Schatten über Daranel

Schatten über Daranel CoverNeben innovativen Soloabenteuern und seit Jahren erwarteten Spielhilfen ist dieses Jahr mit Schatten über Daranel auch eine Abenteueranthologie erschienen. Diese führt die Helden zwar nicht gerade an exotische Orte Myranors, aber dafür in Abenteuer, die an die Kurzgeschichtensammlung Netz der Intrige anknüpfen.

Der erste Blick auf den Band weiß zu gefallen. Das Cover ist recht schick, auch wenn Myranor-Kennern natürlich sofort auffällt, dass dasselbe Titelbild auch bereits die Kurzgeschichtensammlung Netz der Intrige zierte. Innen gibt es auch dazu eine ordentliche Zahl an neuen Bildern zu sehen, darunter einige echte Highlights, sowie (fast) allen nötigen Pläne und Karten. Die bei anderen Bänden oft beigefügten, farbigen Handouts gibt dafür in diesem Band leider nicht. Die Karte von Daranel, die im Abenteuer selbst leider fehlt, ist inzwischen hier als Download verfügbar.

Die beigefügte Spielhilfe zur Stadt Daranel ist hilfreich, fällt für meinen Geschmack aber etwas zu kurz aus. Ein kurzer Vergleich mit Netz der Intrige ergibt: Die Stadtbeschreibungen sind 1 zu 1 kopiert, wobei im Abenteuerband ein Absatz gestrichen wurde. Das dürfte dem Umfang des Bandes geschuldet sein, ist aber gerade für Gruppen, die die Abenteuer zu einer Kampagne verbinden oder sogar darüber hinaus in Daranel spielen wollen, insgesamt etwas zu wenig. Überhaupt gibt es viele Verbindungen zwischen dem Abenteuerband und der Romananthologie, da die Abenteuer alle in einer mehr oder weniger losen Verbindung zu einer der Kurzgeschichten stehen. Und bevor hier die Friedensstifter gezogen werden, muss ich gleich ergänzen: Spieler und Spielleiter benötigen die Romananthologie nicht, um die Abenteuer zu spielen. Die Abenteuer enthalten jeweils alle nötigen Angaben innerhalb ihrer Vorgeschichte, daher können die Abenteuer allenfalls das Lesevergnügen der Kurzgeschichten schmälern, da sie den Ausgang der Geschichten teilweise verraten. Dafür habe ich mit dem Band und den Kurzgeschichten insgesamt den Eindruck, dass man durchaus eine ganze Themengruppe oder Kampagne in Daranel spielen könnte, ohne dass es an Material mangeln würde. Mit diesem Band und vielen weiteren Abenteuer in Daranel dürfte Daranel einer der häufigsten Handlungsorte für Myranor-Publikationen sein.

Achtung! Ab hier frei laufende Spoiler!

Unter die Haut

Unter die Haut von Lena und Matthias Kalupner hat mir von der Atmosphäre und seiner wirklich offenen Gestaltung sehr gut gefallen. Das Thema des Abenteuers, bei der die Helden einer sehr blutigen Mordserie auf die Spur kommen, fügt sich sehr gut mit dem neristischen Glauben, den engen, dunklen Gassen des Neriniths und der Thematik Leben und Tod zusammen. Die gesuchte Mörderin wurde für grausame Verbrechen vor langer Zeit aus dem neristischen Kreislauf der Wiedergeburt ausgeschlossen und zum ewigen Leben verflucht. Und weil Neristu hierbei wenig zimperlich sind, wurde ihr hierfür lebend das Herz herausgeschnitten, ihre Haut abgezogen und sie anschließend lebendig begraben. In ihrer Grabkammer überdauert sie etliche Jahrhunderte, bis ihre „Ruhe“ in dem inzwischen zerstörten Nerenith unabsichtlich von Grabräubern gestört und sie befreit wurde. Nun hätte sie gerne ihr Herz zurück, wobei sie auf die Fähigkeit zurückgreift, wegen der sie einst verflucht wurde: Sie schlüpft wortwörtlich in die Haut ihrer Opfer, um an deren Identität und Erinnerungen zu gelangen.

