Expurgico Cantus II

Künstler: Nadine Schäkel

Im zweiten Teil meiner Resonanz zum Debütroman Expurgico von Aram Ziai möchte ich etwas mehr auf den Aufbau und die Inhalte des Romans eingehen. An Expurgico fällt vor allem auf, dass es mit seinem episodenhaften Aufbau recht kleinteilig gegliedert ist. Der Autor wechselt immer wieder von der erzählenden Perspektive des gefeierten Magisters auf dem Sterbebett zu den verschiedenen Szenen aus dem Leben des Magiers. Letztere begleiten Karjunon aus der Nähe bei vielen schwierigen Momenten in seinem Leben. Durch diese Erzählweise kommt es immer wieder zu Momenten, die erst im späteren Verlauf der Geschichte an Bedeutung gewinnen.

Bei Engors Dereblick berichtet Aram Ziai, dass die verschiedenen Rückblenden in Karjunons Leben eine objektivere und neutralere Pespektive schaffen sollten als die gefärbte Erzählung des alten Magisters, der seine Memoiren diktiert. Auch wenn ich diesen Ansatz gut nachvollziehen kann, so scheint mir das Potential hier noch nicht voll ausgereizt. Die erwähnten Vorwärtsbezüge werden nicht explizit gemacht, und auch die Rückgriffe muss sich der Leser selbst intonieren. Auch die spannende Frage der unterschiedlichen Perspektiven wird hier für meinen Geschmack nicht weit genug ausgestaltet. Zugegeben, auch die subjektive Perspektive kann einen hohen Reiz ausüben, wie man in der Galotta-Biographie nachlesen kann. Mir scheinen jedoch die Elemente einer subjektiven Erzählung mit denen der objektiveren gemischt zu sein, ohne jeweils die Vorteile der beiden konsequent zu nutzen.

Geographie und Chronologie

Zusätzlich zu der Rahmenhandlung in der Akademie von Mirham und den Rückblenden in die Lebensgeschichte des Karjunon Silberbraue zieht Aram Ziai noch einen weiteren Faden durch die Geschichte. Dabei geht es um die Geschehnisse in der Akademie zu Perricum und einen Todesfall, der schließlich in seiner Konsequenz mit den Geschehnissen der Rahmenhandlung zusammenläuft. Auch hier erschließt sich rückblickend die Motivation der Ereignislinie. Es bleibt jedoch auch hier der Eindruck, die Handlung hätte intensiver mit der übrigen Geschichte verwoben werden können und besser in das Gesamtwerk integriert. Um mir selbst Orientierung zu verschaffen, schaue ich mir tatsächlich die zeitliche Abfolge und räumliche Verortung der einzelnen Kapitel an.

Die Rahmenhandlung spielt im Jahr 1034 BF in Mirham oder genauer gesagt der Akademie der vier Türme zu Mirham. Also jenem Ort, an dem Karjunon Silberbraue seinen Lebensabend verbringt. Die Rahmenhandlung ist gewiss hilfreich, um dem ganzen ein Bindemittel zu geben. Und sie ist auch notwendig, um Ziais Dilemma aufzulösen, welches ihn nach einigen Setzungen anderer Autoren zu “seiner” Figur befiel. Für meine Betrachtungen ist dieser Faden jedoch wenig relevant, weswegen ich ihn hier nicht tiefergehend betrachten will.

