Nachdem das Aventurische Kompendium vor einigen Wochen erschienen ist, hat Nandurion zu Einhorndisput und Hörnerkreuzen geladen.
Mit dabei sind die Nanduriaten Cifer, Derya und Nick-Nack sowie Gastredner Josch, die im Disputstil überprüfen, ob das Kompendium alles in geregelte Bahnen lenkt oder im Gegenteil für Chaos am Spieltisch sorgt.
Erster Eindruck und Aufbau
Nick-Nack: Die graphische Aufmachung des Kompendiums gefällt mir, wie schon die vorherigen Publikationen zu DSA 5, sehr gut. Auch die Einteilung der Kapitel empfinde ich als sehr logisch. Allerdings vermisse ich gewisse Inhalte: Die Regeln für Trefferzonen ergeben, ohne die noch nicht veröffentlichten Werte für Rüstungsschutz nach Zonen, nur wenig Sinn und beispielsweise das angedachte Kapitel zu narrativem Spielen wurde auf ein paar zusätzliche Ideen für den Einsatz von Schicksalspunkten reduziert. Gerade hier gäbe es noch sehr viel Potenzial.
Josch: Die Aufmachung ist in der Tat einmal mehr sehr hübsch, auch wenn ich es schade finde, dass bereits jetzt Illustrationen wiederverwendet werden. Auch das Konzept gefällt mir an sich gut, denn ich mag die Idee von “Ein Kessel Buntes”-Bänden, aus denen ich mir je nach Bedarf und Interessen der Gruppe etwas herauspicken kann. Im Fall dieses Bandes halte ich die Auswahl und Schwerpunktsetzung aber nicht für ganz gelungen. Von manchem ist m. E. viel zu viel drin (Talentbeschreibungen, Hintergrundgeschichten für Archetypen), an anderen Stellen fehlen mir dafür wichtige Elemente (Rüstungszonenregeln, Preise für Metalle), oder es werden gute Ideen zu kurz abgehandelt (Gruppenregeln). Allgemein hätte ich mir auch noch mehr Querverweise in dem Band gewünscht, denn an vielen Stellen hatte ich zunächst das Gefühl, Dinge nicht richtig zu verstehen oder wichtige Infos zu vermissen, bis ich sie dann später an anderer Stelle im Buch fand. Das ließe sich deutlich praktikabler lösen.
Derya: Auch mir gefällt die intendierte Gestaltung im Großen und Ganzen eigentlich ganz gut. Eigentlich, denn irgendwo auf dem Weg scheint man sich da verzettelt zu haben. Und weshalb findet man jetzt schon Bildwiederholungen zum Grundregelwerk? Ok, ok, Illus sind teuer und wir reagieren wahrscheinlich wie verwöhnte Fohlen, aber in diesem frühen Stadium wollen wir einfach noch für DSA5 neue Bilder. Jetzt, sofort! “Schnaub, aufstampf”
Kapitel 1: Talente
Cifer: In diesem Kapitel werden die schon bestehenden Talente und insbesondere ihre Anwendungsmöglichkeiten beschrieben. Hinter den einzelnen Talentkategorien finden sich dann jeweils noch größere Fokusregelkomplexe zu passenden Themen, wie die Jagd bei Natur oder soziale Konflikte bei den Gesellschaftsregeln. An einigen Stellen (Recherche, sozialer Konflikt) hat man dabei gute Arbeit geleistet, an vielen anderen ist das Kapitel aber eine Mischung aus Allgemeinplätzen bei den Talentbeschreibungen und unglücklichen Regelungen.
Im gesellschaftlichen Bereich hakt es noch an mehreren Stellen: Erstens bleibt unbeschrieben, was denn nun der Effekt eines erfolgreichen Einschüchterns ist. Kann man sich wirklich mit einer einzigen Probe um einen kompletten Kampf drücken, wie es das Beispiel auf S. 32 nahelegt? Dann gibt es da noch das Betörenanwendungsgebiet Liebeskünste mit dem Umstand „Verführungsopfer hat kein Interesse an der Spezies oder dem Geschlecht des Helden“, der gerade mal für einen Malus von 0 bis 3 Punkten sorgt. Ich hoffe, dass das einem Copy/Paste-Fehler zuzurechnen ist, statt dahinter ein sehr fragwürdiges Weltbild beim Autor zu vermuten.
Weniger unproblematisch ist, dass man anscheinend durchweg allen “Standardaufgaben” eines Aufgabengebiets die +/- 0 zugewiesen hat. Beispiel Klettern: Bergsteigen: Eine Bergwand erklettern? +0. Eisklettern: Eine Eiswand erklettern? +0. Bei den Fokusregeln zur Gegenstandsherstellung sticht heraus, dass Gegenstände keine unterschiedlichen Schwierigkeiten haben (mit der passenden SF ist der Zweihänder also ebenso leicht herzustellen wie der Knüppel) und Regeln für die High-End Materialien Drachenschuppen und Magische Metalle fehlen (obwohl bei Lederbearbeitung Drachenschuppen als Berufsgeheimnis angeführt wurden). Die paar Verbesserungen, die man an Gegenständen tätigen kann, sind auch sehr leicht herzustellen – High-End-Schmiede müssen sich wohl bis zur Aventurischen Rüstkammer gedulden.
Schade drum.
Nick-Nack: Das Talentkapitel ist jenes, welches mich am meisten enttäuscht hat. Auf über 90 Seiten finden sich für die meisten Talente eine teils sehr willkürliche Ansammlung von Anwendungsgebieten. Jedes Anwendungsgebiet wird in einem bis drei Absätzen beschrieben, wobei hier der Name des Anwendungsgebiets meist völlig gereicht hätte. Beispielsweise heißt es bei Wildnisleben (Feuermachen) dann “Das Anwendungsgebiet Feuermachen kann der Held nutzen, um mittels ein paar Hölzern und brennbarem Material Feuer zu entfachen.”
