Der Ruf der Bahalyr – Sternenträger-Kampagne 1 (Teil Eins)

» Die Reise beginnt
»» Einstieg
»» Ein Anfang in Gerasim
»» Elfenträume
» Was wollen all die Leute hier?
»» Sie sieht vertrauenswürdig aus
»» Stationen des Weges
» Ein Plot macht noch keine Handlung
»» Konfrontation
»» Begegnung

Nachdem ich in einem ersten Artikel zur Sternenträger-Kampagne die grundlegenden Bedingungen und Anforderungen für die Kampagne angeschaut hatte, werde ich hier nun einen genaueren Blick auf den ersten Teil der sechsteiligen Kampagne um das Seelenlied der Elfe Amalaia und die Geschichte der alten Hochelfen werfen. Der Ruf der Bahalyr trägt den Namen des elfischen Luftschiffes im Titel, welches auch auf den Covern der ersten beiden Abenteuer zu sehen ist. Damit werden schon einmal gewisse Erwartungen geweckt. Engor schreibt in seiner Rezension, dass diesem ersten Band die Aufgabe zukommt einen motivierenden Grundstein zu legen. Sumaro bezeichnet die Kampagne in seiner Rezension für PnPnews zudem als den heiß gehandelten Anwärter auf die nächste große Kampagne in Aventurien. Doch besonders spannend ist meiner Meinung nach, was Gesamtredakteur Dominic Hladek in seinem Werkstattbericht als Anforderungen formuliert:

Der Ruf der Bahalyr - Cover

Coverbild von Regina Kallasch.

Der erste Band Der Ruf der Bahalyr sollte zunächst in Form einer Expedition in die tiefen Elfenwälder die Voraussetzungen für so eine Reise schaffen. Als Autor hatte ich mir dazu eine klare Liste an Dingen notiert, die dieser Band erfüllen musste:

  • Die Helden mussten in das Abenteuer und die Kampagne eingeführt werden.
  • Sie sollten eine kleine Gruppe von Meisterpersonen kennenlernen, die sie während der Kampagne begleitet.
  • Nicht zuletzt sollte das Abenteuer auch für sich stehend Spannung und Höhepunkte bieten.
  • Hintergründe, Themen und Atmosphäre der Kampagne sollten vorgestellt werden.
  • Der Gegenspieler in der Kampagne sollte eingeführt werden.
  • Das Gefährt, mit dem die Helden sich in den Folgeteilen fortbewegen, sollte in ihre Hände gelangen.

Dies sind also zumindest einmal die Kriterien, an denen sich der Autor selbst messen lassen muss.

Die Reise beginnt

Einstieg

Der Ruf der Bahalyr ist ebenso wie die ganze Kampagne ein Reiseabenteuer. Eine Besonderheit hier ist jedoch das Transportmittel, die Bahalyr selbst. Das unterscheidet die Kampagne möglicherweise von anderen Präsentationen dieses Genres. Wer auf einem Luftschiff elegant über den Kontinent gleitet, muss sich mit den leidigen Sorgen anderer Reisender nur selten herumplagen.

Ein Anfang in Gerasim

Seinen Anfang nimmt das Abenteuer in Gerasim. Dieser Ort nordöstlich der Salamandersteine gehört zu jener Handvoll größerer Siedlungen, in denen Elfen und Menschen gemeinsam leben. Gerasim ist dabei im Besonderen ein Ort der Völkerverständigung und beherbergt eine eigene Magierakademie, die Schule des direkten Weges zu Gerasim. Die Spezialgebiete Telekinese (in früheren Editionen noch Bewegung) und Heilung sind vielleicht nicht so naheliegend wie Hellsicht und Einfluss (früher teilweise Verständigung) aber passen dennoch gut hierher. Die offene Akademie, welche bisweilen eher den Charakter eines Gesprächskreises im Wald hat, bietet einen idealen Anlaufpunkt für den Einstieg der Heldengruppe. Da die Eleven einer Akademie ja nicht nur Zauberei erlernen und gerade im wenig dogmatischen Gerasim Gastdozenten sehr willkommen sind, bietet sich hier für nahezu jeden Helden ein Anker. Wenn jeder Spieler die Vorlesung/Veranstaltung seiner Figur vorbereiten und inszenieren kann, dann ist die Runde ganz sicher schnell mitten in der Handlung. Durch diese Anbindung an die Akademie kommen die Helden auch gleich mit den Meisterpersonen in Kontakt, die sie später auf ihrer Reise begleiten werden.