1034 BF Mirham Prolog der Rahmenhandlung
1011 BF Perricum Prolog der Nebenhandlung, Tod des Hilarud von Kuslik
1034 BF Mirham Rahmenhandlung
965 BF in Kuslik Abschluss des neunjährigen Studiums in Kuslik und Beginn der Forschungsarbeiten
970 BF in Kuslik frustrierter Antrag auf Zweitstudium in Perricum, welches im Jahr darauf beginnt. Arjunon begehrt auf gegen die Beschränkungen durch den Index Librorum Haereticum.
973 BF in Perricum Schicksalhafte Begegnung mit einem Heshtot. Entschluss des Studiums der Magica contraria mit dem Schwerpunkt Contrainvocationes
977 BF in Punin Arkanologische Forschungsarbeiten zur Transitionen mit Robak von Punin
986 BF in Beilunk Expurgico in Beilunk nach Verurteilung wegen unerlaubtem Studium der Invocation in Rashdul, Studium verbotener Schriften und weiterer Anklagen.
1032 BF in Perricum Nebenhandlung
986 BF in Havena Laufbahn als Glücksritter unter dem Namen Argontius
993 BF in Fasar Kneipenbesuch nach einer Drachenjagd
990 BF im Rhorwed Erbeutung eines Rings zur Beschwörung dämonischer Wesenheiten
993 BF in Fasar Trennung von den Glücksrittern
993 BF in Fasar Thomeg Atherion verweigert die Aufnahme in die Schwarze Gilde
993 BF in Fasar Unerwartete Begegnung mit einem Borbaradianer und Eintritt ins Kloster der Beni al’Kitâb, Studium der borbaradianischen Repräsentation
998 BF im Rashdulswall Erstürmung des Klosters durch Pfeile des Lichts und Seelenpakt
1032 BF in Perricum Nebenhandlung
999 BF in Khunchom Schicksalhafte Entdeckung in einem Kuriositätenladen
999 BF in Mirham Handel mit Salpikon Savertin und Aufnahme in die Schwarze Gilde
1004 BF in Selem Besuch der Selemer Bibliothek und Erlangen weiterer Geheimnisse der Dämonologie
1032 BF in Perricum Nebenhandlung
1006 BF in Mirham Konfrontation mit Salpikon Savertin und Paktbruch
1008 BF in Mirham Anstellung Zino Asmodea Umbarions als Assistentin
1017 BF in Mirham Rückschlag bei den Forschungen an den Borbaradianischen Formeln
1019 BF in Mirham Schlacht von Andalkan und Fortführung der Forschungsarbeiten in Kuslik
1020 BF in Punin Vortrag auf dem Allaventurischen Konvent, Offenbarung der bereinigten Borbaradianerformeln
1021 BF nahe der Trollpforte Kampf gegen die Unbesiegbare Legion von Yaq-Monnith
1034 BF in Perricum Übergang der Nebenhandlung in die Rahmenhandlung

Einblicke

Die obigen Verortungen, wie auch das Personenverzeichnis weiter unten, lassen es bereits erahnen. Expurgico ist auch ein Roman, in dem die Gildenpolitik, die Begegnung mit Zauberern von Rang und Namen und den letzten Geheimnisse aventurischer Zauberei eine Rolle spielen. Natürlich haben diese Dinge alle ihren Reiz und füttern eine solch sprunghafte Biographie mit erinnerungswürdigen Momenten. Der Titel des Romans steht dabei durchaus als Leitmotiv, denn der zutiefst selbstsüchtige Schwarzmagier Silberbraue unternimmt durchaus erhebliche Anstrengungen, um sich (wieder) in den gildenmagischen Kreisen zu bewegen, aus denen die Expurgation ihn hinausgejagt hat.

Doch eine Biographie lebt auch von ihren intimeren Momenten, von den Innenansichten eines Geistes, der sonst verschlossen bleibt. So möchte ich auch noch einmal diesen Einblicken und den emotionaleren Aspekten des Romans nachspüren, die Aram Ziai auf seiner Agenda hat. Zuvor möchte ich jedoch einen Blick auf einige Fragen werfen, die ich in meinem ersten Beitrag zum Roman formulierte.

Die Thematik des Gildenausschlusses und der Wiederaufnahme in die Schwarze Gilde werden tatsächlich ausführlich thematisiert. Für die egozentrische Perspektive einer Biographie ist es dabei durchaus nachvollziehbar, dass die Motivation für die Anklage einigermaßen im Dunkeln bleibt. Die eher halbgaren Argumente der Anklage mögen jedoch durchaus ein warnendes Beispiel sein. Jene Magi, die glauben die Regeln der eigenen Gilde schlicht ignorieren zu können, dürfen nicht darauf hoffen ungestraft davon zu kommen. Selbst wenn sie glauben weiterhin dem Codex zu folgen, ist dies kein Schutz vor Strafe. Auch die Wiederaufnahme ist für meine Begriffe gelungen inszeniert und gewissermaßen von erschreckender Banalität. Ein Schmunzler dabei ist im Übrigen die Tatsache, dass der Nachlass des Uribert von Kieselburg dabei eine entscheidende Rolle spielt. Die Figur, deren Name an den Mitbegründer des Schwarzen Auges erinnert, mag man hier als Symbol des meisterlichen Willens sehen, die endlich einen Weg gefunden hat, die gealterte Spieler-Figur in der Ruhestand mit eigenem Lehrstuhl an einer Akademie zu schicken.

