Eine Warnung vorweg
Dieser Text beginnt mit einem längeren nostalgischen Rückblick des Rezensenten. Wem so etwas am Allerwertesten vorbeigeht und wer gleich zum Kern der Rezension kommen will, der klicke bitte hier. Wer eh nur mitliest, weil er „Josch“ und „Rezension“ in der Ankündigung verstanden hat und sich nun dringend mit einigen Wut-Posts abreagieren möchte, der kann hier gleich zum Ende des Textes gelangen und sich austoben. Alle anderen können jetzt einfach weiterlesen oder die folgenden Links nutzen, um gleich zum Kern dessen zu gelangen, was sie besonders interessiert.
- Fomalia und Aussehen
- Lesbarkeit und Informationsstruktur
- Generierung
- Der Kampf der Schwertmeister
- Waffen und Rüstung
- Runenmagie
- Geweihte
- Der Rest vom Schwertmeisterfest
- Fazit
Einleitung
Irgendwann im Sommer 1990 standen mein bester Freund und ich, die wir im Jahr zuvor mit der Helden des Schwarzen Auges-Box und Silvanas Befreiung nach Aventurien gekommen waren und gerade im Begriff standen, die Magie des Schwarzen Auges zu erforschen, mit großen Augen vor zwei geheimnisvollen Boxen, die im Spieleladen unseres kleinen Städtchens aufgetürmt waren. Aus den Erläuterungen des Ladenbesitzers und dem, was man beim Ansehen der Box („Höchstens 5 Minuten, und keine dreckigen Hände, ihr Bengel!“) erkennen konnte, wussten wir, dass diese mysteriösen Kästen etwas für Expertenspieler und Helden jenseits der 21. Stufe waren. Wir staunten Bauklötze angesichts der Werte mancher der enthaltenen Gegner, der Möglichkeit, mit mysteriösen Zauberzeichen quasi jede Form der magischen Wirkung erzielen zu können, und der Rahmenhandlung, bei der man ins Innere Deres vordringen sollte, um die dortige Hohlwelt einer Horde böser Götter zu entreißen. Starker Tobak, wenn man gerade noch dabei war, Leonardos letzte Erfindung gegen fiese Saboteure zu bewachen. Den Anforderungen des Weltrettungsplots fühlten wir uns nicht gewachsen, auch nur entfernt in der Nähe von Stufe 21 waren unsere Helden auch nicht, und mit dem damaligen Taschengeld hätte es für die Boxen eh nicht gereicht, also legten wir sie wieder zurück ins Regal und warfen nur noch den einen oder anderen verstohlenen Blick darauf.
Dann kam die Phileasson-Saga, unser Verständnis von Rollenspiel erfuhr eine 180-Grad-Wendung, die Idee von Stufe 21-Highlevelcharakteren verlor vollkommen ihren Reiz, und an Tharun dachte ich erst viele Jahre später wieder. Denn als man in der goldenen Ebay-Ära mit dem Suchbegriff „DSA-Rarität“ noch nicht jedes Produkt, das älter als 5 Monate war, angezeigt bekam, erwarb ich im Rahmen eines fantastischen Schnäppchen-Bundles der Form „Mein Mann hat mich gebeten, seine DSA-Sammlung zu verkaufen“ auch die beiden alten Tharunboxen. Knapp ein Jahrzehnt später hörte ich auf der Ratcon 2010 dann zum ersten Mal von dem Konzept, Tharun ganz offiziell wieder aufleben zu lassen, was mich bis zur Dreieich-Con desselben Jahres aber noch eher kalt lies. Dort wurde ich jedoch Zeuge, wie Tom Finn sich bei der Vorstellung des Konzepts derart in Rage redete, dass ich gar nicht anders konnte, als kurze Zeit später zu Hause die alten Kästen herauszuholen, sie das erste Mal eines ernsten Blickes zu würdigen und erleichtert festzustellen: Ja, ich hatte tatsächlich alle Runensteine. Meine Aufmerksamkeit war geweckt, die Erwartungen in der Folge hoch, und Die Welt der Schwertmeister, der erste Band der angekündigten Tharun-Trilogie, hat sie nicht enttäuscht.
Inzwischen ist mit Wege nach Tharun auch schon einige Zeit der zugehörige Regelband auf dem Markt. Ebenso wie der Weltenband versucht Wege nach Tharun sich an einem Brückenschlag zwischen dem alten Tharun der 1980er Boxen und der DSA-Gegenwart – wobei man in diesem Fall besser von der jüngsten DSA-Vergangenheit sprechen sollte, denn der regeltechnische Rahmen des Bandes ist das DSA4.1-Regelwerk. Hierbei musste nun einiges angepasst und erweitert (wie etwa die Runenmagie und die Kampfregeln) und manches auch von Grund auf neu geschrieben werden, wie etwa die Liturgien für Geweihte der Götter Tharuns, zu deren Wirken sich die alten Boxen eher ausschwiegen. Die Gretchenfrage lautet somit, ob es dem Band gelungen ist, den erfolgreichen Kompromiss von altem Tharunfeeling und aktuellen Spielbedürfnissen, der mit Die Welt der Schwertmeister bereits gut gelungen war, passend mit Regeln zu unterfüttern.
Die alten Tharunboxen zeichneten sich nicht nur durch ein maximal frei angelegtes Megaplotkonzept (Weltbefreiung) aus, sondern richteten sich auch mit ihrem sehr freien Regelsystem – vor allem in Sachen Magie – an sehr erfahrene Spielleiter. Denen wurde nämlich zugetraut (oder, je nach Standpunkt: aufgebürdet), relativ viel ohne enggeschnürtes Regelkorsett selbst zu entscheiden und passend zum eigenen Spielstil zu gestalten. Wer DSA4.1 kennt, der weiß, dass das nicht unbedingt der Ansatz ist, den dieses Regelsystem verfolgt. Konnte der anvisierte Spagat also gelingen? Die Antwort lautet: Jein. Beziehungsweise: fast. Oder vielleicht sollte ich sagen: Kommt ganz darauf an. Ziemlich nichtssagendes Urteil, ich weiß, aber es wird noch viel konkreter, versprochen. Nur Geduld, Bruderschwestern, am Ende wird (fast) alles gut.
