„Der Sklave schreit – er denkt er weiß, was er will,
der Sklave schreit – er denkt, er hätte etwas zu sagen,
der Sklave schreit – er hört, doch er will nicht zuhören,
der Sklave schreit – nun wird ihm die Unterwürfigkeit eingeprügelt.“
Renner Trotz, Barde der Schwarzaxt,
aus dem oronischen Zyklus „Zerbrochen: Glücklich in der Sklaverei“
Bergfest beim Splitterdämmerungs-Zyklus: Schleierfall von Autor Alex Spohr bildet als vierter Band genau die Mitte der auf sieben Teile geplanten Reihe. Wie die anderen Bände auch, kann dieser im Prinzip losgelöst vom Rest gespielt werden, dennoch dürften die meisten Gruppen ihn wohl als abschließenden Teil einer Kampagne, beginnend mit dem thematischen Vorgänger Schleiertanz, nutzen. Zusammen erlebt man so die Nachwehen der oronischen Zeit Araniens und kann diese zu einem Abschluss führen.
Bevor ich zur eigentlichen (Lang-)Rezension komme, hier ein kleiner Hinweis: Wer nicht so viel Lesen oder keine größeren Spoiler zum Inhalt haben möchte und dennoch wissen will, wie ich den Band einschätze, inklusive einer kurzen Begründung, der kann hier direkt zum Fazit springen. Ich habe mich bemüht dieses entsprechend kurz und spoilerfrei zu halten.
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Ein Blick hinter den Schleier – Aufbau und Handlung im Überblick
Das Abenteuer ist modular angelegt: Einstieg und Ende bilden feste Punkte, zwischen denen der Rest in Abhängigkeit vom Vorgehen der Gruppe stattfinden soll. Als Hilfe gibt es einen umfangreichen Anhang mit Beschreibungen und Übersichtslisten zu beteiligten Personen, dazu einen Überblick über die bereisten Regionen inklusive Reisezufallstabellen. Auch Beschreibungen einiger einbaubarer Verschwörer-Zirkel und ein kleiner Kultgenerator finden sich im Band. Zusätzlich werden zwei wesentliche Konzepte vorgestellt: Einmal sind da die Verführungspunkte, die so ähnlich bereits aus Schleiertanz bekannt sind und die ein Mittel darstellen, die Verführung der Helden durch Belkelel darzustellen. Daneben gibt es auch die Vergebungspunkte. Diese sind als Mittel gedacht, mit denen Dimionas Verhalten und Schicksal bestimmt werden kann. Als Hintergrund dient der Versuch Tsas, die Seele der Heptarchin zu retten. Praktisch sollen die Taten der Helden im besten Fall Dimiona an ihrem bisherigen Weg zweifeln lassen und zum Paktbruch führen. Hierdurch wird auch das weitere Schicksal dieser Figur nach dem Abenteuer mitbestimmt (dazu weiter unten mehr).
Die Handlung selbst wirft die Helden in ein Intrigen-Geflecht, dessen Hauptakteure neben Dimiona ihre Mutter Sybia und der oronische Magier Rasulan sind. Sybia besitzt als ehemalige Fürstin und aktuelles Oberhaupt der Mada Basari viel Einfluss und ist sich nach den Ereignissen aus Schleiertanz sicher, dass ihre totgeglaubte Tochter noch lebt. Diese wiederum fühlt sich in die Enge getrieben und plant, ihre Gegner zu beseitigen und langfristig ihre Macht zu sichern. Dazu wünscht sie sich eine Tochter, mit der sie später, wie zuvor schon mit Eleonora, den Körper tauschen kann. Als Verbündeten nutzt sie Rasulan, der selbst die Rückkehr des patriachalischen Herrschersystems der Magiermogule mit sich selbst an der Spitze anstrebt und zusätzlich die Konservierung seines jugendlichen Aussehens wünscht. Damit steht er zwar im Konflikt mit Dimiona, was diese aber nicht weiß und bestenfalls ahnt. Er plant, sie als Gefäß für die Macht Belkelels einzusetzen, die er anschließend für sich nutzen will, während Dimiona sich mit dieser Macht die Rückkehr zu alter Stärke erhofft.
