Der Zorn des Fans

„Je mehr sich Dinge ändern, umso gewisser, dass alles gleich bleibt!“
– Snake Plissken, Flucht aus L.A.

Die Leser dieses Blogs werden es wissen. Der Verfasser dieses Eintrags hat eine lange Leitung. Tatsächlich liegen manche Beiträge Wochen oder gar Monate in der Pipeline und es vergeht beträchtliche Zeit zwischen einem ersten Text und der Veröffentlichung. Die Geschichte dieses Artikels ist jedoch eine besondere. Nachdem Mit-Nanduriat Thorus84 einen Artikel zur Zukunft des Schwarzen Auges geschrieben hatte, fühlte ich mich spontan berufen seine Ideen aufzugreifen und weiterzuspinnen. Dann kam jedoch alles anders. Das sogenannte OGL-Desaster der D&D Macher und die Reaktionen des Ulisses Verlages darauf, machten die kontemporären Kommentare meines geschätzten Mitspötters obsolet. Natürlich hätte ich auch diesen Artikel über Bord werfen können. Zwei Gründe sprachen jedoch dagegen. Zum einen stellte ich beim Schreiben jüngerer Artikel immer wieder fest, dass ich mich gedanklich auf diesen Text hier bezog. Sein Nichterscheinen hätte meine Texte damit eines wichtigen Bezugspunktes beraubt. Der zweite Grund ist die Reaktion des Ulisses Verlags. Da der ursprüngliche Impuls zu Thorus84s Text die RatCon 2022 war und der Verlag nun inzwischen ein Jahr später auf die Entwicklungen aus dem OGL-Debakel reagiert hat, kann ich gewissermaßen meine Ideen mit denen des Verlags abgleichen. Eine Kommentierung aus der Zukunft gewissermaßen. Diese spannende Perspektive auf mein eigenes Vergangenheits-Ich wollte ich mir nicht entgehen lassen. Und den Lesern unseres kleinen Blogs nicht vorenthalten. Schauen wir also was war.

Wie Phoenix aus der Asche

Der Niedergang des Rollenspiels war eigentlich eine ausgemachte Sache. Computerspiele und Medienkonsum hatten dem guten alten Pen&Paper den Rang abgelaufen. Das verbleibende Häuflein Elend folgte der bewährten Taktik in einer solchen Situation und begann sich zunehmend selbst zu zerfleischen. Endlose Grabenkämpfe um das Spielsystem, die Regeledition oder das wahre und gute Rollenspiel spielten die Fanfaren des Untergangs. Doch dann kam alles anders.

Nach langer Vorbereitung stemmte sich der Ulisses-Spiele Verlag 2015 mit einer neuen Edition des Schwarzen Auges gegen die zunehmende Ermattung durch das DSA4-Regelungetüm. Die Geschichten der postborbaradianischen Ära waren ausgelaufen und es musste etwas Neues her. DSA5 sollte der große Wurf werden. Das Heldenzeitalter wurde ausgerufen. Die Regeln neu und konsistenter designt, Schwachpunkte ausgemerzt, und Hürden im Spielfluss beseitigt. Das beste DSA aller Zeiten sollte alle glücklich machen und nur mit dem Grundregelwerk spielbar sein. Um den Nachwuchs zu erreichen, wurde die Künstlerische Leitung des Verlages mit einem neuen Designkonzept beauftragt. Erstmals wurde das gesamte Aussehen der Produkte einem gezielten Entwicklungsprozess mit konkreter Agenda unterworfen. Ein unglaublicher und großer Schritt.

Zunächst noch weitgehend unbemerkt von der deutschen Sicht der Dinge, erblickte noch ein anderes Produkt 2015 das Licht der Welt, dessen Einfluss auf das Rollenspiel vermutlich kaum überschätzt werden kann. Die Webserie Critical Role begann ihren Siegeszug und wurde bald zu einem weltweiten Phänomen. Ich persönlich bin der Meinung, dass Mat Mercer und seine Truppe das Rollenspiel gerettet haben und wir dem Typen kaum dankbar genug sein können. In Folge der illustren D&D Runde wurde das Actual Play zum Trend und unzählige Menschen begannen sich zu fragen, was das für ein ungeheuer spaßiges Spiel war, das da gespielt wurde.