Zusätzlich erhält jedes Anwendungsgebiet eine Tabelle mit Beispielerschwernissen, die aber auch im Verlauf des Kapitels immer liebloser erscheinen. Heißt es zum Beispiel beim Bergklettern und Eisklettern noch “Eine typische Bergwand: ±0” und “Typischer Eisberg oder Eiswand: ±0”, verwendet jedes einzelne Anwendungsgebiet für Überreden die gleiche Tabelle mit den Einträgen “Gute Argumente +1 bis +3, Keine Besonderheiten ±0 und Schlechte Argumente -1 bis -3”. Statt jedes einzelne Anwendungsgebiet mit einem eigenen Paragraphen zu versehen und per Copy-Paste immer die gleichen Tabellen zu kopieren, hätte man da Kapitel insgesamt um mehr als die Hälfte kürzen und dafür genauere Beispiele geben können, was für Situationen eine Erleichterung von 1 und welche eine Erleichterung von 2 rechtfertigen würden.
Zusätzlich finden sich in diesem Kapitel noch ausführlichere Regeln für Verfolgungsjagden, soziale Konflikte, das Herumfragen nach Informationen, die Jagd, die Recherche und die Herstellung von Gegenständen.
Der Abschnitt zu sozialen Konflikten ist eines der seltenen Highlights im Band, da diese einigermaßen klar geregelt sind und am Spieltisch gut funktionieren sollten. Auch die Regeln für die Herstellung von Gegenständen sind einfach gehalten, bieten aber handwerklichen Helden echtes Entfaltungspotenzial. Die Ergänzungen zur Verfolgungsjagd sind gut gelungen, lösen aber leider nicht das Problem, dass der grundlegende Mechanismus aus dem Grundregelwerk nicht funktioniert. Das Herumfragen und die Recherche werden beide über Sammelproben abgebildet, was für das Herumfragen noch gerade so funktionieren kann, aber spätestens bei der Recherche schnell im endlosen langweiligen Würfeln enden kann. Auch nicht besser gelöst ist die Jagd, bei der zwar verschiedene Talente verwendet werden, dem Spieler aber am Ende wenig Entscheidungen offen stehen.
Josch: Insgesamt eine ⅓ – ⅓ – ⅓ Angelegenheit. Ein Drittel scheint mir insgesamt sinnvoll, gut durchdacht, nützlich und verständlich. Ein weiteres Drittel ist insgesamt ok. Das letzte Drittel hingegen fällt leider in mindestens zwei der genannten Hinsichten deutlich ab. Nicht nur sind manche Beschreibungen insgesamt nicht informativer als die Talentnamen, in manchen Fällen sind die Talentnamen sogar hilfreicher als die ausführlichen Beschreibungen. (Wer mir für die drei Anwendungsgebiete von Diskussionsführung erklären kann, wie sich diese voneinander unterscheiden, und warum sie nicht unter “Überreden” gelandet sind, bekommt von mir die virtuelle Gadamer-Gedächtnis-Medaille in hermeneutischem Ocker verliehen.) Manche der Anwendungsgebiete scheinen mir zudem redundant – brauchen wir wirklich eine Unterteilung von Rechnen in Punkt-, Strich- und Bruchrechnen? Die Tabellen mit Beispielen für Probenerschwernisse waren für mich eine der Stärken in den Talentbeschreibungen im Grundregelwerk. An zu vielen Stellen fällt man im Kompendium hinter dieses Niveau aber leider zurück und gibt Spielleitern und Spielern nicht viel Konkretes an die Hand. Auch die zur Illustration verwendeten Beispiele wirken in einem Drittel der Fällen uninspiriert und fassen nur den Regeltext noch mal in anderen Worte.
Eingeflochten ins Talentkapitel sind dafür einige interessante und m. E. gut nutzbare Fokusregeln, etwa für Informationsbeschaffung, Soziale Konflikte, Jagd, Nahrungssuche und Haltbarmachung sowie zur Herstellung von Gegenständen und Waffen. Bei Letzterem hat man m. E. eine gute Balance zwischen Komplexität und Spielbarkeit gefunden, ärgerlich ist jedoch, dass es zwar sehr viele Infos dazu gibt, wie sich verschiedene Materialien beim Waffen- und Rüstungsbau auswirken, aber keinerlei Hinweise zu deren aventurischer Verfügbarkeit und Preisen im Band enthalten sind, was die Nutzbarkeit dieser Regeln leider spürbar einschränkt.
Insgesamt empfinde ich das Talente-Kapitel, gerade angesichts seiner Länge, als größte Schwäche des Bandes. Insbesondere wird hier zu viel Platz verschwendet, der im Band anders deutlich besser hätte verwendet werden können.
Derya: Mit am meisten von mir erwartet und dann als enttäuschend empfunden. So werden in diesem Kapitel die Talentspezialisierungen und Berufsgeheimnisse der verschiedenen Talente näher erläutert. Bei so einigen dieser Anwendungsgebiete wird allerdings so Offensichtliches wiedergekäut, dass man schon dort hätte kürzen können. Wenn zudem die aufgeführten Modifikatoren eh nur eine Abart von gute Umstände bzw. leicht umzusetzen bis schlechte Umstände bzw. schwierig umzusetzen in einem Rahmen von +3 bis -3 beschreiben, hätte man sich aus meiner Sicht die Modifikatorentabellen bei den einzelnen Spezialisierungen ebenfalls sparen können, zumal es bei einigen Anwendungsgebieten dann noch nicht mal mehr unterschiedliche Modifikatoren gibt. So ist der größte Vorteil einer Spezialisierung der Wegfall der 3er-Erschwernis bei nicht vorhandenem Anwendungsgebiet.
Wollte man die Umstandsmodifikatoren vielleicht absichtlich auf +3/-3 begrenzen, damit sie mit Erleichterungen bzw. Erschwernissen aus dem Regelwerk skalieren können und zudem ein Charakter ohne Berufsgeheimnis (-3) trotz schwieriger Umstände (-3) vielleicht trotzdem noch eine minimale Chance haben sollte, eine solche Probe zu bestehen? Wenn, hätte man dies besser zu Beginn des Kapitels deutlich machen sollen und dort hätte man auch die Modifikationsskala aufführen können. Unter dieser Prämisse funktioniert die Modifikatorbegrenzung womöglich.
