»Vom Menschenfresser: Die Kinder des Giganten Ogeron leben noch heute unter uns. Sie sind nicht mehr so zahlreich wie einst, und wir sollten uns deswegen glücklich schätzen. Ihr Hunger ist unstillbar, und am liebsten fressen sie Menschenfleisch. … Doch Hesinde hat sie vergessen, als es um die Verteilung des Verstandes ging. Glücklicherweise sind sie ebenso dumm wie sie stark sind und deshalb kann man sie täuschen, um so sein Leben zu retten.«
—Abschrift aus einer neueren Ausgabe des Bestiariums von Belhanka
Der Oger ist einer der ältesten und generischen Vertreter jenes Genres, welches wir heute als Fantasy bezeichnen. Bereits in den Märchen und Sagen hat der Oger als Antagonist seinen festen Platz. Neben seiner physischen Stärke und begrenzten Intelligenz zeichnet sich dieser Unmensch vor allem dadurch aus, dass er Menschen frisst. Da nimmt es kaum Wunder, dass der Oger auch in die Welt der Rollenspiele frühzeitig Einzug gefunden hat. Auch in Aventurien können diese Unholde nahezu überall angetroffen werden. Aufgrund ihrer Vorliebe für Menschenfleisch werden Oger jedoch in der Nähe menschlicher Siedlungen eher nicht geduldet und stellten immer schon eine Gefahr „da draußen in der Wildnis“ dar.
Hintergrund
Obschon viele aventurische Setzungen dem Wandel der Zeit unterworfen sind, bleiben die zentralen Elemente dieser aventurischen Kulturschaffenden weitgehend gleich. Die Söhne Ogerons sind massige Humanoide von mehr als 2,50 Schritt Größe. Ihr ständiger Begleiter ist der Hunger, welcher sie zu schwierigen Zeitgenossen macht. Zumindest die klassischen Oger gelten als plump und dümmlich. Ihre Kultur muss als primitiv gelten. Ihre Beschreibungen sprechen von bleicher Haut, die sie außerdem mit Fett einreiben. Dies führt auch dazu, dass sie „stinken wie ein Oger“. Vermutlich als Rückgriff auf ihre primitive Kultur wurden sie anfangs als Höhlenbewohner beschrieben. Die Analogie zu „Höhlenmenschen“ ist kaum zu übersehen, auch wenn der Begriff ein völlig falsches Bild von deren (Oger wie Menschen) Lebensweise zeichnet.
Neben dem klassischen Oger führte das Schwarze Auge bald auch seinen gewitzteren Vetter, den Schwarzoger, ein. Dieser „Schrecken der Wälder“ war deutlich deutlich intelligenter als sein nordischer Verwandter und stellte somit auch eine ernste Bedrohung für Helden höherer Stufen dar. In jüngerer Zeit wurden dann doch noch echte Höhlenoger und vegane Hügeloger eingeführt, die hier jedoch keine Rolle spielen sollen. Eine wichtige Besonderheit stellt jedoch der Streitoger dar. Dabei handelt es sich nicht um eine eigene Art oder Spezies, sondern um die zugerichteten und schwer bewaffneten Oger, welche von den Schamanen der Orks unter ihre Kontrolle gebracht und dann im Kampf eingesetzt werden.
Obschon Oger in Familienverbänden leben und somit üblicherweise auch Frauen und Kinder elementare Bestandteile der ogerischer Populationen sind, spielen diese im Reich der Miniaturen keine Rolle. Hier bleibt der Oger auf seine Rolle als tumber Haudrauf beschränkt und die kulturellen Feinheiten oder gar liebevollen Beziehungen einer Ogerfamilie finden keine Berücksichtigung. Schauen wir uns also einmal an, welche Miniaturen des Schwarzen Auges wir als Oger finden.
Durch seine so ikonische Rolle in der Phantastik beginnt die Geschichte der Oger-Miniaturen bereits mit dem ersten Brettspiel unter dem Label Das Schwarze Auge. Die Burg des Schreckens lieferte seinerzeit bereits Oger als Gegenspieler in klassischer Pose aus, die gefährlicher waren als gemeine Orks. In der Miniaturen-Reihe von FanPro bekam der Oger dann ebenfalls seinen Platz. Groß und furchteinflößend mit einem Kopf, der zum größten Teil aus dem Mund mit den spitzen Zähnen bestand, vermittelte dieser Oger bereits mehr Dynamik. In die gleiche Systematik fällt auch der Streitoger, welcher seinen Platz auf den Schlachtfeldern des Tabletop Armalion fand. Schwer bewaffnet und gepanzert, den Kopf zum Kriegsschrei in den Nacken gelegt, ist dieser Bursche ein ganz anderes Kaliber als seine keulenschwingenden Vettern. Die jüngste Version aus dem Hause Westfalia bietet ein aktuelles Design mit klassischen Elementen. Bemerkenswert sind hier zwei Unterschiede. Zum einen kommt der West-Oger wesentlich massiger, ja regelrecht fettleibig, herüber. Zum anderen wirkt sein haarloser Schädel deutlich menschlicher als die reißzahnbewerten Fratzen seiner Vorgänger.