Im Abenteuer ist Rasulan den Helden meist einen Schritt voraus, während diese ihm im Auftrag Sybias nach und nach auf die Schliche kommen. Dimiona kann dagegen nicht offen agieren, da sie ihre Tarnung aufrechterhalten muss. Die Handlung führt durch alle Regionen Araniens, überall können oronische Verschwörungen aufgedeckt und so nach und nach die Zahl von Dimionas Verbündeten verringert werden.
Zunächst geht es um Attentäter, die über Rasulan angeworben wurden, um Gegner der Verschwörung zu beseitigen. Die Helden helfen Sybia, die selbst eins der Mordziele ist, und gehen anschließend in deren Auftrag der Sache nach. Haben sie die Bedrohung beseitigt, retten sie durch Zufall Dimiona, die bei der Geburt ihres Kindes von Attentätern bedrängt wird. Diese sollen das vermeintliche Kind Eleonoras für den machthungrigen Prinzen von Baburin, Assad ibn Merkan, beseitigen. Anschließend retten sie die Sphinx von Rash Lamashu und finden über diese eine vage Spur nach Elburum, zur aus Schleiertanz bekannten Magierin Khelbara. Diese kennt den Weg zur geheimen Bibliothek der ehemaligen Magierakademie von Baburin. Dort kommen die Helden Rasulans Plan einer großen Belkelel-Beschwörung auf die Spur, weshalb sie anschließend versuchen zu verhindern, dass er die dafür nötigen Komponenten findet. Nachdem sie dabei erneut die vermeintliche Eleonora retten, Llanka vom Malmer befreien und einen Angriff Arkos auf Anchopal diplomatisch befrieden, kommt es schließlich zum Showdown in Keshal Taref. Dimiona wird bezwungen, die wirkliche Eleonora, die als gefesselte Seele am Ort ihres Todes spukt, kann in Folge wieder ihren Körper in Besitz nehmen, und Rasulan wird zur Flucht gezwungen. Die Zukunft Dimionas ist dabei offen und kann von der Spielrunde selbst bestimmt werden – die Möglichkeiten reichen vom Paktbruch und Transfer der Seele in einen von Tsa spendierten seelenlosen Körper mit anschließendem Leben in Reue bis zur erneuten Enthauptung samt Verdammnis in den Niederhöllen.
Stadt, Land, Fluss – einige Worte zu den Karten
Bei einem modularen Abenteuer, das in ganz Aranien spielt und den Helden viele Freiheiten lassen soll, sind Karten etwas, was dem Spielleiter beim Vermitteln des Flairs der unterschiedlichen Orte sehr helfen kann. Abgesehen davon bieten sie Spielern eine schnelle und meist unmissverständliche Orientierung, die viele Worte ersetzen kann. Wie sieht es hierzu im Band aus?
Fangen wir mit dem Positiven an: Was Stadtpläne angeht, schöpft der Band aus dem Vollen. Mit Elburum, Zorgan, Baburin, Anchopal, Palmyrabad und Llanka sind für alle sechs größeren Handlungsorte Stadtpläne aus der Hand von Hannah Möllmann im Band. Die Karten sind dabei alle wunderschön gelungen und geben einen wirklich hübschen Überblick über die jeweilige Stadt. Dass im Gegensatz zum Vorgängerband, bei dem im Einband zumindest die Pläne von Zorgan und Elburum in Farbe abgedruckt sind, dieser Band nur Graustufen-Versionen der Karten enthält, ist schade, aber zu verschmerzen. Schöne wäre es, wenn man das Paket mit allen aranischen Karten in Farbe in Zukunft als PDF erwerben könnte. Dass alle Karten doppelt im Band abgedruckt sind, was bei 10 Seiten nicht unbedingt wenig Platz besetzt, ist dagegen schon ärgerlicher. Alle im Anhang ein zweites Mal zu haben, mag ein wenig das Suchen erleichtern, bei der Seitenzahl hätte ich mir aber lieber zusätzliches Material fürs Abenteuer oder andere Karten gewünscht. Zumindest hätte man einmal eine Version mit und eine ohne Legende einbauen können. Auch bei der PDF-Version des Abenteuers werden mögliche hilfreiche Anpassungen verschenkt. So sind die zweiseitigen Pläne auf zwei Einzelseiten verteilt, statt diese ganz auf eine elektronische Seite zu packen, und die Legenden, die über Ebenen ausblendbar gestaltet werden könnten, sind nicht ausblendbar. Sehr Schade.