Dazu hätte aus meiner Sicht auch durchaus eine etwas größere Auswahl an Berufsgeheimnissen – und zudem nicht nur auf Wissen und Handwerk beschränkte – dabei sein können. Die ausführlicher geregelten Anwendungsgebiete wirken dagegen zumindest beim ersten Überfliegen interessant.
Kapitel 2: Allgemeine Sonderfertigkeiten
Nick-Nack: Mit nur 16 Seiten ist das Kapitel zu allgemeinen Sonderfertigkeiten das zweitkürzeste im Band. Dennoch ist es das meiner Ansicht nach beste. Es gibt jede Menge zusätzliche Fähigkeiten, die den Helden kleine individuelle Boni verleihen. Zum Beispiel kann man als Leibdiener dem eigenen Herrn bei Gesellschaftsproben helfen, oder mittels Prophezeiung Schicksalspunkte an andere Helden weitergeben. Auch Fähigkeiten wie Empathie oder Magiegespür, die in DSA 4 noch Gaben waren, können jetzt über Schicksalspunkte aktiviert werden.
Leider gibt es auch hier wieder Sonderfertigkeiten, die letztlich Regeln für diejenigen einführen, die die Sonderfertigkeit nicht besitzen. Nur wenn man die Sonderfertigkeit “Abrichter” gelesen hat, weiß man, dass man ohne diese nur domestizierte Tiere abrichten kann. Und Botengänge kann man anscheinend auch keine erledigen, ohne sich vorher die Sonderfertigkeit “Diener” zu kaufen.
Cifer: Ja, hier finden sich in der Tat einige schöne Ideen – Leibdiener ist mir auch ins Auge gesprungen und wäre für einen meiner langjährig gespielten 4.1-Charaktere perfekt gewesen. Andere sind … eher so mäßig. Ja, es ist schön, dass man auch ein paar Fertigkeiten im profanen und abenteuerfernen Bereich ansammeln kann, aber gleichzeitig wirken die entsprechenden Teile dann wieder recht willkürlich zusammengestellt und irgendwie lustlos. Hier fehlt mir ein bisschen die Vision, was man mit DSA5 am Spieltisch machen können soll und was nicht.
Josch: Dieses Kapitel halte ich für eines der besseren des Bandes. Die eher willkürliche Zusammenstellung stört mich nicht, weil es ein insgesamt schöner Mix ist. Das Problem der impliziten Regelerweiterung durch Sonderfertigkeiten empfinde ich nicht als problematisch. Das Schlimmste, das einem hier passieren kann, ist, dass einem zu spät auffällt, dass man als Meister seinen Helden bislang Möglichkeiten eingeräumt hat (Krokodilrucksackträger auch ohne SF Abrichten ausgebildet), die sie eigentlich gar nicht regelkonform hätten erwerben können. Das scheint mir kein sonderliches Drama zu sein, und wenn man zu Beginn des gemeinsamen Spielens entscheidet, mit welchen SF man spielen will, wird man diese sicherlich eh einmal durchlesen. Besonders gut gefallen hat mir auch die vollständige Auflistung der Sprachen Aventuriens, Myranors und Uthurias, die hier eingeflochten und sehr nützlich sind. Dieses Kapitel gefällt mir insgesamt so gut, dass ich mir gewünscht hätte, 5 weitere Seiten aus dem Talentkapitel wären ebenfalls hierfür verwendet worden.
Derya: Das war das zweite Kapitel, das meine Neugier getriggert hat, und hier komme ich auch auf meine Kosten. Zwar überzeugt mich nicht alles, aber dennoch wunderschöne Ideen dabei. Gerade einige eher etwas fluffige Sonderfertigkeiten und die Verknüpfung der ehemaligen Gaben mit den Schicksalspunkten gefallen mir. Und jetzt können Rabenhexen auch wieder Prophezeien. Und noch ein Highlight in diesem Kapitel: Die verschiedenen Sprachen und Schriften auch exotischer Völker und vergangener Zeiten Aventuriens, aber auch Uthurias und Myranors.
Kapitel 3 und 4: Erweiterte Kampfregeln und Kampfsonderfertigkeiten
Cifer: Hier finden sich Regeln zu besonderen Angriffsmöglichkeiten (Teppich ziehen, Kronleuchter schwingen,…), Trefferzonenregeln, Turnierregeln und Kampfstile.
Bei den Trefferzonen wirkt das Beispiel für die Verwendung etwas unfreiwillig komisch (Trefferlokalisierung sei bedeutend, weil der Ork nur eine Torsorüstung trägt – auf der gleichen Seite wird erklärt, dass Zonenrüstung erst mit der Aventurischen Rüstkammer eingeführt wird). Dass man die zufällige Bestimmung der Trefferzonen nicht nur für gleichgroße Humanoide nutzt, sondern zusätzliche Tabellen für andere Gegnertypen verwendet: Warum nicht. Ob es jetzt insgesamt zehn Stück hätten werden müssen, für die wohl auch ein Set von 10 Trefferzonenwürfeln produziert wird? Nunja.
Die Idee ist aber ganz nett, zumal mit den temporären Wundeffekten (ja, es gibt eine Rückkehr der Wundschwelle!) ein bisschen mehr Taktik in den Kampf kommt, sobald man sich die Ansagen für Trefferzonen leisten kann – allerdings kann ich noch nicht so recht einschätzen, ob die entsprechenden Auswirkungen die Abzüge auch wert sind. Was ich aber bei der Recherche dazu entdeckt habe: Das Trefferzonenkapitel behauptet, dass die SF Gezielter Angriff die Erschwernisse halbiert, das SF-Kapitel sagt, dass Gezielter Angriff derartiges überhaupt erst ermöglicht. Der Kampf in drei Dimensionen führt dann nicht nur den Luftkampf ein, sondern auch den Kampf im Wasser und eine Ergänzung des berittenen Kampfes.
