– Eine Gastrezension von Xeledon
Nicht ganz grundlos vertrete ich bereits seit Jahren die Theorie, dass eine DSA-Publikation nur dann Teil des offiziellen Kanons sein kann, wenn sie mindestens ein formschönes Tittenbild enthält (ein dickes Sorry dafür an die diesbezüglich massiv benachteiligte Roman-Autorenschaft). Nun fährt Namenlose Nacht also die volle Porno-Breitseite in einem einzigen, rund 150-seitigen Hardcover-Band auf, den Ulisses werbewirksam mit einer „18+“-Altersempfehlung versehen hat. Doch was bleibt eigentlich übrig, wenn die Aufregung über die aufmerksamkeitsheischende Sex-Sells-Kampagne überwunden ist und man das Objekt der Begierden (höhö) endlich in seiner ganzen Pracht in Händen halten und zärtlich von seinem neutralen marmorschwarzen Schutzumschlag befreien kann?
Eye-Candy für alle!
Hinter dem Schutzumschlag kommt dann auch das eigentliche Cover zum Vorschein, das tatsächlich – Selem und Zhamorrah! – ein gerüttelt Maß an Nacktheit und sexueller Handlung präsentiert. Da Cover-Künstlerin Nadine Schäkel die expliziten Details jedoch nicht übertrieben in den Fokus rückt und eine stilvoll-ambientige Gesamtkomposition gewählt hat, bleibt es bei erotischer Frivolität und gleitet eben nicht ins Pornöse ab. Lediglich über vermeintliche Besonderheiten der zwergischen Anatomie würde ich mich mit Frau Schäkel gerne einmal genauer unterhalten (möglicherweise kann Mike Krzywik-Groß hier eine kleine Nachhilfestunde geben. Aber Zwerge haben in „Namenlose Nacht“ ohnehin einen schweren Stand, taucht unter den beschriebenen NSCs im Abenteuertext doch kein(e) einzige(r) Vertreter(in) ihrer Rasse auf – schade eigentlich, ich hätte hier eine Menge komödiantisches Potential gewittert. Doch bevor ich noch weiter vorgreife, betone ich lieber noch einmal, wie gut mir das Cover-Motiv gefällt und wie gut es auch die Grundstimmung des Abenteuers transportiert. Gemeinsam mit dem ursprünglichen Arbeits- und nunmehrigen Untertitel „Orgien in den Thermen“ gibt das Bild sehr genau wieder, wie es im Laufe des Abenteuers zur Sache gehen sollte: Frivol, dekadent und nicht immer ganz bierernst.
Auch die Innenillustrationen wissen zu gefallen, egal ob sie nun Meisterfiguren oder spezifische Abenteuer-Szenen zeigen. Dabei sind zwar durchaus immer wieder nackte Brüste zu sehen, der befürchtete Fantasy-Porno ist Namenlose Nacht aber nicht geworden. Bedenkt man, dass die Game of Thrones-TV-Serie eine FSK-16-Einstufung erhalten hat, wären die Illustrationen alleine somit sicherlich kein hinreichender Grund für die Ulisses’sche Altersempfehlung gewesen, erst die im Abenteuertext behandelten Themen lassen diese sinnvoll erscheinen. Und doch nutzt man die mit dieser klaren Eingrenzung der Zielgruppe verbundene Narrenfreiheit für manch frivoles Detail, das anderweitig womöglich der Rücksicht auf die Gefühle weniger freizügig veranlagter Leser zum Opfer gefallen wäre.
Dass sich die über das Abenteuer verteilten bildlichen Darstellungen einiger NSCs in den „Dramatis Personae“ wiederholen, finde ich gut und sinnvoll, manche Vignette wird hingegen etwas überstrapaziert. So hat man bei der vierten Bildwiederholung dann auch WIRKLICH kapiert, dass die obligatorischen Krustentieren genauso gut zu einem Gläschen Wein passen wie dessen unverkelterte Trauben. Wirklich negativ aufgefallen ist mir hingegen nur das Bild der nackten Alara Paligan (Seite 43), das mich mit seinem starken CGI-Touch nachhaltig irritiert hat. Offensichtlich ist hier eine nachträgliche Bearbeitung des – wesentlich stimmigeren – Bildes der bekleideten Kaiserinnengroßmutter einige Seiten weiter hinten (Seite 88) nicht so recht geglückt.
