Der jüngste Abenteuerband für den myranischen Kontinent wurde von einem Autoren-Trio verfasst, welches in dieser Rolle noch nicht an die breitere Öffentlichkeit getreten ist. Zusammen mit den innovativen Setzungen aus dem Abenteuerband ist dies für uns mehr als Grund genug, die Autoren einmal zum Gespräch zu bitten. Natürlich ist es so, dass wir die drei Betreffenden als Nanduriaten seit langem kennen, dennoch schien es uns reizvoll, das Team einmal auf den Autorensessel zu setzen und sie mit genau den Fragen zu löchern, die sie für gewöhnlich anderen stellen dürfen. Dennoch ist es sicherlich kein unbefangenes Interview – aber eventuell ein interessantes.
Noch ein kleiner Hinweis: Der Austausch über das Abenteuer ist natürlich auch mit Spoilern zu ebenjenem verbunden.
Nandurion: Aufmerksame Besucher unserer Seite werden euch in erster Linie als fleißige Nanduriaten kennen. Was sollten unsere Leser über euch wissen und welche Rolle spielt das Schwarze Auge für euch?
Josch: Seit meiner ersten Begegnung mit Fräulein Silvana im Jahr 1989 spielt DSA in meinem Leben eine wichtige Rolle – vermutlich ist seitdem kaum eine Woche vergangen, in der ich mich nicht in irgendeiner Form damit beschäftigt habe. Eigentlich hatte ich für mich mal jede Form der aktiven Autorenschaft ausgeschlossen, bis ich 2010 bei Nandurion landete (Details siehe hier). Von hier aus ergab sich dann ein langsamer Weg über inoffizielle Spielhilfen, Abenteuer und Kurzgeschichten bei Simias Werkbank und gelegentliche Korrektoratsarbeiten zu meinen ersten offiziellen DSA-Publikationen nach fast 26 Jahren DSA-Aktivität (drei Kurzgeschichten in Sternenleere sowie Das Lied des Lor). Ich hoffe, dass die Liste in Zukunft noch etwas länger wird. Aventurisch hängt mein Herz vor allem an Nostria, Maraskan und den Echsenvölkern. Meine Lieblingsedition ist DSA3 (mit Hausregeln), meine DSA-Säulenheiligen sind Uli Kiesow und Karl-Heinz Witzko. Mit dem Lied des Lor habe ich aber auch endlich Myranor für mich als Teil des DSA-Kosmos erschließen können. Da mit zunehmendem Alter, Beruf, familiären Verpflichtungen und dergleichen die Zeit für Nerdaktivitäten spürbar sinkt, habe ich mich 2015 aus dem aktiven Nandurionbetrieb verabschiedet und schreibe inoffiziell nur noch unregelmäßig auf www.asboran.de sowie gelegentliche Gastbeiträge auf meiner alten Heimatseite. Um diesen kleinen Poesiealbumseintrag würdig abzuschließen: Ich liebe die Musik von Frank Zappa, spiele gerne Fußball, und meine aktuellen Lieblingsbücher sind die Maddaddam-Trilogie von Margaret Atwood.
Curima: Ich kann keine ganz so lange DSA-Historie aufweisen – angefangen habe ich mit DSA im Jahr 2003, als ich nach Hamburg zog und hier eine nette Spielrunde fand. Das war bereits kurz nach der Umstellung auf die vierte Edition, so dass ich das Auswürfeln von Eigenschaften und Helden mit 80 Lebenspunkten nur von Erzählungen her kenne. Seit 2003 spiele ich dann auch sehr regelmäßig, also fast jedes Wochenende, DSA, inzwischen allerdings in einer anderen Gruppe. Über die Jahre hinweg hat sich Aventurien schon ein wenig zu einer zweiten Heimat entwickelt, wobei ich den Austausch über das Hobby im Internet tatsächlich erst so ab 2011 in den gängigen Foren praktiziert habe. Ungefähr zu der Zeit habe ich dann auch angefangen zu bloggen, auch immer mal wieder über das Thema Rollenspiel. Im Mai 2012 bekam ich dann eine Mail von Amirwolf, ob ich Lust hätte, bei Nandurion mitzumachen. Seitdem befasse ich mich dann doch sehr aktiv mit DSA und allem, was damit zu tun hat – was in einem stetigen Widerspruch dazu steht, dass meine Spielrunde nach wie vor so ca. im Jahr 1029 BF herumeiert und ich als reine Spielerin auch möglichst wenig Metaplot- und Abenteuerspoiler kenne möchte. Das führt immer wieder zu lustigen Eiertänzen. Tja, was muss man sonst noch über mich wissen? Ich mag Katzen, Käse und Kochen (nein, nicht in Kombination), bin eigentlich auch eine ziemliche Leseratte – wobei eigentlich bedeutet, dass ich gefühlt kein Buch mehr beendet habe, seit ich einen Netflix-Account habe, weil ich auch ca. 1000 Serien verfolge. Ich hätte gerne mehr Zeit für noch mehr Rollenspielrunden, um auch mal außerhalb von Conventions andere Systeme zu bespielen, und verbringe auch reichlich Zeit mit PC-Rollenspielen, aus denen ich am liebsten die Kämpfe rausmodde, weil sie mich da genauso nerven wie beim PnP.