Was gibt es an sonstigen Plänen? Da ist noch ein Ausschnitt aus der Regionalkarte, der den Teil Araniens zeigt, in dem das Abenteuer spielt. Diesen kann man laut Beschreibung beispielsweise dazu nutzen, die Reiseentfernungen zu messen und so die Reisedauer zu bestimmen. Leider wurde bei dem Ausschnitt vergessen, den abgeschnittenen Maßstab der Regionalkarte wieder zu ergänzen. So bleibt einem also nur übrig, die Regionalkarte – bspw. aus dem Ulisses-Kartenpaket – zur Hilfe zu nehmen, womit man dann gleich auch eine Farbversion hat und sich die – ebenfalls doppelt im Abenteuer enthaltene – Graustufen-Version auch sparen kann.
Was die Karte auch nicht enthält, ist ein Überblick über die politischen Grenzen der Regionen Araniens. Im Band werden die entsprechenden Sultanate und Emirate zwar vorgestellt und auch die Reisezufallstabellen sind nach Sultanaten aufgeteilt, einzig: Wo diese genau liegen, findet man leider nicht im Abenteuer. Hier hilft selbst der enthaltene Verweis auf Land der ersten Sonne nicht wirklich, da die dort dargestellten Grenzen der Sultanate nicht mit denen im neueren Aventurischen Atlas übereinstimmen. Dieser enthält zwar auch keine Grenzdarstellung der Emirate, listet dafür aber zusätzlich die jeweils zugehörigen Beyrounate auf, deren Grenzen wiederum eingezeichnet sind. Eine kartographische Übersicht der politischen Grenzen wäre entsprechend eine schöne Sache gewesen. Auf Basis der Kartenpaket-Lizenz habe ich deswegen versucht, eine solche als PDF zu erstellen.
Kommen wir zu den restlichen Karten: Diese gibt es nicht. Gut, man könnte einwenden, dass 11 Seiten Karten doch schon eine Menge sind (was ja auch stimmt), aber: Es gibt keinen einzigen Bodenplan. Egal, ob man in Palmyrabad im Sultanspalast einer Intrige nachgeht und dabei vielleicht in die Archive einbrechen will, in Elburum in der Kanalisation ein Kultistenversteck ausfindig machen soll, in Baburin in der geheimen Bibliothek dem Erzgegner Rasulan nachforscht, in Llanka in ein Charyptoroth-Unheiligtum eindringt oder in Keshal Taref im Finale die verborgene Bibliothek sucht und dabei angegriffen wird – für keine dieser Stellen existiert eine Karte. Das ist mir eindeutig zu wenig. Zwei Verweise für kleinere Nebenschauplätze auf Pläne in Ritterburgen & Spelunken verbergen dabei diese kartographische Leerstelle genauso wenig wie der Namenlose die Bresche im Sternenwall.