Allerley Kurtzweyl in den Bardo-Thermen
Nachdem wir uns nun also alle an den Bildern sattgesehen haben, wird es Zeit, uns dem eigentlichen Abenteuertext zu widmen. Und wer als Kontrast zu den hinreichend erwähnten weiblichen Rundungen mit einem flachbrüstigen Minimalplot gerechnet hat, der nur als billige Ausrede für möglichst viele erotisch-alberne Nacktszenen herhalten muss, wird aufs Angenehmste enttäuscht. Tatsächlich werfen Thomas Finn und Anton Weste ihre geballte Erfahrung als altgediente DSA-Veteranen in den Ring und verflechten vier im Kern voneinander unabhängige Handlungsstränge zu einer durchdachten Gesamthandlung, die gekonnt mit den Erwartungen von Helden und Spielern spielt und trotz mehrerer überraschender Wendungen niemals den roten Faden aus den Augen verliert. Dabei könnte der Einstieg kaum klassischer sein: Ein junges Mädchen ist verschwunden und der Hilferuf ihres besorgten Herrn Papa führt die Helden während der Namenlosen Tage in die Garether Bardo-Thermen, wo die dekadente Garether Oberschicht ihre alljährliche Orgie feiert. Von hier an entwickelt sich die Geschichte zu einem Closed-Room-Szenario, das von seinem exotisch-anrüchigen Ambiente und den schillernden Party-Gästen lebt, die sich hier allerlei verruchten oder gar verbotenen Genüssen hingeben.
Natürlich können sich auch die Helden ausgiebig mit Rausch und freier Liebe befassen und sich dadurch leicht von ihren eigentlichen Nachforschungen ablenken lassen. Das Abenteuer lebt geradezu von geschickter Ablenkung und den zahlreichen kleinen Begegnungen, aus denen jede Spielgruppe ihre ganz eigenen Nebenplots entwickeln kann. Dies setzt aber nicht nur die Lust der Spielrunde auf allerley Kurtzweyl voraus, sondern auch ein entsprechendes Improvisationstalent des Meisters – die Komplexitätsangabe „mittel“ erscheint mir hier doch ein wenig optimistisch. Immerhin lässt das Abenteuer den Spielleiter nicht alleine auf weiter Flur zurück, sondern gibt ihm eine Menge Material an die Hand, mit dem dieser seinen Spielern einen unvergesslichen Orgien-Abend bereiten kann. Schon das Lesen macht große Lust darauf, sich in diesem Sandkasten weit über die eigentliche Haupthandlung hinaus ordentlich auszutoben und dabei die ein oder andere sonst geltende moralische Grenze zu überschreiten.
Doch auch wer sich beim Gedanken daran, sich mit der eigenen Spielgruppe in anzüglich-frivoler Weise einmal quer durch die Garether Oberschicht zu vögeln, eher unwohl fühlt, kann mit Namenlose Nacht seinen Spaß haben. Das Abenteuer betont mehrfach, dass bei weitem nicht jede der angebotenen Aktivitäten auch spielerisch umgesetzt werden muss. Wer es also weder al’anfanisch noch tobrisch mag, der kann sich eher auf die harmlos-humorigen Szenen stürzen, ein anderer mag das Abenteuer eher zu einem bitterernsten und düsteren Psycho-Horror-Spiel werden lassen. Gerade die geschickte Auswahl aus der Tabelle für zufällige Ereignisse kann den Grundcharakter des Abenteuers massiv ändern, was Namenlose Nacht zu einem atmosphärisch ungemein wandlungsfähigen Abenteuer macht. Da passt es auch gut ins Bild, dass die vier eigentlichen Haupthandlungsstränge nach Belieben verfolgt werden können und nicht unbedingt alle zu einem guten Ende gebracht werden müssen, um unter dem Strich einen erfolgreichen Spielabend verbracht zu haben.