Cifer: Meine DSA-Karriere begann mit einer Demoversion von Schatten über Riva. Ich erinnere mich noch daran, wie ich mich wunderte, dass ein Zauber namens „Blitz“ aus irgendwelchen Gründen keinen Schaden anrichtete. Zu meinem zehnten Geburtstag bekam ich dann die Basisbox von DSA3 geschenkt. Die nächsten Jahre vergingen dann auf die übliche Weise mit den obligatorischen Jugendsünden, bis ich 2002 zu einem Spieleverein kam, der dann auch gleich die 4. Edition ausprobierte. Die zehn Vereinsjahre hatten ihre Höhen und Tiefen, aber im Großen und Ganzen haben sie viel Spaß gemacht. Für Nandurion schrieb ich das erste Mal 2012 was beim Schurken&Schergen-Simiapokal, danach dann für die Liturgiae Novae, danach kam das Angebot einer Gastrezension und dann fragte Curima, ob ich nicht dauerhaft mitmachen wollte – geschickterweise direkt nach dem 2013er Adventskalenderwahn, von dem ich so noch nichts mitbekam. Neben DSA habe ich etliche andere RPGs mal angespielt, meine zwei Hauptsysteme bleiben aber Werewolf und DSA. Bei letzterem schätze ich vor allem die große Weltbeschreibung, idealerweise noch gut verzahnt mit einem darauf abgestimmten und nicht zu handwedeligen Regelwerk. Über eine Demorunde bei Mhâire Stritter auf der 2014er Heinzcon (inklusive drei verhaltensauffälligen Katzen) kam ich dann nach längerer Zeit des Reinlesens und Interessantfindens auch zu Myranor.
Nandurion: Viele Spieler sind mit dem myranischen Franchise nicht so warm geworden, wie mit aventurischen Original. Was reizt euch an Myranor und was zeichnet es insbesondere aus, wenn man es mit den anderen Kontinenten (Aventurien, Uthuria, Tharun) vergleicht?
Josch: Ich habe auch lange gebraucht, um mich für den Westkontinent begeistern zu können, und kam noch als Myranor-Skeptiker zum Projekt. Nach langer Vorfreude war ich von der 2001 erschienenen Myranorbox abgeschreckt worden: umständliche Regeln, grauenhafte Illus und eine „Exotik um der Exotik willen“-Ausrichtung, die mir gehörig gegen den Strich ging. Ernsthafter habe ich mich dann erst 2011 im Zuge von Nandurion-Rezensionen mit dem Setting beschäfitgt. Der große Augenöffner waren für mich Die Verbotene Kammer und Die Ewige Mada, die mir zeigen, dass man auch in Myranor jenseits von allen Fellviechern und magotechnischem Hightechgedöns einen äußerst reichhaltigen Hintergrund hat, der vielseitige und spannende Plots ermöglicht, die so nirgendwo sonst möglich sind. Das Schreiben von Das Lied des Lor hat diesen Eindruck bestätigt. Darüber hinaus reizt mich besonders die Integration des Kontinents in die derische Gesamtarchitektur. Wer Aventurien gut kennt, kann in Myranor viele interessante Querverbindungen und Hintergründe entdecken (so etwa der jahrtausendealte Konflikt zwischen Imperium und Hjaldingern, der auch im Hintergrund von Das Lied des Lor steht). Darüber hinaus funktioniert das Setting aber auch für sich allein genommen sehr gut und bietet für jede Spielpräferenz etwas, ohne hierbei bloß zu wiederholen, was es an anderer Stelle im DSA-Kosmos bereits gibt. Eine Sache, der ich eher ambivalent gegenüberstehe, ist die Größe des Kontinents. Insgesamt ist mir das Setting zum Spielen fast schon wieder zu groß (Lordal etwa ist riesig, wie wir beim Schreiben merkten), allerdings gibt es auch zahlreiche schöne kleinere Subsettings, wo die Reisezeiten überschaubar sind, und die der Art von kleinteiligem Spiel, die ich am liebsten mag, am ehesten entgegenkommen. Besonders habe ich in letzter Zeit Daranel und Umgebung ins Herz geschlossen, wo es mit der angrenzenden Wüste Zhirric auch einen kleinen, aber sehr feinen Ort für abenteuerliche Expeditionen gibt.
Curima: Ich hatte Myranor sehr lange gar nicht im Blick – in Aventurien gab es schon genug zu bespielen, von den Mitspielern meiner ersten Runde kannte ich nur negative Aussagen über die alte Box mit ihren Illustrationen und obwohl ich sehr angetan von den beiden Romanen von Daniela Knor war, die den Exodus der Hjaldinger thematisieren, gab es für mich eigentlich keinen Grund, unbedingt in Myranor spielen zu wollen. Eigentlich. Aber dann kam das Abenteuer Die unsichtbaren Herrscher, nach dessen Ende man doch einigermaßen dringend gen Westen segeln möchte. Zum Glück sah das unser SL (aka Mitnanduriat Sedef) ganz genauso, so dass wir 2009 dann mit Reise zum Horizont die Segel gen Güldenland setzten. Die Lamea-Kampagne dauert, inklusive diverser eingeschobener Myranor-Abenteuer, bis heute an (und wir sind noch lange, lange nicht fertig), so dass ich den einmaligen Luxus hatte und habe, den Kontinent als Spieler genauso neu zu entdecken wie unsere Helden. Ich war dann eigentlich sehr schnell begeistert von dem Setting. Myranor ist ganz klar DSA, trotzdem aber viel größer und bunter und abgefahrener als Aventurien, es gibt unglaublich viele spannende Querbezüge zwischen den Kontinenten zu entdecken und obwohl ich auch Aventurien für fantastischer und weniger hartwurstig halte, als es meist unterstellt wird, bietet Myranor dann nochmal mehr Möglichkeiten für einzigartige, überraschende und abgefahrene Momente. Inzwischen möchte ich Myranor als Setting nicht mehr missen – falls wir Jenseits des Horizonts mal fertig sind (vermutlich so 2025…), werden wir auf jeden Fall danach eine Myranor-Gruppe anfangen. Wie der Kontintent nun so rüberkommt, wenn man das Setting in geballter Buchform um die Ohren geschlagen bekommt, kann ich daher nicht beurteilen, ebensowenig wie die Regeln für myranische Helden in der Praxis, da ich bisher ja nur meine aventurische Heldin dort gespielt habe. Im Gegensatz zu Josch mag ich aber das ganze exotische Zeugs, was man da so spielen, treffen und/oder erschlagen kann.
