Nach der Zusammenstellung einer Spielrunde stellt sich früher oder später die Frage: Was wollen wir spielen? Auch wenn wir in diesem Blog zumeist davon ausgehen, dass die Antwort darauf zunächst einmal Das Schwarze Auge lautet, bleiben danach noch viele Fragen offen. In meinem lange zurückliegenden Eintrag Ein Treffen unter Freunden hatte ich mich schon einmal mit der Frage beschäftigt, wie eine Spielrunde die konkreten Setzungen für einen neue Chronik eingrenzt. Doch natürlich gibt es eine Vielzahl von Optionen, wie man sich dem Thema näheren kann. Eine dieser Optionen ist ein Verfahren, welches Ulisses-Tausendsassa Michael Mingers immer wieder benutzt um Settings für Savage Worlds zu erstellen. Auch wenn sicher schon viele von dieser Methode gehört haben, möchte ich sie hier einmal vorstellen.
Auf den ersten Blick scheint es etwas unpassend zu sein, für eine DSA-Gruppe ein neues Setting bauen zu wollen. Wenn wir uns jedoch vor Augen führen, dass die verschiedenen Erzählräume, welche meist durch bestimmte Regionen in Aventurien repräsentiert werden, im Grunde eigenständige Settings darstellen, dann wirkt das Ganze viel schlüssiger. Die Unterschiede zwischen den Zelten der Nivesen und den Palästen auf dem Silberberg sind wohl auch kaum geringer als zwischen Buck Rogers und Captain Kirk.
Die Abfolge
Das übliche Vorgehen setzt darauf, dass alle Personen, die an der Spielrunde beteiligt sind, nach einem festgelegten Verfahren gemeinsam die Themen des Settings bzw. der Chronik auswählen. Jeder ist dabei gleichberechtigt und es ist im Grunde auch nicht zwingend erforderlich, dass zu diesem Zeitpunkt geklärt ist, wer die Rolle des Meisters übernimmt.
Schritt 1: Themen sammeln
Jede Person benennt drei Begriffe, die sie gerne in der Chronik haben würde. Für eine maximale Varianz und Inspiration sollte jeder reihum einen Begriff benennen, bis drei Begriffe je Person gesammelt wurden. Alle Begriffe werden gut sichtbar auf eine gemeinsame Tafel geschrieben. Dies kann ein Flipchart sein, ein Online-Dokument oder was auch immer in diesem Moment für alle gut zugänglich ist. So erhalten wir also N x 3 Begriffe, wobei N für die Anzahl der Personen steht.
Schritt 2: Begriffe streichen
Nachdem das große Potpourri der Begriffe gesammelt wurde, muss nun etwas gefiltert werden. Dazu wird nun der Vorgang der Sammlung umgekehrt. Jede Person streicht reihum einen der gesammelten Begriffe wieder heraus, der ihrer Meinung nach nicht zur Chronik gehören sollte. Das muss keineswegs ein Begriff sein, den sie selbst eingebracht hat. Auf diese Weise wird die Zahl der Begriffe auf N x 2 reduziert.
Schritt 3: Schwerpunkte setzen
Bei einer kleinen Runde mit vier Personen haben wir nun immer noch 8 Begriffe, welche die Leitplanken für das kommende Spiel setzen sollen. Da dies ohne Fokus immer noch schwierig unter einen Hut zu bringen sein dürfte, werden nun Begriffe besonders hervorgehoben, die unser Setting primär definieren sollen. Dazu wählt erneut jeder aus der Runde einen Begriff aus. Es bleiben also N + N Begriffe übrig aus denen nun das Setting geschnitzt werden soll. Es darf dabei erläutert werden, warum bestimmte Begriffe gewählt werden oder was man sich denn darunter tatsächlich vorstellt.
Schritt 4: Konsolidierung
An dieser Stelle wird es nun erforderlich diese hingeworfene Sammlung von Worten in einen gemeinsamen Sinnzusammenhang zu setzen. Dabei sollten die N besonders wichtigen Elemente als Grundsteine dienen und die weiteren Begriffe können sozusagen als nachrangige Komponenten der Chronik verplant werden. Mit der Konsolidierung existiert nun die Beschreibung einer Chronik in wenige Sätzen.
