König der Meere – Schluss

Nachdem nun alle Heldentaten vollbracht sind, kehrt die Seeadler mit ihrer Besatzung zurück nach Thorwal. Dort, wo alles begann, versammeln sich nun wieder – ja wer eigentlich? Beim Durchzählen fällt auf, dass es kaum jemand vom Anfang bis zum Ende geschafft hat. Beorns Startformation ist entweder schon unterwegs auf der Strecke geblieben oder an seiner Seite im letzten Gefecht gefallen. Auch Asleifs Mannschaft hat zumeist nicht mehr nach Hause gefunden. Neben dem Drachenführer und der Schiedsrichterin sind nur noch Ohm und Tylstyr zurückgekehrt. Die wichtigste Qualifikation für den König der Meere scheint also das blanke Überleben zu sein.

König der Meere

Das letzte Kapitel mit seinen 25 Seiten befasst sich vor allem mit den zahlreichen Ehrungen, welche der Foggwulf und seine Mannschaft erhalten. Zuallererst steht jedoch der Besuch bei Beorns Söhnen und der geschmähten Mutter derselben an. Asleif nimmt es ernst mit seinem Versprechen an Beorn und ist entschlossen das Andenken des größten Plünderfahrers der Thorwaler zu ehren. Vielleicht hat er auch verstanden, was Rollenspielern nur selten gelingt. Der Sieg über einen Konkurrenten ist nur dann von Wert, wenn dieses Gegenüber kein inkompetenter Weichlappen ist.

Dann werden einige Ehrungen abgehalten, die Thorwaler feiern den König der Meere. Der Hochkönig der Elfen ernennt die Wettfahrer zu Ehrenmitgliedern seiner Leibwache. Wir erfahren auch noch, dass der Verlust der Zauberkraft offenbar kein Problem für Tylstyr darstellt, wollte er doch ohnehin der Magie abschwören. Ob Falnokul seinen Preis wohl ebenso entspannt sehen wird? Mit dem Wissen, wie die Lage auf den Inseln im Nebel sich entwickelt, fällt es mir weiterhin schwer dieses Opfer positiv zur würdigen. Im kurzen Epilog erfahren wir auch noch, dass Eilif sich den Schatz des Blenders unter den Nagel gerissen hat. Doch Asleif winkt nur ab, als dessen Sohn ihn um Hilfe bittet.

Das habt ihr nicht nötig. Ihr seid Beorns Söhne. Ihr werdet euch aus eigener Kraft Ruhm und Reichtum erwerben – und niemandem etwas schulden.
– Asleif Phileasson zu Asgrim Beornson nachdem er vom Diebstahl des Schatzes erfahren hat.

Das Ende einer Saga

Tatsächlich kommt das Ende für mich etwas abrupt. Nach der Rückkehr nach Thorwal passiert nicht mehr viel. Die meisten Gefährten der großen Wettfahrt sind ohnehin tot und manch anderer wird auch kein „Happy End“ mehr finden. So ist an dieser Stelle vielleicht doch der Moment für einen Rückblick gekommen, wie ihn auch Engor in seinem Dereblick beschrieben hat.

Die Phileasson-Saga ist selbst für die Maßstäbe der nimmersatten Fantasy-Redaktionen ein ordentlicher Brocken. Zwölf Romane mit jeweils knapp 500 bis zu über 900 Seiten Umfang sind schon ein beachtlicher Umfang. Die Zusammenarbeit zweier hoch produktiver Autoren hat sicher auch dazu beigetragen, dass die Romane trotz ihres Umfangs in kurzer zeitlicher Abfolge erscheinen konnten. Und neben der starken qualitativen Überprüfung hat die Aufteilung in einen Beorn-Strang, geschrieben durch Bernhard Hennen und einen Asleif-Strang von Robert Corvus auch dazu geführt, dass wir eigentlich gleich zwei Sagas erzählt bekommen. In früheren Rezensionen bin ich bereits darauf eingegangen, wie geschickt jeweils beide Handlungsstränge miteinander verwoben werden. Selbst dort wo räumlich eine starke Trennung herrscht, beispielsweise als Beorn bereits die Inseln im Nebel erreicht hat, finden sich Verbindungen und Parallelen und sei es auf einer metaphorischen Ebene.