Allerlei hilfreiche Anhängsel
Bei einem Closed-Room-Szenario ist die detaillierte Beschreibung des Handlungsortes genauso unverzichtbar wie die der auftretenden Figuren, folgerichtig nimmt der Anhang auch knapp die Hälfte des Bandes in Anspruch. Die detaillierte Darstellung der Bardo-Thermen schildert zwar insbesondere die Nutzung der Räumlichkeiten im Rahmen der stattfindenden Orgie, lässt sich aber ohne großen Aufwand auch zweckentfremden, um eigene Abenteuer in dem Gemäuer anzusiedeln. Da die Helden als Orgiengäste natürlich nicht in voller Endurium-Plattenrüstung und mit ihrem Lieblingszweihänder der blutigen Zerstückelung auftreten können, wird ein besonderes Augenmerk auf Gegenstände gelegt, die als improvisierte Waffen dienen können und wertetechnisch in einer übersichtlichen Tabelle erfasst sind. Eine weitere Tabelle zeigt die möglichen Fundorte „echter Waffen“, um eine spätere Aufrüstung der Helden zu erleichtern. Gänzlich nackt müssen die Helden aber auch nicht durch die Therme streifen, immerhin sollten sie es im Vorfeld bereits den Orgiengästen gleichtun und sich in fantasievolle Kostümierungen hüllen, die ein Wer-ist-hier-eigentlich-wer-Verwirrspiel ermöglichen und ein eigenes „Kostümverzeichnis“ gewidmet bekommen.
Die vielleicht größte Herausforderung für den Spielleiter dürfte in der glaubhaften Darstellung der immerhin 200 bei der Orgie anwesenden Personen liegen, von denen knapp 70 eine mehr oder weniger detaillierte Beschreibung spendiert bekommen haben. Damit der Überblick hierbei nicht völlig verloren geht, wird in einer tabellarischen Auflistung nicht nur eine extrakurze Funktionsbeschreibung gegeben und auf die eigentlichen Beschreibungstexte verwiesen, sondern auch dargelegt, inwiefern eine Figur das Abenteuer überleben sollte oder vom Spielleiter zum Abschuss freigegeben werden kann. Auf zwei weiteren Seiten wird dann das magische Ritual beschrieben, das im Zentrum eines der Haupthandlungsstränge steht und für die plotrelevante Gesamteskalation der Geschehnisse in der Therme verantwortlich ist. Abgerundet wird der Anhang von einer Zeittafel und kopierbaren Handouts und Plänen. Und gerade letztere sollte man den Spielern nicht vorenthalten, sind sie doch nicht nur hübsch gestaltet, sondern erleichtern auch das Zurechtfinden in der Bardo-Therme ungemein. In ihrer Gesamtheit sind die Anhänge also ein rundes Paket und eine echte Hilfe für den geplagten Spielleiter, die zumindest in meinen Augen keinerlei Wünsche offenlassen.
Eine kleine Spoilerwarnung zwischendurch
Nachdem wir uns nun also mit den Anhängen auseinandergesetzt haben (und tatsächlich würde ich auch dem Spielleiter empfehlen, mit dem Lesen hinten anzufangen), soll noch einmal detaillierter auf die einzelnen Plotstränge eingegangen werden. Und da sich spätestens hier massive Spoiler nicht mehr vermeiden lassen, sollte sich der potentielle Spieler spätestens hier ernsthafte Gedanken darüber machen, ob er es für eine gute Idee hält, die Rezension zu einem Abenteuer zu lesen, das er möglicherweise noch einmal am eigenen Leib erleben möchte.