Auch wenn mir die Völkerverständigung in Gerasim teilweise etwas einseitig daherkommt, stellt sich hier eine recht heimelige und familiäre Stimmung ein. Getreu dem DSA-Stil werden hier viele formale Informationen in Metatexten platziert. Der Meisterin kommt also die Aufgabe zu diese teilweise abstrakten Hinweise und das Angebot an Figuren zu einem Ganzen zu formen. Für mich fühlt sich das Ganze trotz der Elfen stark nach Hobbingen an. Das Leben ist schön. Die Probleme der anderen sind weit weg und man lässt es sich gut gehen.

Sehr konkret dagegen werden einige Fragen angeboten, welche die Schüler in Gerasim zum Thema Sternenfall und Karmakorthäon stellen können. Ein Beispiel:

Wenn auch unsere Collegae aus Belhanka, mit denen wir in regelmäßigem Kontakt stehen, tiefer in die Theorie der Bewegungsmagie eintauchen, so fragen wir uns doch: Wie muss man sich die Bewegung der Sterne vorstellen, wie ihren Fall? Ist ihr Fallen eine Metapher dafür, dass sie die Sphären durchreisen oder durchbrechen? Im Sphärenmodell müsste ihr Weg die 6. Sphäre für einen Sturz verlassen und uns in der 3. Sphäre erreichen. Kann dies rein physisch erfolgen? Ist dieses Modell womöglich fehlerhaft, muss es überdacht werden?

Elfenträume

Ebenfalls passend zu dieser Atmosphäre ist das Vermächtnis der Völker, ein spezielles Meisterwerk des elfischen Malers Golodion Seemond. In der Traumwelt des Bildes treffen sich üblicherweise Elfen und Menschen um beste Voraussetzungen für ihre Begegnungen zu schaffen. Doch die Helden werden hier von einem geträumten Hilferuf überrascht, der ihnen einen Weg tief in die Salamandersteine weist. Auch die Gegenseite kündigt sich hier in Gestalt einer spinnenartigen Alptraumkreatur an. All diese Komponenten passen gut zum Ort und der Stimmung der Szene und bedienen den gewünschten Zweck. Das einzige Manko an dieser Szene findet sich, aus meiner Sicht, häufiger in den Produkten des Schwarzen Auges: Die Traumwelt und das Eintauchen der Helden in das unbekannte Lied werden über umfangreiche Würfelmechanismen (Sammelproben) abgewickelt. Zwar empfiehlt der Autor die Würfelergebnisse nur als Grundlage heranzuziehen und darauf atmosphärische Szenen und Beschreibungen aufzubauen, doch bleibt er hier weitere Hilfestellungen schuldig. Einige Gedanken dazu finden sich in Sumaros Rezension auf PnPnews.de.

Exkurs: Das Vermächtnis der Völker ist ein Abenteuer von Katharina Pietsch aus dem Jahr 2005. Es spielt ebenfalls in Gerasim und endet damit, dass das namensgebende Artefakt in Gerasim geschaffen wird. In dem Abenteuer treten die gleichen Meisterpersonen auf, wenngleich diese natürlich 12 Jahre jünger sind. Der Konflikt zwischen Menschen und Elfen steht hier im Vordergrund und begründet auch die Motivation für das Verständigungsbild. Aufgrund der konfrontativen Stimmung würde ich das Abenteuer nicht unbedingt als Vorspiel empfehlen. Wer aber unbedingt noch mehr Spiel in Gerasim erleben und in die Kultur der Elfen eintauchen will, kann das hier tun. Obendrein lässt sich über die Konfrontation mit den Waldelfen auch der Rat von Aumond dramaturgisch vorbereiten.

Was wollen all die Leute hier?

Nach der Eröffnung der Queste passiert etwas, das für DSA-Abenteuer eher ungewöhnlich ist. Anstatt ein paar zufällig anwesende Fremde loszuschicken und die Hände in den Schoß zu legen, werden die örtlichen Autoritäten selbst tätig. Die Akademie des direkten Weges rüstet eine Expedition aus um dem Traumruf zu folgen und das Geheimnis seiner Herkunft zu lüften.

