Gastrezension von Queery
Auf einen Blick:
Name: Mond des Blutes
Was: Rundenbasiertes Strategiespiel mit einfacher Grafik auf DSA-Basis
Preis: 3,99 €
Zielgruppe: DSA Nostalgiker
Wer: Chromatrix
Plattform: Android
Let’s Play: Gibt’s bei Cho Jin
Seit Ende September ist nach der Demo-Version (Nandurion berichtete) auch die Vollversion von Mond des Blutes erhältlich. Chromatrix – DSA-Fans durch die online Soloabenteuer-Plattform www.dsa-games.de bekannt – hat damit die Ankündigung von 2012, ein DSA-Handy-Spiel für Android herauszubringen, doch noch wahr gemacht.
Der zweite und der dritte Teil der Trilogie, Mond der Rache und Mond des Todes, werden vermutlich im November und Dezember folgen.
Das Spiel
Mond des Blutes ist ein rundenbasiertes Strategiespiel mit sehr einfacher Grafik und begrenzter Komplexität. Das Spiel erinnert an den Open-Source-Klassiker Battle of Wesnoth, bietet aber im Vergleich weniger strategische Spieltiefe, sowohl was taktische Optionen als auch Verzweigung der Missionen angeht. Auf einer Karte aus rechteckigen Feldern ohne Diagonalen manövriert der/die Spieler/in seine Helden und andere Einheiten mithilfe von Bewegungspunkten und -kosten, die je nach Geländeart variieren. Nahkampfeinheiten schlagen zurück, wenn sie das erste Mal angegriffen werden und Fernkampfeinheiten können über eine bestimmte Reichweite angreifen (ohne Gegenschläge), sind aber schwach in der Verteidigung. Es gibt keine Kontrollzonen, so dass man seine Fernkämpfer gut abschirmen muss.
In einigen Spielabschnitten kommen Verteidigungsanlagen mit Mauern und Geschütztürmen dazu, die man entweder mithilfe von Belagerungsmaschinen überwinden oder von Arbeitern selbst bauen lassen und verteidigen muss. Auch ist es ab und an möglich, selbst Einheiten zu bauen. Das Geld dafür bekommt man zu Beginn des Levels, findet es zusammen mit Helden-Ausrüstung in herumstehenden Schatzkisten oder kann es durch Arbeiter, die Felder bewirtschaften, selbst generieren. Es ist aber im Spielsystem eher eine feste Größe als eine strategische Variable, anders als z.vB. bei Battle of Wesnoth, wo Dörfer, die rundenweise Einkünfte bringen, erobert und gehalten werden müssen.
Die gegnerische KI trifft in der begrenzten Komplexität des Spiels meist durchaus brauchbare Entscheidungen, indem sie beispielsweise versucht, Bogenschützen zu erreichen und sich nicht einkreisen zu lassen. Es gibt vier Schwierigkeitsgrade, die auch im Laufe des Spiels geändert werden können und die Stärke der gegnerischen Einheiten variieren (und dafür etwas mehr oder weniger Erfahrung springen lassen). Die Standardeinstellung, das zweitschwerste „heldenhaft“, schien mir für eher erfahrene Strategiespieler nicht zu anspruchsvoll.
Einheiten können auf bis zu drei zusätzliche Erfahrungs-Ränge aufsteigen. Der Ausgang der einzelnen Missionen beeinflusst dabei nach meiner Erfahrung nach mit Ausnahme der Heldenentwicklung (Abenteuerpunkte und gesammelte Ausrüstung) nicht das weitere Spiel. Die Einheitenränge bleiben beispielsweise zwischen den Abschnitten nicht erhalten und übrigbehaltenes Gold verfällt. Es gibt nach meiner Beobachtung auch keine unterschiedlichen Ausgänge, die ein Level haben kann.