Formalia und Aussehen
Der Band umfasst 312 Seiten, die exklusive Vorwort, Glossar und Index in insgesamt zehn Kapitel unterteilt sind. (Für eine genaue Auflistung siehe hier.) Die Aufmachung ist für mich in Ordnung, durch die schwarz-weiß-graue Farbgebung ist der Text gut lesbar, das Layout ist insgesamt aber eher unspektakulär gehalten. Die Illustrationen sind überwiegend sehr stilvoll und hübsch geraten, teils aus früheren Publikationen übernommen und in manchen Abschnitten leider recht spärlich gesät (dazu später noch mehr). Die wie immer sehr stimmungsvollen Portraits von Mia Steingräber entschädigen dafür für einiges, ebenso wie das Cover und die fantastischen farbigen Illustrationen der Buchrückeninnenseiten, die einen Schwertmeister beim Runenstudium (leider mit vier vertauschten Runensymbolen) und eine Ingame-Illustration verschiedener Kampfmanöver zeigen.
Die klassischen Runensteine gibt es als Beilage zum Band zwar nicht, dafür aber immerhin solide verarbeitete Pappsymbole zum Ausschneiden. Glückliche Besitzer der alten Steine können sich somit in Zukunft zu Alphatharuntieren aufschwingen, wenn die anderen am Tisch mit bloßen Pappschnipseln hantieren müssen. Angesichts der Tatsache, dass auch der Uhrwerk-Verlag keine Berührungsängste mit Merchandise zu haben scheint, möchte ich an dieser Stelle daher den Verkauf von echten Runensteinen als Zusatzprodukt anregen, und sei es nur eine mittels Crowdfunding finanzierte, gewaltfrei geschnitzte Liebhaberausgabe für die Heinz-Con. Ich würde auf jeden Fall vorbestellen.
Glossar und Index sind vorbildlich. Dafür beide Daumen hoch. Das Korrektorat im Band fällt insgesamt gut aus. Die Grenze zwischen inhaltlichen Fauxpas und Geschmacksdifferenzen ist zwar notorisch schwer zu bestimmen, die Anzahl klarer und eindeutig zu erratierender Fehler scheint mir nach Lektüre des Bands und des einschlägigen Wiki-Eintrags aber in dem Bereich zu liegen, der für DSA-Publikationen dieser Länge und Komplexität nicht nur typisch, sondern auch vollkommen vertretbar ist. Ob die Liste länger wäre, wenn ähnliche viele Leser wie etwa bei den Standard-Grundregelwerken eifrig am Suchen wären, muss hier offen bleiben. Dass zumindest mir kaum etwas aufgefallen ist, spricht in jedem Fall dafür, dass so gut wie kein offensichtlicher Murks enthalten ist.
Lesbarkeit und Informationsstruktur
Alles in allen ist der Band für solche Leser, die sich nicht zu besonderen Freunden von Regelbüchern zählen, leider keine ersprießliche Lektüre. Auch wenn einen der Band nicht mit Regel-Kauderwelsch erschlägt, erschlossen sich mir manche Stellen erst beim mehrfachen Lesen, und in manchem Fall auch erst nach der Erklärung durch Dritte. Kurz gefasst: Der Band erfordert einen maximal aufmerksamen Leser mit sehr gutem Gedächtnis und will gründlich studiert statt zum Vergnügen durchblättert werden. Das ist nicht mein bevorzugter Stil und macht die Lektüre für mich an manchen Stellen recht zäh. Enthusiastische Regelbuchleser mit Faible für DSA4.1 dürften aber deutlich mehr Spaß haben.
Anstrengend dürfte es aber selbst für diese im Kapitel zur Runenmagie werden. Dies liegt weniger an den einzelnen Textbausteinen, sondern an der dort teils vogelwilden Streuung der Informationen über den Text. Das Kapitel hatte ich beim Lesen zweimal entnervt abgebrochen und wollte die Rezension eigentlich schon abblasen und mein Exemplar an einen frustrationstoleranteren Nachfolger weiterreichen, als mir Kai Lembergs Gastrezension mit den wirklich sehr hilfreichen Lektürehinweisen zur Lesereihenfolge doch noch einen neuen Motivationsschub verschaffte. Mit einem Mal wirkte dann tatsächlich einiges deutlich runder und leichter verständlich als zuvor.
Einige Schlaglichter
Generierung
Hier macht der Band m. E. alles richtig. Sympathisch bodenständig wird allein die Spezies Mensch betrachtet und konsequent darauf verzichtet, einen ganzen Zoo möglichst exotischer, aber praktisch unspielbarer Wesen einzuführen. Nun bin ich zwar bekennender Fan des kompromisslosen Bauerngamings und finde Abenteuer der Form „Klein Alrik rettet Oma Rübenfein ihr klein Häuschen“ fast immer reizvoller als „Groß Alrik rettet Oma Rohaja ihr klein Kaiserreich“, aber in Tharun möchte ich dann doch, ganz so wie es das Setting verspricht, mal so richtig die Sau rauslassen. Sprich: mit einer Outlawbande von funkensprühenden Schwertmeistern (jeweils mit zwei magischen Schwertern und einem ganzen Sack voll magischer Runen – fehlender Bann des Eisens sei Dank) auf Riesenlibellen reiten, die Welt erobern und den miesen Neugöttern den Stinkefinger zeigen. Auch hier kommt mir die Generierung entgegen. So wurde etwa darauf verzichtet, Allerweltsprofessionen zu tharunisieren, stattdessen liegt der Schwerpunkt auf den zentralen Klassen mit Machtpotential, d.h. Kriegern, Priestern und Magiern. Ergänzt werden diese durch die wichtigsten höfischen und handwerklichen Professionen, von denen fast alle sinnvoll als Spielercharaktere integrierbar sind. Es gibt dazu einige Völker zur Auswahl (und je nach Volk einen anderen Eigenschaftsbonus von +1) sowie zahlreiche Kulturen mitsamt Varianten. Dass der Band zudem nicht versucht, jede offenkundig unsinnige Kombination von Kultur/Volk/Profession durch extra Regelkleinklein auszuschließen, sondern davon ausgeht, dass seine Leser bis drei zählen können und lieber zwei Minuten mitdenken, als sich 15 Minuten über vermeintliche Regellücken zu ärgern, weiß ebenfalls zu gefallen.