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Auf der Suche nach einem neuen Menschenkostüm – Die Hautwandlerin von Tomek Schukalla

Das Abenteuer besticht dabei durch einen wirklich sehr offenen Aufbau, bei dem eigentlich nur der Hintergrund und die Agenda der Mörderin gesetzt sind. Die Morde haben auch nicht etwa bereits zu Abenteuerbeginn stattgefunden, sondern die Mordserie setzt sich während des Abenteuers immer weiter fort, bis die Helden die Mörderin gefasst oder (auch ausdrücklich möglich) diese ihre Ziele erreicht hat und sich absetzt. Dabei konzentriert sich die Beschreibung des Abenteuers auf die Opfer, die wesentlichen Schauplätze und zeigt einige gute Möglichkeiten auf, wie die Helden mit ihren Ermittlungen erfolgreich sein können. Gleichzeitig wird dem Spielleiter eine Zeitlinie an die Hand gegeben, wie die Mörderin etwa vorgehen wird, soweit die Helden sie nicht daran hindern oder sie ihre Pläne wegen der Helden ändern muss. Ein so aktiver und flexibel vorgehender Gegner ist gerade in Stadtabenteuern nach wie vor recht selten, oft genug laufen die Helden in Abenteuern noch vorher bereits feststehenden Handlungen und Spuren hinterher. So wie dieses Abenteuer gestaltet ist, kann aber tatsächlich jeder Schritt der Helden einen Unterschied ausmachen. Für den Spielleiter ist diese Offenheit aber auch eine gewisse Herausforderung, weshalb sich das Abenteuer in diesem Punkt eher an erfahrene Spielleiter richtet, die bereit sind, etwas mehr Vorbereitung zu investieren als bei manch anderem Abenteuer. Die Angabe Komplexität „hoch“ für den Spielleiter sollte man hier nicht auf die leichte Schulter nehmen.

Leichte Abstriche macht das Abenteuer leider beim Finale. Das ist natürlich ein Stück weit dem offenen Ablauf geschuldet, allerdings haben mich die vorgeschlagenen Abläufe eines Finales, bei denen sich die Mörderin in fremder Haut die Brajangarde als Verstärkung holt, angesichts des Hintergrunds und der Stimmung nicht so richtig überzeugt. Ein weiterer kleiner Kritikpunkt ist die in meinen Augen durch die Verbindung mit der Kurzgeschichte etwas unübersichtliche geschilderte Vorgeschichte. Es fällt dabei teilweise etwas schwer auszusortieren, was eigentlich für das Abenteuer relevant ist, und was nicht.

Das Abenteuer überzeugt insgesamt mit viel Stimmung, offenem Aufbau und einer wirklich fiesen Gegnerin und ich suche bereits nach einer Gelegenheit, eine Heldengruppe hierfür nach Daranel zu verschiffen.

Siminias Funken

Nach Unter die Haut ist das nächste Abenteuer vollkommenes Kontrastprogramm. Anstatt blutiger Morde und düsterer Stimmung erwarten die Helden in Siminias Funken von Niklas Forreiter inspirierende Visionen von Siminia, die von einer Serie von Statuen ausgehen. Diese Statuen wurden von einem Bildhauer kurz vor seinem Tod geschaffen und an Personen aus ganz Daranel verkauft. Die Helden stehen damit vor der klassischen Aufgabe, die Visionen aller sechs Statuen zusammenzutragen um die darin verborgene Botschaft zu entschlüsseln.

Dabei müssen die Käufer der Statuen natürlich erst einmal kooperieren. Das Abenteuer fokussiert hierbei klar auf Gesellschaftstalente und Interaktion, gibt dem Spielleiter aber auch Beschreibungen für ein ojosombri- oder korgefälliges Vorgehen an die Hand, die für Helden der vorgeschlagenen Erfahrung aber teilweise kaum zu schaffen sind. Schließlich werden es die Helden aber schaffen, auf die eine oder andere Art an die Statuen zu gelangen und dabei weitere von den Statuen inspirierte Gegenstände und Informationen zu erhalten. Zusammengetragen zeigen die Statuen den Helden auf einer Stadtkarte schließlich einen bestimmen Punkt, und der zweite Teil der Suche kann beginnen.

Die weitere Suche führt die Helden in einen seit langem leerstehenden Palast, der nach Art eines Dungeons detailliert beschrieben und reichhaltig mit Karten versehen ist. Hier müssen die Helden mit den erlangten Informationen den Weg finden und Fallen umgehen. Leider kam mir der Bau angesichts der Größe für das Abenteuer recht leer vor. In vielen Fällen werden die Helden hier reichlich Zeit haben, insgesamt gibt es aber nicht viel zu finden. Auch die zwei hier platzierten Kreaturen als Gegner sind zwar plausibel erklärt, füllen diesen Abschnitt aber allein noch nicht so richtig mit Leben.

