Intrigenspiel & Leidenschaft ist ein dreiteiliger Anthologieband, der 2018 im Zuge des Wege der Vereinigungen-Crowdfundings finanziert und veröffentlicht wurde. Die drei darin enthaltenen Abenteuer sind Ein Spiel um Macht und Liebe, Feuer der Leidenschaft und Zeilen, die den Tod bedeuten.
Ein Spiel um Macht und Liebe
In diesem ersten Abenteuer starten die Helden ein wenig außerhalb der Stadt Belhanka und retten den Baron von Caspoleth Malrizio ya Duridanya vor Räubern, die seine Wachen außer Gefecht gesetzt haben und den bekannten Lebemann entführen wollen. In der Folge stellt sich heraus, dass Malrizio für das politische Amt des Consilieres, einer der fünf Berater der Regentin Belhankas, kandidiert. Er heuert die Helden an, ihn jetzt, wenn der Wahlkampf am härtesten wird und die Konkurrenten auch vor drastischen Mitteln nicht zurückschrecken, zu beschützen und ihm zu helfen zum Consiliere gewählt zu werden.
Das Abenteuer ist dabei sehr offen. In den folgenden elf Tagen gibt es neben der Suche nach den Drahtziehern der versuchten Entführung mehrere Szenarien, in denen die Helden den Ruf ihres Schützlings verteidigen oder verbessern können. Alternativ können sie sich auch dazu entscheiden ebenso schmutzig wie die Konkurrenten zu handeln und deren Ansehen zu schmälern. Dadurch können sich die Spieler kreativ ausleben und die Stadt Belhanka mit all ihren Reizen und Charakteren gut kennenlernen.
In einer Nebenhandlung werden die Helden durch die Rahjakirche in das Schicksal des Bäckergesellen Amaldo verstrickt, der das Herz einer anderen Bewerberin um das Amt des Consilieres, Mythraela, gewinnen möchte. Während das Intrigenspiel gut ausgearbeitet ist, finde ich hier meinen größten Kritikpunkt an dem Abenteuer: Die Aufgabe über alle Stände hinweg eine Liebe möglich zu machen, ist zwar reizvoll, allerdings bietet das Abenteuer zumindest fragwürdige Vorschläge dafür an. So beinhalten drei der sechs Ideen, die Angebetete aktiv über die Fähigkeiten des Bäckers zu belügen. Einer der Vorschläge ist beispielsweise Amaldo vor ihrem Balkon lautlos singen zu lassen, während sich hinter ihm im Dunklen der wahre (natürlich professionelle) Sänger versteckt.
Besser hat mir da gefallen, zusammen mit dem Verliebten eine neue Pralinenart zu Ehren Mythraelas zu erfinden, für welche dieser natürlich ganz besondere und nicht einfach zu beschaffende Zutaten braucht.
Alles in allem halte ich Ein Spiel um Macht und Liebe für eine gute Möglichkeit die Helden Belhanka kennenlernen zu lassen, selbst spannende Intrigen zu knüpfen und den Intrigen anderer zu entgegnen, sowie sich einen Namen in der Stadt und der Politik zu machen. Bis auf die genannten Probleme in der Nebenhandlung und das Fehlen echter “Wow”-Momente liefert der Autor Alex Spohr damit ein durchaus empfehlenswertes Abenteuer ab. Damit hat das Abenteuer von mir sechs von neun Intrigen spinnende und hämisch lachende Einhörner verdient.
Feuer der Leidenschaft
Achja, Feuer der Leidenschaft, was tust du nur? Dein Pitch war so vielversprechend. Den Leibwächter einer Kurtisane aus den berühmten Höfen der Abendröte spielen und sie bei ihrer Arbeit beschützen? Dabei interessante Blicke auf die Kurtisanenkultur in Belhanka erhaschen? Einen uthurischen Kult um eine Gegengöttin der Rahja aufdecken und bekämpfen? Das klang doch alles so gut, so anders. Aber was ich bekomme, ist ein verworrener Plot um eine seltsame Dreiecksbeziehung, einen unmotivierten levthanschen Verführer und ein sehr abruptes unbefriedigendes Ende. Aber beginnen wir von vorne:
Die genannten Feuer der Leidenschaft brennen schon zum Einstieg des Abenteuers in einer ungesunden Intensität. Das Lyceum Dalekidos, eines der Kurtisanenhäuser Belhankas, steht in Flammen. Die Helden können beobachten, wie eine Frau mit einer Bewusstlosen in den Armen den Balkon betritt und müssen diese nun retten. Alternativ (oder gleichzeitig) können sie die Brandstifter verfolgen. Wie auch immer sie sich entscheiden, am Ende werden sie von Sariya – der Frau, die die Bewusstlose trug – angeheuert, Dominga – die bewusstlose Kurtisane – zu beschützen, da sie ein gezieltes Attentat befürchtet, sowie die Angreifer aufzuspüren. Die darauffolgenden Tage lassen sich für die armen Leibwächter ungefähr so zusammenfassen: Die Helden stehen hinter einer Holztrennwand, lauschen der Kurtisane bei ihrer Arbeit und schreiten bei Problemen ein.