Der letzte Feuerwerkskörper war dann die weltweite Pandemie, die uns jahrelang in virtuelle Sitzungsräume verbannte. Diejenigen, die nach der fünften Serie aus dem ewigen Stream der elektronischer Medien endlich die Passivität des Daseins verlassen wollten, hatten urplötzlich die Möglichkeit, durch die zahllosen Online-Runden in das beste Hobby aller Zeiten einzusteigen. Nachdem die Pandemie in weiten Teilen der Bevölkerung als weitgehend überwunden gilt, finden sich nun auch immer mehr Menschen, die ihre Online-Erfahrung nun gerne mit richtigen Menschen live und in Farbe fortsetzen wollen. Werden sie das Schwarze Auge spielen oder sich für eine der zahlreichen Alternativen entscheiden?

Wo wir stehen

„Und in der Tat, Bilbo fand, dass er mehr als seine Löffel verloren hatte ─ er hatte seinen guten Ruf verloren. Er blieb zwar Zeit seines Lebens ein Elbenfreund und hatte die Ehre, Zwerge, Zauberer und noch andere merkwürdige Leute, die hier vorüberkamen, seine Gäste nennen zu können. Aber er galt als nicht mehr ganz respektabel. Ja, er wurde von allen Hobbits seiner Nachbarschaft für verschroben gehalten …“
– J. R. R. Tolkien, Der kleine Hobbit

Nicht überall gerne gesehen: der Überbringer neuer Editionen

Eigentlich sollten Rollenspieler wie Bilbo sein. Sie sollten das Abenteuer suchen und dem Neuen gegenüber offen sein. Allzu oft ist jedoch das Gegenteil der Fall. Veränderung wird als Bedrohung empfunden und der Bote der Veränderung wird vor die Tür gesetzt.
Natürlich kann ich hier nur für mich selbst sprechen. Aber niemand ist eine Insel und so findet sich manche Evidenz, dass auch andere Menschen über die Fragen nachdenken, wie es mit dem Schwarzen Auge weitergehen soll.

Im Jahr 2016 forderte Vibarts Voice auf Nandurion, wir sollten keine Fans mehr sein, sondern Liebhaber des schwarzen Auges werden. So würde jeder nach seiner Facon glücklich werden und niemand müsse sich mehr damit befassen, welche Meinungen andere Leute von seinem liebsten Rollenspiel hätten.

Meine Verwirrung und Frustration über dieses Konzept maximaler Beliebigkeit, kulminierte Anfang 2017 in einem Artikel zur Wahrnehmung und Bewertung der Produkte der fünften Edition.

In seiner beachtenswerten Keynote auf der Limburger RatCon 2022 endet Geschäftsführer Markus Plötz mit einer emotionalen Ansprache zur Lage der (Rollenspiel-) Nation. Seine Kernthesen (kurz nach der 2-Stunden Marke):

  • Überalterung: Die Community schafft sich ab. Die Fans werden älter und Neueinsteiger gehen lieber zu D&D oder anderen Spielen.
  • Gatekeeping: Rollenspielinteressierte werden von DSA abgeschreckt. Interessierten Neulingen verlangt man gerne erst mal ein halbes Jahr Quellenstudium und mehrere hundert Seiten Regelkenntnis ab.
  • Toxizität: Mancherorts präsentiert sich die DSA-Community geradezu “toxisch”. Durch Passivität überlassen wir den Besserspielern und Idioten das Feld.

Plötz schließt mit dem Appell anderen nicht das Hobby zu vermiesen und uns alle an unserem großartigen Hobby zu erfreuen. Leider bleibt es jedoch dabei. Ein Rezept oder gar einen Masterplan kann der Geschäftsführer von Ulisses, wenig überraschenderweise, nicht vorweisen. Vielleicht ist es auch die Resignation aus der Erkenntnis: Ich kann andere nicht ändern, sondern nur mich selbst.

Auch 2023 nennt Markus Gatekeeping das größte Problem der Rollenspielszene. Eine Problematik, die auch im ersten Absatz meines originalen Textes mitschwingt.

Nicht unerwähnt bleiben soll hier jedoch die Verleihung des Community Awards an mehrere verdiente Hobbyisten. Ganz zuvorderst sei hier Kai Frerich genannt, der sein unermüdliches Engagement zuletzt teuer bezahlen musste.