Neben dem Plot – Stimmung, Formalien und Grundkonzept
Was mir Abenteuer gut gefällt, ist die Darstellung von Personen und Hintergrund. Die Motivationen finde ich in der Regel stimmig. Für alle wichtigen Akteure – was nicht wenige sind – gibt es ordentliche Übersichten, es gibt einen extra Personenindex, und auch alle bespielten Regionen werden kurz, aber prägnant vorgestellt. Dabei kommen die sehr unterschiedlichen Aspekte der Regionen gut heraus: männliche Herrschaft in Baburin, abweichende Schönheitsideale in Palmyrabad, novadische Herrschaft in Anchopal, Anarchismus in Llanka und die unterschwellige Verdorbenheit in Elburum seien als Beispiele genannt.
Auch das Konzept von Verführung und Vergebung finde ich eine schöne Sache. Beide bilden einen Gradmesser für die Aktionen der Helden, wodurch das Ende des Abenteuers als direkte Folge der Handlungen durchaus unterschiedlich aussehen kann, ohne dass der grundsätzliche Erfolg gefährdet sein muss. Die Gradwanderung der Helden mit der Verführung Belkelels ist dabei aus Schleiertanz bekannt und wird hier weiter geführt. Ich finde sie passend und sinnvoll, wobei jede Gruppe überlegen muss, inwieweit die Spieler sich hier von außen in ihre Charakterkonzepte eingreifen lassen wollen. Da das Ganze aber kein integraler Bestandteil des Plots ist, kann es leicht angepasst oder gestrichen werden.
Völlig neu sind die Vergebungspunkte. Die Idee dabei ist, dass Tsa versucht, Dimionas Seele zu retten – etwas, was bereits in der G7 ein zentrales Thema bildet. Ich persönlich finde, dass die Thematik der Seelenrettung auch der großen Schurken zum Schutz der Schöpfung gegen des Chaos einen guten Kontrapunkt zum klassischen „Wir bringen die bösen Paktierer um!“ setzt. Tsa statt der vielleicht auf den ersten Blick naheliegenderen Rahja als agierende Gottheit zu nehmen, halte ich auch für sinnvoll – immerhin ist ein mildes Vorgehen bei der jungen Göttin noch am glaubwürdigsten. Dass sie gar vor Jahren einen seelenlosen Körper nach Dere geschickt hat, der just dafür geschaffen wurde, Dimiona einen neuen Leib zu bieten, ist ein durchaus passendes Detail.
Was mir nicht immer einleuchtet, sind die einzelnen Aktionen, für die es Vergebungspunkte gibt. Es geht dabei darum, dass Dimiona durch die Handlungen der Helden vor Augen geführt bekommt, dass für sie ein anderer Weg möglich ist und ihr bisheriger Weg falsch ist. An manchen Stellen finde ich die relevanten Stellen nicht schlüssig, beispielsweise, wenn es darum geht, ob die Helden ein spezielles Objekt der Magierin Khelbara ohne Widerworte aushändigen, ohne dass Dimiona zugegen ist, so dass sie davon kaum erfahren dürfte. In der Regel passt es aber. Wem der Vergebungspart nicht gefällt, der kann ihn andererseits auch einfach streichen, da er im Endeffekt kein unabdingbarer Bestandteil der Handlung ist.
Was im Band sehr häufig genutzt wird sind Sammelproben. Bei der Suche nach einem Attentäter in der Unterwelt (30 TaP* durch Überreden oder Gassenwissen), beim Umwerben von NPCs (100 TaP* durch Betören) oder dem Auftreten vor Gericht (25 TaP* durch Rechtskunde oder Überreden) – fast jede größere Aktion wird so gelöst. Was mir dabei leider zu oft auf der Strecke bleibt, sind genauere Ansatzpunkte fürs Rollenspiel: Wo lassen sich Informationen konkret einholen, mit wem können die Helden reden? Über welche Punkte kommen die Helden zum Ziel? Das muss sich der Spielleiter meist jeweils selbst ausdenken. Auch wer die Folgen der Sammelproben rollenspielerisch aufbereiten will, muss dies improvisieren – die Beschreibungen sind dafür zu grob und allgemein.