Plotstrang 1 – Ewige Jugend für den Oberschurken
Nachdem diese Warnung nun aus dem Weg ist, darf ich auch meiner Überraschung angesichts der Person des eigentlichen Oberschurken in Namenlose Nacht Luft verschaffen: Alter Kaiser, DEN hatte ich nun WIRKLICH nicht mehr auf dem Schirm. Und doch passt der Schuft aus höchsten Adelskreisen so perfekt in dieses Szenario wie wohl kaum ein anderer, was dadurch nur noch verstärkt wird, dass er auf der Orgie ausnahmsweise einmal ganz er selbst sein und sich im besten Sinne des Wortes wie zu Hause fühlen darf. Ich mag die verspätete Umsetzung seines abgedrehten Planes, den er noch mit seiner inzwischen verstorbenen Schwester ausgeheckt hat, trotz und gerade wegen der Reminiszenzen an den Beginn der Borbarad-Kampagne. Es geht um den Traum von Ewiger Jugend – und wie so oft müssen andere dafür leiden beziehungsweise ihre eigenen Lebensjahre auf den Nutznießer des auf altechsischen Relikten basierenden Rituals übertragen. Dass sich ausgerechnet die Helden unter den unfreiwilligen Spendern befinden, hätten wir alle natürlich niemals vermutet, doch der simple Kniff sorgt für eine effektive Drohkulisse und ein gehöriges Maß an Zeitdruck, unter dem die Gruppe agieren darf. Auf der Suche nach dem Grund für die rapide Alterung bekommt der Spielleiter mit dem Geist des Baumeisters der Therme einen potentiellen Universal-Tippgeber, der die Helden auf die richtige Fährte setzen kann, im Wesentlich geht es aber um eine Schnitzeljagd nach Hinweisen, die eben jener Baumeister bereits zu Lebzeiten in der Therme versteckt hat.
Folgen die Helden den Hinweisen rechtzeitig, können sie einen geheimen Zugang zum Ritualraum finden und den, dessen Namen ihr hoffentlich bereits erraten habt, am erfolgreichen Abschluss seiner Verjüngungskur hindern. Der eigentlich Plot ist hierbei überschaubar, aber stimmig präsentiert, die kleine Rätselkette erscheint mir durchdacht und dürfte von einer knobelwilligen Spielerschar auch zu lösen sein, dankenswerterweise finden sich aber auch Hinweise zu einer möglichen Abkürzung der Schnitzeljagd. Und auch darüber, was passieren könnte, wenn die Helden nicht schnell genug agieren, der Spielleiter diese Steilvorlage aber nicht für einen Vollständigen Gruppen-Kill nutzen möchte, gibt das Abenteuer Auskunft. Der eigentliche Showdown im „Juvenarium“ dürfte hingegen nur dann eine echte Herausforderung werden, wenn der Spielleiter alle Register aus mangelhafter Ausrüstung, Alterungseffekten und Schmutzigen Tricks der Gegenspieler zieht. Dafür bietet sich nicht zuletzt der Wasserdschinn „Invino“ als Quell für humoristische Einlagen an. Richtig stark ist dann auch das als optional gekennzeichnete Auftauchen von Alara Paligan, die selbst nur allzu gerne Gebrauch von den Früchten des „Juvenariums“ machen würde. Als Rückgrat der Handlung funktioniert der erste Plotstrang hervorragend, da er über zahlreiche Andockmöglichkeiten an die restliche Handlung verfügt und sich an vielen Stellen leicht variieren lässt, um auf die Bedürfnisse der eigenen Spielrunde zugeschnitten zu werden.