Hier ist das Problem nicht, dass die vom Abenteuer angebotenen Kunden nicht interessant wären. Nein, das Problem ist, dass überdurchschnittlich viel Interaktion zwischen NSC und NSC stattfindet. Die Spieler hören also zu und der Meister redet in verschiedenen Variationen mit sich selbst. Die größten Schwierigkeiten hat das Abenteuer allerdings in Gebieten, die zunächst nur dem Meister zugänglich sind.
Das Einhorn warnt: Ende der spoilerfreien Zone!
Die Brandstifter gehörten dem Kult der verzehrenden Flammen an. Dieser wird von Domingas Bruder angeführt wird, mit dem sie sich über Glaubensfragen zerstritten hat. Dieser hat aber anscheinend völlig die Kontrolle über seine Leute verloren, weshalb sie jetzt mit Freude rahjagefällige Gebäude anzünden. Abgesehen davon will er aus irgendeinem Grund seine Schwester aus der Stadt drängen und schickt Leute los um sie zu bedrohen. Und das war’s. Theoretisch könnte man hier den Kult besser ausarbeiten und ihm einen Charakter geben. Stattdessen erfahren wir aber, dass der Erfahrungsgrad aller Mitglieder wohl “überdurchschnittlich inkompetent” ist und sie aus an den Haaren herbei gezogenen Gründen Rahja doof finden. Übrigens: Das Abenteuer gibt dem Meister nichts (und zwar wirklich gar nichts) an die Hand wie man den Kult aufspüren soll.
Aber als sei es der Verwicklungen noch nicht genug, will Domingas Ex Madalea ihre alte Flamme wieder zurückerobern und schickt deshalb einen Levthansjünger, um sie zu verführen. Der Plan ist wohl, dass Sariya sie dabei erwischt. Allerdings ist Dominga nun mal eine Kurtisane und wir sind in der wohl rahjagefälligsten Stadt Deres. Ich frage mich, wie gut das wohl klappen kann. Achja, der Levthanier ist übrigens auch noch in Madalea verliebt und dementsprechend motiviert.
Dem schrägen Spiel schlägt dann die Auflösung des Abenteuers den Boden aus, als man Madalea vollkommen zufällig beim Einbruch in Domingas Zimmer ertappt, während der Levthanspriester in Widdergestalt durch das Lyceum rennt.
Das Einhorn verkündet: Ende des Spoiler-Bereichs
Insgesamt hat mir das Abenteuer wirklich nicht gut gefallen. Die Hauptstory ist verworren, Motivationen teils an den Haaren herbeigezogen und ganze Plotstränge werden einfach in zwei Sätzen fallen gelassen. Punkte bekommt das Abenteuer von mir höchstens für das Konzept und einige nette Szenen. Ansonsten fliehen drei von neun verwirrte Einhörner vor dem widdergestaltigen Levthanspriester.
Zeilen, die den Tod bedeuten
Kommen wir zum Finale und Highlight des Bandes. In Zeilen, die den Tod bedeuten dürfen die Helden den zu Unrecht beschuldigten Autor der berühmten Rapiro Floretti-Groschenromane vor einer Mordanklage bewahren.