Und dann (nach den Turnierregeln, die zu Teilen bereits in den Streitenden Königreichen standen) kommen die Kampfstile. Zugleich Höhe- und Tiefpunkt des Bandes für mich. Höhepunkt, weil man seinem Kämpfer damit ein bisschen mehr Flair und Personalisierung geben kann, Tiefpunkt, weil die Stile so rigide an einzelne Professionen gekoppelt sind (inklusive viel Beiwerk drumherum, das möglichst sicherstellen soll, dass man keine zwei davon beherrscht), dass über die Hintertür gerade ein Klassensystem eingeführt wurde. Du möchtest den inspirierenden Anführer mit dem Zahnpastalächeln spielen? Tja, hoffentlich magst du die Nordmarken, denn nur der Elenviner-Krieger-Stil macht aus der sonst relativ nutzlosen Anführen-SF plötzlich etwas gut Verwendbares.
Nick-Nack: Da stimme ich voll zu – wieso diese Fähigkeiten ausgerechnet an Professionen gebunden werden mussten, entgeht völlig meinem Verständnis. Zumal einer der großen Vorteile von DSA 5 ja gerade ist, dass man sich Helden frei zusammenbasteln kann, und nicht mehr an Professionen gebunden ist. Ich sehe auch keinerlei Vorteil darin, dass die erweiterten Kampfsonderfertigkeiten an bestimmte Kampfstile gebunden sind. In meiner Gruppe werde ich diese beiden Bedingungen ziemlich sicher per Hausregel abschaffen.
Auch sind die verschiedenen Fähigkeiten sehr unterschiedlich nützlich. Ich bezweifle, dass sich hier jemand bei Ulisses die Mühe gemacht hat, die Effekte der Fähigkeiten im Vergleich miteinander zu simulieren und so die Kosten auszubalancieren.
Josch: Ich verstehe die Grundidee, die Kampfstile als Teil des Hintergrunds zu begreifen und daher eng mit bestimmten lokalen Traditionen und Kampfschulen zu verflechten, und finde diesen Ansatz auch sehr reizvoll. Zudem ist ein Erlernern mehrer Kampfstile auch nicht ausgeschlossen, es kostet nur sehr viel Zeit, so dass es sehr schwer sein dürfte, einen zweiten Kampfstil während des aktiv bespielten Heldenlebens zu erwerben (also nicht schon während der Generierung). Hier setzt mein Hauptkritikpunkt an den Kampfstilen an: Für den Aufwand, den man zu ihrem Erwerb betreiben muss, ist der Ertrag m.E. zu gering. So, wie die Vorteile des Stils letztendlich ausfallen, hätte ich daher kein Problem damit gesehen, sie für Helden deutlich leichter verfügbar zu machen und so mehr Variabilität ins Spiel zu bringen.
Die variablen Trefferzonen für verschiedene Gegnertypen finde ich nett, sollte ich mich dazu durchringen können, mit Trefferzonen zu spielen, würde ich die wohl verwenden. Die Wundeffektregel scheint mir grundsätzlich praktikabel und sinnvoll, um das Kampfsystem etwas detailreicher zu machen. Gleiches gilt für die Regeln für Trefferzonen und gezielte Angriffe gegen solche – hier macht sich nun aber die eingangs schon bemängelte Auslagerung der Regeln für Rüstungszonen negativ bemerkbar. Der RS ist ohne Rüstungszonenregel offiziell schließlich überall gleich, und die Wundeffekte sind nicht so schlimm (und sie lassen sich mit einer Selbstbeherrschungsprobe auch noch abwehren), als dass sie das Risiko des Fehlschlags m. E. wirklich lohnen würden. Beispiel: Ein Angriff gegen den Kopf erfordert für den, der über die Sonderfertigkeit Gezielter Angriff verfügt, +5, bei Gelingen gibt es, sofern dem Gegner keine Probe auf Selbstbeherrschung gelingt, eine zusätzliche Stufe Betäubung. Viel Aufwand, wenig Ertrag. (Wichtige Ausnahme: Die optionale Ergänzungsregel zum Schuss ins Auge mit dem Modofikator +16. Da ein solcher Treffer zum sofortigen Tod führt, lohnt der Versuch bei entsprechend hohen Werten in jedem Fall – diese Regel dürfte das Spiel aber sehr tödlich machen, worauf auch entsprechend hingewiesen wird.) Sofern man gegen einen schwer gepanzerten Gegner trifft, dessen einzige schlecht gerüstete Stelle der Kopf ist, sieht die Sache natürlich ganz anders aus, aber Regeln hierfür werden erst mit der Rüstkammer verfügbar sein.
Heißt das, dass die Trefferzonenregeln des Kompendiums nutzlos sind? Keineswegs. Zum einen drängt es sich natürlich auf, festzusetzen, dass der RS überall dort, wo gar keine Rüstungs getragen wird, 0 beträgt. Da der Unterschied zwischen “keine Rüstung tragen” und “schlechtere Rüstung als anderswo tragen” aber sehr wichtig ist, löst dieser Ansatznur einen Teil des Problems. Zum anderen lässt sich ein großer Teil des Problems mit der Hausregel “Verzicht auf Selbstbeherrschungsproben bei Wundeffekten” lösen – von der ich mich zudem frage, warum sie nicht als Optionalregel im Band enthalten ist, da sich Kämpfe hiermit noch einmal verschärfen und beschleunigen lassen. Vier Kopftreffer bedeuten in diesem Fall nämlich Kampfunfähigkeit, was gerade bei schwer gerüsteten Gegnern eine attraktive Taktik sein dürfte.