Wichtig für Tharun-Neulinge: Es gibt keine magischen Professionen im engeren Sinne, sondern zwei verschiedene Professions-Aufsätze: den Meditationsherrn für die Nutzung einzelner Runensteine und den Runenherren für das volle Brett an Runenmagie. Streng genommen ist deren Praktizieren laut Hintergrundbeschreibung eigentlich nur als Sombrai (die anerkannten Magier Tharuns) unter Aufsicht von Priestern des Ojo’Sombri legal, was einen zusätzlichen Reiz darstellt, in Tharun einen Charakter außerhalb der geltenden Ordnung (einen sog. Brigantai) zu spielen und mir daher sehr gut gefällt.
Knappe, aber hilfreiche Hinweise zur Anpassung aventurischer und myranischer Professionen sowie zu Anpassungen und Ergänzungen bei Vorteilen, Nachteilen, Sonderfertigkeiten und Talenten runden das Generierungs-Kapitel ab und lassen mich rundum zufrieden zurück.
Der Kampf der Schwertmeister
Das Kampfkapitel bemüht sich, neben der Darstellung von Grundinformationen über tharunsche Waffen und Kampftechniken, vor allem darum, die Kampfkunst der Schwertmeister greifbar zu machen. Dies gelingt alles in allem gut, ist mir persönlich aber einen Tick zu kleinteilig geregelt. Zentrale Bausteine sind die neuen Kampf-Sonderfertigkeiten Schwingenhaltung/ Meisterliche Schwingenhaltung (ermöglichen bestimmte Waffenhaltungen, welche die Kampfwerte des Helden verändern) sowie die Schwingenläufe (Kombinationen von Manövern mit zusätzlichen Synergie-Effekten, bei denen auch noch Runen zur weiteren Verbesserung eingesetzt werden können). Das Ganze ist ein AP-Grab im besten Sinne des Wortes, und auch Kriegercharaktere weit im fünfstelligen Punktebereich können sich hier wohl bis in alle Ewigkeit mit dem Verfeinern ihrer Kampftechniken austoben.
Verschiedene Schwingenhaltungen und Schwingenläufe werden, mit allerlei Ausschmückungen verziert, zu sog. Wegen der Schwertmeister zusammengefasst und dabei auch mit einem bunten Strauß quasi-philosophischer Überlegungen untermauert. Dies gibt Spielern endlich einmal die Möglichkeit, ausführlich zu begründen, warum ihr Charakter aus tieferen ethisch-ästhetisch Gründen gerade auf diese spezifische Weise seine Gegenüber in Stücke haut. Kann man machen. Hier finde ich letztendlich fast alle derjenigen Klischees wieder, die mir so in den Sinn kommen, wenn ich an ost-asiatisch angehauchte Kampfkunst denke. Alles in allem wirken die Ideen aber plausibel in den DSA-spezifischen Tharunhintergrund integriert und nicht nach Oriental Adventures goes 3W20. Das ist sehr schön. Dennoch bin ich mit diesem Teil des Bandes nicht ganz glücklich geworden.
Denn zum einen legt mir der Text hier etwas zu häufig den Schwerpunkt auf blumige Formulierungen statt auf klare und leicht verständliche Ansagen und enthält zu wenig aus der Kategorie „Jetzt noch mal ganz einfach zum Mitschreiben“. Zum anderen richtet sich das Angebot an zusätzlichen Manövern, Sonderfertigkeiten etc. vor allem an diejenigen Spieler, denen Kämpfe gar nicht taktisch ausgefeilt genug sein können. Für solche Spieler (wie mich), denen bereits die DSA4-Kämpfe hierdurch zu zäh und langsam ablaufen, vermisse ich Optionalregeln, mit denen man die Coolness der Schwermeister im Spiel umsetzen kann, ohne hierdurch noch mehr Komplexität und Auswahlmöglichkeiten ins Spiel zu bringen. Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, wären etwa leicht aufgemotzte DAS 4.1-Standardmanöver mit besseren Effekten gewesen, wie etwa: Bei Finten erhält der Gegner einen zusätzlichen Malus von X Punkten, bei Wuchtschlägen gibt es Y zusätzliche Schadenspunkte u.s.w.
Leicht ambivalent bin ich auch in meiner Haltung zum Kern- und Prunkstück des Kampfkapitels, der Weihe zum Schwertmeister. Ein zentraler Teil hierfür ist der Kampf gegen den Shinxasa, den Schwertdämon, der von Priestern mit Hilfe einer Liturgie (!) gerufen wird. Leider fehlt im Band ausgerechnet ein Bild dieses Schwertdämons, was ich sehr ärgerlich finde, denn auf der Liste der unverzichtbaren Illustrationen steht der Shinxasa m.E. direkt hinter den Runen. Die Infos zur Ausgestaltung des Kampfes gegen den Dämon sind dafür sehr inspirierend, und dass tharunsche Schwertmeister nach bestandener Prüfung auch noch die Haare richtig schön bekommen (metallischer Haarglanz), finde ich so lustig, dass es mich alles in allem mit diesem Kapitel wieder ausreichend versöhnt.
Waffen und Rüstungen
Hier wird das zu erwartende Arsenal an Kriegsmaterial geboten, inklusive Rüstungen, Fernkampfwaffen und Belagerungsgerät. Der Schwerpunkt liegt auf den sog. Schwingen, wie die verschiedenen Varianten gekrümmter Klingen in Tharun heißen. Die Schwingen sind von den Werten her etwas besser als ihre aventurischen Verwandten, aber nicht übermächtig. Dazu gibt es aber auch andere bekannte Waffentypen im tharunschen Gewand und – leider – auch die obligatorischen und arg klischeebehafteten Wurfsterne. Dass das blöde Donnerrohr (mit Schießpulver) weiterhin sein Zuhause in Tharun findet, will mir ebenfalls nicht gefallen, für mich gehen klassische Fantasy und Schießpulver in etwa so gut zusammen wie Migräneanfall und Bebop-Solo. Das sind jedoch Vorlieben, die man nicht teilen muss, von daher will ich dem Band diese Geschmacksverirrungen nicht zum Nachteil auslegen. Die Illustrationen sind in diesem Teil des Buches auf jeden Fall sehr stimmungsvoll. So hätte ich mir das deutlich häufiger gewünscht.