Das Finale steht dagegen noch einmal im Zeichen der Kreativität Siminias: Die Helden können in der Anlage auf die Sammlung von Erfindungen und Werken eines Siminia-Heiligen stoßen, die das Ziel der Queste waren. Gleichzeitig finden sich die Helden allerdings mit einer Übermacht an Gardisten konfrontiert, der sie nur mit Hilfe einiger der zahlreichen Erfindungen und eines dort noch gebundenen Genius der Kreativität entkommen können. Dieses Finale dürfte dabei auch die Kreativität der Spieler fordern und das Abenteuer bietet viele Elemente und Vorschläge (bis hin zum selbstgebauten Insektopter), wie die Helden sich letztlich absetzen können.

Insgesamt ist Siminias Funken ein hübsches kleines Abenteuer, dass sich aber klar eher an Einsteiger-Helden richtet. Die Handlung hat viele schöne Ideen, bietet im Aufbau insgesamt aber auch nichts grundliegend Neues oder Sensationelles. Etwas mehr Spannung hätte gerade der Phase vor dem Finale dazu recht gutgetan.

Shinxir Vult!

Im Abenteuer Shinxir vult! Von Julian Klippert und Denny von Roux tauchen die Helden tief in die Vergangenheit Daranels ein, die bis in die Zeiten vor der Gründung des ersten Imperiums zurückreicht. Dabei drehen sich die Ereignisse nicht nur um den Kult des Shinxir, sondern auch die Häuser Onachos und Nesseria sowie Insektenwesen aus längst vergangenen Zeiten spielen dabei eine Rolle.

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Eines der optischen Highlights – Eine Shingwa-Streunerin von Lydia Schuchmann

Zu Beginn des Abenteuers ahnen die Helden von alldem aber noch nichts, sondern finden sich im tiefen Sumpf der Politik Daranels wieder, als die Wahl eines neuen Shinxir-Prätors ansteht. Die Helden können dabei von einer Kandidatin als Helfer angeworben werden, oder ein Held kann auch selbst zur Wahl antreten. Der Wahlkampf wird hierbei über ein System aus Wahlpunkten simuliert, bei dem die Helden durch verschiedene Methoden und Taktiken Punkte sammeln können. Dazu skizziert das Abenteuer einen möglichen Ablauf mit den Ereignissen der nächsten Tage inklusive der Taktiken der Konkurrenz, die keineswegs untätig bleibt. Diese Widersacher der Helden sind dabei nicht nur sehr abwechslungsreich gestaltet, sondern auch so gut ausgearbeitet, dass sich den Helden sehr viele Möglichkeiten bieten, gegen sie vorzugehen. Besonders gut gefallen haben mir dabei Kategorien in der Beschreibung dieser Wiedersacher, wie etwa „Agenda des Wahlkampfs“, „Schmutziges Geheimnis“ oder „Ass im Ärmel“. Insgesamt bietet der Abschnitt sehr viele, abwechslungsreiche Möglichkeiten mit sehr viel Handlungsfreiheit für die für die Helden.

Bereits während des Wahlkampfs kündigt sich der nächste Abschnitt an, bei dem mehr und mehr Einwohner Daranels von einer seltsamen Krankheit erfasst werden. Tatsächlich verbirgt sich dahinter Magie zur Kontrolle eines „Schwarms“ einer Insektenkönigen aus vergangenen Zeitaltern, die zur Zeit des ersten Imperiums hinter einer Art Bann versiegelt wurde, der seitdem durch den Shinxir-Tempel aufrechterhalten wird. Da der Hintergrund für das Bannritual aber in Vergessenheit geraten und der Posten des Prätors wegen der Wahl noch vakant ist, beginnt der Bann zu brechen.

Der zweite Abschnitt des Abenteuers reißt die Helden dann unvermutet aus dem politischen Konflikt und ein Kampf ums nackte Überleben beginnt. Zunächst wird bei einer Ansprache ein aussichtsreicher Kandidat bei einem Attentat lebensbedrohlich vergiftet, gleichzeitig bricht in der gesamten Stadt Chaos aus, als die Schwarmseele der Insektenkönigin einen Großteil der Einwohner Daranels unter ihre Kontrolle bringt. Aus den politischen Widersachern werden plötzlich Verbündete, die versuchen müssen, die Stadt vor dem sicheren Untergang zu retten. Auch hier lässt das Abenteuer den Helden alle Freiheiten und skizziert nur einige naheliegende Ideen und Anlaufstellen. Im Grunde können sich die Helden bei größeren Tempeln und der „Hausmacht“ der Kandidaten Unterstützung holen, aber auch mit einem Luftschiff Jagd auf eine Komponente des Gegengifts machen oder hastig recherchieren, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte.