Davon abgesehen fallen die Kampfregeln und insbesondere die neuen Kampfsonderfertigkeiten für mich solide aus, und auch die Darstellung ist hier insgesamt besser gelungen als im Talente-Teil. Wie gut sie im Detail funktonieren, muss der Praxistest zeigen, alles in allem erweitert dies das Arsenal an Kampf-Sonderfertigkeiten im Vergleich zum Grundregelwerk aber spürbar. Unsicher bin ich, inwiefern es angesichts der niedrigen DSA5-Paradewerte eine gute Idee war, an solchen Kampfmanövern festzuhalten, bei denen PA-Erschwerungen zugunsten von AT-Verbesserungen oder mehr TP getauscht werden. Eine PA-Erschwerung von 2 zugunsten einer AT-Verbesserung von 4, wie bei Binden, dürfte nur für Kämpfer mit hohen PA-Werten überhaupt reizvoll sein – diese haben dann aber auch sehr hohe AT-Werte, so dass sich die Frage stellt: Lohnt sich das überhaupt? Ich bin, was das betrifft, noch unentschlossen.
Derya: Ich muss zugeben, anstelle dass ich im Talentkapitel wirklich bei jedem Anwendungsgebiet auch ein Spielbeispiel bekomme, hätte ich lieber in diesem Kapitel mehr davon gehabt. Die fehlen mir hier immer mal wieder, während sie bei den oft leichter verständlichen Anwendungsgebieten überall dabei waren. Warum? Platzmangel? Da hätte ich doch eher eine Aufteilung der Spielbeispiele nach möglicher Verständnisschwierigkeit begrüßt und nicht nach Thematik und Kapitelaufteilung.
Zudem wirkt selbst für mich als Nichtkämpfer-Spielerin die Herausnahme der Zonenrüstung bei Einführung der Trefferzonen undurchdacht, wird man doch außer in Sonderfällen eher beide zusammen anwenden. Und die Darstellung des Beispiels, um den Sonderfall zum Standard zu erklären, hilft da auch nicht wirklich weiter. Es löst bei mir nur Kopfschütteln aus. Die Ausweitung der Trefferzonenwürfel finde ich dafür an sich interessant, aber ob es wirklich 10 hätten sein müssen? Ich sehe jetzt nicht so den massiven Unterschied zwischen den Varianten der vierbeinigen Wesen von klein bis groß, dass dort eine Unterscheidung notwendig gewesen wäre. Aber vielleicht übersehe ich auch etwas.
Wenn wir zu den verschiedenen Kampfstilen kommen, hätte ein sinnvoll gekürztes Talentkapitel Platz für weitere Ausführungen zu den unterschiedlichen Kampfschulen geschaffen. Denn mögen mir und anderen DSA4-Kennern Adersin, Sahib und der Gladiatorenstil durchaus bekannt sein, dürften DSA5-Einsteiger hier das erste Mal von diesen verschiedenen Kampfschulen lesen. Und ich finde die Beschreibungen dafür extremst knapp, auch in Anbetracht dessen, dass sie Auswirkungen auf Hintergrundausgestaltung und die Wahl der Kampfstilsonderfertigkeiten haben.
Kapitel 5: Gruppenregeln
Nick-Nack: Dieses Kapitel hat von allen Kapiteln in der Publikation wohl das meiste vergeudete Potenzial. Als ich Ende letzten Jahres das erste Mal von dem Gedanken gehört habe, Erzählregeln für DSA rauszubringen, war ich begeistert. Was davon im Kompendium übrig geblieben ist, ist nicht der Rede wert. Die wenigen Regeln, die in Richtung Erzählstil gehen, wie beispielsweise die Regeneration von Schicksalspunkten basierend auf Motiven und Schwächen, sind nur halbherzig angefangen, in sich inkonsequent und bieten zu wenig Hilfestellungen für Spieler, die bisher noch keine Erfahrung mit Erzähl-Regeln gesammelt haben.
Das Unterkapitel zu Themengruppen beschäftigt sich mit dem wichtigen Thema der Gruppenzusammensetzung. Generell finde ich es sinnvoll, Spielerhelden aufeinander abzustimmen und ihre Hintergrundgeschichten miteinander zu verweben. Die Idee, solche Themengruppen mit eigenen Vor- und Nachteilen für die ganze Gruppe zu verknüpfen, empfinde ich als durchaus spannend.
Josch: Mir hat dieser Teil sehr gut gefallen, und ich finde auch, dass er in einem “Von allem etwas”-Band wie dem Kompendium seine volle Berechtigung hat. Ich fand den Inhalt weder offensichtich noch trivial, was aber auch daran liegt, dass ich mit derlei Regeln und Konzepten vorher noch nie in Kontakt gekommen war. Einziges Manko für mich: Warum ist dieser Teil so kurz ausgefallen? Auf 5 Seiten mehr hätte man noch so viele gute Beispiele und Ideen ausbreiten können, was mich angesichts der Platzvergeudung in anderen Teilen des Buches etwas traurig macht.
Derya: Öhm ja, falsches Buch? Vom Ansatz her sicher nicht schlecht, aber im Kompendium aus meiner Sicht falsch aufgehoben. Würde wohl in einem Nachfolgeband von Wege des Meisters mehr Sinn ergeben, in dem diverse Spielstile, unterschiedlichste Spielelemente etc. behandelt werden und wo man solche Bereiche dann auch tiefergehender besprechen kann. Denn irgendwie schwankt dieses Kapitel für mich zu sehr zwischen Gruppenansprache und Spielhilfe für den Spielleiter hin und her, ohne sich entscheiden zu können und ist in einem Regelwerk, dass sich ansonsten vor allem an die einzelnen Spieler richtet, irgendwie fehl am Platze. Da hätte man statt diesem Kapitel locker noch die Rüstungszonen mit reinbringen können.
Vielleicht hätte es mir als Kapitel hinter den Professionen und Archetypen und mit mehr Seiten auf den Rippen auch besser gefallen, denn so kommt diese eigentlich interessante Thematik einfach zu kurz. So wirkt der Teil in seiner momentanen Aufmachung und an seinem jetzigen Standort für mich irgendwie wie ein eingeschobenes Pflichtkapitel.
Cifer: Ich denke auch, dass Erzählregeln (und andere alternative Regelsätze) locker ihr eigenes Buch verdient hätten, statt hier zwischen Tür und Angel abgefrühstückt zu werden. Themengruppen sind toll und erklärenswert – allerdings muss man auch sagen, dass hier genau die gewählt und in aller Breite ausgewalzt wurden, auf die man nach Erklärung des Konzepts auch binnen 5 Minuten selber kommen würde. Die hätte man für mich gern kürzer fassen und dafür noch einen etwas exotischeren Gruppentypus mit einbringen können.
