auch jagen muss, fast keine Straßen benutzen kann und am Ende sogar durch das schwarze Eis zieht, halte ich den Wert eher für zu hoch als zu niedrig (nach Wege des Entdeckers S. 160 gilt für „auf einem trockenen Weg oder Pfad“ eine Tagesleistung von 24 Meilen). Rechnet man aber mit den 28 Meilen, dann ergibt sich alleine eine Reisezeit von 107 Tagen. Rechnet man die 18 Tage Wartezeit drauf, sind wir bei einer sehr optimistischen Reisedauer von 125 Tagen, also 4 Monate plus die 5 Namenlose Tage und damit doppelt so lang wie veranschlagt. Geht man als Spielleiter nach diesen Werten vor, dann erreichen die Orks Gloranas Eisfestung nicht Mitte Rondra (August), sondern Mitte Travia (Oktober). Wie Ned Stark sagen würde: Winter is coming. Schaut man sich übrigens die Menschenkampagne an, so ist es dort noch schlimmer. Die Gesamtstrecke bläht sich dort auf über 4500 Meilen auf, da die Gruppe gerade in Kapitel 7 sehr oft hin und her reist. Um übrigens mal einen Entfernungsvergleich zu haben: Gloranas Eisschloss ist von Khezzara in etwa soweit entfernt wie die Hauptstadt der Orks von der alanfanischen Königsstadt Mirham. Wer weiß, vielleicht eine Option für die nächste Meridiana-Kampagne. Um aber auch etwas konstruktives beizutragen: Ich habe versucht Ideen zusammenzutragen, wie sich bspw. diese Unstimmigkeiten vielleicht beheben lassen. Wer sich dafür interessiert findet sie in meiner entsprechenden Kolumne.
Gut, Amerika wurde auch nur dank eines Fehlers in der Entfernungsberechnung von Kolumbus entdeckt, andererseits dürfte selbst Napoleon seinen Russlandfeldzug besser geplant haben und scheiterte dennoch. Im Ernst: Das Abenteuer fährt hier meiner Meinung nach an einer der wesentlichsten Eigenschaften des Settings im hohen Norden vor die Gletscherwand: der unwirtlichen, immensen Weite.
Die Neuauflage eines alten Konflikts – Kapitel I bis V
Die ersten fünf Kapitel bilden ziemlich genau die Hälfte des Abenteuers. Sie drehen sich um den Überfall einer Orkarmee auf die greifenfurtsche Rondrianer-Festung Emmeranstreu. Dabei werden zwar Grundlagen für die folgende Handlung um Glorana und den Nagrach-Splitter gelegt, im Endeffekt hat dieser Teil des Abenteuers aber nur sehr am Rande damit zu tun. Der Konflikt ist durchaus interessant dargelegt und bietet auf Orkseite eine sehr stimmungsvolle und gründliche Eingewöhnungsphase in die orkische Kultur. Auf menschlicher Seite kommt dazu ein Plot, der viele detektivische Elemente enthält, bei denen es um Erkenntnisse zum Kult der Schnitter geht, der auf Seite der Glatthäute im Geheimen für die Schwarzpelze arbeitet. Im Großen und Ganzen steht aber die Schlacht im Zentrum. Wer sich vor allem für das Eisreich und die Splitterdämmerung interessiert, wird hier viel Geduld aufbringen müssen, denn die halbe Kampagne ist nichts anderes als ein typisches Orks vs. Menschen Setting, das zwar als Doppelkampagne innovativ, aber thematisch nicht im Bereich Splitterdämmerung angesiedelt ist.
Warum spielt man also Ork gegen Mensch im Grenzgebiet Orkland/Greifenfurt/Weiden, wenn man eigentlich auf Eishexenjagd möchte? Die Antwort ist: Damit die Orks eine halbwegs glaubwürdige Begründung dafür bekommen, in nennenswerter Stärke ein Heer durch Elfen- und Nivesenlande in eine Ecke Aventuriens zu schicken, die vom Finsterkamm etwa dreimal soweit entfernt ist, wie das Orkland selbst breit ist. Dreh- und Angelpunkt sind dabei die Shurachai, die das titelgebende Flüstern Firuns vernommen haben und auf dessen Geheiß ihre schwarzpelzigen Brüder zum Kampf gegen Glorana bringen wollen. Völlig zurecht wird im Abenteuer jedoch zunächst deren Skepsis und Ablehnung eines solchen Plans dargestellt, weshalb der Standardüberfall auf die verhassten Glatthäute in der Nähe zunächst viel glaubwürdiger ist. Der weißpelzige Gesandte Riul’ta berichtet jedoch auch von düsteren Zukunftsvisionen, sollte der Feldzug nicht stattfinden, und so braucht es die Zurückschlagung bei Burg Emmeranstreu und die Deckung der Flucht durch einen aufkommenden Eisnebel, um Häuptlingen und auch dem Aikar selbst die Sache mit dem Kampf gegen Glorana schmackhaft zu machen.