Sie sieht vertrauenswürdig aus

Mag dies zunächst innerhalb der Spielwelt wie eine völlig normale Reaktion erscheinen, so geht damit doch eine ungewohnte Herausforderung einher. Mindestens formal betrachtet ist seine Spektabilität Anastasius Silberhaar Leiter der Expedition. Immerhin steht diese Konstellation in der Tradition der Phileasson-Saga, in der bekanntlich ein berühmter Drachenführer an der Spitze der Ottajasko steht. Mit seinen 85 Jahren dürfte der alte Magister allerdings auch ohne ständiges Herumkommandieren genug mit den Strapazen einer Reise zu tun haben. Dennoch bleibt festzuhalten, dass die Runde nun von drei Magiern begleitet wird. Im Lauf der Reise kommt sogar noch eine vierte und vermutlich temporär gar eine fünfte Person hinzu. Damit haben wir etwa so viele Meisterpersonen wie Helden in der Gruppe, was das Leben für den Meister nicht gerade einfacher macht.

Würden Sie diesen Mann auf eine Expedition in die unbekannte Wildnis mitnehmen?
Anastasius Silberhaar von Regina Kallasch.

Mein erster Impuls war es, die Figuren einfach aus der Handlung zu entfernen. Bereits in meinem letzten Artikel zur Sternenträger-Kampagne hatte ich jedoch darauf hingewiesen, dass bei einer Schiffsreise auch der Mannschaft eine besondere Bedeutung zukommt. Auch wenn die gelehrten Herren und Dame(n) nicht gerade typische Matrosen sind, so haben wir hier immerhin die Gelegenheit individuelle Beziehungen zu den Figuren aufzubauen und so der späteren Mannschaft gleich mehr Charakter zu verleihen. Darüber hinaus werden den Figuren in späteren Teilen der Kampagne wohl noch Rollen zukommen, die sich aktuell noch nicht alle abschätzen lassen. Leider gibt Dominic Hladek in diesem Band keine Hilfestellungen für den Umgang mit den Meisterpersonen in der Reisegruppe. In der Phileasson-Kampagne hatten einige Runden gute Erfahrungen damit gemacht in jeder Sitzung einen anderen Begleiter in den Fokus zu nehmen. Im Videokommentar der Orkenspalter TV zum Abenteuer verweist Nico Mendrek zudem auf einen “DnD Tipp” diese Meisterpersonen jeweils einem Spieler zuzuweisen, damit dieser sich um die zusätzliche Figur kümmert. Die Empfehlung zum Zweithelden findet sich auch bereits in der 2009er Version der Phileasson-Saga. Das mag nicht jedem liegen, entlastet die Meisterin jedoch gerade bei Kampagnen mit solch großem Ensemble enorm.

Stationen des Weges

Für mich ist es immer spannend, wie ein Ort charakterisiert wird. Ähnlich wie auch bei den Figuren finde ich es wichtig, dass Orte einen unterscheidbaren Charakter haben. Wenn sich jede Stadt gleich anfühlt, dann verschwimmt die ganze Reise, die Begegnungen und Orte zu einem Einheitsbrei, an den man sich kaum mehr differenziert erinnert. Um die Dinge am Spieltisch erlebbar zu machen ist es natürlich besonders schön, wenn es gelingt diese Charakteristika getreu dem Grundsatz ‘show don´t tell’ erlebbar zu machen. Bemerkenswert ist hier Riur’lara dar, welches auch mit einem sehr eingängigen Bild in Szene gesetzt wird. Als Siedlung von Auelfen, die von den Waldelfen als zu badoc abgewiesen wurden, unterscheidet sich dieser Ort klar von den üblichen Baumkuschlerörtchen. In seiner Ikonographie stark an Bruchtal angelehnt werden hier viele Spieler rasch ein Bild vor Augen haben. Die Stimmung unterscheidet sich auch deutlich von den übrigen Siedlungen und macht deutlich, dass die Elfen eben nicht alle gleich sind.

Auch Thunata, als von Affenmenschen bevölkerte Ruine und Hillhaus, als eine rein menschliche Siedlung mitten im Kerngebiet der Waldelfen, bieten starke Ankerpunkte für individuelle Erinnerungen. Diese Siedlungen bieten darüber hinaus auch einen wahrscheinlichen Schauplatz für die Konfrontation mit Thantor. Dieser Schatten aus der Vergangenheit bietet nicht nur eine irdische Referenz, sondern stellt auch den Frontschurken dieses Abenteuers dar, über den die Helden hoffentlich einen entscheidenden Sieg erringen können.