Kapitel 6: Professionen
Nick-Nack: Obwohl Professionen in DSA 5 deutlich an Bedeutung verloren haben, da man sich die Fähigkeiten selbst beliebig zusammen stellen kann, sind sie doch meiner Ansicht nach eine praktische Inspirationsquelle und nehmen auch einiges an Arbeit bei der Heldenerschaffung ab. Das einzige Kapitel der Spielhilfe, an dem ich nichts zu meckern habe.
Josch: Als notorisch generierungsfauler Spieler bin ich für jede Form von vorgefertigtem Charaktertyp mit Variationen sehr dankbar. Die Auswahl gefällt mir insgesamt, vor allem der Dajin-Buskur hat es mir natürlich angetan, und auch, dass jetzt mehr Kriegertypen zur Auswahl stehen, weiß zu gefallen. Dass man tatsächlich den Zuckerbäcker reingeschmuggelt hat, muss man nicht gut finden: ein gehöriges “Chapeau!” hat es aber auf jeden Fall verdient, auch wenn sicher nicht alle den Gag wertschätzen werden. Für diesen Teil gibt es von mir beide Daumen hoch.
Derya: Bin auch begeistert. Als Inspirationshilfe und Abwandlungsschablone in einem gefällt mir die Auswahl recht gut. Hier finden sich jetzt auch verschiedene Handwerker und Kämpfertypen. Und ich stehe doch glatt unter Zuckerschock. Mit den Berufsgeheimnissen der Schokolade und des Schaumkusses wächst gerade die Versuchung in DSA5 einmal eine horasische Zuckerbäckerin zu spielen. Hilfe, so entzuckere mich doch einer!
Kapitel 7: Archetypen
Nick-Nack: Neben Professionen sind auch Archetypen eine gute Inspirationsquelle, und natürlich eine Möglichkeit, sofort loszuspielen. Daher kommt auch direkt mein Kritikpunkt an diesem Kapitel: So, wie die Archetypen aufbereitet sind, kann man sie keinem Anfänger in die Hand drücken. Ein ausführlicher ausgefüllter Heldenbogen wie für die Archetypen aus dem Grundregelwerk wäre hier Pflicht.
Cifer: Das finde ich eher unkritisch. Ich denke, wer mit dem DSA-Spiel beginnt, wird sich eher nicht sofort das Kompendium zulegen – und wer einen Anfänger neu in die Runde holt, ist auch fähig, mal fix die angegebenen Werte auf einen Bogen runterzuschreiben, zumal ausgefüllte Bögen im Buch selbst ja sowohl platzraubend als auch nicht verwendbar (da im Buch) wären. Aber vielleicht ist Ulisses ja noch so freundlich und stellt entsprechende Bögen als Downloads bereit?
Josch: Das sehe ich auch nicht als Problem – wenn überhaupt, ist das etwas für Download-Zusatzmaterial. Im Band selbst empfände ich das als Platzverschwendung. Apropos Platzverschwendung: Ich finde die Idee grundsätzlich gut, jedem Archetypen eine eigene kleine Erzählung an die Hand zu geben, um gerade neuen Spielern eine erste Orientierungshilfe an die Hand zu geben, wie ein Hintergrund für den Charakter aussehen könnte. Gerade deshalb erscheint es mir aber ungünstig, dass die Hintergrundstories der ganzen Archetypen zusammen eine abgeschlossene Minierzählung ergeben. Genau das macht die Erzählungen für den von mir favorisierten Zweck nämlich ungeeignet. Hier sollten Motive und Ideen stehen, die den Charakter zum Auszug in sein erstes großes Abenteuer bewegen – und nicht Erzählungen, die ein solches erstes Abenteuer schon beschreiben. Dass die Zielgruppe des Bandes ein starkes Interesse an solch kleinen Geschichten hat, scheint mir auch eher zweifelhaft. Auf die Hintegrunderzählungen hätte ich zugunsten von Rüstungszonenregeln, Materialkosten oder mehr Ideen im Gruppenregelteil daher sehr gerne verzichtet.
Derya: Zugegeben, ich mag Archetypen als Inspirationsquelle und Eindruck für Spielanfänger. Besonders schön finde ich hier die Bilder von Dajin-Buskur und Brabaker Gelehrtem. Aber die zusammenhängenden Geschichten hätte es aus meiner Sicht nicht gebraucht. Waren sie im Regelwerk hilfreich, um Einsteigern noch einmal eine Gruppenzusammenführung und einen Abenteuereinstieg zu verdeutlichen, ist dies beim Kompendium weniger nötig. Denn die meisten Spieler werden beim Kauf des Kompendiums wohl schon das ein oder andere Abenteuer hinter sich haben. Da favorisiere ich diesmal doch die individuellen Hintergrundgeschichten und Heldenmotivationen. Notfalls könnten die Archetypen in diesem Erweiterungsband sogar für wichtigere noch fehlende Dinge weichen, allerdings sehe ich davor noch an genügend anderen Stellen Einsparpotential.
Sonstiges
Josch: Auch wenn Regeltexte nichts sind, was sich als Beitrag für den nächsten Bachmann-Wettbewerb eignen muss, darf die sprachliche Gestaltung schon gefällig und stilistisch ansprechend ausfallen. Auch wenn ich froh bin, dass man vom BGB-Deutsch der DSA4-Regelbände inzwischen Abstand genommen hat, finde ich den Stil an vielen Stellen doch etwas hölzern, was das Lesevergnügen nach einer Weile für mich spürbar trübt. Man muss, so denke ich, kein Freund der DSA2/3 Regeln sein, um anzuerkennen, dass der Stil, in dem bspw. Mit Mantel, Schwert und Zauberstab abgefasst war, gleichermaßen gefällig und verständlich war. Ich würde mir wünschen, dass man sich beim Abfassen von Regeltexten wieder stärker daran orientieren würde.