Auf die eine oder andere Weise werden die Helden schließlich zum Sturm auf den Shinxir-Tempel ansetzen, in dem sich der Durchgang zur der Globule befindet, aus dem die Schwarmseele nun zu entkommen droht. Dabei geht es nicht etwa darum, den Bann zu erneuern, sondern die Globule zu zerstören und die Schwarmseele damit zu vernichten. Schon der Angriff auf den Shinxir-Tempel ist aber selbst für kampfstarke Helden eine Herausforderung, da dieser bereits von einem Großteil der Bevölkerung Daranels zu einem Insektennest für den Schwarm umgestaltet und beschützt wird. Die Helden sind daher gut beraten, sich zunächst mit Recherche und Unterstützern vorzubereiten. Der finale Kampf selbst ist dabei im Setting sehr spannend, wird allerdings im Abenteuer leider nur sehr kurz beschrieben und ist recht allgemein gehalten. Auch wenn hier der Spielleiter mit den vorgegebenen Proben und Werten sehr gut improvisieren kann, während für einen Kampf gegen ein Wesen dieser Größenordnung ein paar mehr Informationen und Vorschläge sehr gut gewesen.

Insgesamt bietet der 2. Abschnitt ein starkes Kontrastprogramm zu dem vorherigen und bringt eine wirklich dramatische Wendung bis hin zu einem spannenden Finale. An dieser Stelle ist es fast etwas schade, dass das Abenteuer nicht noch ein paar mehr Seiten hatte, um dieses Katastrophenszenario von Daranel unter der Kontrolle des Schwarms weiter auszubauen. Auch auf naheliegende, aber falsche Verdächtigte, wie etwa die Chrattac, geht das Abenteuer nur kurz ein. Den sehr guten Eindruck, den das Abenteuer macht, kann das aber letztlich nicht wirklich trüben. Die zwei großen Abschnitte vor dem Finale bieten sehr viel Abwechslung und gerade für Gruppen, die vielleicht schon ein paar mehr Abenteuer in Daranel gespielt und hier Freunde gefunden haben, geht es im 2. Abschnitt dann wirklich um alles. Aus meiner Sicht kommen Gruppen, die etwas länger in Daranel und Umgebung spielen wollen, an diesem Abenteuer nicht vorbei.

Fazit

Insgesamt macht der Band damit einen starken Eindruck und bietet drei sehr unterschiedliche Abenteuer, die das Stadt-Setting Daranels auf unterschiedliche Weise nutzen und damit sehr vielseitige Beschäftigung für Helden bieten. Die Verknüpfungen mit den Kurzgeschichten sind sichtbar, ohne dass die Geschichten für das Verständnis des Abenteuers nötig wären, und die Abenteuer bieten auch hier und da Hinweise, wie sie sich miteinander verknüpfen lassen. Negativ macht sich allerdings bemerkbar, dass sich das Verbinden der Abenteuer doch schwierig gestaltet. Zwischen Siminias Funken und den übrigen beiden Abenteuern klafft in den Anforderungen an die Helden doch eine recht große Lücke, und Shinxir Vult! sollte aufgrund der Dramatik und Tragweite der Ereignisse eher den Schluss einer Daranel-Kampagne darstellen.

Also dann: 9 Einhörner sind voller Erwartungen in den Hafen von Daranel eingelaufen. Eines grübelt noch am Hafen darüber nach, in welche Reihenfolge es die Ereignisse bringen will, während ein anderes wegen der knappen Beschreibungen einzelner Abenteuerteile noch etwas Recherche vor Ort betreibt. Damit verbleiben 7 Einhörner, die sich in die Gassen Daranels stürzen.

Bewertung Eulhorn 7

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3 Antworten zu Schatten über Daranel

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  3. Ich finde, dass man es mit Mordermittlungen, als Abenteuer eines heroischen Rollenspiels, auch überdosieren und verpatzen kann. Obwohl mir der Gedanke, dass DSA-Autoren und Tatort-Drehbuchschreiber sich privat ganz doll lieb haben auch nix ausmacht.

    Professionell finde ich, dass man zum FAZIT hoppeln kann, wenn einem die Rezension nicht behagt. Der Qualitätsstandard für so genannte Gastrezensionen ist allerdings durchaus beeindruckend. Da macht Nandurion wohl was richtig.

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