Cifer: An Aventurien mag ich die hohe Detaildichte. An Myranor mag ich die niedrige Detaildichte, kombiniert mit einem Kontinent, der einfach groß ist. Im Lied des Lor haben wir einen Landstrich im Chaos versinken lassen, der ungefähr die Größe des zentralen Mittelreichs von Weiden bis Almada hat – und durch seine Abgelegenheit ändert man dadurch nicht mal die politischen Verhältnisse des halben Kontinents. Wenn man für ein Abenteuer eine Großstadt in Schutt und Asche legen möchte (für mich auf jeden Fall noch auf der To-Do-Liste), macht man hier kein wohldurchdachtes Setting kaputt, weil 20.000-Einwohnerstädte im Normalfall für Unter dem Sternenpfeiler noch nicht einmal erwähnenswert sind. Apropos: Unter dem Sternenpfeiler trug auf jeden Fall mit seiner von der graecoromanischen Antike inspirierten Gesellschaftsbeschreibung auch sehr dazu bei, Myranor für mich von Aventurien und diversen anderen Fäntelalterkontinenten abzusetzen. Und im Gegensatz zu Josch bin ich auch durchaus ein Fan der Exotik, zumal diese sich ja sehr gut nach Bedarf hoch- oder runterregeln lässt – das einzige Element, um das man nicht drumrumkommt, ist im Imperium die komplett magische Oberschicht, für so ziemlich alles andere ist Myranor wieder groß genug, dass man ihm aus dem Weg gehen kann, wenn es einem nicht gefällt..
Nandurion: Wie kam es überhaupt zu diesem Projekt? Hattet ihr vorher schon Kontakt zum Uhrwerk Verlag, wolltet ihr schon länger mal was gemeinsam machen?
Josch: Zu dem Projekt kam es ursprünglich, weil Uli Lindner mich ermutigte, ein Exposé für ein Myranor-Abenteuer einzureichen. Wie er auf den Gedanken kam, weiß ich nicht, ich könnte mir aber vorstellen, dass der Ouzo der ersten Heinzcon und meine typische Rezensentenbesserwisserei eine Rolle spielten. Da ich Alleinschreiben langweilig finde, hatte ich anfangs Co-Nanduriat Emerald zur gemeinsamen Ideenentwicklung an Bord geholt, und zusammen entwickelten wir verschiedene Plotideen, die unter Arbeitstiteln wie „From Makshapuram with Love“ (eine Art 007-Agentennummer im Katzenreich), „Hysterische Hydren“ (Monsterjagd in Gyldraland), oder „Schicht im Schacht in Hjaldinggard“ (die Basis für Das Lied des Lor) liefen. Letzteres erhielt den Zuschlag vom Verlag, und dann passierte erst einmal nichts, weil Emerald leider aus Zeitgründen aussteigen musste und mir in Folge dessen die Motivation flöten ging. Den Rest der Geschichte lass ich dann mal die anderen beiden erzählen, da deren Einstieg in das Projekt der Chronologie der Ereignisse entspricht.
Curima: Josch fragte mich, ob ich bei einem Myranorabenteuer mitschreiben will. Ich sagte freudig zu. Stolz über dieses Maß an Produktivität verharrten wir sodann ca. 2 Jahre in diesbezüglicher Untätigkeit, bis irgendwann dann auch Cifer dazukam und die Sache wieder in Schwung kam. Cifer, übernehmen Sie!
Cifer: Na gut … also, es begab sich eines Tages, dass wir Einhörner von Ulisses eine Vorabversion der DSA-5-Beta bekamen und uns bei Curima trafen, um sie mal anzuspielen. Die Meinung über die Beta war geteilt, aber aus unerfindlichen Gründen konnten wir uns nach der Runde dennoch gut leiden, also wurde ich gefragt, ob ich Lust zur Mitarbeit hätte. Als ich dann nicht schnell genug nein gesagt habe, war es dann wohl abgemacht.
Curima: Und ein halbes Jahr später hatten wir dann – nach Verlagerung des Schauplatzes von Hjaldingard nach Lordal und diversen anderen Planänderungen – auch das Exposé fertiggestellt und an Uhrwerk verschickt.
Nandurion: Eine wechselnde Besetzung und ein sehr langer Zeitraum für die Entwicklung insgesamt, wie muss man sich die Zusammenarbeit bei so etwas vorstellen? Gab es Phasen fieberhafter Aktivität gefolgt von lähmender Schlafkrankheit? Wie seid ihr vorgegangen, um euch gemeinsam zu organisieren und zu motivieren?