Derya: Mit dem Lesevergnügen spricht Josch da etwas Wichtiges an. Auf den zweiten oder dritten Blick erkenne ich so einige interessante Ansätze. Allerdings werden sie mir diesmal nicht gerade hübsch präsentiert, und ich verliere die Lust, meine zermanschte Torte nach ihren verschiedenen Geschmacksrichtungen zu durchforsten und zu prüfen, ob sie mir am Ende vielleicht sogar gut schmecken. Schade, nachdem mir die anderen DSA5-Bände in der Beziehung gut gefallen haben.
Fazit
Nick-Nack: Mich hat das Aventurische Kompendium schwer enttäuscht. Von den vielen guten Ansätzen, die mich am DSA 5-Regelwerk so begeistert haben, ist kaum noch etwas zu spüren. Nur einzelne kleine Ideen künden noch von der großen Zukunft, die ich mir einst für das System erhoffte. Ich hoffe, die Redaktion wird sich künftig wieder auf die Stärken der Neuauflage besinnen können, und nicht, wie in diesem Band, im Klein-Klein der Beschreibungstexte und Detailregeln verlieren. Damit kommt der Band leider auf nur 2 von 9 Einhörnern.
Cifer: Detailregeln sind genau das, was ich mir von dem Band erhofft habe – nur nicht gerade diese Detailregeln. Mit steigender Komplexität habe ich kein Problem, zumal die entsprechenden Regeln ja stärker als bei 4.1 optional sind, man bei einem „zu viel“ also jederzeit Stopp sagen kann, ohne dass dann alle Abenteuer genau darauf aufbauen, dass man mit Trefferzonen für Krakenmolche spielt. Ändert halt leider nichts daran, dass das Buch neben einigen sehr sinnvollen Regelungen vor allem aus mit Blabla verschwendetem Platz und nicht-funktionalen Regel-/Crunchteilen (die sich teils sogar intern widersprechen) besteht. Und das bei dem ersten Regelerweiterungsband, der für die detailverliebteren Spieler die profanen Lücken des Grundregelwerks schließen sollte. Mehr als 3 von 9 Einhörnern sind da leider nicht drin.
Josch: Ich mag DSA5 sehr, und konnte mich bislang auch mit allen Produkten der 5er-Reihe sehr gut anfreunden. Das Kompendium ist für mich der erste Band der Produktreihe, der mich mit sehr gemischten Gefühlen zurücklässt, auch wenn der dominant negative Eindruck nach der Erstlektüre inzwischen einer differenzierteren Sichtweise gewichen ist – was unter anderem daran liegt, dass mir inzwischen einige Zusammenhänge zwischen verschiedenen Elementen im Band deutlich klarer geworden sind. Das Kompendium verfolgt einen interessanten Ansatz, ist in seiner Konzeption für mich aber insgesamt zu unausgewogen und nicht überall konsequent zu Ende gedacht. Da ich bei allem, was über das Grundregelwerk hinausgeht, nur Rosinen herauspicke, habe ich für mein eigenes Spiel in dem Buch genug Nutzbares gefunden, um den Band alles in allem noch als lohnende Ergänzung anzusehen. Ich hoffe jedoch, dass man sich bei zukünftigen Regelbüchern wieder auf die Stärken des Grundregelwerks besinnt und Bücher wie das Kompendium nicht zur Regel werden. DSA5 hat nämlich Besseres verdient als “noch ok”. Vier von 9 Einhörnern stimmen mir zu und kreuzen für die Zukunft die Hufe.
Derya: Für mich war das Kompendium nie mein Schwerpunkt. Aber das hier ist Stückwerk und lässt Befürchtungen in Richtung der anderen Erweiterungsbände wach werden. Hoffen wir, dass dies ein Ausrutscher war. Was bei dem einen Teil zu ausufernd, ist woanders dann zu knapp bemessen. Zudem fehlen Bereiche, während andere sich wiederum woanders besser gemacht hätten. Dazu kommen Unklarheiten und Dopplungen. Bleibt als Fazit: Gute Ansätze, aber man hat sich verzettelt und am Ende den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr gesehen. Insofern wohl noch brauchbar, aber es hätte so viel mehr sein können. Bei meinem ersten Durchgang konnte ich 4 von 9 Schwertern finden, wobei der endgültige Waffengang bei mir noch aussteht.
Danke für die gut begründeten Meinungen! Sehe ich genauso.
Es hat sich in eurem Text ein sachlicher Fehler eingeschlichen. Dort steht:
„Leider gibt es auch hier wieder Sonderfertigkeiten, die letztlich Regeln für diejenigen einführen, die die Sonderfertigkeit nicht besitzen. Nur wenn man die Sonderfertigkeit “Abrichter” gelesen hat, weiß man, dass man ohne diese nur domestizierte Tiere abrichten kann.“
Das stimmt nicht. Auf Seite 200 des Regelwerk steht explizit:
„Mittels Tierkunde können nur domestizierte Tiere abgerichtet werden.“
Nicht dass es entscheidend wäre, aber wir wollen doch so fair sein 😉
Guter Hinweis! Das hatte ich tatsächlich überlesen 🙂
Die Kampfstile fand ich gut, vor allem weil es jetzt endlich eine regetechnische Umsetzung gibt (die fehlte im DSA4-Band über die Kampfschulen Aventuriens. Apropos: Mich würde die Regelumsetzung des Flammenreiherstils interessieren).
Allerdings kommen die Kampstile m. M. zu kurz, es hätten mehr sein sollen. Zusätzlich finde ich es schade das es nur einen einzigen Stil für Zwerge und keinen einzigen speziell für Elfen gibt. Ich hoffe daher dass zu den Kampfstilen noch was nachkommt.