Dennoch: Diese Handlung ist eigentlich nur ein Vorgeplänkel im Rahmen der eigentlichen Splitterdämmerung, das dafür aber einen ziemlich hohen Anteil am Abenteuer hat. Man merkt nach Kapitel V meiner Meinung nach einen Bruch im Band, da dort im Endeffekt ein neues Abenteuer anfängt, das dann eher den Titel Firuns Flüstern verdient. Der erste Teil könnte dagegen auch in einem anderen Rahmen beliebig eingesetzt oder sogar weggelassen werden, vor allem, wenn man keine Lust auf den (zugegebenermaßen sehr stimmungsvollen) Orkteil hat.
Neben diesem strukturellen Punkt, der aber im Endeffekt Geschmackssache ist, habe ich auch noch einen technischen Punkt, der leicht vermeidbar gewesen wäre, der es mir beim Nachlesen aber zeitweise fast unmöglich gemacht hat, die eigentlich leicht nachvollziehbare Handlung zu verstehen. Inzwischen glaube ich zu verstehen, wo das Problem liegt und möchte versuchen, es zu umreißen. Nennen wir es das kleine Ratespiel im Abenteuer für den Meister: Wo liegt die Burg?
Leider ein einziges Desaster im Kapitel ist die Wegstrecke des orkischen Heerzugs. Der Grund für das Problem liegt meiner Meinung nach vor allem in den dazu nicht vorhandenen Karten. Im Kern läuft die Schwierigkeit darauf hinaus, dass im Abenteuer überwiegend davon ausgegangen wird, dass Burg Emmeranstreu südlich des Dergels auf Greifenfurter Seite liegt, einige Beschreibungen aber nur passen, wenn die Burg am Nordufer des Dergels auf Weidener Seite läge. Ich versuche, die Argumente für beide Sichtweisen einmal geordnet aufzulisten:
Für die Lage auf Greifenfurter Boden sprechen:
- die Beschreibung auf S. 10 („[…] Burg Emmeranstreu, die an der Nordgrenze der [Greifenfurter, A.d.R.] Baronie Finsterrode […] liegt“),
- die Zuordnung als Fluchtburg des südlich des Dergels liegenden Ortes Waldrast (S. 11),
- die Burgumfeldkarte auf S. 12, die mit Kompassrose den Dergel eindeutig auf die nördliche Burgseite legt,
- im Weiteren die im Abenteuer auf die Greifenfurter Baronien Finsterrode und Finsterkamm beschränkten Ermittlungen (S. 32ff).
Soweit eigentlich alles klar, oder? Aber: Versucht man, im späteren Detektivplot die gegebenen Informationen zu ordnen oder aber die Beschreibung der Schlacht zu verstehen, so finden sich Punkte, die entweder fragwürdig bis unsinnig sind, oder aber mit der Burg auf nördlicher Flussseite geplant wurden:
- Die Ritter des Schwertbundes, die von der Weidener Feste Hohenstein aus Emmeranstreu zu Hilfe eilen, sollen am Ende der Schlacht von Osten kommend mit einem Kavallerieangriff den Orks in die Flanke fallen und diese in und über den Dergel treiben (S. 30). Wenn die Burg auf Greifenfurter Seite steht, liegt der Dergel aber zwischen Rittern und Orks.
- Die Orks sollen mit einer Schwimmbrücke, die von Kollaborateuren errichtet wurde, über den Dergel gesetzt sein (z.B. S. 33). Dies ergibt keinen Sinn, wenn sie auf Greifenfurter Seite die Finsterwacht überwinden (was durch Ausschaltung von drei Wachtürmen auf Greifenfurter Seite doch geschieht) und anschließend auch auf Greifenfurter Seite bleiben wollen.
- Im Abenteuer verfolgen die Helden die Spur des Orkheeres zurück. Diese führt dort von der Schwimmbrücke aus nach Westen zu den überfallenen Türmen der Finsterwacht (S. 33). Dies heißt aber im Umkehrschluss, dass die Orks von Westen kommend über die Schwimmbrücke nach Osten – also Weiden – vorgerückt sind. Da sie die Brücke brauchen, um auf die Flussseite Emmeranstreus zu kommen, müsste die Burg also auf Weidener Seite sein.
Richtig verwirrend wird es dann, wenn an einer weiteren Stelle beschrieben wird, wie man auf der Spur des Orkheeres von der Burg Emmeranstreu aus nach Osten zum Übergang über den Dergel kommt (ebenfalls S. 33). Der Finsterkamm liegt im Westen, Mordor liegt im Osten, also muss das Reich der Orks im Osten liegen? Ich denke, dass zumindest diese Stelle ein reiner Fehler ist und hier „nach Westen“ gemeint ist. In Anbetracht der eh schon verwirrenden Widersprüche stört eine solche Stelle hier aber leider doppelt.
Was nun also tun? Die Beschreibungen widersprechen sich. Aber kann man das Ganze nicht einfach auf eine Seite festlegen? Wird man als Spielleiter wohl müssen. Aber so oder so muss man die Informationen im Detektivplot sorgfältig umbauen, da, wie aufgelistet, Hinweise in beide Richtungen weisen können. Hier die Übersicht zu behalten, dürfte nicht einfach sein. Ein falsch platzierter Hinweis kann meiner Erfahrung nach aber einen Detektivplot massiv schädigen, da den Spielern die Zusammenhänge unklar werden oder Unstimmigkeiten zu Verdächtigungen führen, die nicht gewollt sind.