Die zentrale Leistung der öffentlichen Person Karjunon Silberbraue ist freilich die Entschlüsselung der borbaradianischen Formeln, sowie die Bereinigung des Thesis-Kerns. Wer hier ellenlange Beschreibungen der arkanologischen Forschungen erwartet, wird sicher enttäuscht. Irgendwie geht Karjunon ja doch den klassischen Weg des Borbaradianerphilosophen. Als Magier wird er von Neugier getrieben. Die Beschränkung der Forschung durch den Index Librorum Haereticum führt ihn auf den Weg, welcher später seinen Gildenausschluss bedeutet. Und genau jene verbotenen Schriften sind es auch, welche die Ideen Ometheons in seinen Kopf pflanzen. Der Glaube zu Höherem geboren zu sein als andere Sterbliche. Die Ignoranz gegenüber der Autorität der Gilden, der Götter und sowieso jedem Prinzip außer der eigenen Freiheit und der Macht der Stärke. Dieser Weg macht ihn im Prinzip zu einem lupenreinen Borbaradianer. Es gibt jedoch einen Punkt, der letzten Endes seinen Beitritt zur Organisation der Borbaradianer und auch die spätere Andienung an den Dämonenmeister selbst verhindert. Karjunons Abneigung gegen Autoritäten wird auch im Borbaradianer-Kloster deutlich, in dem er mehrere Jahre die magische Repräsentation der Kultisten studiert. Mit Hinweis auf Borbarads eigene Schriften (!) lehnt er den Treueschwur des Kultes ab. Denn auch wenn Karjunon Siberbraue sich gegen jede Autorität auflehnt wie ein widerspenstiger Teenager. Ein wesentlicher Aspekt für den ordentlichen Anhänger des Dämonenmeister fehlt ihm. Es fehlt ihm an dem Verlangen über andere zu herrschen. Zwar sammelt er persönliche magische Macht wie anderer Leute Bierdeckel, aber er gebraucht sie nicht um andere für seine Zwecke gefügig zu machen. Dem eingefleischten Misanthropen sind andere Menschen wohl viel zu egal um sich auch nur mit der Herrschaft über sie abzugeben. Vielleicht ist das sogar die wichtigste Eigenschaft, um sich viele Jahre lang in theoretischen Studien zu vergraben und ein großes Rätsel der borbaradianischen Formeln zu entwirren.

Während der kurzen Begegnung mit mit dem Vorzeigeborbaradianer Liscom von Fasar lässt Ziai auch noch mal seinen nerdigen Humor aufblitzen. Denn wenn der spätere Diener jenseits des Todes über seinen Meister außerhalb des Todes sagt: „Non mortuus est quod eternam dormandum apparet“ und sich Silberbraue zu entsinnen sucht, von wem dieses Zitat stammt, dann ist der Transfer aus dem Mythos wohl wirklich gelungen.

Da die Ernennung Magister Silberbraues zum Erzmagier in diesem Roman keine Rolle spielt, laut Foslarin müsse vorher die Khômwüste zufrieren, bleibt noch die spielerweltliche Agenda das Karjunon Silberbraue. Leider geizt der Roman hier mit Details. Tatsächlich ist Karjunons Handeln viel zu egozentrisch um für andere bedeutsam oder auch nur inspirierend zu sein. Seine Agenda beschränkt sich zumeist auf den Diebstahl von Wissen über Dämonen und Sphärologie, die Erlangung magischer Macht und seine langwierigen Forschungen. Sicher wäre es denkbar, dass er für eine Heldengruppe als Auftraggeber in Frage kommt. Aber ein paar dahergelaufenen Abenteurern eine derart heikle Aufgabe anzuvertrauen wäre wohl sehr untypisch für den Einzelgänger.