Besondere Aufmerksamkeit wird den magischen Waffen gewidmet. Von denen gibt es in Tharun mehr als in Aventurien, denn Endurium ist hier deutlich häufiger (auch Titanium ist möglich), auch wenn solche Waffen weiterhin selten sind und ihr Besitz Schwertmeistern mit besonderen Verdiensten vorbehalten ist. Magische Waffen enthalten jeweils eine sog. Erzseele mit besonderem Charakter, die der Artefaktseele aus Wege der Alchimie entspricht. Regeltechnisch werden magische Waffen ähnlich wie Helden generiert und verfügen auch über einen Loyalitätswert. So können Vor- und Nachteile der Waffe etwa mit eigenen GP gekauft werden, die durch Qualität und Art des Materials bestimmt werden. Das ist eine nette Sache und ermöglicht die Konstruktion sehr mächtiger Artefakte (Boni von +3 TP und -5 BF nebst Erzseele mit weiteren Eigenschaften sind bei einer großen Schwinge durchaus möglich, was ein hübsches Gesamtpaket schnürt). Etwas gemindert wird die Mächtigkeit der Waffen allerdings dadurch, dass eigentlich nur die tharunschen Monaden – die tharunschen Zyklopen – sie richtig schmieden und reparieren können. Nebenbei: Dass bei den Tabellen für Zusatzeffekte auch auf die Ausführungen zu Zyklopenwerk im Aventurischen Arsenal zurückgegriffen wird, sticht positiv hervor.
Insgesamt gibt es knapp 70 Beispiele für Vor- und Nachteile, über die man eine magische Waffe mit Erzseele charakterisieren kann, darunter etwa Feurig, Verwöhnt oder Vampirisch. Elric von Melnibone gefällt das. Die Regeln zur Bestimmung des Loyaltätswerts der Waffen wirken auf mich recht vage und großzügig interpretierbar, so dass man als Meister trotz zahlreicher Modifikatoren eigentlich jeden Wert irgendwie begründen kann. Der geschätzte Kollege Cifer brachte dies in einem Gespräch folgendermaßen treffend auf den Punkt:
Man hätte auch einfach schreiben können: „Wählen Sie für die LO einen Wert zwischen -20 und +20 und saugen Sie sich dann eine Begründung aus den Fingern, warum die Erzseele den Träger in entsprechendem Maße mag oder nicht mag.“
Dem ist nichts hinzuzufügen, wobei ich eine solche Regel persönlich aber gar nicht mal als Nachteil angesehen hätte.
Runenmagie
Ich hatte es eingangs bereits angedeutet: Das Kapitel zur Runenmagie hat mir keine Freude bereitet. Beim Schreiben dieser Rezension beschlich mich dann aber mehr und mehr der Verdacht, dass meine Unzufriedenheit zu einem nicht unerheblichen Maß auch dadurch geprägt sein könnte, dass ich mit dem in meinem Augen überkomplexen und klobigen DSA4-Regelsystem nie wirklich warm geworden bin und daher der aktuellen Form der Runenmagie womöglich Sachen ankreide, die eher meine skeptische Haltung zum DSA4-Regelwerk widerspiegeln. Daher lasse ich an dieser Stelle zunächst jemanden zu Wort kommen, der sich in diesem Regelsystem nicht nur sehr gut auskennt, sondern auch pudelwohl fühlt. Daher Vorhang auf für den oft-kopierten-und-selten-erreichten Sedef:
Kommentar zur Runenmagie von Sedef
Als Hadmar von Wieser 1987 für Schmidt Spiele einige Runensteinchen in die Box DSA-Professional – Schwertmeisterset 1 einbaute, hat er sicherlich nicht erwartet, dass diese Runen im Jahr 2015 einmal ein 76-seitiges Kapitel in einem gebundenen Hardcover zur derischen Hohlwelt einnehmen würden. Der Umfang der Regeln erklärt sich aber ziemlich schnell, wenn man einen Blick auf die Kapitelüberschriften wirft. Auch in Tharun gibt es nämlich verschiedene Arten der Magie, die von der Runennutzung ohne magische Fähigkeiten bis zum sphärenvernichtenden Großritual alles abdecken, und damit jeweils ein paar eigene Regeln benötigen. Dazu wird noch detailliert auf die Regeln für aventurische und myranische Zauberer in Tharun eingegangen.
Die bekannteste Form der Runenmagie, das Runen-Dreieck, ist dabei aus dem alten System übernommen worden und im Grundsatz simpel: Drei Runen werden in einer bestimmten Anordnung ausgelegt und rufen damit einen magischen Effekt hervor. Welche Art von Effekt das sein kann, hängt von den verwendeten Runen und deren Anordnung ab. Diese Runen-Magie ist dabei enorm vielfältig: Mit den 16 verfügbaren Runen bietet sich damit eine Unmenge an Kombinationen, die jeweils noch unterschiedliche Effekte hervorrufen können. Mit 15 Seiten an Beispielzaubern, einer Anleitung zum Ausgestalten weiterer Zauber und einem Beispiel, wie man die Effekte bekannter aventurischer Zauber mit Runenmagie nachbaut, sollte jeder Zauberer gut versorgt sein – vorausgesetzt, er verfügt über die passenden Runensteine.