Plotstrang 2 – Der knackärschige Mädchenhändler
Der etwas knappe und generische Einstieg ins Abenteuer lässt zwar nicht viel von diesem Teil der Handlung erwarten, doch bereits wenn sich die Gruppe dazu gezwungen sieht, mit einem reichlich biederen Gastwirt an einer auschweifenden Orgie teilzunehmen, entwickelt das Ganze seinen Reiz. Letztlich geht es hier darum, einem androgynen Halbelfen mit (k)nackigem Hinterteil auf die Spur zu kommen und dessen Versteck auf dem Thermengelände auszuräuchern. Bereits ein Teil der verfügbaren Hinweise sollte dafür ausreichen, dem Menschenhändler auf die Spur zu kommen, aber da erfahrungsgemäß 11 von 13 Spielerrunden mit subtilen Andeutungen ohnehin stets überfördert sind, geht das emsige Lattenzaun-Geschwinge wohl schon in Ordnung. Bei der Befreiung des entführten Mädchens und einiger Leidensgenossinnen steht den Helden die Wahl der Mittel dann frei, gänzlich ohne Gemetzel dürfte die Sache jedoch kaum enden können. Immerhin erweist sich der Gegenspieler als hinreichend interessant, um hassenswürdig zu sein, während seine Henchmen eine ideale Beschäftigung für eher kämpferisch orientierte Helden abgeben. Für die exotische Note sorgen zwei gedungene Gargylen, insgesamt folgt dieser Handlungsstrang aber der klassischen „Jungfrau in Nöten“-Tradition, bis hin zur schmachtenden Jungfer, deren Hand mann von ihrem Herrn Papa als zusätzliche Belohnung förmlich aufgedrängt bekommt – so dieser nicht vorher an Altersschwäche gestorben ist.
Plotstrang 3 – Namenlose Ablenkung
Ob die Helden auch den finsteren Umtrieben um Gastgeber Zurbaran auf die Schliche kommen, hängt vor allem von ihrer Eigeninitiative ab. Denn obwohl dieser sich als Möchtegern-Borbarad kostümiert, gehört seine Seele doch keinem Erzdämonen, sondern dem Namenlosen höchstselbst. Andererseits löst sich dieses „Problem“ bald von selbst, da seine unheilige Verjüngung als Folge des Juvenarium-Rituals von ihm genommen und er zu einem unerwartet plötzlichen Opfer der beschleunigten Alterung wird. Die Helden können hier zwar Nachforschungen anstellen und seinen Kultisten-Zirkel ausheben, ob sie am Ende sein plötzliches Dahinscheiden jedoch wirklich verstanden haben, darf bezweifelt werden. So fehlt diesem gesamten Handlungsstrang die klare Linie und er taugt eher zur Ablenkung der Helden. Dafür ergänzt der das Hintergrund-Geflecht um einige wichtige Details und trägt somit nicht unerheblich zur Glaubwürdigkeit des gesamten Szenarios bei – zumindest für den Spielleiter, der damit alle notwendigen Informationen zur Verfügung hat.
Plotstrang 4 – Auf Van Helsingens Spuren
Ein echtes Schmankerl ist das Katz-und-Maus-Spiel zwischen der eigeborenen Hexe Levaska und dem Vampir Isegrein. Letzterer hat zwei Schwestern des überwalsischen Hexenzirkels „Levthansweibchen“ auf dem Gewissen, wofür erstere sich an ihm rächen will. Da beide aber Schwierigkeiten haben, ihren Feind im bunten Orgien-Treiben auszumachen, kommt es zu mehreren chaotischen Zusammenstößen, in die die Helden zunächst eher als Beobachter verwickelt werden können. Erst als die rapide Alterung sich bei Isegrein in Form einer Sikaryan-Inkontinenz zu äußern beginnt und ihn dazu bringt, sich mit Heißhunger über die anderen Orgiengäste herzumachen, dürfte eine Beteiligung der Helden an der Vampirjagd unausweichbar werden. Die potentielle Interaktion mit den beiden ausgereiften NSCs macht diesen Plotstrang zum vielleicht unterhaltsamsten des gesamten Abenteuers. Seine wichtigste Funktion ist jedoch die Perfektionierung des Closed-Room-Szenarios durch einen gewaltigen HEXENKNOTEN, mit dessen Hilfe Levaska ein Entkommen des Vampirs verhindern möchte, letztlich aber die gesamte Festgesellschaft von der Außenwelt abschottet. Die Jagd auf einen übernatürlichen Mörder bietet sich an, um je nach Gusto die Horror-Momente des Abenteuers zu verstärken oder einen Handlungsdruck zu erzeugen, der die Helden von der Verfolgung ihrer anderen Ziele ablenken kann und dadurch den auf ihnen lastenden Zeitdruck nur noch weiter verstärkt.
