Im Windschatten der Diskussionen um fehlende Pferde, halbe Paraden und volle Vollzauberer ist die mit Abstand größte Neuheit auf dem deutschen Rollenspielmarkt nahezu vollständig übersehen worden. Nein, es handelt sich dabei nicht um Sea Dracula, sondern um das erste und bislang einzige deutsche Rollenspiel-Puzzle. Aus unerfindlichen Gründen hat sich bislang noch niemand an eine Rezension dieser Erschütterung der Rollenspiel-Szene gewagt, aber anlässlich unseres Tsatags haben wir uns in die in 500 Teile zersplitterte Puzzlewelt aufgemacht, um euch nun davon berichten zu können.
Sedef: Sehr gut hat mir schon auf den ersten Blick gefallen, dass das Puzzle in Vollfarbe erschienen ist. Ein Schwarz-Weiß Puzzle wäre nicht mehr zeitgemäß. Es sieht auch insgesamt aventurisch sehr stimmig aus und könnte mit etwas Klebstoff durchaus als Handout oder Outgame-Karte herhalten. Der Rückschritt zu Boxen statt Hardcovern ist dagegen mehr als ärgerlich, und ich hoffe, dass darin kein schlechtes Vorzeichen für DSA5 zu sehen ist. Das Format der Box passt im Regal nicht einmal zur Dunkle Zeiten-Box. Es fehlt leider auch schon wieder der Index, so dass man unnötig lange braucht, um ein Puzzleteil zu finden. Positiv war aber dafür festzustellen, dass dieses Produkt keinen einzigen (!) Rechtschreibfehler enthält.
Kaum ist die Box geöffnet, gibt es bereits weitere Schwierigkeiten. Der Beutel zum Aufbewahren der Puzzlezteile muss beim Auspacken zerstört werden und kann nicht weiter verwendet werden. Hier hätte ich mindestens einen LARP-tauglichen, handgearbeiteten Beutel aus echtem Leder erwartet. So fliegen die Puzzleteile in der Box herum und sind auch bei entsprechender Sortierung kaum auffindbar.
Der Spielspaß an diesem Puzzle ist insgesamt etwas unausgewogen. Spieler mit hohem TaW Geographie und Sinnesschärfe (Sicht), abends auch mit Dämmerungssicht, kommen voll auf ihre Kosten. Die hart erarbeiteten Kenntnisse des DSA-Regelwerks der vergangenen Editionen helfen dagegen nicht wirklich weiter. Selbst Geschichtswissen lässt sich hier nicht nutzen, da einfach offen gelassen wird, ob es sich bei Wehrheim um eine Stadt oder um Ruinen handelt. Entsprechend einseitig interessierte Spieler können kaum in das Puzzlen eingebunden werden. Hierfür hätte man vielleicht noch eine Erweiterung mit einem Puzzle der DSA4-Sonderfertigkeitsübersichten optional anbieten können. Vielleicht kann man das in den kommenden Puzzles noch nachholen.
Curima: Apropos Städte: Im Rahmen der Förderung eher vernachlässigter Elemente der DSA-Welt (siehe auch Peraine-Geweihter als Archetyp) hat man sich wohl auch hier entschieden, nicht mehr die beliebtesten und bekanntesten Städte abzudrucken, sondern die Spieler auf weniger bekannte Orte aufmerksam zu machen. So finden sich auf der Karte z. B. Tjolmar und Eslamsbrück, während man die Provinzhauptstädte Angbar, Harben und Greifenfurt weggelassen hat. Sogar Greifenburg, die größte Stadt Aventuriens, fehlt. Bei der thorwalschen Otta, die neben den Zyklopeninseln abgebildet ist, stimmt natürlich mal wieder der Maßstab nicht – vielleicht steuert sie ja auf das 50 Meilen durchmessende Hafenfort in Nova Methumisa zu, um die horasische Kolonie mal ein bisschen aufzumischen. Neue Spieler mögen sich hier aber vielleicht fragen, was der Name Nova Methumisa überhaupt bedeuten soll, da auch Methumis auf der Karte nicht vorhanden ist.
Sedef: Die Karte könnte auch ein versteckter Hinweis auf das „The Next Big Thing“ sein. Vielleicht wird in Tjolmar der Kult des nächsten Herrschers Alverans ansässig. Hier sollten wir kein vorschnelles Urteil fällen, sondern auf eine logische Erklärung im aventurischen Hintergrund warten. Vielleicht gibt es ja bald dazu etwas im Boten. Daneben ist aber wirklich zu bemängeln, dass das Puzzle für DSA-Veteranen wegen Rückenproblemen und mangelndem Sehvermögen bei Kleinteilen nicht wirklich geeignet ist.
Curima: Vielleicht kann Ulisses ja hier noch eine Variante des Puzzles mit 2-3-fach vergrößerten Puzzleteilen anbieten. Dieses fertige Puzzle wäre dann auch so groß, dass es sich gut als Wandschmuck machen würde, dafür ist die aktuelle Variante mit ihren 48 mal 34 cm doch etwas zu klein.
Sedef: Das wäre eine Variante. Für ein Wandpuzzle warten wir aber zunächst auf eine Bestätigung des Uhrwerk-Verlags, dass ein passendes, maßstabsgetreues Myranor Puzzle mit ca. 10.000 Teilen erscheint. Dies dürfte auch Spielern, denen die aventurischen Variante aktuell nicht komplex genug ist, entgegenkommen. Für wahre Puzzlemeister soll auch noch eine Variante mit der Tharun-Karte in 90.000 Teilen in Vorbereitung sein, ebenso wie ein 3D-Puzzle der Skyline von Yol-Ghurmak.