Soweit zum Grundsatz, denn der Namenlose steckt auch hier im Detail: Runen-Dreiecke werden anders als andere Magie bei DSA zunächst in einem mehrstündigen Ritual vorbereitet („belegt“) und dann mit einer Probe + Auslösungswort bei Bedarf ausgelöst. Man kann dabei zwar vorsorglich sehr viele Zauber vorbereiten, allerdings entladen sich die dafür verwendeten Runen beim Zaubern und stehen eine Zeit lang nicht mehr zur Verfügung. Für diese Probe ist dann entscheidend, wie gut der Zauberer mit den verwendeten Runen umgehen kann: Gesteigert werden nicht die einzelnen Zaubereffekte, sondern (eher nach myranischem Vorbild) der Wert im Umgang mit der jeweilige Runen-Art („Runenfertigkeitswert“). Gewürfelt wird dann auf den Mittelwert (!) der Runenfertigkeitswerte der jeweiligen Runen. Sehr schön finde dabei die Festlegung der Eigenschaften, auf welche die Probe gewürfelt wird: Jeder Rune ist eine Eigenschaft zugeordnet, so dass man mit den drei Runen auch gleich die drei Eigenschaften für die Probe festlegt (und damit tatsächlich das 3W20-System mit den Runen verzahnt). Das Ganze klingt so zusammengefasst zum Glück sehr viel komplizierter, als es im Spiel dann eigentlich ist. Drei Runen. Mittelwert. Würfeln. Fertig.
Zu kompliziert? Oder noch nicht komplex oder nicht episch genug? In die eine Richtung gibt es die einfacher gehaltene Runenmeditation, auf die sich auch profane Helden immer weiter spezialisieren und so einer bestimmten Rune annähern können, und das Runen-Orakel. Für mehr Epik gibt es die Runenpentagramme (5 Runen für die richtig großen Effekte und Beschwörungen) und das Runenopfer, bei dem man es mit der Zerstörung einer Rune so richtig krachen lassen kann.
Wie für Myranor und Aventurien gibt es dann auch für Tharun diverse Modifikationsmöglichkeiten über Sonderfertigkeiten und Probenaufschläge, von den bekannten Spontanen Modifikationen und der Zauberei über große Entfernungen, Anti- und Metamagie bis hin zu abgedrehten High-End-Fähigkeiten, mit denen man beispielsweise die Zauber auch in einer Kampfaktion mit auslösen kann. Kurzum: Es gibt eine vollständige Abdeckung der üblichen DSA-Magie-Möglichkeiten für das spezielle Tharun-Setting. Dazu kommen noch ganz speziell tharunische Fähigkeiten, wie etwa die schrittweise Erhebung von profanen zu Viertel-/Halb-/Vollzauberern, der Regeneration und dem Morguaiverfall (beim Zaubern mit Lebenskraft) nebst Blutdurst. Auch diese Regeln scheinen sich aber auf den ersten Blick gut in die bestehenden Systeme einzufügen, der schrittweise Aufstieg zum Vollzauberer passt etwa im Wesentlichen zu den vergleichbaren Regeln der Risso-Zauberer. Dieser Grad an Komplexität trifft sicherlich nicht jedermanns Geschmack, aber in sich und im Vergleich mit den anderen Magiesystemen von DSA macht das Ganze auf den ersten Blick einen guten Eindruck.
Für Gruppen, die mit bestehenden Helden nach Tharun aufbrechen wollen, dürfte aber all das erst einmal gar nicht so wichtig sein. Für Myraner und Aventurier in Tharun gibt es 7 eigene Seiten, die sowohl das Wirken derischer Magie in Tharun regeln, als auch die Runennutzung für derische Zauberer. Diese Regeln sind dabei (anders als etwa die vergleichbaren Regeln aus dem alten Myranor-Hardcover) offenbar darauf ausgelegt, dass Oberflächenzauberer auch bei kurzen Besuchen in Tharun nicht zu sehr eingeschränkt werden. Die Magie-Feindlichkeit der Sonne von Tharun macht sich erst nach und nach bemerkbar, und der Zauberer kann gleichzeitig über verschiedene Sonderfertigkeiten lernen, die Runen für seine Zwecke zu nutzen – und zwar nicht nur in Form der tharunischen Runenzauberei, sondern auch, um über Hilfsmittel langfristig weiter wie gehabt zaubern zu können. Fun Fact dazu: Derische Zauberer können lernen, ihre Ritualgegenstände als quasi Ersatz-Runen für Runen-Dreiecke zu nutzen, um damit mehr Effekte zur Verfügung zu haben.
Zwei nicht unwesentliche Kritikpunkte an diesen Magieregeln habe ich aber: Zum einen ist die Darstellung im Buch unübersichtlich und das Kapitel beim ersten Durchlesen ohne Vorkenntnisse damit schwer verständlich. Dazu springt gerade der erste Abschnitt immer wieder zwischen den verschiedenen Arten der Runenmagie hin und her. Eine Leitlinie, mit der sich ein Tharun-Neuling vielleicht erst einmal nur auf Runen-Dreiecke oder Runenmeditation beschränken kann, wäre hilfreich gewesen. Gerade für Gruppen, die überlegen, einmal Tharun zu testen, dürften bei den ersten Abenteuern nicht all diese Regeln relevant werden. Ich nehme dabei einmal an, dass jedenfalls Runenopfer und Runenartefakte seltener vorkommen, so dass man diese Kapitel auch erst einmal übergehen könnte. Diese komplexen Regeln finden sich schließlich, anders als bei Aventurien und Myranor, nicht in einem Erweiterungsband, so dass der Leser nicht bereits auf vorhandene Kenntnisse der tharunischen Magie aufbauen kann.
Der andere Kritikpunkt liegt im Umfang dieses Abschnitts selbst. Die Regeln scheinen nach DSA 4.1 gut in das bestehende System einzufügen zu sein und stehen in der Komplexität den anderen Magiesystemen in nichts nach. Das gefällt mir sehr gut, dürfte aber vielleicht gerade einige Tharun-Veteranen vor Probleme stellen. Insbesondere Spieler, die nicht DSA 4.1 mit vielen Expertenregeln spielen und in Aventurien etwa nicht zahlreiche Spontane Modifikationen kombinieren, dürften hier einige Mühe haben, überhaupt durchzusteigen. Vielleicht wären hier als Alternativen ein paar Leitlinien zum stark vereinfachten Umgang mit dem recht freien Runen-Magiesystem hilfreich gewesen. So besteht die Gefahr, dass einige Spieler zwar beim Kampf- und Generierungssystem wegen der starken Ähnlichkeit zu den Oberwelt-Kontinenten schnell durchblicken, aber bei der Magie den Anschluss verlieren. Das wäre schade, weil das Magiesystem an sich ziemlich gut gelungen ist.