Curima: Nachdem wir im Herbst 2014 das erweiterte Exposé eingereicht hatten, bekamen wir dann kurz vor dem Jahreswechsel die Zusage, dass wir das Abenteuer in der geplanten Form schreiben können. Dann sind wir allerdings auch nicht sofort in totale Action ausgebrochen, sondern haben immer mal wieder über bestimmte Aspekte geredet und Ideen ausgetauscht. Naja, und dann kam halt irgendwann die Nachricht, dass es für DSA4-Produkte jetzt eine Deadline gibt und damit war auch klar, dass wir nicht beliebig viel Zeit haben. Die fieberhafte Aktivität stieg dann auch quasi, je näher die Deadline kam und zumindest ich war dann doch sehr froh, als die erste Fassung fertig und an den Verlag verschickt war. Das war Mitte Juli 2015 der Fall – wir haben also ungefähr ein halbes Jahr daran geschrieben. Auch die die Fahnenkorrektur erforderte noch einmal eine konzentrierte Aktion (und das Einspannen von gefühlt 75% aller Nanduriaten). Organisiert haben wir uns über einen gemeinsamen Skype-Channel (sowohl schriftlich als auch über Telefonkonferenz) und erst ein, dann mehrere Etherpads (für die verschiedenen Kapitel des Abenteuers), dazu eine Dropbox für die fertigen Textdateien und sonstigen Dinge (z. B. die Skizze für den Dungeon). Und was das Motivieren angeht – es hilft halt schon gewaltig, wenn man nicht einfach alleine vor sich hinwurschtelt, sondern mit mehreren Leuten dransitzt und sich immer mal gegenseitig zum Weitermachen drängen kann.
Cifer: Dem kann ich mich wohl anschließen. Gar so schlimm war die wechselnde Besetzung jetzt nicht, die Arbeit jenseits der Grundkonzepte lag ja rein bei der Crew, die das ganze am Ende auch abgeliefert hat (will heißen: Uns dreien, dem Verlag und etlichen aberwitzigen Einhörnern, die uns mit Rat und Tat zur Seite standen). Vor allem aber fand ich die Arbeit abseits der allerletzten Crunchtime durchweg sehr angenehm, weil man eben permanent zwei andere hat, auf die man sich stützen kann, so dass man schnelle Rückmeldungen zu eigenen Ideen bekommt und sich in der Schreibarbeit auf das konzentrieren kann, was einem selbst liegt.
Curima: Auf jeden Fall. Ich habe an sehr, sehr vielen Stellen einfach nur sowas wie „[Und hier überlegt sich Andreas noch nen schönen Regelmechanismus]“ hingeschrieben…
Nandurion: Das Abenteuer ist also im besten Sinne vollständig auf eurem Mist gewachsen. Was war euch denn bei der Konzeption des Abenteuers wichtig? Worauf habt ihr besonders geachtet und wovon habt ihr euch inspirieren lassen?
Josch: Alles in allem wollten wir dem Abenteuer Sandboxcharakter verleihen, „Sandbox“ aber nicht als Entschuldigung für Plotarmut verwenden. Wichtig war uns der Kompromiss zwischen Offenheit und rotem Faden, deshalb gibt es zwar ein klares Ziel, aber verschiedene Möglichkeiten, dieses zu erreichen. Gerade deshalb war es auch wichtig, die Übersichtlichkeit für den Spielleiter zu bewahren, wie uns vor allem nach der ersten Feedbackrunde deutlich wurde, die zur Konstruktion der Übersichtstabellen führte. In der ursprünglichen Konzeption lag der Fokus des Abenteuers übrigens noch auf dem gewaltigen Dungeon, den Emerald und ich ursprünglich in charakteristischer Bescheidenheit als „Größten DSA-Dungeon aller Zeiten“ konzipiert hatten.
Curima: Lordal als Abenteuerschauplatz ist in meinen Augen ein dankbarer Landstrich, da es in Unter dem Sternenpfeiler diverse coole Kurzinfos gibt, die man gut weiter ausarbeiten kann, aber die Gegend halt noch nie ausgiebig beschrieben wurde. So konnten wir neben der eigentlichen Handlung des Abenteuers auch ein wenig „This! Is! Lordaaaal!“ betreiben und die Kultur der Lordaler weiter ausgestalten, was mir sehr viel Spaß gemacht hat. Außerdem erzählen wir ja quasi im Abenteuer auch die Geschichte des zweiten, wesentlich unbekannteren Exodus der Hjaldinger während der Nachtblauen Ära, sozusagen das Gegenstück zu Jurgas Überfahrt nach Aventurien, was mir als Aspekt auch nach wie vor gut gefällt. Da wir schnell überein gekommen waren, dass es schade wäre, die Recherche und Reise durch das eigentlich total spannende Setting Lordal bloß als Beiwerk und Präludium für unterderische Monsterschnetzelei verkommen zu lassen, benötigten wir dann einerseits einen plausiblen Ansatz, da es in Lordal nun mal keine Bibliotheken gibt und Informationen kaum schriftlich fixiert werden (so kamen wir zu der Idee der Lorsage, der Runensteine sowie der mündlichen Teilüberlieferungen in verschiedenen Formen). Die Quellen sollten abwechslungsreich sein, stimmungsvoll, und jede Station auf der Suche sollte als kleine Abenteuerepisode für sich abgeschlossen und spielbar sein, so dass es auf der Suche genug Teilerfolge gibt. Und apropos Lordal: Wir mussten die Helden natürlich auch erstmal in diesen doch sehr abgelegenen Landstrich befördern. Dazu haben wir uns schon sehr früh (noch in der Phase, als wir überlegten, ob wir das Abenteuer von Hjaldingard nach Lordal verlegen) Gedanken gemacht, so dass tatsächlich nicht mal alle Ideen für den Grund einer Reise nach Lordal ins fertige Abenteuer aufgenommen werden konnten. Mit den jetzt vorgeschlagenen Lyncilhändlern haben wir versucht, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen und auch gleich noch eine Möglichkeit für die Reise innerhalb von Lordal anzubieten, da es dort noch mehr als im Imperium kaum Straßen gibt und Reisen fast nur über den Fluss stattfinden.