Die Spitze dieser rein vom Würfel abhängigen Vorgehensweisen ist bei zwei der Zwischenfinale erreicht: Sowohl beim Entkommen aus der eingestürzten geheimen Bibliothek in Baburin, als auch beim Eindringen in das Charyptoroth-Unheiligtum in Llanka sieht das Abenteuer ein Vorgehen vor, das im Endeffekt die Aktionen der Spieler größtenteils ignoriert. Um zum Ziel zu kommen, muss die Gruppe eine gewisse Anzahl an Abschnitten überstehen, die jeweils aus einem mit W6 ausgewürfelten Zufallsereignis bestehen. Wohin die Helden abbiegen? Egal – einen Bodenplan gibt es ja nicht. Dieses Vorgehen bietet natürlich eine sehr zügige und damit u.U. sogar spannende Szene, wer jedoch gerne im Dungeon planmäßig vorgeht, wird hier nicht wirklich auf seine Kosten kommen.
Wenn der letzte Schleier fällt – einige Gedanken zur Handlung
Kommen wir schließlich zum Kern des Abenteuers: Dem Plot. Für Aranien bot sich hier eine Besonderheit, da der Splitter ja scheinbar schon in Hand der Kirchen ist und die Heptarchin bis zum Ende des Abenteuers verborgen bleibt. Die Handlung folgt deshalb den Spuren der Verschwörung, und der Splitter selbst steht fast völlig im Hintergrund. Dies mag manchem nicht gefallen, zumal die Reihe doch Splitterdämmerung heißt, doch möchte ich einwenden, dass es nicht einfach nur um die Reste der Dämonenkrone geht, sondern auch darum, den Konflikt um den Großteil der Heptarchien, also der Splitter von Borbarads Reich, zu Ende zu bringen. Mir selbst gefällt diese Herangehensweise durchaus, da die Splitter selbst eh durch Regeln nicht gefasst sind und so im Endeffekt ungreifbar bleiben.
Insgesamt bietet die Handlung eine gesunde Mischung aus tatsächlich endgültig gelösten bzw. beendeten Elementen (Arkos/Eleonora, Dimiona, der Malmer in Llanka, Sybias Schicksal), weiter geführten Metaplotfäden (die Pläne Assad ibn Merkans, Rasulan als Gegenspieler, der Konflikt um Anchopal) und dem einen oder anderen neuen Punkt (Dimionas Tochter).
Interessant finde ich, dass das Abenteuer in der Grundversion so formuliert ist, dass die Helden nicht Schleiertanz gespielt haben müssen. Dafür gibt es jeweils Kästen, die Hinweise für die Anpassung des Abenteuers an eine entsprechende Gruppe geben. Vermutlich war dies die einfachere Möglichkeit, wenn man den Band schon grundsätzlich als vom Rest losgelöstes Setting ermöglichen wollte. Vermutlich dürfte aber die weitaus größere Zahl an Gruppen vorher auch Schleiertanz spielen. Eine spezifischere Ausrichtung als Fortsetzung hätte dabei sicherlich eine stärkere Verknüpfung gebracht.
Was den modularen Aufbau des Abenteuers angeht, so muss ich sagen, dass die Elemente schon sehr eine konkrete Reihe nahelegen, auch wenn man sie theoretisch teilweise anders anordnen kann. Dazu kommt, dass das Ganze auch nicht mit einer wirklich freien Handlung aufwartet, sondern NPCs meist genau zu den passenden Zeiten und an genau den passenden Orten auftauchen, die für die Dramaturgie geplant sind. Besonders auffällig ist dies beim enthaltenen „Suche die folgenden drei Objekte“-Plot, welcher aber zumindest einige Ideen zur zeitlichen Umgestaltung enthält. Natürlich kann ein Spielleiter diese Stellen freier gestalten, der Plot lässt es im Endeffekt auch zu – allzu viel Hilfe bietet das Abenteuer hierbei aber nicht.