Soweit also Sedefs Einschätzung, dessen begeisterte Darstellung meinen ursprünglichen Frust deutlich abmildern konnte. Neben der bereits schon bemängelten Darbietungsform der Informationen in diesem Teil des Buches ist das Regelsystem für mein Empfinden nämlich viel zu kompliziert und umständlich ausgefallen. Zwar ist das alles noch nicht so wild wie das Myranor-Magiesystem, das mich mehrfach Tränen der Verzweiflung vergießen lässt, aber inmitten all des regeltechnischen Klein-Klein habe ich mich irgendwann bei dem Gedanken Dagegen ist aventurischer Elementarismus ein Kinderspiel ertappt. Kein gutes Zeichen.
Die DSA4-Version der Runenmagie ist eindeutig für solche DSA-Spieler geschrieben worden, denen Regeln gar nicht verschnörkelt und detailliert genug sein können, womit für mich ein Großteil des angenehm freizügigen, wenn auch notorisch unterbestimmten DIY-Ansatzes der 80er-Runen-Regeln verloren geht. Auch die Handhabung nicht-tharunscher Zauberer finde ich ziemlich umständlich, obwohl ich den Ansatz grundsätzlich sehr löblich finde, auch solchen Magiebegabten die Möglichkeit zu geben, ihre alten magischen Fähigkeiten zu erhalten. Das war in der alten Tharun-Box so nicht vorgesehen und dürfte für viele ein Hemmnis gewesen sein, sich ernsthaft auf das Setting einzulassen.
Wie könnte nun ein sinnvoller Kompromiss aussehen? Würde ich eine eigene Tharunrunde spielen, würde ich folgende Hausregelung vorschlagen: Die AsP-Regeneration wird bei Helden, die von außerhalb nach Tharun kommen, nach einer gewissen Zeit in der Hohlwelt eingestellt, bis die Helden über die für Regeneration notwendige Geist-Rune verfügen (deren physische Nähe in dieser Regel-Variante aber auch ohne weitere Sonderfertigkeiten und Rituale für Regeneration ausreicht). Magisch begabte Helden können nach intensivem Selbststudium oder durch einen Lehrmeister die im Band angegebenen notwendigen Sonderfertigkeiten für Runenmagie erwerben, wobei sie ihre schon vor der Reise nach Tharun bekannten Sprüche mit Erschwernissen auch ohne vollständiges Runendreieck verwenden können, sofern sie zumindest die Geist-Rune besitzen. Haben Sie hingegen genug Runen für ein passendes Runendreieck, verschwinden die Erschwernisse gänzlich, wobei für vorher bekannte Zaubersprüche zudem die Notwendigkeit entfällt, die Runen vorher mit einem eigenen Ritual zu belegen – es genügt stattdessen, die Runen an sich gebunden zu haben und in Sichtkontakt mit ihnen zu stehen. Hinzu kommt dann noch die Möglichkeit, die neuen Möglichkeiten der Runenmagie zu erlernen.
In diesem Zusammenhang würde ich auch vorschlagen, sämtliche Vorgaben zur notwendigen Belegung von Runen ersatzlos zu streichen, auch wenn man hier den Autoren insofern keinen Vorwurf machen kann, als diese Idee bereits in den ursprünglichen Tharunboxen angelegt war. Gefallen will sie mir trotzdem nicht so recht, denn wenn man Runen nicht spontan zum Zaubern verwenden kann, sondern diese vorher aufwändig über ein komplexes Ritual mit einem Zauberspruch belegen muss, werden sie zum bloßen Paraphernalium für die altbekannte Spruchzauberei degradiert, auch wenn sie jedem Runenzauberer seine eigene Zauberwerkstatt ermöglichen. Deutlich besser fände ich, die Wirkung der Runen flexibel und spontan handhaben zu können, wobei ich mich hier an Kai Lembergs Vorschlag aus seiner Rezension orientieren würde.
Nach all der Kritik will ich nun aber auch loben. Denn zum einen gefallen mir die vielen Beispiele für Runenzauber, die der Band enthält, sehr gut. Angesichts des freien Charakters des tharunschen Magiesystems ist die Orientierung hieran ein guter Weg, um sich mit dem Meister auf ein gewisses Grundinventar an Wirkungen zu einigen, das dann auch als Ausgangspunkt für Einzelfallentscheidungen dienen kann. Darüber hinaus enthält der Teil der Runenmagie viele schöne Ideen, die man auch problemlos aus dem komplizierten Regelgerüst extrahieren kann.
Geweihte
Bei den Geweihten erwartet den Leser, der noch nicht mit den neuen Perspektiven aus der Historia Aventurica vertraut ist (oder diese zu ignorieren beschlossen hat), ein vollkommen anderes Götterbild als das aus Aventurien vertraute. Die tharunschen Götter entsprechen nämlich nicht der Idee mächtiger und moralisch guter Wächter, die viele in den aventurischen Gottheiten des Zwölferpantheons realisiert sehen. Die Neugötter Tharuns vertreten zwar klar den Standpunkt der Ordnung gegenüber dem Chaos der Niederhöllen, sind ansonsten aber nicht die angenehmsten Gesellen und zudem äußerst skrupellos. Dementsprechend stehen auch ihre Geweihten überwiegend im Dienste der Macht- und Ordnungserhaltung und weniger im Dienste der Fürsorge für die Gläubigen. Hier wird das alte Tharun-Konzept der bösen (oder zumindest nicht dezidiert guten) Götter auf schöne Weise wieder aufgenommen. Selbst wenn man sich das neue Götterverständnis aus der Historia Aventurica zu eigen macht (was ich sehr empfehle, da es hierdurch deutlich einfacher wird, die tharunschen und derischen Götter als Anverwandte zu begreifen), bleiben die Kontraste zwischen den Zwölfen und den Neugöttern übrigens deutlich bestehen, auch wenn wir es dann mit verschiedenen Abstufungen einer Skala, und nicht mit einem kategorialen Unterschied zu tun haben.