Cifer: Ich muss zugeben, dass ich mich anfangs mit der Wahl von Lordal doch sehr schwer tat, gerade was ein Rechercheabenteuer unter Barbaren anging. Aber irgendwann, als ich dann bei „Aber abgesehen von Höhlenmalereien, Geisterstädten, Runenzauberern, Opfergaben und Naturwesen: Was haben die Lordaler soll man denn in Lordal bitte ordentlich recherchieren?“ ankam, ging mir dann auch auf, dass das Setting eigentlich ziemlich viel Potenzial bietet.
Josch: Bei den Vorlesetexten und v. a. der Lorsage haben wir uns viel Mühe mit der genauen Ausarbeitung gegeben, und die Werte der Hauptgegner haben wir versucht, so auszutarieren, dass sie auch für hochstufige Helden eine echte Herausforderung darstellen. Die zentrale Herausforderung beim Schreiben war für uns das Finale. Einerseits sollte hier die Recherche eine wichtige Rolle spielen, andererseits sollten kampferprobte Helden nicht tatenlos zusehen müssen. Es hatte eine Weile gebraucht, bis wir diesen gordischen Knoten zerschlagen konnten. Die Größe des Settings, die Helden und Autoren angesichts der langen Reisezeiten zwischen interessanten Punkten durchaus vor Probleme stellen kann, haben wir mittels des Bootes der Lyncil-Händler, auf das die Helden durchgängig zugreifen können, zu kompensieren versucht. Um eine vernünftige Balance zwischen sich nähernder Bedrohung und dem Nutzen intensiver Recherche herzustellen, haben wir uns einen Mechanismus überlegt, mit dem man die Interaktion von Information und Eskalation leicht abbilden kann. Das klingt hochgestochen, ist aber ganz einfach: Je mehr Zeit man sich lässt, desto besser ist man auf das Finale vorbereitet, desto mehr versinkt das Land um einen herum aber im Chaos (abgebildet in Eskalationspunkten), was sowohl Nachteile für das Spielgeschehen mit sich bringt, als auch einen möglichen Erfolg im Finale weniger grandios ausfallen lässt, als möglich wäre. Bei der Inspiration war sicherlich ein guter Schuss „Der 13. Krieger“ dabei, allerdings nur in Sachen Stimmung, nicht in Sachen Plot. Zumindest bei mir stand im Hintergrund auch immer die Frage, wie eine deutlich archaischere und brutalere Fassung der Thorwaler aussehen könnte, denen man das sympathisch Raufboldhafte maximal konsequent ausgetrieben hat und die zudem – im Unterschied zu den Hjaldingern – nicht über zahlreiche Jahrhunderte schrittweise „imperialisiert“ wurden.
Nandurion: Wo ihr gerade diese zwei Punkte ansprecht: Während das Finale mit dem gelungen zusammenkombinierten „Bossgegner“ einen recht innovativen Ansatz bietet, scheinen die Lyncil als mitgeführte Meisterpersonen gereadezu stiefmütterlich behandelt worden zu sein. Hätte man da nicht noch deutlich mehr draus machen können?
Josch: Grundsätzlich: Ja. Aber: Der beschränkte Umfang erforderte klare Prioritäten, und es war uns wichtig, dass die Helden eindeutig die Hauptfiguren der Geschichte bleiben und die – eh schon recht zahlreichen – NSCs als Unterstützer eingebunden werden. (Aus dem Grund ist auch die Optimatin ins Bonusmaterial ausgewandert). Die Lyncil sollten v. a. als Motivatoren bzw. Auftraggeber fungieren, um die Helden nach Lordal zu bringen, und als unterstützende Besitzer des Boots, das für die Mobilität der Helden eine wichtige Rolle spielt. Dessen ungeachtet würde ich aber sofort zustimmen, dass weitere Szenen mit den Lyncil im Bonusmaterial sich sicherlich sehr gut gemacht hätten – am Ende fehlte uns dafür aber auch einfach die Zeit, da das Bonusmaterial am besten mit dem Rest des Abenteuers abgenommen werden sollte.
Curima: Dazu ist es ja noch so, dass die Lyncil nicht zwingend vorkommen MÜSSEN, es gibt ja noch ein paar andere Einstiegsmöglichkeiten ins Abenteuer. Wir hätten also schlimmstenfalls Platz auf Szenen „verschwendet“, die gar nicht alle Gruppen benutzen können, im Gegensatz zu den Szenarien im Rechercheabschnitt. Letzten Endes war es aber vor allem ein Platzproblem – uns wurde ungefähr auf halber Strecke zum ersten Entwurf klar, dass wir mit der angepeilten Seitenzahl ziemlich knapp kalkuliert haben. Daher kamen wir erst gar nicht in Verlegenheit, noch viele Szenen mit den Lyncil auszuarbeiten, wir wussten nämlich, dass eh kein Platz dafür ist.