Auf jeden Fall denke ich: Mit einer Karte wäre das nicht passiert oder zumindest deutlich schneller erkennbar gewesen. So ist die Beschreibung vor allem eine Quelle für Frust und Kopfschmerzen. Übrigens hätte eine Übersichtskarte auch dabei geholfen, die diversen Örtlichkeiten, die auf offiziellen Karten bisher nicht oder nur in Randpublikationen wie den T-Abenteuern verzeichnet worden sind, klar zu positionieren. Wo liegt der Ort Schattensprung? Die Burg Finster? Der Ort Schwertleyda? Die betroffenen drei Wachtürme der Finsterwacht? Es ist nur schwammig im Text beschrieben. Das wäre vielleicht auch egal, wenn die Helden nicht versuchen sollten, die Orkverräter auf Menschenseite dingfest zu machen. Dafür würde ich als Spieler gerne wissen, welche Orte die Personen möglicherweise in welcher Zeit erreichen konnten und wo man sie dabei möglicherweise bemerkt hätte. So, wie das Abenteuer das darbietet, ist dies schlicht nicht möglich.
Kapitel VI und VII – ein langer, langer Weg zum Plotziel
Die Schlacht ist geschlagen, die Orks haben entschieden, der Eishexe den Garaus zu machen – nun müssen die beiden Gruppen nur noch in den hohen Nordosten kommen. Und die Strecke dahin ist verdammt lang, geht durch sehr unterschiedliche Gebiete und enthält in der Wildnis massenhaft Unwägbarkeiten. Eigentlich ein Abenteuer für sich, das nun auch doppelt bevorsteht, da ja Orks wie Menschen zum Eispalast müssen. Wie geht das Abenteuer damit um? Sehr unterschiedlich. Die Reise wird insgesamt eher nebenbei abgehandelt, auf Orkseite etwas ausführlicher thematisiert, auf Menschenseite dagegen im Endeffekt in weiten Teil ignoriert.
Die Schwarzpelze sammeln sich bei Tiefhusen, um von hier den Marsch nach Osten anzutreten. Dies wird ohne große Handlung absolviert, einzig ein Treffen mit der Tierkönigin der Silberwölfe, Larka, bekannt aus dem Abenteuer Das Levthansband, bereitet einen Handlungsbogen vor, der eine glaubwürdige Basis für eine Kooperation zwischen Orks, Elfen und Ifirnsrudel legen soll. Der Tierkönigin ist dabei nur ein Kurzauftritt gegönnt, was ich bei einer Wesenheit dieses Kalibers sehr schade finde. Die sehr interessante Dreiecksbeziehung Larka – Kyrjaka – Glorana wird ebenfalls nur sehr grob angerissen, so dass sie nur für Kenner der Materie verständlich sein dürfte, und spielt ansonsten eh keine Rolle. Das ist meiner Meinung nach ebenfalls misslich. Einer der Orkhelden soll außerdem als Wolfsfreund die Mittlerposition einnehmen. Auch dieser Hintergrund bleibt in meinen Augen sehr schwammig und wirkt mehr wie ein stark gewolltes Plot-Mittel zum Zweck des Bündnisschmiedens und kaum wie eine sich zwanglos ergebende Abenteuer-Komponente.
Von Tiefhusen aus soll das Heer nun nach Nordosten ziehen. Kenner des Nordens erkennen die nächste Klippe schnell: Über ein halbes tausend Orks, begleitet von Goblins, wollen ohne ortskundige Führer durch die ihnen fremden Siedlungsgebiete von Waldelfen, Steppenelfen und Nivesen ziehen. Kann sowas gut gehen? Grundsätzlich gibt es hier einen sinnvollen Ansatz: Der Feind meines Feindes ist zumindest zeitweise mein Verbündeter. So halte ich es für eine plausible Idee, dass die Elfen bei Kenntnis der Ork-Pläne von einem verlustreichen Kampf gegen diese absehen, solange das Heer sich mit dem Durchzug auf einer vorgegebenen Strecke begnügt. Sehr passend auch, dass die Waldelfen das Orkheer nutzen, um gezielt das verhasste Oblarasim zu vernichten. Und schließlich finde ich es auch sehr schön und durchdacht, wie die Orks auf die friedliche, aber gezwungene Marschiererei durch die Elfenlande reagieren sollen – von der Ablehnung des von Elfen geschenkten Essens bis hin zu steigenden Reibereien wegen zu langer Friedlichkeit. Dennoch: Ich hätte mir für den Weg noch deutlich mehr ausgearbeitete Probleme gewünscht. Warum nicht bspw. ein Konflikt mit einer Elfensippe, die den Waffenstillstand für falsch hält und gegen die Orks agiert, samt Ideen dazu, wie die Orkhelden den in der Folge brüchigen Waffenstillstand retten könnten? Wirklich ernsthafte Probleme sind nicht vorgesehen.