Einen Pakt zu brechen

Auf der Reise in das Persönliche und Intime gestaltet sich jedoch eine Fragestellung interessant, für die Expurgico alle Voraussetzungen mitbringt. Karjunon, der sich selbst für einen Magierphilosophen hält, schließt in einer Notlage einen Pakt mit jener Macht, die schon Borbarad zu täuschen vermochte. Zwar spielt die Beschreibung des Paktbruchs selbst eine wichtige Rolle im Roman, doch die negativen Konsequenzen des Paktes bleiben an der Oberfläche. Die geistigen und moralischen Konsequenzen eines Seelenpaktes sind Dinge, die im Rollenspiel schwierig zu erfassen sind. Die Formel: Erhalte jetzt große Macht und zahle die Rechnung nach deinem Tod funktioniert im Rollenspiel nicht.

Wie so oft versucht sich DSA wieder einmal daran zu regeln, was nicht zu regeln ist. Mit der Einführung von Paktmalen und dem dämonischen Verfall bemühten sich die Designer einen Gegenpol zu schaffen zu den Versprechungen, die einfach in Regeln zu fassen waren.
Auch Karjunon genießt die Vorteile seines Paktes. Nicht zuletzt sind es die Paktgeschenke, die es ihm erlauben, seinen Weg zurück in die Welt der Gildenmagie zu finden. Doch obwohl ihm die Kriecherei vor den Mächten angeblich zuwider ist, macht er keine Anstalten seinen Pakt zu lösen, bis Savertin ihn dazu zwingt.

Da der Roman die emotionale Seite des Paktes nicht weiter thematisiert, bewegen wir uns hier im Bereich der Mutmaßungen. Allem Anschein nach befindet sich Karjunon jedoch am gleichen Punkt, den auch Spieler-Paktierer schnell erreichen. Der Kredit ist ausgezahlt, doch die Schuldeneintreiber sind in weiter Ferne. Warum also die Eile? Obwohl er über viele andere Mittel verfügt macht er immer wieder Gebrauch von starken Dämonen. Den schleichenden Verfall, der in seinem Fall wohl er rasant zu nennen wäre, scheint ihn nicht zu bewegen. Karjunon hat keine Angst um seine Seele, eine innere Auseinandersetzung mit seiner vorgeblichen Überzeugung und seinem eigenen „kriecherischen“ Verhalten findet nicht statt. Die Bedrohung durch den Pakt bewegt sich allein auf der äußerlichen Ebene. Savertins Ablehnung der Dämonologie und die Gefahr einer Verurteilung durch die weißmagischen Häscher sind die eigentlichen Triebfedern im Umgang mit dem Pakt. Der Kampf mit den Seelenqualen und der Bedrohung durch die Niederhöllen findet hier nicht statt. Wer dies sucht, muss wohl doch noch einmal die Teile der Galotta Biographie herauskramen oder sich die Hennens und Corvus Zidaine Saga zu Gemüte führen.

Überhaupt ist natürlich Rache ein sehr starkes menschliches Motiv. Nicht umsonst verwenden beide der oben genannten Erzählungen diese Emotion als Kern ihrer Paktgeschichten. Karjunon Silberbraue hat dabei mehr als genug Grund auf Rache zu sinnen. Sein Leben wurde zerstört aus für ihn lächerlichen Gründen. Denn so sind ihm die Worte des ehemaligen korrupten Bibliotheksgehilfen Hilarud in Erinnerung geblieben:

Der Schutz der weißen Gilde erfordert die Verurteilung von Magiern, deren Schuld nicht bewiesen ist.

Unser Anti-Held hätte also allen Grund nach Rache zu sinnen. Und die Nebenhandlung will uns auch genau das verkaufen. Der Tod des Hilarud von Kuslik 25 Jahre nach der Expurgation wird mit Indizien unterfüttert, die zu Karjunon Silberbraue passen. An Beweisen fehlt es freilich und so konstruiert der Autor einen anderen Grund, der Silberbraue auf den Scheiterhaufen bringen soll. Natürlich sind die Versprechungen des Blakharaz für einen Spieler-Magier wenig interessant. Amazeroths Geschenke von Wissen und Macht sind für den durchschnittlich anarchistischen Egomanen unter Spieler-Kontrolle weitaus attraktiver. Zu einem Paktbruch gehört jedoch aus meiner Sicht auch der entsprechende Leidensdruck. Dass Silberbraue dafür die Anordnung eines Vorgesetzten benötigt ist einer der ironischen Momente des Romans.

Weitere Fragen an Aram Ziai

Noch einmal kehre ich mit meinen Fragen zu dem Autor Aram Ziai zurück. Vielleicht kann der Autor Licht ins Dunkel bringen, wo mein schwarzes Auge versagt.