Die Handlung selber ist in neun verschiedene Abschnitte unterteilt. Die Verknüpfung ist mal fließender, mal aufgesetzter gelungen. Zur Sphinx von Rash Lamasshu führen beispielsweise Traumvisionen, die für mich eher wie ein deus ex machina-Element wirken, die Spurensuche in Palmyrabad zu Beginn ist dagegen über entsprechende Informationen gut unterfüttert und ergibt sich ziemlich zwanglos. Es gibt leider auch einige Punkte, bei denen mir die Handlungsansätze sehr schwach vorkommen. Zum Abschluss zwei Beispiele dafür:
- In Llanka ist als Auflösung ein Angriff des örtlichen Malmerkults vorgesehen. Eine Infiltration oder Untersuchung des Kults durch die Helden ist vorher jedoch nicht eingeplant – obwohl im Stadtplan unter Punkt 1 sogar das Hauptquartier der Kultisten aufgeführt wird. Will man dies einbauen, hilft wieder nur völliger Eigenbau.
- In Elburum soll man die Magierin Khelbara aus den Fängen der oronischen Skorpionschwestern befreien. Diese haben ihr Hauptquartier in der Kanalisation. Laut Abenteuer ist der beste Zugang zur Kanalisation im Endeffekt genau da, wo der Kult sein Versteck hat. Wie praktisch, dass die Helden nicht suchen müssen – einen Plan von Hauptquartier oder Kanalisation gibt es ja eh nicht. Und egal, wie lange die Helden brauchen, sie kommen eh genau zum richtigen Zeitpunkt an. Das ist mir zu unflexibel und zu wenig herausfordernd für die Spieler.
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Am Ende bleibt: das Fazit
Das Abenteuer ist für mich leider eines mit vielen verpassten Chancen. Seine Stärken liegen in der Darstellung des Flairs Araniens und der Beschreibung der Personen, beides auch visuell ergänzt durch hervorragende Stadtpläne und Portraits. Der Plot selbst ist in den Grundzügen durchaus solide, wenn auch mit einzelnen Schwächen versehen. Die versprochene Modularität ist zwar grundsätzlich vorhanden, wird in den Beschreibungen aber häufig durch klar präferierte Abläufe konterkariert, was dem findigen Spielleiter weniger Probleme, wenn auch etwas Arbeit bereiten sollte. Wer den Band als Weiterführung von Schleiertanz nutzt, wird feststellen, dass die dort erfolgte Entwicklung in Aranien zwar weitergeführt wird, viele Objekte oder Personen, die im ersten Band wichtig waren, aber nur am Rande auftauchen. Auch der Splitter selbst spielt nur eine Nebenrolle, es geht aber immerhin ans Eingemachte, was die Heptarchie selbst angeht.
Unzureichend finde ich den Ausarbeitungsgrad: Keine Pläne von wichtigen Örtlichkeiten, Dungeons, in denen der Ablauf eher einem Brettspiel als einem Rollenspiel entsprungen zu sein scheint, Intrigen- und Rechercheaufgaben, deren Lösung sehr abstrakt über Sammelproben auf Talente statt über detaillierte Handlungen der Helden gelöst werden, und meist eher angerissene Lösungsansätze, deren Ausarbeitung fast völlig dem Spielleiter aufgebürdet werden. Das ist mir für ein vollwertiges Kaufabenteuer zu wenig. Mit mehr Material, das auch im vorliegendem Umfang des Bandes Platz gefunden hätte, wenn man beispielsweise auf die doppelten Karten verzichtet hätte, wäre das ein wirklich schönes Ding geworden.