Cifer: Die beiden Lyncil sind vor allem als Talking Heads gedacht, über die der Meister durch ihre gegensätzlichen Charaktere die Runde auf unterschiedliche Möglichkeiten aufmerksam machen und gegebenenfalls ein bisschen stupsen kann. Immerhin findet zeitlich gesehen der absolut überwiegende Teil des Abenteuers auf dem Boot statt, die Interaktion mit den beiden kommt also von ganz allein.
Nandurion: Immerhin bieten die Lyncil ja genug Potential und lassen sich sicher problemlos an den Stil der eigenen Runde anpassen. Gibt es einen bestimmten Grund, warum das Bonusmaterial zeitgleich zur Abgabe fertig sein musste?
Cifer: Im Prinzip hing das mit der Verzahnung von Abenteuer und Bonusmaterial zusammen. In dem Bonusmaterial waren ein paar Dinge drin, bei denen es uns schon ziemlich schwer fiel, sie aus dem Abenteuer rauszuschneiden – speziell die Verbannung der Optimatin ins Bonusmaterial-Exil hat Curima schon sehr betrübt. Also wollten wir sicherstellen, dass das Bonusmaterial von möglichst vielen Spielern auch gefunden wird und haben einen Hinweis darauf direkt im Abenteuer platziert. Dafür stellte der Verlag verständlicherweise die Bedingung, dass dieses Bonusmaterial, wenn wir es so ankündigen, auch auf jeden Fall existieren muss – also mussten wir es ungefähr zusammen mit dem restlichen Text abgeben.
Nandurion: Wenn ich es richtig sehe, dann ist ja aus dem epischen größten DSA-Dungeon aller Zeiten etwas ganz anderes geworden. Ein eher freier Improvisationsdungeon mit Mini-Dungeon am Ende. Wurde die ursprüngliche Idee klaglos verworfen oder war das erst ein längerer Reifungsprozess, bis euch dämmerte, dass das Finale vielleicht auch ganz gut ohne Riesenkartenmegadungeon auskommt?
Curima: Wir wollten eine längere unterirdische Reise der Helden. Natürlich hätten wir alle für das Abenteuer verfügbaren Illustrationen auf eine Karte des Inneren des Bergatun-Gebirges verwenden können, aber das wäre für den Rest des Buches dann irgendwie auch uncool gewesen. Und wenn man es halbwegs realistisch sieht, passiert halt auf so einer Reise durch ein natürliches Labyrinth auch eh nicht alle 7 Meter was Spannendes – daher unsere Lösung mit den beliebig einsetzbaren Begegnungen. Letztendlich spielt also auch hier die Tatsache, dass man nicht beliebig viele Zeichen und Illustrationen zur Verfügung hat, eine wichtige Rolle.
Josch: Auch inhaltlich gibt es aber gute Gründe, den abschließenden Dungeon nicht zu überladen und sich am Spieltisch auf das – eher überschaubare – Herz des Ganzen zu konzentrieren. Das Finale des Abenteuers verliert m. E. deutlich an Wirkung, wenn man sich erst noch drei ausführliche Spielsessions durch eine Riesendinghöhle quälen muss – insbesondere nach der ausführlichen Recherche im Mittelteil des Abenteuers. Von daher war die Idee, der DSA-Welt den ultimativen Mega-Dungeon zu präsenieren, in dem Moment vom Tisch, als uns die Konzeption des Abenteuers mit ausführlichem Rechercheteil klar vor Augen stand.
Nandurion: Viele (Teilzeit-)Autoren klagen ja über die engen Zeichenbegrenzungen. Die DSA5-Publikationen geben da ja mit ihrem neuen Format einen noch engeren Rahmen vor. Wie steht ihr dazu, aus Autorensicht, aber vielleicht auch aus Spielersicht?
Curima: Erstmal zur Zeichenbegrenzung in diesem Abenteuer: Wir hätten auch 96 Seiten haben können. Da wir aber alle noch nie ein Abenteuer geschrieben hatten, dachten wir „puh, 72 Seiten, das sind 300.000 Zeichen, das ist ja schon sehr viel, haben wir überhaupt so viel zu schreiben?“ … yadda yadda yadda, und am Ende war das Abenteuer 60.000 Zeichen zu lang. Uuups. Ansonsten gibt es bisher ja noch keine Aussagen darüber, ob auch Myranor-Abenteuer nach DSA5 stets eine bestimmte, eingegrenzte Seitenzahl haben werden. Ich persönlich hoffe, dass das nicht der Fall sein wird.
Josch: Ich finde den Trend zu eher kürzeren Abenteuern eigentlich gut, sofern dies dazu führt, dass man kleinere Plots ausführlich beschreibt, und nicht dazu, dass Megaplots nur noch skizziert werden. Wenn man als Autor erst mal in Wallung gekommen ist, ist letztlich eh jedes Zeichenlimit zu gering (und jedes Zeitlimit zu eng). Auch wenn ich am Ende mit den anderen zusammen geweint habe, weil manche unserer Ideen ins Bonusmaterial wandern mussten, finde ich, dass das Abenteuer in der vorliegenden Form problemlos funktioniert.
Curima: Eine Diskussion über das Für und Wider von Abenteuerseitenbegrenzungen wäre jetzt wohl ein zu weites Feld – ich hoffe halt, dass es für Myranor auch in Zukunft noch die Option gibt, ’ne fette Kampagne auf 200 Seiten auszuarbeiten, wenn da ein Autor Bock zu hat.