Der Charakter der tharunschen Götter spiegelt sich nun auch in den Liturgien der Geweihten wider, von denen es im Band zahlreiche Exemplare zur Auswahl ohne Anspruch auf Vollständigkeit gibt. Den Rest deckt ein schöner Baukasten für eigene Liturgien ab, der ebenso praktisch ist wie die Hinweise zu verschiedenen Möglichkeiten, derische Geweihte in Tharun zu handhaben. Auffällig ist, dass die Liturgien der tharunschen Geweihten vor allem im Vergleich zu den Liturgien der aventurischen Geweihten (nach DSA4.1 Regeln) überraschend mächtig sind und sich auch hinter den Wirkungen der Runenzauber nicht zu verstecken brauchen. Die Liturgie Arkanaigestalt etwa dürfte bei erfahrenen Geweihten Unverwundbarkeit sehr nahe kommen. Dazu kommen die Flüche, die tharunschen Geweihten als regeltechnische Besonderheit offen stehen und die für mein Empfinden allerdings viel zu mächtig geraten sind.
Die Flüche der Geweihten stehen regeltechnisch auf einer Stufe mit den DSA4-Segnungen und haben überwiegend sehr deftige Auswirkungen, zumal sie LkP* x 8 Tage wirken, so gut wie keine KE kosten und gratis beim Tod des Geweihten auf permanent aufgestockt werden können. Das kommt bei manchen Flüchen praktisch einem Todesurteil des Verfluchten gleich (oder macht ihn zumindest unspielbar). Zum Beweis sei hier der Fluch „Mögest du in Qualen sterben!“ aufgeführt:
Reichweite: Sicht
Ritualdauer: Stoßgebet (3)
Auswirkungen: Der Verfluchte beginnt aus Mund, Augen und Nase zu bluten. Ab sofort muss er bei jeder größeren körperlichen Anstrengung und nach jedem Kampf eine KO-Probe ablegen, die je nach Grad der Anstrengung ggfs. auch noch erschwert sein kann (z.B. in Höhe vergleichbarer Talent- oder Eigenschaftsproben). Besteht er auch nur eine der Proben nicht, erleidet er am Ende der jeweiligen Stunde LkP*/2 SP.
Wirkungsdauer: LkP* x 8 Tage
Die Flüche machen es m.E. nahezu unmöglich, gegen Geweihte der Neugötter vorzugehen. Ich würde daher empfehlen, ihre Wirkungen entweder massiv abzuschwächen oder aber sie als hochstufige Liturgien zu begreifen, die allein mächtigen Hochgeweihten vorbehalten sind. Ich würde hier zwar nicht von einem Fehler sprechen, denn dem Ganzen liegt offensichtlich eine bewusste Designscheidung der Autoren zu Grunde, die tharunsche Geweihte zu beinahe unantastbaren Autoritäten und mächtigen Säulen des Gesellschaftssystems macht. Ich halte diese Entscheidung aber für problematisch, da sie vor allem das Abenteuerkonzept „Kampf gegen die etablierte Ordnung“ sabotiert, denn hierbei kann der Konflikt mit den Priestern der Neugötter nur schwer vermieden werden.
Der Rest vom Schwertmeisterfest
Angesichts der Länge, mit der Sedef und ich uns den bisherigen Inhalten gewidmet haben, die ich für die wichtigsten und diskussionswürdigsten halte, möge man mir verzeihen, wenn ich den Rest des Bandes nun recht zügig abhandle, auch wenn es sich dabei immerhin um noch 100 weitere Seiten handelt.
Die Regeln zu den Kymanai (Tierbändigern) fallen für meinen Geschmack etwas zu detailliert aus, haben aber einige sehr schöne Pointen. Mit Runeneinsatz kann nämlich letztendlich jedes Viech zu Lande und in der Luft abgerichtet und geritten werden. Auch dem regelkonform rucksacktragenden Krokodil steht damit endlich nichts mehr im Weg, meine Lieben! Solide fallen die Regeln zu Numinai (Schiffslenker) und zu allem rund ums Thema Schifffahrt aus. Überraschend fand ich jedoch, wie umfangreich der Teil zu Schiffen ausgefallen ist. Nicht nur Regeln für Schiffbau, auch zahlreiche Beispiele für verschiedene Schiffstypen und auffällig viele Bilder gibt es hier zu bestaunen. Das ist alles m. E. deutlich ausführlicher ausgefallen, als notwendig gewesen wäre. Das Gegenteil trifft auf den Bereich Flora, Fauna und Monstren zu. Da es leider keinen gesonderten Monster- und Kreaturenband für Tharun geben wird, müssen die wesentlichen Infos hierzu im Regelband abgehandelt werden. Das gelingt im Großen und Ganzen auch. Der Nichtmonster-Teil fällt kurz, aber nicht zu kurz aus, und man findet hier allerlei Nennenswertes mit Namen und Stichwort angedeutet, was als Inspirationsskizze vollkommen ausreicht. Der Teil zu „Bestien, Wesenheiten und Kreaturen“ enthält zwar immerhin 30 Seiten, ist mir aber trotzdem zu kurz geraten, zudem gibt es hier, gerade im Vergleich zum Schiffsteil, auffällig wenige Illustrationen. Nun versteht es sich zwar von selbst, dass in einem Regelband nicht endlos Platz vorhanden ist, aber gerade im Schiffsteil hätte man für mein Empfinden gut kürzen können, um Platz für mehr Kreaturen zu schaffen. Dasselbe gilt auch für den insgesamt recht hilfreichen Teil zum Thema „Abenteuer in Tharun“, bei dem auch auf das Spiel mit Heldinnen in der patriarchalischen Welt Tharuns eingegangen wird. Dies hätte deutlich besser in den noch kommenden Abenteuerband gepasst und wirkt hier eher wie etwas aus der Kategorie „Richtiges Material am falschen Ort“.