Grafik & Sound
Die Grafik ist auf einem ähnlichen Niveau wie bei Batlle of Wesnoth und damit eher einfach, aber mit Retro-Charme. Bewegung und Kampf sind leicht animiert. Leider sind vor allem bei Kämpfen die jeweiligen Attacke-Gegenattacke-Animationen langsam und lassen sich auch nicht beschleunigen, was den Spielfluss verlangsamt. Hier hat Chromatrix auf Nachfrage angekündigt, dass in einem in Kürze erscheinenden Update eine Option dazukommen wird, eigene und/oder gegnerische Animationen zu beschleunigen. [Anmerkung der Redaktion: Laut Aussage des Publishers ist diese Option inzwischen enthalten]
Als Sound gibt es Waldgeräusche im Hintergrund und Kampfgeräusche, aber keine Sprachvertonung und keine Musik, was ich persönlich etwas schade finde. Für ältere Handy-Modelle wird eine extra optimierte Spielversion bereitgestellt.
Die Story
Wer Spoiler auf jeden Fall vermeiden will, sollte diesen Abschnitt überspringen, allerdings gibt es bislang wenig Überraschendes in der Story, so dass das Lesen dieser Kurzzusammenfassung den Spielspaß auch nicht mindern sollte.
Wie in der kostenlosen Demoversion, die einfach nur die ersten beiden Missionen der Vollversion enthält, beginnt man mit einem selbst erstellten oder automatisch generierten Helden, einem jungen mittelreichischen Kämpfer aus Wiesengrund, einem Dorf an den südlichen Ausläufern des Finsterkamms in der Baronie Nebelstein. Das Dorf wird nach vielen Jahren des Friedens von einer Horde Orks überfallen, die die Häuser niederbrennen, die Eltern des Helden töten und einige andere Männer aus dem Dorf entführen. Nach deren Befreiung zieht man mit einigen der Befreiten in den Finsterkamm, um sich an den Orks zu rächen. Auf diesem Weg tötet man sich durch einige Orks hindurch und hilft einigen bedrohten Dörf(l)ern, wobei auch eine Begegnung deutlich macht, dass nicht alle Orks Gegner sein müssen und das Spiel immer mal wieder Hinweise darauf einstreut, dass es ungewöhnlich ist, dass sich die Orks plötzlich so aggressiv verhalten und Gefangene in ihre Festungen schleifen.
Unterwegs begegnet man einer Elfe (der einzigen weiblichen Person im ganzen Spiel), die sich als zweite Heldin mit Fernkampf- und Magiefähigkeiten anschließt. Nach einer Weile ist auch ein orkischer Tairach-Schamane als Hauptbösewicht ausgemacht. Der allerdings flieht feige und muss eine Zeit lang verfolgt werden, damit schließlich in der finalen achten Mission seine Festung samt Opfer-Altar gestürmt und er in die Flucht geschlagen werden kann.
Es ist ziemlich klar, dass die Story nur einen losen Rahmen für den taktischen Ablauf der Kämpfe darstellt. Beispielsweise hört das Spiel schnell auf zu begründen, warum man zu Beginn jedes Abschnitts mit einer völlig anderen Zusammensetzung an Einheiten in den Kampf zieht. Es gibt keine erzählerischen Spielentscheidungen und keine verzweigte Geschichte, auf die das Handeln der Spielenden Einfluss nimmt.
Die Helden & die Umsetzung des DSA-Hintergrunds
Für den minimalistischen Ansatz lehnt sich das Spiel erfreulich eng an das DSA-4.1er-Regelsystem an. Zur Charaktergenerierung gibt es 46 Generierungspunkte, die zum Steigern der Eigenschaften oder zum Erwerb einmaliger Vorteile eingesetzt werden können. Die funktionieren dabei ähnlich wie bei DSA, weil Grundwerte wie Lebensenergie oder Magieresistenz gleich berechnet werden. Für kampfirrelevante Eigenschaften haben sich die Spieldesigner/innen alternative Eigenschaftsfunktionen überlegt. So bestimmt der Klugheitswert neben den Startabenteuerpunkten und der Magieresistenz die spielwichtige Sichtweite, die in unübersichtlichem Gelände oft die Bewegung beschränkt, und ein hoher Charisma-Wert gibt Einheiten, die neben dem Helden stehen, einen Schadensbonus. Als Vorteile stehen beim Starthelden Flink (erhöhte Bewegungsreichweite), Herausragende Sicht (erhöhte Sichtweite), Eisern, Zäher Hund und Schnelle Heilung zur Verfügung. Dabei haben nach meiner Erfahrung vor allem die ersten beiden einen wirklich relevanten Spielnutzen.