Als jüngste Reaktion hat unser Joker-Nanduriat Thorus nun den Wettbewerb der Kreativen gefordert. Passivität und der eigenbrötlerische Rückzug in elitäre DSA-Kreise ist zu wenig.

„Liebhaberei reicht nicht mehr. Wir müssen wieder zu Fans werden.“
– Thorus84, Nandurion

Doch wie müssen wir das verstehen? Den anderen ihren Spaß lassen ist zu wenig. Können wir überhaupt etwas gegen toxisches Fandom tun und positive Energie ausstrahlen? Wie kann das heilsame Fantum wieder Begeisterung wecken? Und wie können Fans mit ihrem Enthusiasmus andere inspirieren? Im nächsten Abschnitt werde ich genau dazu aufrufen.

Dieser letzte Absatz bezieht sich natürlich auf den „verschollenen“ Artikel von Thorus. Die Kernbotschaft würde ich ein Jahr später jedoch weiterhin unterschreiben. In wieweit die Popularität von D&D tatsächlich gelitten hat, kann ich nicht abschätzen. Die Kritikpunkte an DSA bleiben jedoch bestehen. Und wenn Critical Role demnächst sein eigenes Rollenspiel veröffentlicht und damit D&D den Rang ablaufen sollte, dann hilft das dem Schwarzen Auge vermutlich wenig.

Eine Zumutung in drei Akten

Veränderung ist schmerzhaft. Wir sind lieber bequem. Daher nenne ich meinen Aufruf eine Zumutung. Alles andere wäre zu wenig. Und damit jeder sein Fett weg bekommt, teile ich meinen Aufruf in drei Gruppen.

Der Esel

Hätten sie es gerne knusprig oder flauschig? Eine Frage der Perspektive

Der Esel nennt sich bekanntlich immer zuerst und darum will ich hier auch mit meiner Person anfangen. Natürlich werde ich auch weiterhin versuchen, in meinen Spielrunden Einsteiger und Zurückkehrer abzuholen. Aber seien wir ehrlich. Die Breitenwirkung der persönlichen Spielrunde ist nicht das, wonach wir hier suchen.

Meine Meinung zählt: Wenn ich ehrlich bin, dann muss ich zugeben, ich bin bequem geworden. Ich habe keine Lust mehr, mich mit langweiligen Produkten auseinanderzusetzen. Und langweilig kann in diesem Kontext auch bedeuten, es hat für mich und meine Spiele keine Relevanz. Die Illusion, Meinungen würden irgendetwas an einer Produktpolitik ändern, ist gar zu fad. Der Glaube Rollenspielprodukte seien Kunst und damit über jede Einordnung in gute oder schlechte Produkte erhaben, ist ermüdend. Aber womöglich ist das falsch. Jubelperser und Krawallmacher liefern keine hilfreichen Meinungen. Verkaufszahlen allein bieten nicht ausreichend Feedback für künftige Entwicklungen. Also werde ich Artikel vom Typ Meinung schreiben. Artikel wie diesen hier. Ich werde riskieren, dass der Mob aus dem Keller kommt und Infamie schreit. Ich werde loben und kritisieren. Und ich werde es riskieren eine Meinung zu haben.

Einige dieser Punkte fand ich in den Kommentaren zu Engors Einsamkeit wieder. Der letzte Super-Rezensent in seiner Festung der Einsamkeit beklagte das Fehlen weiterer aktiver Rezensenten und jene die einst schrieben antworteten ihm. Ein lesenswerter Eintrag.

Über geile Produkte reden: In der Flut von Nebensächlichkeiten, Pflichtübungen und Scherzartikeln droht manches hervorragende Produkt unterzugehen. Aber auch wenn ich nicht die Ressourcen finde, Produktbesprechungen in einer traditionellen Art zu machen. So werde ich dennoch meine (selbstverständlich höchst subjektive) Meinung äußern. Ich werde immer wieder auf meine Publikationshighlights hinweisen. Vielleicht werde ich auch sagen, was ich mir mehr oder anders gewünscht hätte. Aber ich werde DSA feiern.

Diese Ideen habe ich in meinem Artikel Der Tod der Rezension auf Nandurion weitergesponnen. Ich bin immer noch der Meinung, dass es sich lohnt über (gute) Produkte zu reden.