Exkurs: Das Abenteuer Elfenblut von 1988 spielt ebenfalls im Silberwald, hauptsächlich in Thunata. Thantor hat darin seinen ersten Auftritt. Die Hintergründe werden im Ruf der Bahalyr alle ausreichend erklärt. Auch für die Karte von Thunata braucht sich niemand das alte Abenteuer zuzulegen. Die kreisförmige Siedlung liegt mitten im Wald. Um einen runden Marktplatz gruppieren sich ein Travia-Tempel und einige verfallene Gemäuer. Die Ruine des Magierturms liegt etwas außerhalb. Aufgrund der wuchernden Wildnis und der eingefallenen Gebäude würde ich hier eher wie in Kvillquell verfahren und keine Battlemap anbieten. Ohnehin sollte die Konfrontation mit Thantor eher an einen Krimi, als an eine Feldschlacht erinnern.

Ein Plot macht noch keine Handlung

Orte sind ein wichtiges Element von Reiseabenteuern. Die Handlung am Spieltisch wird jedoch von Handlungen der Figuren und deren Interaktion bestimmt. Damit die Spielrunde am heimischen Tisch nicht zum bloßen Sightseeing verkommt, bedarf es also eines Plots, der genau dies ermöglicht.

Konfrontation

Während der Reise werden unsere Helden dreimal in gewalttätige Konflikte hineingeworfen. Eingefasst wird alles von den beiden Traumwelt-Begegnungen mit Arantalwa.

Der mögliche Angriff der Goblins auf Kvillquell gestaltet sich chaotisch und unübersichtlich. Hladek empfiehlt ausdrücklich den Spielern keinen Überblick zu verschaffen. Dementsprechend ist natürlich auch ein Lageplan tabu. Die Helden müssen Entscheidungen unter unvollständiger Information treffen. Ein einzelner Goblin ist dabei kein ernstzunehmender Gegner. Die Zahl der Feinde und die schutzbedürftigen Dorfbewohner stellen die Helden, trotz ihrer persönlichen Stärke, jedoch vor große Herausforderungen. Aus meiner Sicht ein geradezu ideales Szenario.

Deutlich anders verläuft der Konflikt mit Thantor und seinen Kindern. Der Konflikt beginnt im Verborgenen und verläuft großteils unterschwellig. Die konkrete Ausgestaltung des Settings dürfte jedoch für den Meister zu einer größeren Herausforderung werden. Da der Sieg im Silberbuchenwald sowohl ein wichtiges Erfolgserlebnis für die Spieler ist, wie auch ein gewichtiges Argument im Gespräch mit den versammelten Waldelfen darstellt, hätte ich mir hier eindeutig mehr Hilfestellungen gewünscht. Euphemistisch könnte man das Angebot als Sandbox bezeichnen. Tatsächlich fehlen hier jedoch Informationen, die Aufschluss über das Vorgehen der Figuren geben. Hier fehlt es meines Erachtens ganz klar an einer weiteren Ausgestaltung.

Im letzten Wegstück vor dem Erreichen des lebenden Waldes werden die Helden von dem legendären 13. Wind, dem Lügenbringer, angegangen. Auch wenn diese körperlose Entität vielleicht eher subtil daherkommen sollte, so tritt dieser mit dem Namenlosen verbundene Wind doch ziemlich deutlich in Erscheinung. Das Rudel Schattenwölfe, das mit seinem Lied auf die Expedition losgeht, stellt zudem eine erhebliche Gefahr dar. Auch hier wird die Situation durch die Kräfte und Verwundbarkeiten der Wölfe sowie die Umgebung wieder recht kompliziert. Zahlreiche dramatische Wendungen des Geschehens sind denkbar, die Ausgestaltung bleibt jedoch wieder vollständig dem Meister überlassen. Die weiteren Attacken des Lügenbringers sind zwar atmosphärisch interessant, leiden aber letztlich unter dem gleichen Problem wie Traumweltepisode zu Beginn des Abenteuers. Die dichte Atmosphäre muss (?) immer wieder in Regelmechanismen abgebildet werden und letztlich wird so jede immersive Stimmung am Spieltisch zunichtegemacht.

