Zuerst unter Eichen gewandert, dann nach Havena verschifft, erfreut uns der durch seine Schwarze Eiche-Trilogie bekannte Sebastian Thurau, diesmal unter DSA5-Ägide, mit seinem neuesten Soloabenteuer Der Vampir von Havena.
Enthalten sind auf 64 Seiten das Soloabenteuer mit 222 Abschnitten, eine farbige Karte von Havena wie auch ein kleiner Überblick über die Stadt und zwei Gebäudekarten. Dazu gibt es noch Hintergrundinformation und ein Charakterblatt zu Carolan Calavanti, unserem ikonischen mitgelieferten Streuner. Für mich auch etwas überraschend: Hatten bei den DSA4.1-Soloabenteuern die mitgelieferten Helden noch auf einer doppelseitigen DIN-A5-Seite Platz, haben wir hier ein normales DSA5-Charakterblatt mit vier DIN-A4-Seiten.
Und war die Die Schwarze Eiche-Reihe damals noch frei in der Charakterwahl, so landen wir bei diesem Abenteuer beim Spezialistentum, einem streunerischen Charakter, vorteilhafterweise aus Havena gebürtig und ohne viel Auswärtserfahrung. Beide Varianten haben ihre Vor- und Nachteile für das Spiel und Ausgestaltung des Abenteuers. Da ich bisher sowieso die mitgelieferten Charaktere für das Solospiel nutze, hat mich das größere Eingehen auf die Gedankenwelt des gespielten Charakters gefreut.
Allerdings bin ich dabei im Spielverlauf doch an einem Stolperstein hängen geblieben: Der mitgelieferte Carolan Calavanti stammt ursprünglich aus dem Horasreich und ist erst später nach Havena gekommen, einige Abenteuerabschnitte lassen allerdings anklingen, dass unser gespielter Streuner Havena noch nie verlassen hat. Dies hätte man vielleicht besser aufeinander abstimmen sollen.
Der Vampir von Havena will unter anderem ein schönes kleines Einführungsabenteuer in die DSA5-Regeln sein. Insofern sollte man keine hochkomplexen Mechanismen erwarten, sondern eine nette kleine Geschichte über einen Charakter, der unbeabsichtigt in etwas hineinstolpert und, indem er sich selbst wieder aus der Muhrsape zieht, auch etwas Größeres bewirkt und daran wächst.
Der Einstieg ins Abenteuer ist recht turbulent, finden wir uns doch mitten in einer Verfolgungsjagd in den Gassen und Nebeln Havenas wieder, mit uns als begehrter Beute. Die Hintergründe dieser Jagd kommen erst später über eine Rückblende ans Licht. Bei einem Streuner als Charakter sicher nicht komplett überraschend, spielt dabei seine phexische Handwerkskunst eine Rolle.
So führt das Abenteuer unseren Streuner nach und nach durch verschiedene Örtlichkeiten von Hafenviertel und Unterstadt Havenas und unweigerlich wird seine eigene persönliche kleine Geschichte mit der eines in der Stadt umgehenden Mörders verknüpft, hinter dem die Bevölkerung – na, wer kommt bei dem Titel drauf, richtig – einen Vampir vermutet.
Im Verlauf des Abenteuers wird man an passenden Stellen in die DSA5-Regelmechanismen von Eigenschafts-, Talentproben und Kampf eingeführt. Habe ich bei den ersten Proben noch automatisch die DSA4.1-Varianten genutzt, war das Abenteuer nach Umgewöhnung eine schöne Möglichkeit einmal die DSA5-Regeln auszuprobieren. Vor allem, wenn man als Spieler gerade keine eigene DSA5-Runde an der Hand hat. Phex sei Dank (oder auch nicht) wurden dabei speziellere Mechanismen wie Patzer und Glückswürfe ausgenommen, habe ich im Verlauf des Abenteuers doch meine erste Tripletwenty geworfen. Carolan verlor an dieser Stelle aber, trotz meiner Vorstellung eines Gekonnten auf die Schnauze legen seinerseits, nur die an dieser Stelle typischen -2 LeP für einen nicht wirklich gelungenen Fluchtabschnitt.
Insgesamt folgt das Abenteuer einer geraden Linie, deren Verläufe sich zwar an bestimmten Abschnittskreuzungen verzweigen können, nach einiger Zeit aber unweigerlich wieder zusammentreffen. Zumindest diese Bereiche haben in mir die Neugier geweckt, bei einem erneuten Spielen auch mal diese Wege zu beschreiten, auch wenn es am Ende keine wirkliche Auswirkung auf den großen Fortlauf der Geschichte hat. Auch andere Punkte, wie die Frage wie laut man bisher war oder wie oft man einen Abschnitt bisher besucht hat, sorgen für Spannung.
Diese wird allerdings allein schon durch den Aufbau des Abenteuers mit der Reihenfolge von Mitte, Anfang und Ende erzeugt. Insgesamt wird die Atmosphäre von Hafenviertel und Unterstadt Havenas und das Innenleben unseres Streuners stimmungsvoll eingefangen und mit einer Prise Humor gewürzt.
Leider wurde vom göttlichen Fuchs für unseren Streuner bei einer seiner Unternehmungen eine kleine Kontorsschleife eingebaut. Will er ein von ihm besuchtes Handelskontor zu Beginn durch das Tor auf der anderen Lagerseite zu verlassen, wird er wie von Geisterhand wieder an seinen Ausgangspunkt teleportiert und blickt auf den Ort, über den er gerade eingestiegen ist. So kann er sich dem thurauschen Plan nicht entziehen. Phex sei Dank will er eh vorher seinen Bruch vollführen.
Für langjährige Veteranen vielleicht noch spannend: Es gibt für interessierte Spieler im Abenteuer noch eine Gemäldejagd, die sie parallel zum Leiden des Streuners vollführen können. So können sie im Verlauf des Abenteuers Anspielungen auf alte DSA-Cover von Ugurcan Yüce finden. Während ich die Idee interessant finde, gehen die Anspielungen an Einsteigern und Leuten, die nicht solange dabei sind, leider vorbei. Da hätte ich irgendwo eine Auflösung für diese Schnitzeljagd begrüßt.
Fazit
Während sich Carolan zum Schutz seines Kopfes vielleicht dringend einen Helm besorgen sollte, ist Der Vampir von Havena ein schönes Solo-Abenteuer für Einsteiger und alle DSAler, die sich gerne mal an den DSA5-Regeln versuchen würden. Insgesamt wird ein stimmungsvolles Abenteuer mit dem ein oder anderen Augenzwinkern erzählt. Damit schälen sich acht Einhörner aus den Nebeln Havenas. Ein Einhorn sucht in der Unterstadt dagegen lieber weiter nach Schätzen aus der Vergangenheit.
Pingback: Rezension: Der Vampir von Havena | Nandurion
Vielen Dank für diese gut lesbare und informative Rezension.
In der Tat eine ziemlich gute und sehr sachliche Rezension. Danke sehr.