Community sind wir: Alte Leute wie ich erinnern sich an eine Zeit, an der die DSA-Gemeinde noch anders auftrat. Als man im Netz geradezu elektrisierend neue Entdeckungen machen konnte und irgendwo immer einer an einer neuen Idee bastelte. Als nicht alles zentralisiert und kommerzialisiert war und Fans ganze Kontinente mit eigenen Ideen füllten. Gewiss gibt es das heute auch noch irgendwo da draußen und vieles ist durch die Zentralisierung auch besser geworden. Es erreicht nur nicht mehr meinen Radar. Aber auch ich werde weiter meinen Beitrag leisten und zeigen, dass DSA nicht nur Konsum der Produkte aus dem Haus Ulisses bedeutet. (Wobei ich als Ökonom ja ein großer Fan davon bin, dem Verlag, der DSA macht, Geld zu geben, damit er weiter Produkte herausbringen kann.) Fansein kann auch einen Beitrag im kreativen Gesamtwerk leisten. Vielleicht werden dies Berichte aus der Werkstatt sein, Erfahrungen vom Spieltisch oder ein nicht nur nostalgischer Blick ins Bücherregal. Hoffentlich werde ich auch auf die Ideen und Projekte anderer hinweisen. Es wird schwierig sein, ein paar der Tausend Ideen in meinem Kopf vom Labor auf die Straße zu bringen. Aber ich werde dran bleiben.

Der Fan

Anekdotische Evidenz III
„Eigentlich gibt es kaum einen Unterschied zwischen D&D und DSA.“
– E. aus N. Rollenspieleinsteiger, D&D Spieler und DSA Spieler

Edition Wars, die letzten Religionskriege unserer Zeit

Ja so kann man das auch sehen! Letzten Endes sind es, wie fast immer im Leben, die Menschen, die den Unterschied machen. Und was heißt das für die sogenannten Fans da draußen? Wil Wheaton würde sagen, “Dont be a dick”.

Das Gegenteil von Haß ist nicht Toleranz und Passivität. Es besteht auch nicht aus noch mehr Haß gegen die, die vermeintlich Haß verbreiten. Was wir brauchen ist Positivität, Ermunterung, Anerkennung. Sucht das persönliche Gespräch und befreit euch von Vorurteilen. Wir alle wissen, dass das sogenannte “Social Media” menschliche Beziehungen vergiftet. Also belebt die Community mit positiven Beiträgen. Seid nett, selbst wenn die anderen es nicht sind.

Respektiert den Fortschritt: Ich habe bis weit in die Nuller-Jahre DSA3 gespielt. Als ich mich in DSA4 angekommen fühlte, stand DSA5 vor den Toren. Also wechselte ich auf DSA5. Manche Regeln kenne ich noch heute besser in der 3. Edition als der aktuellen. Aber ich käme nie auf die Idee, einem Neuling zu sagen, er solle mit mir bitteschön DSA3 oder 4 oder 2 oder was weiß ich spielen. DSA4 ist mehr als 20 Jahre alt. DSA5 ist fast so alt wie meine Kinder. Wem will ich erklären, dass er/sie sich die Regeln gefälligst antiquarisch besorgen soll, PDFs davon nicht verfügbar sind, die Regelwiki von Ulisses nicht verwendbar ist und aktuelle großartige Publikationen mich leider nicht interessieren. Wenn ich ständig rumrenne und nöle, dass früher alles besser war, dann ist das vermutlich der beste Weg um interessierte Menschen von diesem Spiel abzuhalten. Also weniger meckern, mehr feiern.

Nun ja. Die Entscheidung des Verlages auch sämtliche alten Regeln wieder zu veröffentlichen passt nicht so ganz zu meinen Vorstellungen. Auch wenn ich das aus einer kurzfristigen wirtschaftlichen Perspektive für nachvollziehbar halte, bin ich höchst skeptisch ob das strategisch die richtige Entscheidung war.

Lob ist Trumpf: Sagt was ihr gut findet. Hört auf zu nörgeln, weil irgendeine Professionsvariante noch nicht in Regeln gegossen wurde oder ein Fitzel Aventurien noch keine neue Regionalbeschreibung hat. Wann immer ihr etwas gut findet, lasst es alle wissen. Und das gilt nicht nur für die Produkte des Verlags. Wann habt ihr das letzte Mal Engor für eine Rezension gedankt? Wann auf Facebook eine vermeintlich doofe Frage positiv gewürdigt? Wann ein paar nette Worte zu einem Download im Scriptorium geschrieben?