Den Orks wird meiner Meinung nach der Weg gen Eisreich tatsächlich sehr leicht gemacht. Die Frage nach Ressourcen zur Versorgung wird nur sehr rudimentär angesprochen, leider auch in späteren Etappen, wenn sie meiner Meinung nach eine entscheidende Bedeutung hätte. Generell wirkt es so auf mich, dass einfach gesetzt ist, dass die Orks die Strecke problemlos schaffen. Bezeichnend dafür ist bspw., dass der Autor davon ausgeht, dass bei einem gescheiterten Waffenstillstand zwischen Orks und Elfen das Orkheer mit seinen rund 600 Schwarzpelzen nur Verluste von rund 75 Kriegern erleiden wird. Glaubhafter wäre für mich die Annahme, dass bei ernstem Widerstand der Wald- und Steppenelfen ein solches Heer nach 500 bis 600 Meilen Marsch durch eine fremde und feindliche Wildnis kaum noch in der Lage ist, weiter gegen Glorana zu ziehen. Ein zweites Beispiel: Beim Angriff auf Oblarasim wird explizit der Ort als wichtige Möglichkeit zur Überquerung des Oblomon beschrieben, zumal die Orks keine guten Schwimmer sind. Dass lange vorher auch der Kvill überquert worden sein muss, wird aber völlig ignoriert.
Hatte ich schon erwähnt, dass das mit einer Übersichtskarte eher aufgefallen wäre? Aber kommen wir zu den anderen Karten, immerhin sind einige Bodenpläne enthalten und auch Stadtpläne – wenn auch nicht für alle interessanten Orte. Leider fehlen (man muss sagen: mal wieder) auf beinahe allen Karten Maßstäbe. Der Stadtplan von Oblarasim und die Meisterkarte eines Glorana-Vorpostens (nicht aber die entsprechende Spielerkarte) haben einen, die anderen aber nicht.
Schauen wir uns aber einmal den Stadtplan Oblarasims an, des Ortes, der überfallen werden soll. Es gibt einen Plan, das ist schon einmal die gute Nachricht. Dass der Plan sich auf einen kleinen Bereich beschränkt und nicht das weitere Umland zeigt – na schön, das würde ich mir anders wünschen, damit die Helden sich auch einen strategischen Überblick machen können (Orks und Strategie? Bei Rondra, jetzt wollt ihr mir noch erzählen, sie hätten auch eine Kavallerie!). Aber immerhin, ein Plan. Dass eine Ortsbezeichnung nicht zur Beschreibung passt (Firuntempel am Marktplatz oder nicht?) – ach, geschenkt. Das kann man als Meister leicht anpassen. Dass die Fähre und die Bootsanleger, welche die Helden für den Übergang schützen sollen, nicht eingezeichnet sind – macht der findige Meister doch auch selbst, mit Bleistift! Aber Moment Mal: Fähre? Warum ist dann da diese dicke fette Brücke eingezeichnet? Elfenzauber? Halluzinationen? Falscher Plan?
Ich hoffe, jeder, der das Abenteuer leitet, erkennt das Problem vorher. Sonst wird es zu spannenden Dialogen mit den Helden kommen: „Also, meine stolzen Okwach. Ihr habt die ruhmvolle Aufgabe, die Boote für die Überquerung über den Fluss zu sichern! Schleicht euch also zum…“ „Oh Schamane, warum nehmen wir nicht die Brücke, die dort mitten im Ort liegt?“ „Die was?“ „Die Brücke, sie sieht doch sehr stabil aus, so wie die Späher sie gezeichnet haben.“ „Ach, DIE Brücke… Nun. Ähm.“ (Ein Steppengrasbüschel weht vorbei.)
Die Reisen als solche erscheinen mir hier nur eine lästige Pflicht gewesen zu sein, was ich ungünstig finde, da dieser Aspekt im hohen Norden einer der wichtigeren des Settings ist. Noch stärker merkt man das in der Menschenkampagne, in der die Reise von Trallop nach Paavi nur aus Informationen zum Treffen mit der Ifirnsmaid Walbirg und der Rekonstruktion des Heiligen Pfeil des Mikail besteht. Die Reise wird in ein paar Sätzen abgehandelt, in denen erklärt wird, dass nichts passiert.
Was passiert bei den Menschen ansonsten? Ein Szenario mit Schnitzeljagd, in der man die einzelnen Teile der Mikail-Reliquie finden muss. Dabei reist man vor allem im Gebiet zwischen Uhdenberg und Greifenfurt umher, trifft einen weiteren Tierkönig, muss in einer Kaiserpfalz Falken befreien und kommt schließlich nach der ereignislosen Reise über Bjaldorn in den Norden. In Paavi wartet schließlich ein Zwischenfinale im Keller von Gloranas schmelzenden Eispalast, wo man in einem schön düsteren und fordernden Dungeoncrawl die Spitze des Pfeils erobern muss. Doch auch hier fehlen mir die feinen Details. Im Palast, so lautet die Information, befindet sich ein heimlicher Treffpunkt verbliebener Paktierer, es gibt Untote sowie von Glorana zurückgelassene „minderwertige“ Eisstatuen – also in Eis verwandelte Lebewesen. Gibt es Überlegungen dazu, wie eine im Kirchenauftrag agierende Heldentruppe hier vorgehen kann, um zwölfgöttergefällig Paktierer auszumerzen oder im elenden Eisschlaf gefangene Seelen zu erlösen? Nein, das wird leider nicht thematisiert, hier darf der Meister wieder selbst Hand anlegen.