Ich vermisse die klare Kante in der Charakterentwicklung des Protagonisten. Auch die angebliche Angst vor Dämonen als Motivation für die übermäßig intensive Vertiefung in die Dämonologie wirkt dünn aufgetragen. Was war dir wichtig in dieser Erzählung rüberzubringen?

Was die Charakterentwicklung Karjunons angeht, ist sie im ersten Teil noch nicht so stark ausgeprägt, er ist hauptsächlich damit beschäftigt, sich als Einzelkämpfer durchzuschlagen und selbst von den temporären Gefährten fühlt er sich misstrauisch beäugt und im Stich gelassen. Dass er in der Nacht ihrer Flucht Asmodea um Hilfe bittet, kostet ihn schon große Überwindung, aber beim Abschied findet er dann doch keine richtigen Worte des Dankes, weil er zu sehr in seiner Rolle des Lehrmeisters steckt. Dennoch geht er kleine Schritte auf seine Mitmenschen zu und will auch nach seinem Neuanfang weniger grantig und misanthropisch sein – mit mäßigem Erfolg.
Die Angst vor Dämonen als Motivation zu lernen, wie man Dämonen beherrscht, war für mich ein wichtiges Element, um etwas von dem Bild des harten Kerls mit eisernem Willen wegzukommen bzw. es zu relativieren. Ebenso wie die angedeutete freundschaftliche Beziehung zum buckligen Friedhofswärter, getragen von der Solidarität mit anderen hässlichen Sonderlingen. Was mir noch wichtig war rüberzubringen: dass selbst erfahrene Helden oder Protagonistinnen scheitern und ihnen nicht alles gelingt

– Spoileralarm –

z.B. das Zauberduell mit Atherion, die Dämonenbeherrschung ohne Ring oder eben der Paktbruch

– Spoilerende –

und sie dann doch auf Andere angewiesen sind.

Der Paktbruch ist ein zentrales Element in der Erzählung. In meinen Augen werden aber die metaphysischen Nachteile des Paktes wenig oder gar nicht thematisiert. War das eine bewusste Entscheidung oder woran hast du dich für deine Erzählung orientiert?

Das ist richtig: Was Karjunon primär zu stören scheint, ist die Unterordnung unter eine mächtige höhersphärische Entität, auch wenn die Aussicht auf die Seelenmühle ebenfalls eine Rolle spielt (156f), und es wird lediglich erwähnt, dass ein Pakt aus Perspektive der Magierphilosophie ein No-go ist, aber nicht ausführlicher darauf eingegangen. Das wird in Teil zwei nochmal deutlich stärker thematisiert und von verschiedenen Charakteren jeweils auf ihre Weise (utilitaristisch, religiös, sphärologisch) problematisiert. (Streng genommen habe ich noch keinen Vertrag für den zweiten Teil, aber hoffe darauf, dass Ulisses das auch so eine gute Idee findet wie die Leute im DSA-Forum und habe daher schon angefangen zu schreiben …) Was die Orientierung angeht: Dass Karjunon die Früchte des Paktes erntet, aber seine negativen Aspekte verdrängt, ist ein Verhaltensmuster, das mir in dieser Welt immer wieder begegnet ist. Ok, nicht mit Dämonenpakten, aber vielleicht mit ihren diesseitigen Äquivalenten.

Wer ist Harry Simon und was hat er mit Hartwurst zu tun?

Harry Simon ist einer meiner ältesten und besten Freunde, und er hat vor vielen Jahren mal einen wunderbaren Text geschrieben (nachzulesen auf Wege des Meisters, S. 154), der sich (als Persiflage) (kennt man das Wort heute noch?) mit unterschiedlichen Formen von aventurischer Wurst, ihrem Gewicht und ihrem Nährwert im Rahmen von Proviantregeln auseinandergesetzt hat – als gutgelaunte Stichelei gegen eine übertrieben simulationistische Art des Rollenspiels. Wobei er natürlich immer noch vehement verfochten hätte, dass alle so spielen sollen, wie es ihnen Spaß macht, einschließlich der Abzüge von W3 auf die nächtliche Regeneration am 12. Tag der Überlandreise, weil die Wurst nicht so lang haltbar war.

Der Durchbruch bei den Forschungen an den borbaradianischen Formeln gelingt erst durch den Einsatz des Astralvisualisators. Ist das Ding deine Erfindung und wie kamst du darauf?