Ich stelle fest es wird immer noch viel gejammert und genölt. Einige Schnitzer in den jüngeren Produkten sind leider auch ärgerlich. Was ich immer schwierig zu beurteilen finde, ist die Frage, ob die Nörgler zu den kaufenden Kunden gehören der sich nur durch das Internet trollen. Ebenso unklar bleiben die tieferen Ursachen für vermeintliche oder tatsächliche Qualitätsprobleme. Das zuwenig gelobt und zu viel genörgelt wird ist wohl eine deutsche Konstante.

Der Verlag

„Das Schwarze Auge ist nicht das Regelsystem. Das Schwarze Auge ist die Welt und Das Schwarze Auge sind die Geschichten, die wir da zusammen drin erleben können.“
– Markus Plötz 2020 im Interview mit Mr Turkelton

Welch elektrisierende Worte! Als hätte er mir aus der Seele gesprochen. Aber kommt das auch so bei den Leuten da draußen an? Was wollen, ja was brauchen die?

Gebt uns das lebendige Aventurien: Wenn das Schwarze Auge durch Geschichten definiert wird, dann sind die Geschichten und die dazugehörigen Produkte das wichtigste Argument für das Spiel. Ein Teil der DSA5 Skepsis könnte sogar daran liegen, dass DSA4 spektakuläre(re) Abenteuer zu bieten hatte, die dem aktuellen Aventurien fehlen. Einen hervorragenden Anfang stellt für mich der Rabenkrieg dar. Hier wurde mal wieder was bewegt. Aber zum lebendigen Aventurien gehört auch, dass die Region und die Folgen des Krieges nun mit weiteren Abenteuern versorgt werden. Und dann wären da noch die Figuren. Ich kann die Kritik, dass es keine spannenden Meisterpersonen gibt, kaum noch hören. Nanduriat Thorus hatte hierzu bereits einen lesenswerten Artikel auf Nandurion geschrieben.

Ein Jahr ist vergangen und ich habe das eine oder andere begeisterungswürdige Produkt gesehen. Aber es hätte mehr sein sollen. Da geht noch mehr.

Konflikt der Generationen

Aber was ist mit den Schurken und Helden los? Die Romanreihe zur Phileasson-Saga ist ungeheuer erfolgreich. Doch in Aventurien gilt der König der Meere als verschollen. Wann kriegt der Aikar endlich seinen Arsch hoch? Oder braucht es hier auch erst 13 Kreuzzüge bis der geniale Masterplan enthüllt wird? Immerhin durfte der, den sie fürchten sollen, in Al ‘Anfa jetzt endlich mal was reißen.

Ein Konzept ist nicht sakrosankt: Getroffene Entscheidungen müssen in einer funktionierenden Organisation respektiert und umgesetzt werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass jede Entscheidung unabänderlich ist. Nachdem Toyota das lean Management entwickelt hatte, galten sie lange als richtungsweisend in der Industrieproduktion. Wer jedoch dann über der ständigen Optimierung seiner Prozesse vergisst, zu hinterfragen, ob das eigene Produkt überhaupt noch zukunftsfähig ist, der reitet ein totes Pferd.
Markus beklagt in seiner Keynote (s.u.), dass Gatekeeper den Neuling mit „lies erst diese 400 Seiten“ abschrecken. Wer hat denn dieses unfassbar aufgeblasene Zeug auf den Markt gebracht? 400 Seiten? Dass ich nicht lache. Allein die Magieregeln umfassen 720 Seiten Extrabände. Ohne zusätzlichen Fluff wie aus Rohals Vermächtnis. Ich will das niemandem vermitteln, der mit dem Schwarzen Auge anfängt. Für meine Spieler muss das Grundregelwerk reichen.

Das Übermaß an Regelwust wird dadurch beantwortet, dass man alle Regeln, die es bisher gab, noch mal rausbringt? Und obendrein die aktuellen Regeln noch mal in Sammelbänden veröffentlicht? Ich bin etwas ratlos.

Zugänglichkeit ist heute wichtiger denn je. Lets plays müssen die offiziellen Regeln verwenden (können). Und das bedeutet, die Regeln müssen so gestaltet sein, dass das flüssig machbar ist. Da hilft es auch nicht, wenn auf dem eigenen Kanal noch so begeistert DSA1 gespielt wird. Muss wirklich zu jeder Region eine ganze Produktflöte erscheinen? Braucht es eine Regionalspielhilfe, wenn es keine lebendige Geschichte dazu gibt? Können die Abenteuertexte nicht deutlich kürzer ausfallen?