Das Abenteuer bedient sich eines sehr bekannten, aber nichtsdestotrotz guten Tropes: In Belhanka kommt es in den letzten Tagen zu einer Mordserie, die anscheinend nicht zusammenhängt, bis einem Gardisten auffällt, dass alle Morde exakt wie die Tode in den bekannten Rapiro Floretti-Romanen inszeniert sind. Dem ersten Opfer wurde die Kehle durchgeschnitten, das zweite in Bier ertränkt und das dritte in einem Spiegelkabinett niedergestochen. Im Glaube an die Gerechtigkeit der Republik stellt sich der Autor der Romane Lessandero Phelean Calanyeda freiwillig, als sich herausstellt, dass er bei allen Morden ein Motiv gehabt hätte. Daraufhin beauftragt sein Partner und Drucker Tassilo Graziani die Helden damit, die Morde zu untersuchen und seinen Partner von allen Anschuldigungen zu befreien.
In der Folge werden die Helden in eine spannende Ermittlung verwickelt, bei der sie sich mit allen Schichten Belhankas auseinandersetzen müssen, während sich die Schlinge um den Autor weiter zu zieht. Besonders spannend ist in Zeilen, die den Tod bedeuten, dass die Spieler selbstständig denken, alle Fäden zusammenführen und daraus den richtigen Täter ermitteln müssen. Keineswegs darf man hier ein Abenteuer erwarten, in dem die Helden alle Stationen abklappern und am Ende offensichtlich den Täter vor der Nase haben.
Besonders nennen will ich noch die herausragenden Ingame-Texte aus den Rapiro Floretti-Romanen. Diese können hier auch bei den Ermittlungen verwendet werden, um ein mögliches viertes oder fünftes Mordopfer noch vor seinem Tod zu identifizieren.
Zeilen, die den Tod bedeuten ist für mich der klare Favorit unter den Abenteuern dieser Anthologie. Die Prämisse ist spannend, gut umgesetzt und hat tolle Plottwists zu bieten. Daher schwingen nun acht von neun begeisterte Einhörner die Feder, um eigene Groschenromane zu schreiben.
Gesamtfazit
Zusammenfassend bietet Intrigenspiel & Leidenschaft trotz der genannten Probleme einiges und lohnt sich gerade als Auftakt für eine mögliche Belhanka-Kampagne um die Stadt besser kennenzulernen und in der Gesellschaft Fuß zu fassen. Auch die Illustrationen und Handouts kann man wie immer sehr loben. Selbst das zweite Abenteuer kann mit seinen Charakteren, dem Einblick in die Arbeit einer Kurtisane und etwas Fleißarbeit an dem skizzierten Kult als ordentliche Quelle verwendet werden. Dementsprechend setzen sich jetzt auch sechs von neun Einhörner in eine Gondel und lassen sich durch Belhanka schippern. Wie zu Beginn bereits gesagt, sollte man aber die Stadtbeschreibung Belhankas aus Kurtisanen & Bordelle besitzen, um der Stadt gut Leben einhauchen zu können.
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Hut ab! Gelungene Rezension. Ziemlich trennscharf!
Während die ersten beiden Abenteuer mich eher kalt lassen, hat Nr. 3 durch deine gute Erläuterung mein Interesse geweckt.
Zeilen, die den Tod bedeuten, ist allein schon als Titel sehr interessant. Und auch wenn das Ganze als „Trope“ bekannt ist, gefällt es mir. Und als Fan von „John Sincalir“ ist mir das Thema vertraut. Apropos: Das spannende Bild von Conrad Krogull wirkt ja fast wie ein Cover der John-Sinclair-Reihe… Nur ein Zufall?
Hey, danke für das tolle positive Feedback 🙂
Ja, das Dritte hat mir wirklich gut gefallen, das kann ich nur empfehlen.
Mit dem Werk von John Sinclair kenn ich mich leider gar nicht aus, ich kenn das tatsächlich eher aus Serien (Der Plothook von „Castle“ z.B.), weiß aber auch von Beispielen aus der Literatur.
Hey nochmal ! Auch wenn ich vom Thema abschweife, muss ich als John-Sinclair-Fan nachfragen: Ist die Fernsehserie „Castle“ gemeint? Was hat die Serie mit John Sinclair zu tun? Vielleicht wäre das mal ein Grund „Castle“ zu schauen? LG, Sirius
Hey, sorry für die späte Antwort.
Ja, ich meine die Fernsehserie Castle mit Nathan Fillion.
Die hat – soweit ich weiß – nichts mit John Sinclair zu tun, ihr Aufhänger ist aber, dass der Autor einer bekannten Buchserie zu Ermittlungen hinzugezogen wird, als eine Mordserie exakt wie in seinen Büchern beschrieben, startet.
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