Die Puzzlestücke finden zusammen
Für sich genommen ist keiner der zentralen Plots wirklich spektakulär oder herausragend. Die geschickte Verflechtung mit den übrigen Handlungssträngen und der besonderen Atmosphäre der Orgie lässt jedoch die große Erfahrung zweier DSA-Altmeister erkennen. Die einzelnen Zahnrädchen greifen hervorragend ineinander und können zu einem wie am Schnürchen laufenden Uhrwerk zusammengesetzt werden. Dieses Zusammenfügen der verschiedenen Elemente muss der Spielleiter zwar selbst übernehmen, die Autoren geben ihm dafür aber alle Hilfsmittel zur Hand, um ihm diese Aufgabe so angenehm wie möglich zu gestalten. Das Endergebnis kann auf Anhieb überzeugen: Eine ausgereifte Story, die so geschickt in ein sandboxiges Szenario eingebunden ist, dass man die Spieler an der ganz langen Leine laufen lassen und ihnen große Freiheiten einräumen kann. Dazu sind die Texte unterhaltsam geschrieben und warten mit viel augenzwinkerndem Humor, vielen frivolen Momenten und Anspielungen auf die dreißigjährige DSA-Geschichte auf. Wer sich von der Sex-Sells-Kampagne nicht hat abschrecken lassen und seine Abenteuer nicht immer ganz bierernst haben möchte, der dürfte die besondere Atmosphäre des Bandes zu schätzen wissen.
Wie man in der eigenen Spielrunde mit den sexuellen Anspielungen umgehen möchte, muss wohl jeder selbst entscheiden, immerhin gibt es hierzu aber auch einen halbseitigen Kasten, gewissermaßen als Denkanstoß. Auf der gegenüberliegenden Seite wartet dann auch eine höchst aufschlussreiche Auflistung darüber, welche Ansichten die Garether Bürger im Bezug auf gewisse sexuelle Handlungen hegen, wobei zwischen den prüden Anhängern der Travia und den hemmungslosen Rahja-Jüngern unterschieden wird. Doch seien wir mal ehrlich: Wer mit Anzüglichkeiten, Frivolitäten und einem Hauch von Erotik am heimischen Spieltisch ein Problem hat, der sollte von diesem Band ohnehin Abstand nehmen. Zwar dürfte der Gesamtplot auch ohne den anrüchigen Unterton tadellos funktionieren, von der besonderen Orgien-Stimmung aber, die den wahren Reiz von Namenlose Nacht ausmacht, bliebe ohne Sex, Drugs und Rock’n’Roll nicht mehr viel übrig.
Fazit
Ein Einhorn ließ sich von der allzu gewöhnlichen Einladung abschrecken und suchte lieber auf eigene Faust nach namenlosen Umtrieben in Gareth, die es aber vor lauter Subtilität nicht fand. Somit trafen sich acht notgeile Einhörner zur gemeinsamen Orgie in der Bardo-Therme, die sich dort auch sichtlich wohlfühlten. Was genau unsere Einhörner dort in der Zeit zwischen den Jahren getrieben haben, darüber möchten wir lieber den Mantel des Schweigens hüllen, ihr könnt aber versichert sein, dass alle wohlbehalten wieder zurückgekehrt sind. Nur der alte Tanzbär Orm guckt in letzter Zeit so komisch…
Wertung: 8/9 Einhörner
Appendix
Abschließend sei an dieser Stelle noch auf drei lästige Fehlerchen hingewiesen, die zwar nicht in der Lage waren, eines unserer Einhörner zu vergraulen, für die sich die Autoren aber dennoch baldestmöglich zur Bestrafung in Raum U12 einfinden mögen:
- Dass man den Helden auch einen Plan des (weitestgehend zugänglichen) Untergeschosses der Therme als Handout zur Verfügung stellt, ist löblich. Allerdings hätte man besser daran getan, dort keine etwaigen Geheimgänge zu verzeichnen, die die Gruppe schneller als gewünscht zum großen Finale führen könnten.