Idee
Um die Entwicklung der Modelle im Zeitverlauf zu zeigen, aber gleichzeitig darauf zu verweisen, dass es sich um unterschiedliche Interpretationen der gleichen Figur handelt, wollte ich die Bemalung aller Miniaturen ähnlich gestalten. Die Brettspiel-Oger aus den frühen 90ern hatte ich seinerzeit bereits bemalt, so dass diese außen vor blieben. Um einen einheitlichen Look zu erzeigen würde ich aber alle drei weiteren Miniaturen gemeinsam im gleichen Schema bemalen. Ein offensichtlicher Unterschied würde sich natürlich durch die Bewaffnung und Rüstung des Streitogers ergeben.
Die erste Überlegung galt dem Grundton der Haut. Da die Oger viel davon zeigen, würde dies auch den Gesamteindruck der Miniatur deutlich bestimmen. Die Beschreibung der „bleichen Haut“ erschien mir immer recht unpassend. Vielleicht hatte hier ein Schreiberling den Begriff Höhlenbewohner zu ernst genommen aber für mich sollten Kreaturen, die die meiste Zeit ihres Lebens an der frischen Luft verbringen, nicht bleich sein. Weiterhin war mir wichtig, dass die Oger nicht einfach wie große Menschen aussahen. Daher wollte ich typisch menschliche Hautfarben wie schweinchenrosa oder schokoladenbraun eher vermeiden. In Anlehnung an ihre mythologische Herkunft entschied ich mich also für einen eher lehmigen Ockerton. Das glänzende Fett auf der Haut könnte man mit einem Glanzlack simulieren. Ich wollte es hier jedoch nicht übertreiben und statt dessen eher auf ein paar stärkere Glanzlichter beschränken.
Bemalung
Nach einer schwarzen Grundierung erhielten die Oger zunächst eine Basisschicht in Vallejos Tanned Flesh, welches dann mit Plague Brown akzentuiert wurde und mit einem Knochenton die Lichter erhielt. Wieder einmal stellte ich fest, dass die Airbrush bei diesen Anwendungen für mich zu ungenau ist. Es sollte noch eine Weile dauern, bis ich herausfand, dass die sogenannten Pro-Painter deutlich feinere Nadeln verwenden und daher natürlich auch mehr Kontrolle darüber haben, wo die Farbe landet. Also arbeitete ich mit dem Pinsel weiter und justierte die Schattierungen von Hell und Dunkel. Mit einem Braunton und einem Wash wurden später die Schatten weiter betont.
Die Ausrüstung aus Fellschutz und Keule wurde mit schwarzer Grundschicht versehen und später mit Grau und Braun akzentuiert. Für die Rüstung des Streitogers musste ich mir noch etwas anders einfallen lassen. Hier wollte ich mich etwas von dem Braunton entfernen, da ich einen sichtbaren Kontrast zu den Ockertönen der Haut und den dunklen Farben der wilden Oger haben wollte. Nach einer schwarzen Grundschicht erhielt die krude Lederrüstung also einen rostigen Rotton, der sich einerseits ins Gesamtkonzept fügte, jedoch genügend Abwechslung bot um den Unterschied zu den Produkten aus ogerischer Eigenproduktion herauszustellen. Ein Rotton wäre im Übrigen auch etwas, was dem orkischen Herrn des Streitogers gut gefallen würde.
Ein weiteres Element über das ich mir Gedanken machte waren die Haare. Die meisten Vorbilder hatten hier den erwartbaren schwarzen Haarschopf. Wie schon bei der Haut wollte ich jedoch betonen, dass wir es hier eher nicht mit einem großen Menschen zu tun haben. Meine Oger sollten fremdartig genug sein um Verwechslungen mit Menschen möglichst zu vermeiden. So entschied ich mich also für ein feuriges Orange, dass zwar immer noch ins gesamte Farbkonzept passte, aber weniger an einen typischen Menschen erinnerte. Die gleichen Überlegungen führten dazu, dass die Augen rot gestaltet wurden.