Kapitel VIII bis X – Dingdong, the witch ain’t dead
Auf geht es ins Finale, mitten ins Herz der Finsternis namens Glorania. Für die Orks bedeutet das zunächst eine Trennung. Das Heer rekrutiert Schneeorks aus den Eiszinnen, die Ork-Helden sollen derweil für ihren Ober-Schamanen so viel wie möglich über Theriak herausfinden. Von gefangenen Menschen hatten sie vorher erfahren, dass Paavi gar nicht mehr im Herrschaftsbereich der Eishexe liegt, weshalb die Stadt verschont wird. Die Gruppe besucht dafür den Keller des Schneepalasts, aus dem kurz zuvor die menschlichen Helden die Mikails-Pfeilspitze gerettet haben. Viel können die Orks hier so oder so nicht über das Theriak herausfinden, doch glücklicherweise sieht der Plot auf dem Rückweg die zufällige Begegnung mit einer Theriak-Karawane vor. Nun gut, kann man machen, wirkt auf mich aber schon wie arg viel Zufall.
Schließlich geht es endlich gen Norden und zu den Massenschlachten drei und vier. Erst wird eine Theriak-Sammelstation durch die Schwarzpelze eingenommen, wobei auf beiden Seiten Dämonen eingesetzt werden, dann geht der Weg in die Schwarzeiswüste. Hier wird zwar ein wenig auf die drohenden Gefahren eingegangen, dennoch hätte ich diesen Teil deutlich ausgearbeiteter erwartet – immerhin geht es um die härtesten 100 Meilen Strecke der ganzen Reise. Das Abenteuer bietet hier aber fast nur erzählerische Ansätze im Stile von: Die Orks sind starke Kämpfernaturen, was ihnen gegen Nagrachs Hauch helfen mag.
Am Ende steht dann die Erstürmung von Gloranas Eisschloss, nachdem die Menschen den Zugang geöffnet haben. Die Orks erobern die Festung, töten Eisgolems sowie Paktierer und bringen den Nagrach-Splitter dank Minotaurus auf schnellstem Wege über Feenpade ins Orkland. Die Ideen zu den Gegnern in den Kämpfen und deren Möglichkeiten sind dabei sehr umfangreich und die Schloss-Bodenpläne, wenn auch ohne Maßstab, sind sehr schön gestaltet. Es fehlt mir für die Endschlacht zwar ein Umgebungsplan, aber da der Zugang zur Burg eh über das Plotartefakt in Form des Mikails-Pfeils erlangt wird, ist der Plan im Endeffekt auch nicht nötig. Ich empfinde den Endkampf allerdings nicht als den besten der vier großen Kämpfe, zumal das Abenteuer nur wenig Tipps zu Handlungsoptionen gibt.
Wie geht es auf der anderen Seite für die Menschen zu Ende? Hier muss ich leider sagen: Frustrierend. Sehr frustrierend. Zu Beginn des finalen Glatthaut-Kapitels kommt es dabei überhaupt erst zur eigentlichen Zielsetzung: Waren die Handlungen bis dahin immer nur auf Nahziele gesetzt (retten wir die Burg, rekonstruieren wir den Pfeil) wird jetzt endlich die Frage nach einen Angriff auf Glorana durch Walbirg aufgeworfen. Glücklicherweise lagert Kailäkinnen in der Nähe Paavis und kann die Helden mit magischen Waffen und guten Worten versorgen – dann ist sein wirklich kurzer Auftritt auch schon wieder vorbei. Auch Walbirg verlässt nun die Helden, damit sie nicht mit ihrer Präsenz den Feind auf die Gruppe aufmerksam macht. Einerseits eine berechtigte Sorge, sorgt doch schon alleine die Präsenz des firunheiligen Mikails-Pfeils kurz darauf für einen Angriff durch die Reste der Wilden Jagd, die eigentlich den Orks zusetzen soll. Andererseits kommen die Helden hinterher mit dem Pfeil unbehelligt bis vor die Tore des Eisschlosses, ohne dass ein weiterer Überfall folgt.
Auch die Firnelfen dürfen nun zeigen, dass sie am Kampf beteiligt sind. Liest man das Abenteuer, so haben sie in den letzten Jahren in mühevoller Eisformarbeit den Weg auf den verbleibenden 100 Meilen bis zum Schloss so geformt, dass die Helden nun problemlos und schnell bis dorthin vorstoßen können. Einerseits: Gute Idee. Andererseits: 100 Meilen Schwarzeisformerei dürfte auch eine ganze Firnelfensippe nicht in ein paar Jahren hinbekommen, zumal sie im Geheimen arbeiten mussten. Außerdem wirkt es auf mich wieder einmal wie eine Möglichkeit, im Abenteuer die Probleme der Region zu ignorieren, statt sie wirklich auszuspielen.