Hilfestellungen
In manchen Fällen mag es hilfreich sein, zur Orientierung der Teilnehmer Kategorien anzugeben, die als Inspiration für die Sammlung der Begriff dienen können. Dies könnten zum Beispiel sein: Genre, Person, Organisation, Region, Trope, Ereignis, Kontinent oder Epoche. Unter Umständen mag auch der Hinweis angebracht sein, dass allzu generische Begriffe wie Abenteuer oder Fantasy innerhalb des Bezugsraumes Das Schwarze Auge recht sinnfrei sind.
Die Reihenfolge und die zeitliche Abstimmung sind variabel. Schritt 2 und Schritt 3 sind prinzipiell austauschbar. Die Nennung der Begriffe kann spontan oder mit Vorbereitung erfolgen. Es kann zu Beginn jeweils ein Begriff pro Person genannt werden oder sofort alle drei Begriffe eingebracht. Rückfragen können erlaubt oder vermieden werden. Kommt es zu einer kreativen Blockade kann ein Schritt zurück gegangen werden. Kurzum die Systematik muss nicht sklavisch eingehalten werden. Wichtig ist einen kreativen Fluss aufrecht zu halten, der Ideen generiert und diese verdichtet.
Die Fragen
Basierend auf der ersten Beschreibung gilt es nun die Idee zu überprüfen und zu definieren, um was sich die Abenteuer innerhalb einer solchen Chronik drehen sollen. Die oben generierte Beschreibung allein beantwortet nämlich oftmals nicht, wie die Abenteuer innerhalb dieses Rahmens eigentlich aussehen sollen. Um das herauszufinden schlägt Mingers drei Leitfragen vor.
Wer sind die Spieler-Figuren?
Scheinbar banal, aber dennoch von immenser Bedeutung. Die generische Antwort mancher Spieldesigner: Du kannst sein was immer du willst, ist nämlich wenig hilfreich. Die Definition der Rolle jener Figuren, die von den Menschen am Tisch geführt werden, ist enorm wichtig für die Ableitung der weiteren Setzungen. Wenn man nicht gerade die ewige Kampagne der zusammengewürfelten Vagabunden spielen will, dann ist Fokus eine wichtige Eigenschaft für eine gelungene Chronik. Die Antwort auf diese Frage wird den Spielern auch eine Hilfestellung sein, wenn es daran geht eigene Figuren für das Spiel zu entwerfen.
Was machen diese Figuren?
Der Klassiker Wer bist du und was willst du, führt uns weiter im Text. Wenn die Frage Wer bin ich eher in die Vergangenheit weist, dann ist die die Frage Was willst du oder Was sollen die Figuren machen, eine Frage nach der Zukunft. Und das ist es, was uns für die Gestaltung neuer Rollenspielabenteuer interessiert. Diese Frage dreht sich also um die Ziele der Figuren und legt fest wohin die Kampagnen in dieser Runde sich richten sollen. Dabei ist zunächst einmal wichtig, was die Figuren als Gruppe machen. Individuell verschiedene Motivationen können dabei ergänzt werden, sollten aber das gemeinsame Handeln nicht verdecken.
Was hindert sie daran?
Viele Abenteuergeschichten stehen und fallen mit einer guten Opposition. In den meisten Fällen werden dies Nichtspieler-Figuren sein, es mag aber auch Spielrunden geben, die Naturkatastrophen, Unfälle oder noch exotischere Hindernisse als Opposition wählen. Es mag auch Rahmenbedingungen geben, die unseren noch zu schaffenden Heldengestalten im Wege stehen. So könnte eine Gruppe von Personen niedrigen Standes in Aventurien Schwierigkeiten haben, wirksam gegen eine Verschwörung innerhalb des Adels vorzugehen. Ortsfremde werden allerorten mit Misstrauen konfrontiert und diese Einstellung kann ebenso ein Hindernis sein, wie genereller Rassismus, Misogynie oder Feindschaft aller Art. Die Möglichkeiten sind hier vielfältig und werden sich in vielen Fällen zumindest grundlegend aus den vorangegangenen Überlegungen ableiten lassen.
Fazit
Mingers Weltenbau ist eine weitere Methode um die Grundlagen für eine neue Spielrunde zu entwerfen. Der Fokus liegt dabei weniger auf den einzelnen Figuren, sondern vielmehr auf den Setting in dem eine Chronik spielt. Auch wenn die Idee am bekanntesten für die Entwicklung neuer Settings mit Savage Worlds ist, so funktioniert sie dank der Erzählräume auch hervorragend, um die nächste Chronik innerhalb der Spielwelt des Schwarzen Auges zu verorten.
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