Nandurion: Wie habt ihr das mit dem Zeichenmanagement gehalten? Gab es da von Anfang an einen Plan und wie wurde dann gekürzt, nachdem ihr festgestellt hattet, dass der Text zu lang war?
Curima: Genau so war es. Wir haben während der Konzeptionsphase mit dem Verlag den Umfang vereinbart, und während des Schreibens dann gemerkt, dass der Text zu lang wurde. Etwas Flexibilität war bezüglich des Zeichenlimits zum Glück vorhanden (mit bestem Dank an den Layouter), aber ein bestimmter Teil der Zeichen musste dann gekürzt werden bzw. wanderte ins Bonusmaterial aus. Wir hatten auch eine Exceltabelle, in die wir die Zeichenmenge der einzelnen Abschnitte eingetragen haben. So hatten wir dann auch einen guten Überblick darüber, wie viel Zeichen wir z. B. einsparen, wenn wir einen Abschnitt komplett rauswerfen und in das Bonusmaterial packen.
Nandurion: Am Ende steht also ein Destillat der besten Ideen unter kritischer Abwägung der verfügbaren Ressourcen. Habt ihr ein persönliches Lieblingselement, eine Figur, eine Szene oder auch nur ein Konzept das euch ganz besonders freut?
Curima: Meine Lieblingsfigur findet sich tatsächlich im Bonusmaterial – nämlich die Aldangara-Optimatin Tiphagia, die wir als zusätzlichen optionalen Begleit-NSC vorgesehen hatten, die ich schon irgendwie sehr cool fand und die dann in bester Kill-your-Darlings-Manier rausflog, weil sie von allen Dingen in Kapitel 2 am entbehrlichsten war. Am meisten Spaß am Ausformulieren hatte ich bei der Lorsage und bei den Visionen und Träumen in Kapitel 3. Und ich bin auch viel zu stolz auf die total dummen „Der Zorn des Baramunen“ und „Der Schatz im Oraurum-See“-Überschriften…
Josch: Nicht zu vergessen „Chaos und Kreaturen auf dem Jahrmarkt“, das sehr um die Ecke gedacht auf ein unterschätztes Soloalbum eines Ex-Beatles anspielt. Meine Lieblingsfiguren im Abenteuer sind die Saithyare (die ebenfalls im Bonusmaterial noch mehr Screentime und eine Comic Relief-Szene bekommen), meine Lieblingsszene ist das Finale, bei dem ich denke, dass sich jede Minute Nachdenken über das Konzept gelohnt hat, und mein Lieblingsdesignelement sind die Tabellen. Die lassen zwar eher an Steuererklärung als an Spieleabend denken, aber ich glaube, dass sie sich als Meisterhilfe bewährt haben.
Cifer: Ein bisschen stolz bin ich auf die Eskalationsmechanik, bei der sich eine Punktgröße durch das halbe Abenteuer zieht und an etlichen Stellen Spielern zeigt, dass es vielleicht keine so tolle Idee ist, auf „Ihr seid unsere letzte Hoffnung!“ mit „Cool, was gibt’s denn hier so für Sidequests und hat die Hersirin eigentlich nen hübschen Sohn?“ zu antworten.
Nandurion: Nun ist schon wiederholt die Aldangara-Optimatin im Bonusmaterial erwähnt worden, offensichtlich eine von Curimas Creationen. Beim Drüberlesen sind mir vor allem zwei Punkte aufgefallen (der geneigte Leser möge sich selbst ein Bild machen). Zum einen dürfte die Paranoia der Figur wenig hilfreich für eine Kontaktaufnahme zu den Helden sein. Zum anderen scheint sie wieder eher ein Funktional ähnlich der Lyncil zu sein. Während die Lyncil als sprechendes Boot inszeniert werden, scheint die Optimatin die Rolle als Analysewerkzeug für magischen Krams zu fungieren. Könntest du uns einmal ausführen, was das Besondere an dieser Figur ist und warum man sie unbedingt in die eigene Runde aufnehmen sollte?
Curima: Die Idee, noch eine reisende Optimatin als NPC mit reinzubringen, fußte natürlich auf dem Gedanken, dass das Abenteuer völlig ohne Hellsichtmagie womöglich nochmal eine ganze Ecke schwerer werden kann. Ich denke aber, dass die Figur trotzdem mehr bietet als „benutze Tiphagia mit Unerklärliches Magisches Phänomen“. Zum einen geht es beim Entdecken der Hintergründe des Abenteuers auch um die Vergangenheit ihres Hauses, auch wenn die Aldangara jetzt nicht das Optimatenhaus mit dem allergrößten Zusammenhalt sind. Sie kann somit also auch diesbezüglich noch Wissen zu den historischen Fakten beitragen, die im Hintergrund des Abenteuers stehen. Zweitens mag ich ihr komplett spinnertes Fachgebiet – sie will erforschen, ob es einen Zusammenhang zwischen Naturkatastrophen und Veränderungen im magischen Gefüge der Welt gibt, was vermutlich auch für eine Optimatin ein relativ schräges Gebiet der Forschung ist. Drittens hat sie eine Hintergrundgeschichte, die die Helden auch durchaus erfahren können und die vom Spielleiter mit den Söldnern, die hinter ihr her sind, auch aktiv eingebracht werden kann. Somit bringt sie auch mehr Gesprächsmöglichkeiten ein als „Hey, Optimatin, analysier das mal für uns.“ Ihre Paranoia ist dabei zwar durchaus vorhanden, bezieht sich aber vor allem auf die Angst, jemand könnte die Ergebnisse ihrer Forschung entwenden, so dass die Helden ihre Befürchtungen vermutlich recht schnell ausräumen dürften. Und schlussendlich erschien mir der Typ der naturverbundenen, ziemlich mürrischen und gesellschaftlichen Verpflichtungen abgeneigten Optimatin noch relativ unverbraucht – ohne jetzt beschwören zu können, dass sowas noch nie in einem Abenteuer vorkam. Letztendlich ist es zumindest bei mir oft so, dass es selbst bei einem nicht weiter wichtigen NPC manchmal einfach „klick“ macht und man die Figur irgendwie sehr plastisch und präsent im Kopf hat – das war bei Tiphagia der Fall. Sie ist mir irgendwie einfach ans Herz gewachsen, auch wenn sie jetzt im gedruckten Abenteuer nicht mehr vorkommt.