Am Schloss angekommen, müssen nun die Menschen den Orks den Weg ebnen, indem sie kurz und schmerzlos den untoten Riesen-Torwächter mit dem Mikails-Pfeil erschießen. Dann dürfen sie – zur Not direkt mit Elfenhilfe – vorrücken zum Endkampf in den Thronsaal. Und ja, hier dürfen sie tatsächlich Glorana töten. Doch jetzt kommt es: Das ganze ist nur ein perfider Plan der Eishexe, die ihren Körper schon fast gänzlich verlassen hat und mit ihrer Seele im Splitter steckt, von dem sie hofft, dass die Orks ihn von hier weg bringen, damit sie neue Möglichkeiten findet. Die Helden töten also quasi nur die leere Hülle. Kommt das irgendwie bekannt vor? Ich möchte hier keine anderen Abenteuer spoilern, aber an dieser Stelle erschien vor meinem geistigen Auge nur noch John Constantine: Come on.
Also: Die Orks bekommen den Splitter, die Eishexe entkommt im Endeffekt in selbigem, das Schloss bleibt in der Hand der Tairach-Schamanen, die Pforte in Nagrachs Reich bleibt unbeschädigt – aber da waren ja noch die Eisstatuen. Da müsste ja, nur mal so als Beispiel, irgendwo eine Thesia von Ilmenstein herumstehen. Können die Helden hier wenigstens etwas reißen? Natürlich nicht. Die Statuen werden zwar beschrieben, auf die Auflistung von bekannten Personen, die man wiedererkennen könnte, wird aber verzichtet, und außerdem kommt dann noch der Drache Schirr’Zach aus dem Nichts und kassiert die Figuren ein. Gut, das Abenteuer schreibt, dass er bei Widerstand der Helden sich erst zurückzieht, aber dann wird auch ergänzt, dass er sie in dem Fall später einen nach dem anderen zur Strecke bringt.
Für die Helden endet das Abenteuer offiziell damit, dass sie als die Bezwinger Gloranas gefeiert werden. Die Spieler können zu dem Zeitpunkt nicht wissen, dass das im Endeffekt eine Luftnummer war. Mir als Spielleiter war an dieser Stelle dann aber auch der letzte Rest an Freude am Menschenplot vergangen. Wirklich sehr schade, denn die ganze Geschichte hatte deutlich mehr Potential.
Fazit
Alles in allem – was ergibt sich da in der Gesamtheit? Erstmal das Positive: Der Orkteil ist stimmungsvoll mit vielen Ideen und Szenen, um die Kultur der Schwarzpelze darzustellen. Dabei ist meiner Meinung nach der Plan, auch bei den martialischen, auf den Kampf und auf das Durchsetzen in der Wildnis ausgelegten Orks den Firunglauben im schamanistischen Umfeld zu etablieren, durchaus plausibel. Das hat soweit Hand und Fuß und passt auch in mein Aventurien. Bleiben aber die technischen Mängel und die meiner Ansicht nach verfehlte Setting-Wahl: nicht vorhandene Karten, völlig unterschätzte Zeitdauern und eine Darstellung des Nordens, die kaum etwas von seiner Gefährlichkeit jenseits von direkten Kämpfen wirklich zeigt. Teile dieser Kritik mögen aber Geschmackssache sein und die Orkdarstellung ist tatsächlich stimmungsvoll, deswegen gibt es für diesen Teil noch 6 von 9 Stierschädeln.
Schaue ich mir das Abenteuer aber mit Fokus auf die Menschenkampagne an, so bin ich stark enttäuscht. Die wichtigsten NPCs eher blass und mit nur sehr kurzen Auftritten, eine Handlung, die nicht aus einem Guss scheint und alte Plotfäden nur notdürftig aufgreift, dazu viele verschenkte Möglichkeiten, was eine komplexere und interessante Gestaltung des Settings angeht. Im letzten Kapitel kommen dann zwar mit Einbindung von Kailäkinnen und Firnelfen hoffnungsvolle Elemente dazu, doch das eigentliche Finale hat auf mich stark ernüchternd gewirkt. Splitter und Festung in den Händen der Orks, Pforte des Grauens mit ihrer Problematik aber weiter von Bestand, keinerlei Persönlichkeit oder auch nur eine „unwichtige Seele“ als Eisstatue gerettet und dann auch nur scheinbar Glorana getötet, in Wahrheit aber ihren Plan vollendet: das alles liegt mir ziemlich schwer im Magen. Mit diesem Ende kann man den Menschenplot besser komplett streichen und hat so mehr vom Abenteuer. Deswegen bekommt dieser Teil von mir auch nicht mehr als knappe zwei Himmelswölfe für viel zu wenig gut umgesetzte Ideen.