Bei den Berufsgeheimnissen hatte ich dickere Brocken erwartet, die meisten Geheimnisse gehören für mich seit Jahren bei DSA zum normalen Handwerkzeug. Ettliche Krankheiten als Berufsgeheimnisse zu deklarieren finde ich Unsinnig, denn dann könnte man den Heilerberuf gleich an den Nagel hängen (Außerdem, was würde die Perainekirche davon halten), wenn ettliche Krankheiten und ihre Heilung geheim wären. Ein pasendes Berufsgeheimnis wäre für mich z. B. die Heilung von Lykantropie usw.
Zu den Regeln möchte ich hinzufügen, dass momentan allgemein bei DSA 5 der Trend dazu besteht, alles bis ins Detail zu Regeln (und auch noch unübersichtlich in verschiedenen Bänden). Dies ist m. M. nicht notwendig (Man wollte das System ja „Entschlacken“), und kann dazu führen sich zu Verzetteln und anderes dadurch zu kurz kommen zu lassen. Passt also auf, dass es nicht wieder so ein Wuhst wie bei DSA 4 wird.
Ein Lob zum Schluss: Die Aufmachung und die Verarbeitung sind sehr gut gelungen. Weiter so:-)
Gruß
Eure Elster
Schöner Disput, fair ein bisschen darüber geredet, aber vielleicht zu freundlich in der Kritik ( hierbei mag meine Meinung aber wenig Gewicht haben 😀 )
“ Die graphische Aufmachung gefällt mir “ ist nun das neue “ Bunt und in Farbe „, und trotzdem nur umschreibend für: „Es steht auf jeder seite höchstens 70% soviel Text wie in alten Publikationen“ 😛 😀 Ich weiß nicht, ob der tatsächliche Verlust an Textmenge je Seite schoneinmal in einem Disput oder einer Betrachtung von DSA 5 Werken kommentiert wurde – imho sollte er aber jedenfalls kommentiert werden 🙂
LG
Ich empfinde es als sehr positiv, dass die Textmenge pro Seite unter DSA5 verringert wurde, zumal das mit einem im Vergleich zu DSA4 deutlich verbesserten Layout einhergeht. Dadurch gewinnen die neuen Bände für mich erheblich an Lesbarkeit.
Dem schließe ich mich an. War auch nicht von der „Neu und bunt“-Devise überzeugt, aber als ich neulich wieder mal ein DSA4-Buch in den Händen hatte, überkam mich ein kalter Schauer ob der kleingeschriebenen Textwüste. Da kann man jetzt jammern, dass man heute weniger Infos bekommt, aber ich finde, die bessere Lesbarkeit gleicht das aus.
Nein, „die graphische Aufmachung gefällt mir“ ist nicht das neue „Bunt und in Farbe“. Ich kenne zumindest eine ganze Menge Sachen in Bunt und in Farbe, die mir gar nicht gefallen, von daher ist das zumindest von meiner Seite aus ein Lob des Layouts, das ich weiterhin für gelungen und leserfreudlich halte, und ein Lob der Illustrationen, die mir sehr zusagen. Was die reduzierte Textmenge angeht, so gibt es natürlich einen klaren Tradeoff: Je größer die Schrift, je größer die Abstände zwischen den Zeichen, und je mehr Bilder im Buch, desto weniger Text pro Seite. Ich für meinen Teil lese die DSA2/3 und DSA 5-Texte aber deutlich lieber, als so manche der DSA4-Texte mit gefühlter Schriftgröße 6 und sehr engem Druckbild – vor allem bei schlechten Lichtverhältnissen (sprich: Kerzen am Spieltisch) streiken da meine Augen. Natürlich liegt das nicht unwesentlich auch daran, dass meine Augen nicht die besten sind, aber die Annahme, weniger Text sei auf jeden Fall zu kritisieren und eine möglichst hohe Text/Seitenausbeute das Nonplusultra, vernachlässigt m.E. einige wichtige Aspekte, die hier ebenfalls eine Rolle spielen.
Durchaus valider Punkt: Die Geographia ist bei Kerzenlicht manchmal nicht so leicht zu lesen, das stimmt schon!
Da teilen sich dann die Geschmäcker: Ich bevorzuge DSA Publikationen die eher etwas von Sachbüchern haben, in denen dicke batterien von interessantem Zeug stehen – die Aufmachung tangiert mich nur in zweiter Linie 🙂
Wobei gerade auch Sachbücher durch ein aufgeräumtes Layout (was nur mittelbar von der reinen Textmenge pro Kapitel/Seite/sonstwas abhängt) an Lesbarkeit und damit auch unter dem Strich an Verständlichkeit gewinnen können. Bei DSA4 fand ich halt zum einen den Hang zum Schwafeln arg ausgeprägt (eine Beschwerde, die aus meiner Feder wohl auch automatisch zur Realsatire verkommt), zum anderen bin ich da immer sehr schnell in einen „Absatz-für-Absatz-abarbeite-Modus“ verfallen, bei dem ich mich mit der großen Bleiwüste vor Augen beharrlich durch den Text gekämpft habe, dabei aber mit dem eigentlichen Begreifen kaum hinterhergekommen bin, was insgesamt wesentlich ermüdender und damit sowohl weniger motivierend als auch weniger nachhaltig war, als ich es jetzt bei den neuen DSA5-Bänden empfinde. Abseits der Rollenspiellektüre habe ich das auch bei Fachbüchern im Studium ganz analog erlebt. Und gerade diese sehen im direkten Vergleich mit dem DSA4-Layout viel zu oft kein Land.
Interessanterweise ist mir auch erst in jüngerer Zeit so richtig bewusst geworden, wie wichtig ein gutes Layout eigentlich ist und wie viel man hier für das Lesevergnügen herausholen beziehungsweise kaputtmachen kann. Worin wir uns unter dem Strich aber einig sind, ist, dass das eine Frage des persönlichen Geschmacks bleibt.
Huhu. Nur ein kleiner Einwand am Rande zur Rezension: Das Bild des Buskur ist nicht von Tristan Denecke, sondern von Verena Biskup ;).
Autsch – dafür möchten wir uns natürlich dringend bei dir und Tristan entschuldigen! Ist geändert.
Kein Problem. Bei den ganzen Signaturen blickt man manchmal nicht mehr durch 🙂