Nandurion: Eingangs wurde ja bereits ein neues Abenteuer des Lordaler Autorentrios erwähnt. Worum geht es und was für Lehren habt ihr aus eurem ersten Werk gezogen?
Josch: Das neue Abenteuer soll sich nach gegenwärtiger Planung um eine Expedition in die Wüste Zhirric drehen und erstmals in einem DSA-Abenteuer die Helden in Kontakt zu den Chrattac bringen. Aufgabe der Helden wird es sein, den Titanenmistkäfer des Schreckens im Poetry Slam niederzudichten. Oder so ähnlich. Will meinen: Wir sind noch zu sehr in der Konzipierungsphase, als dass sich dazu etwas wirklich Belastbares und Konkretes sagen ließe. Gelernt habe ich auf jeden Fall, dass man nicht endlos lange konzipieren sollte, da die Umsetzung eh deutlich mehr Anpassungen erfordert, als man vorm Schreiben antizipieren kann. Des Weiteren würde ich beim nächsten Mal versuchen, Feedback noch deutlich früher einzuholen – idealerweise in Form einer Testspielrunde, mit der man auch noch halbgare Ideen einmal probespielen kann. Ich war erstaunt, wie viele potenzielle Schwierigkeiten und Probleme unsere Testleser bei Das Lied des Lor gefunden hatten – je früher man auf so etwas zurückgreifen kann, desto besser.
Curima: Außerdem haben wir aus dem letzten Mal gelernt, dass eine Stunde Telefonat so ungefähr 10 Stunden schriftlichen Chat ersetzt und diesmal gleich damit angefangen, als es um die Ausarbeitung des Exposés ging. Ansonsten ist zumindest mir klargeworden, dass gerade bei sehr komplexen Abenteuerstrukturen die Ausarbeitung alles ist – siehe die Tabellen im Lied des Lor, sowas würde ich vermutlich das nächste Mal von Anfang an mit einplanen. Und auch die Planung, wie viele Zeichen wofür denn so ungefähr benötigt werden, wird das nächste Mal hoffentlich etwas besser klappen. Ansonsten gibts halt wieder 10 Seiten Bonusmaterial.
Nandurion: Das hört sich auf jeden Fall sehr spannend an. Die Chrattac sind ja immerhin auch keine Fellviecher und bieten sicher noch mehr Raum für kulturelle Ausgestaltung als die lordalschen Thorwaler ohne Knuffelfaktor.
Josch: Das stimmt. Zugleich ist hier die Fallhöhe aber auch eine andere. Während man bei humanoiden Katzenwesen aus der persönlichen Erfahrung mit Fellviechern noch in etwa absehen kann, wie diese sich verhalten könnten, gibt es bei Insektoiden keine wirklich passende Vorlage (von Starship Troopers und District 9 einmal abgesehen, die man als Vorlage aber nicht überstrapazieren sollte). Zudem sind die bisherigen Setzungen auch noch sehr überschaubar und vage. Das mag jetzt etwas klischeehaft klingen, aber: Ich bin selbst ziemlich gespannt, was uns da erwartet und ob die Sache in etwa so funktioniert, wie wir uns das zum gegenwärtigen Zeitpunkt vorstellen. Wichtig wird uns auf jeden Fall sein, dass die Chrattac nicht als exotisches Schwertfutter daherkommen, sondern zugleich fremdartig, abstoßend und faszinierend erscheinen. Mal schauen, ob uns das gelingt.
Nandurion: Naja, dann hoffen wir mal, dass es es euch auch hier gelingt zu überzeugen, bevor noch die Biene Maja als vermutlich bekanntestes Insekt der westlichen Kulturgeschichte Pate stehen muss. Ich für meinen Teil bin jedenfalls sehr gespannt auf dieses doch sehr exotische Element. Gibt es schon einen Namen für das Abenteuer?
Josch: Der Arbeitstitel ist „Die Wüste lebt“, aber das wird wohl nicht der finale Abenteuertitel sein. Ich bin aber zuversichtlich, dass uns in Rücksprache mit dem Verlag noch etwas Fetziges einfällt, das die Rollenspieler in Schwärmen nach Myranor treibt.
Nandurion: Dann freue ich mich auf die Wüste, wünsche ich euch gutes Gelingen und bedanke mich für das Gespräch.
Für Nandurion stellte die Fragen Krassling (Johannes Heck) und dankt den Autoren Cifer (Andreas Gruner), Curima (Lena Richter) und Josch (Josch K. Zahradnik) für das Gespräch.