Der erste und letzte Antagonist in diesem Abenteuer (und vermutlich auch in der gesamten Kampagne) ist Arantalwa lässt-Himmel-kreischen. Der schon eher mythische Elf dürfte wohl am ehesten die Bezeichnung Dunkelelf für sich in Anspruch nehmen. Angesichts der existentiellen Beziehung der Elfen zum Licht stellt er damit regelrecht die Antithese zum Elfsein an sich dar. Seine Rolle erinnert ein bisschen an Vampirvater Kain aus der Welt der Dunkelheit. Und so hatte ich seine Präsentation auch bislang immer verstanden. Eine Gestalt im Hintergrund, die schon eher ein Prinzip als eine konkrete Person darstellt. Während die erste Begegnung in Gerasim noch eine indirekte und für mich stimmige ist, stellt sich die Konfrontation mit Arantalwa am Ende ganz anders dar. Hier tritt er direkt und allein in Erscheinung. Zwar werden eine ganze Reihe von Hinweisen gegeben, wie sich die Umgebung ins Spiel einbringen lässt, doch die Frage welche konkreten Ziele der Finsterling verfolgt, wie die Helden diese erkennen und ihn auf verschiedenen Weise daran hindern können, bleibt unbeantwortet. Nachdem ich die oben beschriebene Konfrontation mit den Goblins so gelobt habe, bin ich hier recht unzufrieden. Einer ganzen Heldengruppe samt Begleitern nur einen einzelnen Gegner entgegenzustellen halte ich grundsätzlich schon für problematisch. Wenn dann die Ziele und Wege dorthin noch so schwammig sind, dann wird es erst recht schwierig.

Begegnung

Als Kontraposition zu den kämpferischen Herausforderungen stehen die dialogischen Begegnungen mit den Elfen. Die philosophischen Diskussionen in Gerasim geben hier schon einen kleinen Ausblick auf die Dinge, die da noch kommen werden.

Willkommen in Bruchtal, will sagen Riur´Lara, Heimstatt der Elben, ich meine Auelfen. Illustration von Isabeau Backhaus

Die erste Elfensiedlung, welche die Expedition erreicht ist Riur´lara. Vermutlich reicht es, den Spielern das Bild aus dem Abenteuer zu zeigen und von da an wird der Ort nur noch Bruchtal genannt. Die Stimmung hier ist auch etwas esoterisch. Die hier ansässigen Auelfen (!) sind sich unsicher, ob die Traumbilder der Bahalyr, die sie ebenfalls wahrgenommen haben, das ersehnte Signal sind aufzubrechen und ins Sala Mandra zurückzukehren. Hier tritt nun ein zentrales Problem solcher Inszenierungen auf. Verschiedene Fraktionen der Elfen sind vertreten und wollen mit den Helden in einen Dialog treten. Im Kern geht es dabei jedoch um eine Beratung interner Angelegenheiten, bei der die Helden lediglich als Unparteiische vermitteln sollen. Der Autor gibt keine Hilfestellung dazu, wie eine solche Situation am Spieltisch abgewickelt werden soll. Das Grundproblem ausufernder Dialoge zwischen Meisterpersonen tritt hier ungebremst zutage. Am Spieltisch führt dies in der Regel zu langen Monologen einer einzigen Person, was die übrigen Mitspieler zur Passivität verurteilt. Wie sich aus dieser Ausgangslage eine spannende Interaktion zwischen den Menschen am Spieltisch entwickeln soll, bleibt offen.

Noch deutlicher tritt das obige Problem beim Elfenrat in Aumond auf. Hier versammeln sich die Elfen der Region, um über die seltsamen Träume zu beraten. Sehr schön finde ich daran, dass deutlich wird, wie die Figuren innerhalb der Spielwelt auf die Ereignisse reagieren. Die Versammlung findet völlig unabhängig von der Expedition statt. Zuvor durften die Gruppe bereits erfahren, dass die konservativen Waldelfen nicht einmal ihre auelfischen Verwandten ins Herz der Wälder lassen. Nun soll es der Expedition gelingen, genau diese Waldelfen dazu zu bewegen, einer Gruppe von Nichtelfen Zutritt zu gewähren. Witzigerweise prüfen die Elfen dies dadurch, indem sie feststellen wollen wie badoc die Gruppe ist. Badoc ist ein elfisches Konzept, welches ausdrückt wie weit sich ein Elf vom Licht, also dem mythologischen Quell des Elfischen, entfernt hat. Nur wenn die Teilnehmer der Expedition sich als besonders elfisch darstellen können, dann werden sie hier erfolgreich sein. Da das Konzept des badoc selbst unter Elfen alles andere als einheitlich und klar umrissen ist, dürften hier also vielfältige und spannende Diskussionen entstehen. Leider bietet das Abenteuer auch hier wiederum keine Handhabe, wie man eine solch spannende Auseinandersetzung am Spieltisch intensiv und dramatisch gestalten könnte. In ihrem Kommentar auf Frosty Pen and Paper Online lobt Chembael den besonderen Kniff des Abenteuers, wenn die Stimmung im letzten Moment wieder zu kippen droht. Dies mag eine “wunderbare Verwirklichung des philosophischen Konzeptes” sein. Ob dies jedoch aus Sicht eines Abenteuers wirklich “brillant” zu nennen ist, das sei einmal dahingestellt. Richtig ist wohl, dass das etwas ist, “womit keine Heldengruppe rechnet”. Da ein Scheitern der Expedition hier jedoch das Ende des Abenteuers bedeuten würde, muss dann mal wieder der Plothammer ausgepackt werden und die Elfen finden dennoch einen Weg sich im Sinne der Helden zu entscheiden.