Curima: Als Hausregel für erfahrene Puzzler können wir übrigens in der Zwischenzeit empfehlen, einfach eine Katze in der Wohnung zu halten, die dann in unregelmäßigen Abständen auf den Tisch springt, die Puzzleteile jagt, sich auf den fertig gepuzzelten Bereich setzt und gelegentlich Teile vom Tisch wirft. Diese Möglichkeit wird bislang allerdings nicht von Ulisses unterstützt – wir fordern hier defintiv eine kostenlose Katze zum Download. Für eher unerfahrene Puzzlefreunde können wir nur anraten, die Karte auf der Schachtel zu Hilfe zu nehmen, wenn die derographischen Kenntnisse nicht hoch genug sind. Angeregte Diskussionen mit dem Inhalt „ich suche eine Insel, die entweder mit W anfängt oder mit M aufhört“ fördern die Kommunikation der Puzzlerunde!
Sedef: Vallusa und Thalusa haben mir selten so viel Kopfzerbrechen bereitet.
Curima: Sehr schade ist, dass bei unserem Exemplar des Puzzles ein Teil fehlt – ob da jetzt das Einpacklektorat geschlampt hat, ein Fehler in der Matrix vorliegt oder die Katze das Ding gegessen hat, lässt sich hier aber nicht mehr nachvollziehen.
Fazit
Curima: Das Aventurien-Puzzle erfüllt die Grundvoraussetzungen des Genres: Die Teile passen zusammen, das Bild auf der Schachtel entspricht dem fertigen Puzzle und die Verarbeitung ist durchaus solide. Auch der variable Schwierigkeitsgrad „mit Schachtel, ohne Katze – ohne Schachtel, ohne Katze – mit Schachtel, mit Katze – ohne Schachtel, mit Katze“ weiß zu gefallen. Zusammenfassend bietet Aventurien – Das Puzzle solide Durchschnittspuzzlekost und Spaß für 1W20 – TaP* Geographie – TaP*/2 Sinnesschärfe + Nachteil Kurzsichtig + (Alter über 30/2) Stunden Spielspaß. Meine Wertung: 7 von 9 blaugrünen Meerespuzzleteilen.
Sedef: Insgesamt merkt man, dass für dieses Puzzle leider kein ausreichender Beta-Test stattgefunden hat. Viele Fehler, insbesondere der Index, hätten damit vermieden werden können. Auch die Verknüpfung der Regeln zum übrigen DSA bleibt vage. Alles in allem hat das Puzzlen aber durchaus zu gefallen gewusst. 7 von 9 gelben Khomsandfragmenten.
Was? Eine DSA-Publikation, die keinen einzigen Rechtschreibfehler enthält? Das muss ich mit eigenen Augen sehen.^^
Außerdem fand ich die Boxen immer besser als diese dicken Wälzer, die nach göttergefälligem 12×12 = 144 mal Regel-Nachschlagen den Geist aufgeben.
Und das Drachenboot ist ja wirlich groß – das wird nur dann zum uthurischen Maßstab passen, wenn die Größe des Südkontinents wieder verdreifacht wird.
Hm. Ich weiß nicht ob die Katze dazu da ist den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen. Ganz sicher, dass das nicht das neue Zielpublikum ist?
Also wenn es eine ganze Katze zum Gratis-Download gäbe, würde ich mir das Teil ja holen. Aber ohne ist es für mich nur eine nette Idee und ich gebe mein Geld lieber für die beiden Katzen aus, die ich schon zuhause habe und die immer fleißig die Ecken meiner DSA-Bücher annagen.
Sehr schöne Rezension!
Vor allem der Teil mit Nova Methumisi, Methumia…verdammt. Ich kann das Ding einfach nicht aussprechen. Deshalb habe ich das Abenteuer ja auch nach Warhammer konvertiert und das Kaff einfach Sudenburg genannt. 🙂
Der Gag mit den Uthuria Maßstab und dem 50 Meilen Fort zündeten auf jeden Fall. 🙂
Und das obwohl ich Katzen HASSE!
Ich frag mal nach ob Ulisses den fehlenden Index evtl. als PDF zum Download anbieten kann.
Totale Geldschneiderei. Bei allen anderen Rollenspielen gibt es sowas heutzutage zum Gratisdownload als PDF. Das Puzzle scheint außerdem bestenfalls eine vorläufige Alpha, Omega oder Chi-Quadrat-Version zu sein. Man kann nur mit dem Kopf schütteln, wenn man das mit früher vergleicht, als noch seriöser Nerdschandise wie Aventurien-Fußabtreter und Kopfkissen angeboten wurde.
Sehr schöner, kurzweiliger Text. Ich hätte gar nicht gedacht, dass man eine Rezension über ein Puzzle schreiben kann, aber ihr habt mich vom Gegenteil überzeugt. Das Greifenburg auf der Karte fehlt ist natürlich unverzeihlich, weswegen ich die sieben komischen Tierbilder keineswegs akzeptieren kann.
Näk nuk Näk
(Auf meiner Box ist übrigens tatsächlich doch ein Rechtschreibfehler. Schaut nochmal genau hin…?)