Aufgrund der immensen Arbeit, die ich für den Spielleiter bei diesem Band sehe, dem völligen Fehlen von Bodenplänen und den „egal was die Helden machen, der nächste Raum wird ausgewürfelt“-Dungeons bleiben für mich nur fünf von neun Einhörnern übrig, die sich Schleierfall annehmen, da Region und Personen meiner Meinung durchaus gefällig präsentiert werden. Wer ohnehin beim Spiel Pläne und Aktionen improvisiert, eher Proben würfelt als Aktionen ausspielt und/oder Abenteuer vor allem als Inspiration sieht, der kann auch noch bis zu zwei Einhörner addieren. Wer dagegen vor allem gut ausgearbeitetes Material sucht, das nicht groß angepasst werden muss und Spieler hat, die sich gerne Gebäude anhand von Bodenplänen plastisch vorstellen, der sollte eher noch zwei Einhörner abziehen.
Das Abenteuer ist ja eher umstritten, was die Qualität angeht. Für mich aber ist es einfach(er) eine Geschichte auszudenken, als die ganzen Pläne und Karten zu zeichnen. Auch die Struktur eines Abenteuers sollte so gut sein, dass ich es zwar nicht „out of the book“ leiten kann, aber mindestens mir Hilfe bietet.
Dafür sind mir dann 30€ wirklich zu viel. Wäre es ein Fanprojekt oder aber im Rahmen einer Sammlung erschienen, dann wäre es okay. Aber für so wenig dann so viel zu bezahlen finde ich ein wenig dreist.
Immerhin brauche ich das Abenteuer ja jetzt nicht mal mehr. Dank der guten und ausführlichen Rezis im Netz, weiß ich ja was passiert und Karten kriege ich ja aus dem Abenteuer sowieso nicht.
Ich kann hier jedenfalls keine Kaufempfehlung abgeben, wenn man das leiten will, ansonsten zum Sammeln und Lesen ist es wie immer okay.
Ich glaube, das überschätzt den Informationswert einer Rezension relativ zum Inhalt des Bandes deutlich. Gerade im Fall von „Schleierfall“ steht noch deutlich mehr Hilfreiches im Buch, auch wenn die Lücken, wie Salaza zurecht anmerkt, schon ziemlich deutlich sind und den meisten Spielleitern einiges an Vorarbeit bereiten dürften. Und ich würde mich auch mit Vorwürfen der Form, es sei „dreist“, für so etwas den Preis eines vollen Abenteuers zu verlangen, eher zurückhalten. Es ist ja nicht so, dass Fanprojekte in dieser Länge und in diesem Ausarbeitungsgrad wie Pilze aus dem Boden schießen, und der Band enthält ungeachtet der Kritik immer noch 172 Seiten Material (auch wenn, wie Salaza zurecht anmerkt, das alles in allem zu wenig Platz ist, um den Plot zufriedenstellend darzustellen).
Selbst 3 Einhörner sind noch zu viel. Es erinnert an die schwachen Anthologien vor 6-10 Jahren: Viel Stoff, aber das Abenteuer muss man selbst schreiben.
Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist mies. Die Qualität ist schlecht.
Schade, denn wir hatten so viel erwartet …
Es ist vielleicht hilfreich bei der Einschätzung der Wertung, dass wir Preisleistungsverhältnisse nicht (oder nur in sehr geringem Maße) in die Wertung einfließen lassen. Das bleibt den Lesern jeweils selbst zur Einschätzung überlassen, zumal es hier in jedem Fall gravierende subjektive Unterschiede gibt.
Merkt man schon, dass der Author neben dem Abenteuer auch noch zu 50% für DSA5 und ausdrucken von 13Leitzordnern an Feedback war/ist.
*verantwortlich (war/ist)
Natürlich! 😀
Hu.
Nach dem Hauptteil der Rezension bin ich von 5-6 einhörnern ausgegangen. Das las sich irgendwie positiver als das Fazit. Ich werde wohl von der Option „+ 1 Horn“ Gebrauch machen…
Danke für die ausführliche Rezensionen!
Was meiner Meinung nach hier fehlt ist die Tatsache, dass dieser Band Regeln für Geburt und Schwangerschaft enthält
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