Das habe ich wie so vieles aus dem wunderbaren DSA-Universum übernommen und keinesfalls selbst erfunden. Der “arkananalytische Matrixvisualisator” steht im Institut für Arkane Analysen in Kuslik (Hallen Arkaner Macht, S. 98) und ich hatte mir lediglich überlegt, dass einige Jahre zuvor Robak in Punin schon eine Art Prototyp entwickelt gehabt haben könnte.

Erst im Rückblick fiel mir auf, dass Karjunon als Abgänger der Halle in Kuslik zuallererst in der Mutanda ausgebildet ist. Abgesehen davon, dass er die Hauszauber offensichtlich beherrscht und seine ersten arcanologischen Überlegungen mit Robak an einem solchen Beispiel diskutiert, spielt die Mutanda jedoch eine geringe Rolle in dieser an Zauber nicht armen Erzählung. Neben den allfälligen Zaubern eines wandernden Adepten spielen jedoch vor allem dämonische Beschwörungen eine Rolle. Wie siehst du das, spielen Verwandlungen im Leben des Karjunon keine große Rolle mehr? Oder handelt es sich eher um eine verzerrte Wahrnehmung?

Die Verwandlungszauber werden in hohem Alter bzw. bei zunehmend klapprigem Körper (GE 9, KK 8) immer schwieriger (also wenn die Regeln die Spielwelt adäquat widerspiegeln – ich finde das eigentlich schade) und rücken bei ihm gegenüber den dämonischen Beschwörungen und borbaradianischen Zaubern daher etwas in den Hintergrund.

Die Andeutungen zu einer Fortsetzung von Expurgico häufen sich 🙂 Neben verschiedenen Themen wie den Pakt und (hoffentlich) seine negativen Konsequenzen gibt es ja noch andere offenen Fragen. Welche Themen hast du für eine Fortsetzung ins Auge gefasst?

Ja, mein PR-Manager hat mir zu solchen Teasern geraten 🙂 Ich habe eigentlich nicht in erster Linie Themen ins Auge gefasst, sondern versuche einfach die Geschichten von Karjunon, Asmodea, Selara, Anselmo und dem Spiegelamulett auf spannende und schlüssige Art weiterzuspinnen – und die im DSA-Forum angemerkten “losen Fäden” so zu verknoten, dass ich nicht noch einen dritten Teil schreiben muss. Aber die Anklage wegen Hilarud von Kuslik, Paktbruch und Basilius-Prüfung (samt zufrierender Khom-Wüste) werden wohl Thema sein, aber auch die Identitätsfindung mancher Charaktere und ethische Fragen von Schuld und Sühne.

Das nehme ich mal als Hinweis, dass noch Themenwünsche eingereicht werden dürfen. *Aufschrei des Autors im Hintergrund*
Welche Biographie einer aventurischen Persönlichkeit müsste deiner Meinung nach noch geschrieben werden?

Ich würde sagen Kaiser Hal und seine wilde Geschichte mit

– Spoileralarm –

Thronfolgeproblemen, Transgenderaspekten, Separatismuskriegen, Fischvergiftung, verhängnisvoller Nahema-Affäre, Tausend-Oger-Zug, Attentat, Untertauchen und epischer Rückkehr im Jahr des Feuers

– Spoilerende –

schreit geradezu danach. Aber wahrscheinlich schreibt sie gerade schon jemand, oder?

Was für eine Idee. Das Leben des verehrten Kaisers Hal bietet in der Tat mehr spannende Momente und aktuellere Perspektiven als fast alles, was wir bisher an biographischem aus der Welt des Schwarzen Auges gelesen haben.

Vielen Dank für diese ausführlichen Antworten.

Das Fazit

Im Rückblick darf ich wohl festhalten, dass Expurgico hält, was es verspricht. Mit großem Detailreichtum und Sachkenntnis schildert Aram Ziai den Weg eines Gildenmagiers, der den typischen Versuchungen erliegt, in Konflikt mit dem (Gilden-)Gesetz gerät und dafür die Höchststrafe kassiert. Der mühsame Weg zurück ist gezeichnet von weiteren Niederlagen und wenigen Triumphen.
Ziai geht dabei auf der emotionalen Ebene nicht so sehr in die Tiefe, wie dies Ludwig und Wachholz mit ihren Romanen zu Galotta taten. Dafür setzt Ziai mehr auf erlebte Gildenpolitik und zahlreiche prominente Gastauftritte.