Will man daraus eine Gesamtwertung ableiten, was ich auf Basis der extremen Ungleicheit beider Kampagnen extrem schwierig finde, so finde ich den Mittelwert aus beiden Einzelwertungen noch am fairsten. Vier Einhörner also, die den vorhandenen guten Ideen und Teilen folgen, trotz der Gefahr, dabei von Orks erschlagen zu werden. Fünf bleiben dabei aber auf der Strecke, die gerade auf der Menschenseite sehr enttäuscht von dannen ziehen. Auch wenn die Idee der Doppelkampagne gut ist, hätte ich das Abenteuer mit einer reinen Orkkampagne konsequenter gefunden, insbesondere, da man anscheinend nicht bereit war, den Menschen hier auch nur das Schwarze unter dem Fingernagel zu gönnen.
Mit freundlicher Unterstützung in Form eines Rezensionsexemplars von der Ulisses-Spiele GmbH und dem F-Shop.
Da Meckerei immer viel leichter ist, als die Dinge auch selbst zu machen, und andererseits umfangreiche Änderungsvorschläge nicht unbedingt in die Rezension gehören: Hier Meine kleine Ideensammlung, wie ich den Menschenplot für mich zu retten versuche, ergänzt um Übersichtskarten, die mit Hilfe des Ulisses-Kartenpakets erstellt wurden.
Hab Dank für die Zusammenfassung.
Und erneut ist anscheinend ein Autor über das „Ost-West“ und „Links-Rechts“ ausgerutscht 🙂
Ohje, da bin ich ja beinahe schon froh, dieses Abenteuer weder zu spielen noh zu meistern… 🙁 Und dabei mein Lieblingssetting und -thema…
Schlimmer finde ich das der Autor, der eine Schwäche für „reale“ Räume und Strecken Probleme hat auch maßgeblich an den DSA5 Regeln mit geschrieben hat…
Naja, ob er da eine Schwäche hat, ist ja nicht gesagt. Vielleicht hatte diese mir wichtige Dimension des Settings für ihn einfach nicht die Relevanz oder er hat die Entfernungen bewusst geschrumpft, damit der Plot passt. Bei aller Kritik, die ich am Abenteuer habe, sollte man mit entsprechenden Wertungen an der Person des Autors sehr vorsichtig sein.
Naja, ist doch wahr… wenn ein Abenteuer, dass mit Firun assoziiert ist, NICHT ausreichend auf die Gefahren des hohen Nordens eingeht und dann die Spieler noch praktisch im Schnelldurchlauf durch die gefährlichsten Regionen Aventuriens schleift… dann hat das Abenteuer, oder der Autor, schlichtweg versagt.
Dann hat der Autor in dem Abenteuer die Dinge nicht so umgesetzt, wie es vermutlich viele wünschen, ja. Aber auf Basis dieses einen Abenteuers zu schließen, dass er deswegen bei anderen Werken wie dem neuen Regelwerk, das dazu auch noch andere Ansprüche stellt, es auch nicht hin bekommt, halte ich dennoch nicht für eine haltbare Schlussfolgerung. Deswegen möchte ich explizit als Rezensent darauf hinweisen, dass ich das Abenteuer Firuns Flüstern rezensiert habe und nicht den Autoren Jens Ullrich als solchen.
Den Autoren als solchen zu beurteilen, wäre angesichts seiner (zumindest für DSA) noch recht kurzen Publikationsliste tatsächlich nicht seriös.
Gerade deswegen finde ich eher die Entscheidung der Redaktion, jemanden bei seinem ersten richtigen Gruppenabenteuer gleich auf die Splitterdämmerung anzusetzen, fragwürdig.
Und wo manifestiert sich diese Schwäche Deiner Ansicht nach in den Beta-Regeln?
Auch wenn das Abenteuer offenbar reichlich Ansatzpunkte für Kritik bietet, ist mir das für eine Rezension viel zu lang.
Einfach die Detailbegründungen überspringen, dann ist es nur noch halb so lang.
Das ist natürlich schade, dass sie dir zu lang ist, andererseits habe ich Verständnis dafür, wenn man nicht die Zeit oder Lust hat, einen so langen Text komplett zu lesen. Für alle, denen es ähnlich geht, habe ich einen Sprunglink zum Fazit eingebaut, der direkt vor der Detailkritik nach der Übersicht positioniert ist. Damit ist vielleicht auch für dich und andere mit dem Wunsch nach weniger Text zumindest eine Möglichkeit vorhanden, die wesentlichen Punkte ohne langes scrollen und suchen zu finden und zu lesen.
Danke für diese Auseinandersetzung mit dem Abenteuer, fand ich für mich sehr hilfreich.
Nur über eine Sache bin ich schwer gestolpert: „Wo liegt die Burg?“ im Zusammenhang mit „Ableitungen von geografischen Eigennamen auf ‚-er‘ werden großgeschrieben (vgl. http://www.sprache-kompakt.de/rechtschreibung/orthographie/04/index.php) …
Schön, wenn es hilft. 🙂
Was die Bezeichnungen angeht: Danke für den Hinweis, man lernt nie aus. Ich werde es nachher mal korrigieren.