Am Beispiel des Rats von Aumond wird ein Kernproblem deutlich, welches sich immer wieder findet. Die Zusammenkunft der Elfen und das Auftreten der Gruppe dort stellen eine Schlüsselszene des Abenteuers dar. Es fehlt jedoch völlig an den Ideen, wie man eine solch dramatische Szene, bevorzugt ohne den Einsatz von Würfeln, am Spieltisch ausgestalten könnte. Einen ähnlichen Eindruck hatte ich oben bereits für die Konfrontation mit Arantalwa geschildert, auch wenn dort natürlich nicht auf Würfel verzichtet werden wird. Das ist äußerst schade und hier verschenkt das Abenteuer Potential. Ein solch intensives politisches Ringen zwischen Personen könnte sich über mehrere Tage hinziehen. Die Helden und auch die übrigen Teilnehmer der Expedition könnten auf vielfältige Weise miteinander und mit den Ratselfen interagieren. Die Frage ob Menschen, vielleicht auch Zwerge, überhaupt elfischer sein können als die zurückgewiesenen Auelfen, wird nicht thematisiert. Das Konzept des Badoc könnte intensiver beleuchtet und womöglich Hinweise für künftige Abenteuer eingebracht werden. Die Rolle des Rallion Regenflieders als berühmtem Vermittler zwischen Elfen und Menschen wird nicht weiter ausgeführt.

Nach dem Lesen einiger Rezensionen war mir der Rat der Elfen in Aumond immer als die entscheidende Hürde des Abenteuers erschienen. Wahrscheinlich lässt sich dies am Spieltisch auch dergestalt dramatisch inszenieren. Der Band selbst bietet dafür jedoch nur ein Grundgerüst.

Weiter geht es im zweiten Teil der Rezension …

Die Vorschau auf die Kampagne findet sich hier.

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6 Antworten zu Der Ruf der Bahalyr – Sternenträger-Kampagne 1 (Teil Eins)

  1. Pingback: Nandurion rezensiert „Der Ruf der Bahalyr“, Teil 1 – Nuntiovolo.de

  2. Nottel sagt:

    Ich habe die Phileasson-Kampagne ungefähr zwischen 1997 und 2002 gespielt und auch schon da haben wir zwei Besatzungsmitglieder geführt (ich hatte zusätzlich Raluf). Meine damaliger SL erinnert sich leider auch nicht mehr daran, wo er diesen Spieltipp gelesen hatte. In der Originalausgabe konnte ich es nicht finden, erst in der Neuauflage. Vielleicht kennt jemand ein Magazin oder Fanzine, wo so etwas stand?

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  5. Piiit sagt:

    Sehr schöne Zusammenfassung! Auch bei mir sorgt der kleine Arantalwa für Kopfzerbrechen. Während ein einflüssternder Sturm mit plötzlich verschwindenen und auftauchenden Wölfen ein irrwitziges und forderndes Finale ergibt, ist die Ausgestaltung Arantalwas „doof“. Der wird, so es nur die Winzigkeit einer Chance gibt, von meiner Truppe in Dunkelelfensalami verarbeitet, das wäre ein sehr jämmerliches Ende für solch einen Schurken. (Ähnlich ergeht es den Dämonen im 2. Teil, ich habe mir überlegt für meine Kinder einen solchen Karmanth zum Spielen zu zulegen).
    Also, wenn jemand Ideen hat nur raus damit.

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