Einige Details und Nacharbeiten waren noch zu erledigen. Fuß und Fingernägel, die Gestaltung der Keulen, Lederelemente und Knochen mussten fertig gestellt werden. Bei meinem wilden Oger musste ich die Glanzlichter noch einmal überarbeiten, da ich einige Stellen unnatürlich beleuchtet hatte. Für die Lederstreifen mischte ich dem Braunton noch etwas Barbarian Flesh bei, und imaginierte hier eine Herstellung aus Menschenhaut. Für die Brustwarzen ließ ich mich wieder zu einer Abweichung hinreißen und mischte ein Blau bei.
Wir brauchen Bases
Die angegossene Basis des Streitogers war schon durchmodelliert, so dass ich den Boden nicht mehr strukturieren musste. Die beiden anderen Minis erhielten eine Struktur aus Spachtelmasse und Steinbröckchen. Mit statischem Streugras und etwas Tee als Rindenmulch wurde der Grund weiter ausgestaltet. Tatsächlich war ich mit dem Ergebnis des Streitogers etwas unsicher, da das grüne Gras doch einen auffälligen Kontrast zu der ansonsten eher in warmen Tönen gehaltenen Miniatur darstellte. Für den Wildoger experimentierte ich wieder an einer Pfütze. Mein erster Versuch hier einen weißen Wash einzusetzen war nicht zufriedenstellend. Ich gab der Pfütze dann wieder einen Grauschleier, wie er auch bei meiner nostrischen Ritterin funktioniert hatte.
Das Hexbase des Westfalia-Ogers war noch etwas langeweilig und ich wollte hier nicht zu viel Grün aufbringen, da ich dann ebenfalls eine farbliche Betonung des Bases befürchtete, die ich vermeiden wollte. Ähnlich wie bei meinem Minotaurus, wollte ich den Eindruck von Gefährlichkeit unterstreichen, indem ich einen Hinweis auf die (flüchtigen) Gegner des Ogers hinterließ. Das führte dann dazu, dass ich eine heruntergefallene Fackel gestaltete und diese vor dem Oger auf dem Boden platzierte. Vielleicht wurde sie fallengelassen. Möglicherweise hatte auch ein verzweifelter Abenteurer die vergebliche Hoffnung, der Unhold würde sich durch Feuer einschüchtern lassen.
Nachdem ich nun so gut wie fertig war, musste ich leider noch einen Nachteil der Zinnminiaturen erleben. Der schwere Streitoger löste sich von seiner Malhalterung und stürzte auf den Boden. An den Einschlagstellen war nun die Farbe weggesprengt und das blanke Metall schimmerte durch. Da der Terminatorlook nicht zu meinem Bild eines aventurischen Streitogers passte musste ich die Stellen wieder ausbessern und in mehreren Schichten wieder Farbe aufbauen. Nach dem obligatorischen doppelten Lackieren war es dann jedoch geschafft. Die drei Oger konnten sich zu meinen Brettspiel-Ogern hinzu gesellen und so eine wahrhaft furchteinflößende Bande bilden.
Fazit
Auch wenn die Modelle auf den ersten Blick wenig spektakulär erscheinen und das Bemalen von Fleischbergen nicht gerade zu meinen Favoriten zählt, war dieses Projekt recht unterhaltsam. Die Ausgestaltung der Riesen als Abkömmlinge urzeitlicher Giganten lieferte ein paar interessante Impulse. Die Miniaturen sind von ihrer Pose und Statur auch recht unterschiedlich und gerade die unterschiedliche Interpretation des Gesichts liefert differenzierte Narrative.
Die Neuinterpretation des Ogers, wie sie von Westfalia als Miniatur umgesetzt wurde, kommt mit deutlich menschlicheren Zügen und einer weniger athletisch erscheinenden Statur daher. Auch die Details an der Mini haben zugenommen. Interessanterweise ist der neue Oger im Vergleich deutlich kleiner und wirkt dadurch auch stärker an menschliche (elfische …) Figuren angenähert. Ob dies in dieser Form Absicht war oder eher auf produktionstechnische Aspekte zurückzuführen ist, kann ich nicht sagen. Ich wollte erreichen, dass die Oger sich in ihrer farblichen Gestaltung deutlich von Menschen, Zwergen oder Elfen abheben. Die lehmfarbene Haut und das lodernde Haar setzten dies meines Erachtens gut um. Durch die gleichartige Bemalung lassen sich die Minis auch gemeinsam am Tisch einsetzen und wirken trotz ihrer Unterschiede wie eine Gruppe.
Mit der Figur des Ogers konnte ich zum ersten Mal die Idee realisieren, die Entwicklung einer Miniatur über einen längeren Zeitverlauf zu zeigen. Diesen Ansatz werde ich auch in künftigen Projekten aufgreifen und immer wieder ähnliche oder sogar gleiche Figuren in ihrer Interpretation als Miniatur nebeneinander stellen. Ich bin sehr gespannt, wohin mich diese Idee noch führen wird.
Und nun das Schaulaufen
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