Und da ist es. Ulisses hat mit dem neuen Konzept der Produktflöten zumindest versucht, eine positive Veränderung herbeizuführen, welche die Nutzbarkeit erhöht. Daumen hoch für diesen Schritt.

Die inklusive Community: Manchmal scheint es, als liefen die Redakteure im Hamsterrad. Videos, Neuigkeiten, Berichte, Crowdfundings, Marketing bis zum Umfallen. Und dann noch mal der exklusive Collectors Club und der elitäre Hauskonvent. Natürlich muss man ein Produkt vermarkten, aber ein exklusives Event für alte, gut situierte Säcke wie mich ist doch eher abschreckend für den jungen Wäregernfan.

Die Community muss zur Beteiligung eingeladen werden. Rollenspiel ist ein aktives Hobby, kein passives sich berieseln lassen. Warum wird ein neues Produkt nicht durch einen Wettbewerb begleitet? Wieso gibt es keine Lets plays im Umfeld aktueller Kampagnen? Der Schelm Nr. 5 hat monatliche Umfragen am Start, aber ich soll zum Collectors Club um Feedback zu Rechtschreibfehlern zu geben? Anstatt zu versuchen immer speziellere Angebote für Vollzeit-Nerds zu machen, sollte die Schwelle für Einsteiger und Gelegenheitsspieler gesenkt werden. Wie wäre es mit einem regelmäßigen Fantalk, der auf aktuelle Entwicklungen und Fragen eingeht, aber verlagsseitig nur minimalen Aufwand fordert? Jeder Podcast führt seine Patreons auf. Wo bleiben eure Leuchtturmwärter? Wo können Vorschläge für den nächsten Community Award eingereicht werden? Natürlich darf das alles in Summe nicht zu mehr Arbeit für die Redaktion führen. Die Anhängerschaft des Schwarzen Auges ist jedoch eine Ressource, die einen wirkungsvollen Hebel lieferte, wenn man ihn nur ansetzte.

Es ist naturgemäß nicht ganz einfach eine Community positiv zu aktiveren. Was die Menschen vor 20 Jahren begeistert hat, lockt heute womöglich niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Also ausprobieren, hinfallen, aufstehen, was anderes probieren. Mit der ELF versucht der Verlag sowohl aus dem OGL Debakel Kapital zu schlagen, als auch die Community wieder zu aktiveren. Myranor kann wieder veröffentlicht werden. Jeder kann mit seinen Werken Geld verdienen. Ein großer Schritt und hoffentlich ein erfolgreicher. Und nicht zu vergessen, der Community Award wurde 2023 erneut vergeben. Ob er gut vermarktet wurde, müssen vermutlich andere beantworten. Ich freue mich für die Sieger.

Das Schlusswort

Trapped under rules oder wo geht es hier eigentlich zum Spaß?

Früher gelangte man zum Rollenspielen wie in einen Geheimclub. Doch heute ist das öffentliche Bild ein wichtiger Bestandteil, um Menschen anzusprechen. Viele Menschen sehen sich Lets Plays/Actual Plays an und finden Interesse an dem besten Hobby der Welt. Doch wenn sie sich dem Schwarzen Auge zuwenden, treffen sie auf alte selbsternannte ewig nörgelnde Fans, die eifersüchtig über ihre Geheimnisse wachen. Meterweise Publikationen, die irgendwie alle relevant für das Spiel sein sollen, wirken eher abschreckend als einladend.

Mit spannenden Geschichten und einer vielfältigen Rollenspielwelt Geld verdienen und dabei junge wie alte Fans begeistern? Für mich kein Widerspruch. Aber wir müssen endlich aufhören ein Spiel für alte Säcke wie mich zu machen. Es mag verlockend sein, das Geld mit den kaufstarken Allessammlern zu verdienen. Doch das ist kein zukunftsweisendes Konzept. Die Strategie muss wieder nach vorne zeigen. Und die Fans müssen wieder stärker vom passiven Konsumenten und ewigen Kritiker zum aktiven Mitgestalter und begeisterten Enthusiasten werden. Es wird nicht leicht werden. Aber es lohnt sich.

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