Die Angst im Auge des Beschwörers, so muss das aussehen.

Verschwiegen sei dabei allerdings nicht, dass die Zielgruppe eindeutig nicht der gemeine Leser von Allerweltsfantasy ist. Wer Selem erst auf der Landkarte suchen muss oder sich fragt, wer zur Hölle bei der Schlacht von Andalkan kämpfte, wird vermutlich ebenso Mühe haben dem Geschehen zu folgen, wie jene, welche die diversen Zaubersprüche ständig im Glossar nachsehen müssen.

Erst beim Layouten kehre ich nun wieder zurück zu jenem Element des Buches, welches den Leser analoger Bücher als erstes empfängt. Das Cover von Nadine Schäkel zeigt den schon mal als “Typ Imperator aus Star Wars” charakterisierten Schwarzmagier in vollem Einsatz mit angst geweiteten Augen. Hier gelingt es der Künstlerin deutlich werden zu lassen, was der Autor nur andeutet. Die Angst im Angesicht der Niederhöllen steht dem Magus ins Gesicht geschrieben. Wer die zugehörige Szene an der Trollpforte liest, der wird verstehen, warum auch der brillante Magus hier um sein Leben fürchtet.

Referenzen

Da der Roman zwar ein Glossar enthält, in dem beispielsweise die zahlreichen Zauber erklärt sind, aber kein Personenverzeichnis, habe ich eines erstellt.

  • Anselmo, Scholar an der Akademie der vier Türme
  • Carolan Schlangenstab, Absolvent und später Spektabilität der Akademie zu Kuslik
  • Elendra, Scholarin an der Akademie der vier Türme
  • Hilarud von Kuslik, Spektabilität zu Perricum, davor Bibliotheksgehilfe
  • Liscom Ghosipar, stellvertretende Spektabilität der Al’Achami zu Fasar, ein Borbaradianer
  • Olorand von Gareth-Rothenfels, Magister an der Schule der Austreibung zu Perricum und (ehemals stellvertretender) Leiter der Akademie
  • Prishya von Garlischgrötz-Grangor, Spektabilität zu Punin und Koryphäe der Clarobservantia
  • Robak von Punin, Forscher an der Akademie zu Punin, Entwickler des Astralvisualisators
  • Der große Rohalius, ein Straßenkünstler und Borbaradianer
  • Rondrigo, Scholar an der Akademie der vier Türme
  • Saldor Foslarin, Convocatus Primus der Weißen Gilde und Herr über die Pfeile des Lichts
  • Salpikon Savertin, Spektabilität der Akademie der vier Türme und Convocatus Primus der schwarzen Gilde. Gründer des Bundes der Schatten und erklärter Feind des Borbaradianismus
  • Schwarzborke, Golem in der Bibliothek der Akademie der vier Türme
  • Selara Moriani, Vize-Spektabilität zu Perricum mit einem Haß auf Schwarzmagier
  • Thomeg Atherion, Spektabilität der Al’Achami zu Fasar, entschiedener Gegner des Borbaradianismus
  • Tziktzal, geheimnisvolle Leibdienerin des Salpikon Savertin, eine Achaz
  • Uribert von Kieselburg, legendärer Abenteurer zur Zeit der Herrschaft Kaiser Retos
  • Zino Asmodea Umbarion, Assistentin von Karjunon und ehemalige Schülerin von Pôlberra
Dieser Beitrag wurde unter Aventurien, Das Schwarze Auge, DSA-Autor, Interviews, Rezension, Roman abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

3 Antworten zu Expurgico Cantus II

  1. Pingback: Zweiter Teil der Expurgico-Rezension bei Nandurion – Nuntiovolo.de

  2. Artjam v. Salderkeim sagt:

    Tolles Interview! Danke für diese spannenden Einblicke. Eine Schande, dass der Autor noch immer keinen Vertrag für das zweite Buch hat. Das sollte sich schleunigst ändern. 😉

  3. elmar jäger sagt:

    Danke für das Personenverzeichnis! Dieses fehlt leider im Buch und bei einen guten DSA Roman ist mir sowas eben total wichtig und hilfreich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert