Gastrezension von Xeledon
Auf die Gefahr hin, hiermit eine mehrheitsfähige Meinung zu vertreten: Die „Vademecum“-Reihe zählt für mich zum Besten, was Das Schwarze Auge seit seinem Bestehen an Quellenbüchern hervorgebracht hat. Wer sich in das Wesen der jeweiligen Gottheit oder die Glaubens- und Lebenswelt ihrer Geweihten hineinversetzen möchte, kann bedenkenlos das jeweilige Büchlein zur Hand nehmen und darin eine Menge Material finden, das sich als Inspiration und Bereicherung für den heimischen Spieltisch eignet. Entsprechend positiv ist daher auch die Erwartungshaltung gegenüber dem Firun gewidmeten Band der Reihe, der an dieser Stelle einer näheren Betrachtung unterzogen werden soll. Ist also auch im Haus des Alten vom Berge alles cool?
Lücken in der weißen Pracht
Das handliche Format ist bekannt und auch der mit einem passenden Göttersymbol – hier ein brüllender Bärenkopf – geprägte Kunstledereinband kommt gewohnt edel daher. Wer Firun allerdings in eine reinweiße Weste gehüllt erwartet hätte, wird angesichts des etwas ins orange-bräunliche stechenden Farbtons (Ist das nun cremefarben, elfenbein oder gar chamois? Die genaue Benennung möge bitte jemand nachreichen, der mehr als jene elf Farbbezeichnungen, die der Autor dieses Textes zu akzeptieren gewillt ist, unterscheiden mag.) eine erste Überraschung erleben. Beim Aufblättern wird dann rasch deutlich, dass neben dem Weißen Jäger auch seine Tochter Ifirn hier eine prominentere Rolle spielt, als man es von assoziierten Halbgöttern in den übrigen Vademecums gewohnt ist. An sich hätte sich daraus ein spannendes Inhaltskonzept entwickeln können, in dem – unseren maraskanischen Freunden zum Wohlgefallen – ganz dualistisch die jeweiligen Positionen des unerbittlichen Firuns und seiner milden Tochter (beziehungsweise der jeweiligen Kirchen und Geweihtenschaften) einander gegenübergestellt und die markanten Unterschiede dadurch klar herausgearbeitet worden wären. Stattdessen verwischt der Gesamttext die Grenzen meist allzu deutlich und ergibt somit einen Wintergötter-Einheitsbrei, der die Gelegenheit verpasst, den beiden Entitäten eine klare Kante zu verleihen.
Überhaupt ist das große Problem des Firun-Vademecums, dass es an vielen Stellen nicht richtig auf den Punkt kommt. Konkrete und vor allem auch schnell nachschlagbare Informationen sind rar gesät, stattdessen gibt es vor allem eine Vielzahl von Stimmungstexten, die gewissermaßen Fluch und Segen zugleich darstellen. Die oftmals reichlich unterkühlt wirkende Firunkirche wird mit einer Menge Atmosphäre aufgeladen, bei der es einem regelrecht warm ums Herz werden kann. Was die konkreten Anregungen für das Geweihten-Spiel angeht, fühlt man sich hinterher jedoch kaum schlauer. Da helfen auch die mit einem Umfang von einer einzigen Doppelseite viel zu knapp gehaltenen Anregungen zur Ausgestaltung von Firun- und Ifirngeweihten nicht wirklich weiter.
Tiefen Spalten im dicken Gletschereis
Die Qualität der mythologischen Texte und Ritualbeschreibungen schwankt überraschend deutlich. Während das einleitende Kapitel zum Wesen der Gottheiten das makellose Highlight dieses Bandes darstellt, finden sich im Anschluss daran auch einige Passagen, die mit ihrem Roman-nahen Erzählstil zwar in einem Kurzgeschichtenband gut aufgehoben wären, für die inneraventurische Authentizität eines als religiöses Brevier konzipierten Bandes jedoch als störender Fremdkörper wirken. Wenn unter dem Titel „Vater Bär“ eine „alte Mär“ angekündigt wird, sollte von einer allzu genauen Beschreibung der Gedanken- und Gefühlswelt der Protagonisten besser Abstand gehalten werden. Dagegen wirken die Beschreibungen von Berufung, Weihe und rituellen Handlungen aus der Ich-Perspektive des fiktiven Vademecum-Verfassers Thorben Grimmwulf umso atmosphärischer und stimmen den Leser trotz der tiefen Risse im Gesamtbild wieder versöhnlich.
Äußerst gelungen sind die Gebete und Anrufungstexte, deren poetische Sprache auf relativ eng begrenztem Raum die Stärken der realen Vademecum-Verfasserin Melanie E. C. Meier voll zur Geltung bringen. Da hätte man sich gerne noch etwas mehr Umfang als die vorliegenden sieben Seiten gewünscht. Ebenfalls gut gelungen sind die ausformulierten Beschreibungen für die Durchführung der regeltechnischen Liturgien. Fast scheint es, als hätte die hier notwendige Begrenzung des Umfangs der jeweiligen Texte der Autorin gut getan, wird hier doch großräumig die Gefahr gebannt, in jenes ausführliche Schwafeln zu verfallen, das an anderen Stellen negativ auffällt.
Gerade die zu ausführlichen Stimmungstexte führen an einigen Stellen zu einer eher holprigen Verknüpfung der an sich gelungenen inneraventurischen Erzählungen mit dem eigentlichen Gegenstand des Textes. So vermittelt der zweieinhalbseitige Text, der den Ursprung der Eisigen Stelen zu Trallop schildert, zwar ein gutes Bild des firungläubigen Fischers Beowein, verglichen mit der eine knappe Seite umfassenden Beschreibung des eigentlichen Heiligtums scheinen hier jedoch die Prioritäten arg verschoben.
Firun lässt mich kalt
Wenngleich ich sicherlich keinem an den Kirchen von Firun und Ifirn interessierten DSA-Spieler von einem Kauf abraten und es einem Spieler der entsprechenden Geweihten sogar wärmstens empfehlen würde, halte ich das Firun-Vademecum für einen der schwächsten Vertreter der gesamten Reihe. Wo es andere Vademecums schafften, in mir das Interesse an bislang wenig beachteten Zwölfgötterdienern zu wecken, lassen mich Firun und Ifirn nach wie vor ziemlich kalt. Insbesondere die vor allem auf nicht uneingeschränkt gelungenen Stimmungstexten aufbauende Gesamtstruktur des Bandes und der Mangel an konkret für den heimischen Spieltisch nutzbaren Ideen und Anregungen lassen mich eher enttäuscht zurück. So habe ich zwar das vage Gefühl, das Wesen und die Kirchen des Alten vom Berg und seiner milden Tochter nun besser zu verstehen, das reicht jedoch noch immer nicht aus, um konkret benennen zu können, warum der Firungeweihte auf meiner persönlichen Liste spielenswerter Charaktere noch unterhalb der reisenden Traviageweihten steht – und deren Vademecum steht immerhin noch aus…
Danke für die Rezension, du sprichst mir in vielen Punkten aus der Seele. Eine kleine Ergänzung vielleicht nur: der Farbton des Covers hat mich auch zunächst überrascht, aber dann hat es klick gemacht – es handelt sich hier, völlig firungefällig, einfach um den Farbton ungefärbten Leders, also Naturleder, wie ein Geweihter es in der Wildnis selbst herstellen würde. Gerade bei Firun macht es auch sehr viel Sinn, auf „Schickschnack“ wie teure Lederfarben zu verzichten, so dass ich auf den zweiten Blick den Naturton noch ansprechender und passender finde als ein reinweiß es gewesen wäre.
was?
ich finde hier im 17. Türchen – an dem die dunklen Pforten geöffnet werden und das Namenlose erwacht- keinen Darth-Valpo-NSC oder eine Obi wan Alrik Spielhilfe? Noch nicht mal die Beschreibung einer hell leuchtenden Klingenwaffe für DSA5-Schwertmeister?…
****ungläubigesKopfschütteln***
Na gut, dann doch etwas passendes dazu:
Das Video eines typischen Barbaren aus dem Norden, der anscheinend auch an Teil 7 teilnimmt:
https://www.facebook.com/arnold/videos/10153643573406760/
Ich rate zum Waffenbalsam F!
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