Dieser Aufbau sorgt meines Erachtens auch für eine Dynamik, die über die ganze Reihe zu spüren ist und auch weniger dramatische Passagen trägt. Doch es gibt noch weitere Merkmale, welche die Saga auszeichnen. Zentral sind meines Erachtens:

  • Zwei miteinander verwobene Sagas der beiden Drachenführer
  • Wechselnde Perspektivfiguren mit immer neuer Konstellation
  • Prologe mit Rückblenden zur Vertiefung verschiedener Figuren
  • Zidaine-Saga als Geschichte in der Geschichte
  • Mehrfache Höhepunkte innerhalb der Reihe
  • Starke Verzahnung mit der aventurischen Spielwelt

Die Aufgabe, über eine solche Strecke nicht nur einen glaubwürdigen Gesamtrahmen zu bieten, sondern auch immer wieder packende Höhepunkte zu gestalten, ist keineswegs etwas, was allen Autoren gelingt. Natürlich liefert Hennens Vorlage hier schon einiges an Stoff und nicht jedes Finale strahlt über den einzelnen Band hinaus. Die Erkundung Ometheons und der Kampf gegen Mactans zählen jedoch sicher zu den herausragenden Momenten innerhalb der Saga. Aber auch das Finale im Tal der Echsengötter und die Konfrontationen auf den Inseln im Nebel bilden erinnerungswürdige Höhepunkte.

Wir sind viele

Die Zahl der Figuren in der Saga ist ebenfalls eine Besonderheit. Tatsächlich erinnere ich mich nicht, eine solche Vielfalt von Figuren über eine solche Strecke schon einmal gelesen zu haben. Die Autoren benutzen hier das Mittel wechselnder Perspektivfiguren, um immer wieder neuen Figuren Leben einzuhauchen. Somit ist auch die Einteilung in Protagonisten und Nebenfiguren nicht immer so klar. Und der unerwartete Tod einer Figur bedeutet keineswegs, dass diese zuvor nur mit rotem Hemd unterwegs war. Die hohe Verlustrate ist aus Autorensicht natürlich auch ein Vorteil, weil man so immer wieder Gefahr und Dramatik erzeugen kann. Außerdem liefert der Zufluss an Figuren auch immer wieder neue Figuren, mit denen der Autor sich beschäftigen kann.

Gerade zum Ende hin wird jedoch auch deutlich, dass die vielen Verluste auch problematischer Aspekte haben. Es gelingt mir irgendwann nicht mehr die neuen Figuren in mein inneres Bild der Ottajasko zu integrieren und dann fängt es allmählich an zu nerven. Als Asleif dem Hochkönig in der Traumwelt von seinen Kameraden berichtet, hat mich meine Erinnerung ein oder zweimal im Stich gelassen und ich fragte mich: „Wer zur Hölle war das gleich wieder“. Die Finale lassen gerade auch bei Beorn einige zu Tode kommen, die doch recht blass geblieben sind. Natürlich arbeiten die Autoren auch hier mit allen Tricks und schmeißen noch schnell Irulla ins Gefecht, damit auch die treuen Foggwulf Fans eine klare Identifikationsfigur haben. Ganz am Schluss bin ich jedoch irgendwie müde. Kaum jemand hat überlebt und mit dem Foggwulf fahren, heißt in den meisten Fällen wohl, sterbend zurückgelassen werden. Fast schon möchte ich in dem Tod von Vascal im letzten Band symbolhafte Bedeutung zuweisen.

Seit ein gewisser Autor den reihenweisen Tod seiner Protagonisten zelebrierte, ist das Töten von wichtigen Figuren ja mehr als salonfähig geworden in der Fantasy-Literatur. Ich kann es den Autoren also wohl kaum vorwerfen, auch wenn ich es immer noch für einen billigen Trick halte, wenn auf diese Weise Drama und Verlust erzeugt wird. Meines Erachtens böten sich zahlreiche andere Gelegenheiten, solche Momente auch weniger final zu gestalten. Die größte Mogelpackung in dieser Hinsicht ist jedoch eine Figur, deren Gewicht ich immer wieder angeprangert habe. Die unerbittliche Rächerin Zidaine nimmt mit ihrer Geschichte so viel Raum ein, dass dadurch nicht nur andere Figuren, sondern sogar die eigentliche Wettfahrt zum Teil in den Hintergrund rückt. Natürlich ist es legitim eine solche Geschichte erzählen zu wollen. Sie der Leserschaft jedoch in dieser Form unterzujubeln halte ich für problematisch.

Die Prologe

Meines Erachtens bietet die Saga genügend andere Beispiele für Dramatik und auch tragisches Potential, um die Zidaine-Saga entbehrlich zu machen. Vielleicht hat man auch auf diese Weise (erfolgreich) versucht eine weibliche Leserschaft stärker zu involvieren. Auch das ist sicher legitim. Gerade der Prolog zum ersten Band ist jedoch in meinen Augen auch heute noch ein Grund, die gesamte Saga zum Beispiel meinen Töchtern nicht in die Hand zu drücken. Schade, dass dadurch Menschen eine solch gelungene Erzählung verpassen werden.