Fazit
Wege nach Tharun macht vieles richtig. Es knüpft mit der freien Gestaltbarkeit von Zaubern und Liturgien ans Flair der alten Tharun-Boxen an und überträgt dieses in ein aktuelleres Regelsystem. Für mich persönlich schießt der Band im Zuge der DSA4-Adaption an einigen Stellen allerdings auch über das Ziel hinaus. Zudem trifft er einige in meinen Augen fragwürdige Designentscheidungen und bekleckert sich gerade im zentralen Kapitel der Runenmagie in Sachen Informationsvermittlung nicht mit Ruhm, so dass ich in meiner persönlichen Wertung auf solide 6 von 9 Einhörnern käme. Da ich aber vermute, dass der Band bei seiner intendierten Zielgruppe der begeisterten DSA4-Experten deutlich besser ankommt als bei mir, lassen wir auch an dieser Stelle noch einmal Sedef zu Wort kommen:
Das Ziel dieses Buches sollte es in meinen Augen sein, die Welt von Tharun mit Regeln spielbar zu machen, die sich möglichst nahtlos in das DSA 4.1-System einfügen. Das ist nach meinem Eindruck beim Lesen und bei einem ersten Praxistest sehr gut gelungen. Sicherlich ist nicht jeder erfreut von der Aussicht, auf die Komplexität der 4.1-Oberwelt noch ein paar Schippen draufzulegen. Aus meiner regelwütigen Scheuklappen-Sicht sehe ich hierfür aber 8 von 9 Einhörnern, die mit neuen Waffen und Runen die Hohlwelt unsicher machen wollen.
In bester maraskanischer Manier und um Einseitigkeiten im Urteil vorzubeugen, schlage ich eine Kompromisswertung vor und vergebe daher abschließend 7 von 9 Einhörnern mit metallenem Mähnenglanz, Attacke- und Paradewerten weit jenseits der 21 und runenverzierten Enduriumhörnern, die auf Rieseninsekten in die abendliche Sonnenverfärbung reiten. Möge Arkan’Zin mit euch sein!
Mit Dank an den Uhrwerk-Verlag für ein Rezensionsexemplar.
Pingback: Rezension: Wege nach Tharun | Nandurion
Moinsen! Ich wollte an dieser Stelle eigentlich nur eine kleine Erklärung dazu abgeben, wieso man mit der Runenmagie nicht einfach ad hoc Zauberwirkungen aus dem Ärmel schütteln kann, sondern man erst „umständlich“ in einem aufwändigen Ritual basteln muss. Das wurde ja nicht nur hier, sondern auch in der Gastrezension von Salaza bemängelt.
Diese Entscheidung hat tatsächlich Balancing-Gründe. Die tharunische Magie sollte schon ihre eigenen Vorteile haben (also Nischen haben, wo sie besonders effektiv ist) aber alles in allem mit der aventurischen wie myranischen Magie auf gleicher Augenhöhe sein. Spontanzauberei ist dabei ein sehr machtvolles Instrument – das sehr schnell aus dem Ruder laufen kann.
Daher wurde geschaut, wie die Sache in den anderen Settings läuft. Sowohl in Aventurien als auch in Myranor gibt es hier sehr starke Grenzen: Während in Aventurien alternative Effekte weitgehend nur über so genannte Varianten und SpoMos möglich sind, muss man in Myranor erst viele AP in eine Reihe Sonderfertigkeiten investieren, um die Effekte möglichst ohne Einschränkungen spontan zu wirken.
Uns war klar, dass daher auch die tharunische Magie einige Grenzen brauchte. Da für uns feststand, dass es auch in Tharun SpoMos geben wird, man auch mit wenigen Runensteinen viele verschiedene Effekte wirken können wird und sich der Spieler gleich zu Beginn seine Zauber in voller Wirkung basteln können sollte, wurde das Belegungsritual als „Hürde“ eingeführt. Dies begrenzt die Anzahl möglicher Effekte und erfordert das Investieren von zumindest mehreren Stunden Zeit und Mühen in das Erschaffen eines neuen Zaubers.
Dies heißt aber nicht, dass man auf seinen geschaffenen Zaubern für immer sitzen bleibt. Mit der SF „Runenzauber lösen“ kann man sie aus seiner Zauberliste auch wieder entfernen – und so Platz für neue Zauber schaffen. Eine für jedes Abenteuer maßgeschneiderte Zauberliste ist also schon möglich. Es dauert aber etwas, um sie zusammenzustellen.
Ich hoffe, ich konnte an der Stelle etwas Klarheit verschaffen. 🙂
Herzlichen Dank für diese ausführliche Rezension. Das hat mich wirklich sehr gefreut. Nichts ist schließlich schlimmer als kein Feedback oder zu wenig Feedback. Dass die Bewertung obendrein auch noch so positiv ausfällt, macht mich sehr froh.
Wir hätten es im Buch deutlicher sagen müssen. Aber vielleicht ist dieser Lektürehinweis für den/die eine_n oder anderen Leser_in Nandurions noch hilfreich:
Das Kapitel zur Runenmagie ist nicht für die Lektüre von vorne bis hinten konzipiert worden. Es enthält nicht nur die notwenigen Basisregeln sondern auch alle geplanten Erweiterungs- oder Expertenregeln für die Runenmagie.
Für den Einstieg in Tharun sind eigentlich nur die ersten Abschnitte relevant: Grundlagen, Astralenergie, Meditation, Dreieck, Runendomänen. Somit erstrecken sich die Magieregeln auf die Seiten 104 bis 131. also auf 27 Seiten.
Die Beispielzauber sind nicht als Lektüre, sondern als Ressource gedacht, eben als Beispiele zur Veranschaulichung der vorher vermittelten Regeln und als Inspiration für eigene Zauber.
Alle folgenden Abschnitte stellen Expertenregeln dar. Natürlich ist der Abschnitt „Derische Zauberer“ relevant für zauberkundige Besucher von der Oberfläche, für tharunische Charaktere aber nicht. Runenorakel, -opfer, Pentagramm- und Artefaktmagie sind auf jeden Fall optional, oder als Ausbauregeln gedacht und nur für 1 bis 5 % der tharunischen Zauberkundigen zugänglich.
@Josch:
Falls du wissen willst wie ein Shinxasa aussieht (oder zumindest eine Interpretation von ihm). Hier auf Nandurion gibt es ein Bild von einem Tryptichon, wo ganz rechts ein Shinxasa zu sehen ist. Das ist das in Flammen gehüllte Wesen. 🙂
http://nandurion.de/wp-content/uploads/2014/03/Tharun-Coverposter-Marcus-Koch.jpg