- Die Wahl eines möglichen Vampiropfers ebenso dem Spielleiter zu überlassen wie die Entscheidung, ob dieses die Attacke überlebt, ist ebenfalls sehr zu begrüßen. Nur sollte man dann auch darauf achten, bei den Beispiel-Opfern nicht ausgerechnet eine jener Figuren aufzuführen, die gemäß der Tabelle im Anhang das Abenteuer in jedem Falle überleben sollten.
- Und wenn man schließlich bei der Beschreibung der Gargyle im Anhang eine Immunität gegen Hellsichtmagie erwähnt, wie sollen dann die Helden in der Lage sein, einem solchen Wesen „mit Hellsichtmagie [einen Hinweis] zu entlocken“?
Herrje, jetzt werde ich schon als Experte für Zwergenerotik herangezogen! Das ich aber auch immer mit diesen Schmuddelkram in Verbindung gebracht werde…
Aber Nadine Schäkel muss ich sicherlich keine Nachhilfestunden geben. Schaut Euch allein mal die Beinbehaarung an, sehr verführerisch.
Hey, die Bewerbung für das Zwergenkapitel in „Wege der Vereinigung“ hast du dir selbst zuzuschreiben, da wirst du auch zukünftig mit dem ein oder anderen Seitenhieb darauf leben müssen. Ich hoffe, du hast mich trotzdem noch ein bisschen lieb, immerhin hab ich auf diese Weise auch geschickt Schleichwerbung für „Angbar Mortis“ gemacht, was ich sicherlich nicht getan hätte, wenn ich das Buch nicht mögen würde. 🙂
Das Coverbild an sich find ich ja auch klasse, man darf nur nicht zu genau hingucken, wo genau da der kleine Mann des Zwergs eigentlich verwurzelt ist. Aber die Tatsache, dass ich da meinen Blick auch bei mehrmaligem Betrachten nicht abwenden kann und mir ernsthafte Gedanken über die zugrundeliegende Anatomie mache, verrät wohl auch so einiges über mich… ^o^
Wie war das noch mit den gefluteten Stollen? Oder hab ich mir das wieder mal falsch gemerkt? 🙂
Ich gebe mich geschlagen 😉
U just got served.
Schöne und (k)nackige Rezension (chrchr); entspricht soweit auch meinem ersten Eindruck von dem Abenteuer. Wollte das AB bei uns meistern und habe ein paar sehr gute Hinweise von hier mitgenommen. 🙂
Danke.
Bittebitte, wirklich gern geschehen! Freut mich, dass dir mein Geschreibsel gefällt, da fühl ich mich aufs Wohligste geschmeichelt. 🙂
Pingback: Barden, Busen, Bademeister: Rezension zu “Namenlose Nacht” | Nandurion
Ich habe hier gerade gelernt, dass ich zu blöde war, bei den Rezensionen für Romane zu bleiben. Ebenfalls wurde mir der Eindruck vermittelt, dass die DSA Gemeinschaft voller Leute ist, die sogar zu blöde sind, sich nen Porno runterzuladen, oder einfach mal Sex zu haben, statt von zu faseln?
Doch wirklich erschreckend ist eigentlich, dass die Prosa und Schreibkompetenz der Rezensenten zumeist über der von Autoren liegt. x-)
Namenlose Nacht: Naja, Vampire & Hexen sind ein beliebtes Klischee, doch seit „Erfindung“ der Fey-Lamia, die demenzkranke Elfen-Vampirin damals, überrascht mich das auch nicht. Orgien… Hm, imperium romanum Plagiate? Doll, kenn ich schon.
Fazit: Danke für die Warnung vor einem Produkt, dass eher Freak-Lockmittel, als Phantasie Rollenspiel-Spannung bietet.