Werfen wir noch einen Blick auf die Prologe. Drei von zwölf Kapiteln beschäftigen sich mit Personen aus dem Beorn Strang, wobei einer Beorn selbst ist. Ein weiteres Kapitel beleuchtet die gemeinsame Vergangenheit von Asleif und Beorn. Die Ottajasko von Asleif wird mit sieben exklusiven Prologen bedacht. Damit bleibt ein Prolog übrig, dessen bekannte Persönlichkeiten Vermis Gulmaktar und Vespertilio Organo sind, die eine bedeutende Rolle im Totenmeer spielen.

  1. Zidaine B (in die Niederhöllen gefahren)
  2. Abdul A (hinter den Nebeln)
  3. Crottet A und Nirka (ausgeschieden)
  4. Lailath A (verstorben)
  5. Beorn B (verschollen)
  6. Vermis Gulmaktar und Vespertilio Organo
  7. Galayne B (in Pardonas Diensten)
  8. Vascal A (auf Golgaris Schwingen) und Leomara (Überlebende)
  9. Irulla A (in die Geisterwelt)
  10. Salarin A (als Adernath verstorben)
  11. Asleif A (König der Meere)
  12. Asleif und Beorn A&B

Auch an dieser Verteilung kann man ablesen, warum manch einem die Figuren in Beorns Gruppe etwas blasser vorkommen können. Ganz fair ist das natürlich nicht, denn es wäre kaum angemessen zu sagen, dass Dolorita, Eilif oder Tjorne keine Persönlichkeiten mit interessanten Geschichten wären. Zum einen ist aber die Todesrate bei Beorn von Anfang an sehr hoch, da er keine elfischen Begleiter hat. Zum anderen bedient sich Beorn aber auch vermeintlich schlichterer Gemüter, denn bei ihm kommt es eher auf den Schwertarm, als auf den Verstand an. Tatsächlich führt dies durchaus dazu, dass Beorn in seiner Saga selbst mehr Raum einnimmt, als dies bei Asleif der Fall ist. Auch wenn Beorn in der Abenteuerfassung aus naheliegenden Gründen eher blass erscheint, so verleiht Hennen in seinem Teil der Romanfassung dem Blender einen sehr vielschichtigen Charakter. Natürlich bleibt der Mann mit dem Flügelhelm ein Plünderfahrer. Aber dass Beorn Asgrimmson ein großer Drachenführer und ein würdiger Konkurrent war, bezweifelt wohl nach dieser Saga niemand mehr.

Fazit

So geht es nun also zu Ende mit der Saga um Asleif Foggwulf Phileasson und Beorn der Blender Asgrimmson. Rund um Aventurien und darüber hinaus sind wir gereist. Bernhard Hennen und Robert Corvus haben nicht nur eine erfolgreiche Fantasy-Reihe in der Welt des Schwarzen Auges geschaffen, sondern auch Maßstäbe gesetzt, was Produktivität und Zusammenarbeit angeht. Auch die Besonderheiten der Reihe, wie ich sie oben aufgeführt habe, sollten gewürdigt werden. Mit dem Ende der Buchreihe geht nun eine lange Reise nicht nur für die Figuren, auch für die Autoren und die Leserschaft zu Ende.

In meiner Wahrnehmung hat die Phileasson-Saga auch etliche Menschen erreicht, die sonst nicht in der Welt des Schwarzen Auges zu Hause sind. Dies spricht in meinen Augen gleich doppelt für das Werk. Welche Auswirkungen die Reihe auf Dauer haben wird vermag ich heute nicht zu sagen. Zweifellos gibt es jedoch einige Punkte, die absehbar sind.

Hennen und Corvus haben bewiesen, dass eine gute Geschichte auch außerhalb der Fandomblase erfolgreich sein kann. Auf der Geekseite des Geschehens warten womöglich noch weitere Bände der Deluxe-Ausgabe auf uns. Bislang sind vier von sechs Bänden erschienen. Im Dezember 2023 soll der fünfte Band erscheinen. Die Echtlederausgabe bringt es inzwischen auf einen Preis von 169,95 € (vormals 149,95 €), die Leinenausgabe geht für 99,95 € raus (vormals 79,95 €). Auch hier macht sich also die Inflation bemerkbar. Doch damit ist es noch nicht alles. Erst kürzlich wurde die Meldung kolportiert, dass Lena Falkenhagen und Thomas Finn die Umsetzung der Simyala-Kampagne als Roman bei Piper planen.

In diesem Sinne: Ein Hoch auf den König der Meere!

Das wohl!

Referenzen

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