Danke für die ausführliche Rezi! Ich habe die — nach ersten Eindrücken wohl zweifelhafte — Ehre, für unsere Gruppe Firuns Flüstern zu leiten (wann genau steht noch nicht fest, da vorher noch eine andere Kampagne ansteht). Als erste Reaktion auf die Zweiteilung des Abenteuers habe ich beschlossen, die ganze Kampagne losgelöst voneinander als zwei Kampagnen in Parallelwelten zu leiten, um dadurch zu starkes Railroading zu vermeiden (wenn Gruppe A einen „Übergabepunkt“ vermasselt, kann Gruppe B so trotzdem weiterspielen, weil es in ihrer Parallelwelt nicht passiert ist, und ich muss nicht rettend in die Gruppenhandlung eingreifen).
Je mehr ich über die Kampagne lese, desto mehr bekomme ich das Gefühl, für meine Runde doch eine ganze Menge abzuändern und anzupassen. Daher werde ich auch die Ideensammlung aufmerksam verfolgen und bin dir sehr dankbar für die Aufschlüsselung der Unstimmigkeiten (zeitlich und räumlich), damit ich mir dazu im Vorfeld ausreichend Gedanken machen kann.
Ich freue mich, dass es hilft. Wer Lust und Laube hat, kann ja entsprechende eigene Anpassungen auch noch im zweiten Artikel posten, so wie Cifer es ja auch schon getan hat. Ganz uneigennützig bin ich da auch für weitere Ideen dankbar, da ich das Abenteuer vermutlich nächstes oder übernächstes Jahr auch meistern werde. 🙂
Ich weiß den Aufwand, den der Rezensent sich bei der Berechnung der Reisestrecken gemacht hat sehr zu schätzen und kenne das Gefummel, das da hinter steht. Es war nicht ganz einfach, auf den Teilkarten des aventurischen Atlas die Distanzen richtig raus zu messen. Ursprünglich findet die Schlacht bei Waldrast Mitte Peraine statt. Ich werde mal nachhaken, warum das geändert wurde. Das Thema Reisedistanzen werde ich gegebenenfalls andernorts nochmal aufnehmen.
Burg Emmeranstreu liegt am südlichen Ufer des Dergel, was auch aus dem Lageplan der Schlacht hervor geht.
Die Brücke auf dem Lageplan von Oblarasim gehört dort natürlich nicht hin. Ich werde mal nachfragen, ob man eine retuschierte Variante kriegen kann.
Das wäre natürlich super, wenn man eine entsprechende Karte noch bekommen kann. 🙂 Mitte Peraine klingt nach einem Termin, an dem das mit dem Zeitrahmen dann auch passen kann (wie viel Zeit das in „Wirklichkeit“ alles benötigt ist ja eh nicht auf ein paar Tage oder gar Wochen fest zu machen). Zum ausmessen kann ich übrigens empfehlen, eine der Gesamtkarten (z.B. vom Wandtattoo oder die von mir aus dem Kartenpaket zusammengeschnipselte) in ein Vektorzeichenprogramm als Hintergrund zu packen. Wenn man die Routen dann als Linien einzeichnet geben die üblichen Programme die Länge der Linien auch aus. Dann kann man am entsprechenden Maßstab ziemlich einfach die Distanz ausrechnen.
Was Burg Emmeranstreu angeht, so war ich auch davon ausgegangen, dass sie am südlichen Ufer liegt. Das Problem ist dann halt die Zugrichtung der Orks über den Dergel und der Entsatz aus Weiden.
Der Entsatz aus Weiden kommt weiter östlich über den Dergel. Das hätte man sicher für das Detailverständnis nochmal näher erläutern können, für die Situation vor Ort ist das aber zweitrangig. Das Osten auf Seite 33 ist schlichtweg falsch. Die kommen natürlich aus Westen. Mit der Lage Mordors hat das lustigerweise nichts zu tun. Ich vermute da eher einen Dreher oder die Anleihen der Magyaren bei den Zholochai, die sich da unterbewusst gemeldet haben. Solche Detailfehler ärgern mich übrigens auch als Autor ziemlich.
Für Routenberechnungen (gleich welches Setting) empfehle ich Via Aventurica und wundere mich immer wieder, daß diese Software so wenig verbreitet ist.
http://tagschatten.blogspot.de/2012/04/ein-neues-altes-spielzeug.html
Nie von gehört.
Auch nett: http://nandurion.de/blog/2014/05/28/avespfade-routenplaner-fur-aventurien/
Probiers aus. Wenn sogar ich in 5 Minuten damit klarkomm ist es für alle Auffassungsspektren geeignet und bringt Ergebnisse. 😀
Irgendwie habe ich bei vielen der letzten Abenteuer das Gefühl, dass alles, was ich in den letzten 22 Jahren im offiziellen Aventurien erlebt habe, nicht mehr so wirklich eine Rolle spielt. Vielleicht liegt es am Generationswechsel in der Redaktion, aber mir fehlen bei Abenteuern wie diesen die Verbindungen zu den vergangenen für die Region wichtigen Abenteuern und NSCs. Und vor allem die Einbindung der SCs, die diese Abenteuer erlebt haben.
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Danke für die Beschreibung/Rezension
Ich werde dieses Abenteuer demnächst leiten und im Vorfeld einiges umschreiben bzw. die Karten anpassen.