Attacke- und Paradeberechnung, Wundsystem und selbst einige Sonderfertigkeiten sind genauso wie Waffen oder Rüstungen fast identisch aus dem DSA-Regelsystem übernommen. Talente gibt es neben einer zentralen Kampffertigkeit aber nicht. Mit Abenteuerpunkten können so nur Schwerter beim Kämpfer und Bogen bei der Elfe gesteigert, sowie die Grundwerte MR und LE erhöht und Sonderfertigkeiten (wie Finte, Wuchtschlag oder Rüstungsgewöhnung) erworben werden. Bei der Elfe können damit auch die Zauber Axxeleratus, Balsam Salabunde, Blitz Dich find, Falkenauge und Fulminictus gesteigert werden, die sehr ähnlich wie im DSA-Orginal umgesetzt sind.
Die Helden können Waffen und Rüstungen in Schatzkisten finden, diese werden jedoch mit scharfen Bruchfaktorregeln und Rüstungsbeschädigung relativ schnell abgenutzt. Heil- und Astraltränke gibt es ebenfalls zu finden. Deren Häufigkeit ist wesentlich größer als im DSA-Setting plausibel, was mir für ein Handyspiel aber sinnvoll erscheint.
Nach Abschluss des 1. Teils der Trilogie können die Helden für die Verwendung im 2. Teil Mond der Rache gespeichert werden.
Storyseitig taucht der DSA-Hintergrund in den kurzen Missionstexten immer mal wieder auf und ist darin gut integriert. Eine eher klassische Orkgeschichte zur Grundlage zu nehmen, erscheint für die angestrebte Zielgruppe eine gute Wahl, bietet sie doch Anknüpfungspunkte für Menschen, die irgendwann einmal DSA gespielt haben und sich mehr an Scharmützel mit Orks erinnern werden als an komplexere Reichsintrigen. Gleichzeitig ist alles aber auch ohne DSA-Hintergrundwissen und -Interesse verständlich. Einzig die spürbare Abwesenheit von Frauen (einzige Ausnahme ist die typischen Elfen-Bogenschützin), sowohl was Einheiten als auch Begegnungen angeht, ist ein Bruch mit dem zumindest für das Mittelreich gesetzten, komplett egalitären DSA-Hintergrund und angesichts der Debatte der letzten Jahre um Geschlechterrepräsentation in der Spielbranche bedauerlich. Chromatrix hat aber bereits angekündigt, dass die in den kommenden Teilen noch folgenden beiden Helden das Geschlechtergleichgewicht zumindest unter den Helden wahren werden und ebenfalls eine generisch weibliche Einheit folgen wird.
Fazit
Mond des Blutes ist ein minimalistisches Spiel, von dem niemand zu viel erwarten sollte, ohne besondere Grafik und mit begrenzter Spieltiefe. Insgesamt macht es seine Sache aber gut und bietet für 3,99 € einige Stunden taktischen Spielspaß mit Retro-Charme. Dabei wird der DSA-Hintergrund gut eingebunden, obwohl die Story nicht unbedingt die größte Stärke des Spiels ist. Besonders auf Regelebene wurde sich aber erstaunlich eng an DSA orientiert, so dass es vieles angenehm Bekanntes gibt. Das Spiel ist somit eine gute Wahl für DSA-Nostalgiker mit Freude an rundenbasierten Strategiespielen und nicht zu hohen Ansprüchen – oder alle, die einfach neugierig sind, zumal ein kostenloses Anspielen der Demoversion vor einem Kauf eine solide Entscheidungshilfe darstellt.
Von mir bekommt Mond des Blutes daher ordentliche 5 von 9 Einhörnern, wobei mindestens ein weiteres Einhorn mit den Hufen scharrt und sich sofort den anderen anschließt, wenn die Hintergrundstory im bald folgenden zweiten und dritten Teil noch ein wenig an Spannung gewinnt.