Rache ist Stockfisch

Gastrezension von Ackerknecht

Cover des Heldenwerk-Abenteuers Rache ist StockfischVor einigen Tagen lag ein neuer Aventurischer Bote samt Heldenwerk in meinem Briefkasten. „Oh wie schön“, dachte ich und warf einen Blick auf das Cover. Rache ist Stockfisch lautete der Titel, über dem mich eine junge Thorwalerin keck anlächelte. Das sah nach einem Regionalszenario um eine (möglicherweise augenzwinkernd präsentierte) Nordleute-Fehde aus. Dann las ich die ersten zwei Sätze des Klappentextes: „Ein kleines Fischernest im Süden Thorwals ist Schauplatz einer Tragödie geworden. Die Köhlerin Ulfhilda liegt tot neben der furchtbar entstellten Leiche ihres neugeborenen Sohns.“ Okay, vielleicht doch nicht. Ich habe das Abenteuer dann in den Stehschuber zu meinen gesammelten Boten gestellt, um es dort zu vergessen und gut ist. Das ist nicht meine Tasse Tee. Dann hat mich Nick-Nack daran erinnert, dass ich die 2017er-Heldenwerke ja für Nandurion rezensieren wollte. Also an die Arbeit…

Ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden: Am Ende dieser Rezi stehen zwei von neun möglichen Einhörnern. Das Abenteuer hat mit überhaupt gar nicht gefallen. Und das ist noch freundlich formuliert. Die schlechte Bewertung hat zwei Gründe: Zum einen passt das Szenario weder zu meinem Spielstil noch zu meinem persönlichen DSA/Aventurienbild, zum anderen ist es handwerklich schlecht gemacht. Ich hoffe, ich kann diese beiden Dinge – persönliche Geschmacksfragen und sachliche Kritik – im Folgenden getrennt voneinander darstellen und nachvollziehbar aufs virtuelle Papier bringen.

Das Abenteuer eignet sich laut Klappentext für alle nicht-exotischen HeldInnen, die in Thorwal klarkommen würden, man sollte also mit der generischen Mainstream-Gruppe keine Probleme haben. Es wird eine durchschnittliche bis erfahrene Heldengruppe gesucht. Die Komplexität für Spieler und Meister ist jeweils mit „gering“ angegeben. Das Genre ist Detektivabenteuer, dementsprechend sollten soziale Fertigkeiten gut ausgebildet sein. Laut Einleitung eignet sich das Szenario gut für Einsteigerhelden sowie wenig erfahrene Spielleiter und setzt wenig Hintergrundwissen über DSA voraus.

Das Einhorn warnt: Ende der spoilerfreien Zone!
Nandus Balken Schmal

Die Schwestern Ulfhilda und Swafrieda wachsen als Waisen im Dorf Vedvarnheim auf. Ihr Vater wurde aufgrund des Vorwurfs, mit Walfängern zu mauscheln, aus dem Dorf verbannt. Ihre Mutter, die Köhlerin, starb an der Blauen Keuche. Ulfhilda, die ältere der beiden, bandelte mit Ysten Frikkson, dem Sohn des Hetmanns an – eine Liaison, die sie vor dem Dorf geheim halten mussten. Ulfhilda, die zu diesem Zeitpunkt bereits mit Ystens Sohn schwanger war, lernte dann den Herumtreiber und Schurken Halgrim kennen. Da sie sich als zwei von der thorwalschen Gesellschaft Verstoßene fühlten und weil Ysten nicht für sein Kind einstehen würde, begann Ulfhilda eine Beziehung mit Halgrim. Dieser erkannte in Ulfhildas neugeborenem Kind dank eines auffälligen Muttermals sofort Ystens Sohn und erschlug Ulfhilda im Streit. Dann drehte er dem Neugeborenen kurzerhand den Hals um und machte sich aus dem Staub. Bis hier hin war die zwölfjährige Swafrieda Zeugin des Verbrechens, für das sie Rache an Halgrim schwor. Etwas später fand Ysten die beiden Toten und erkannte ebenfalls seinen Sohn. Um sich aus dieser Sache rauszuwinden, verstümmelte er die Kinderleiche mit Ulfhildas Axt bis zur Unkenntlichkeit und schob den Kindsmord der toten Mutter in die Schuhe, während er weiterhin den flüchtigen Halgrim als Schuldigen an Ulfhildas Tod bezeichnete – aber er bezichtigte Halgrim nicht des Mordes, sondern des Totschlags als Rache für den Kindsmord. Swafrieda stahl unterdessen das Fischerboot von Frikk Jarundson, Ystens Vater und Hetmann von Vedvarnheim, um ihrer Schwester ein angemessenes Thorwalerbegräbnis zu bereiten. Hier setzt dann die Haupthandlung ein, die in drei Akte unterteilt ist:

  1. Die Ankunft der Spielerhelden im Dorf und ihre erste Begegnung mit Swafrieda,
  2. Die Verfolgung von Halgrim und
  3. Der Überfall auf ein Orklager.

Uff. Ich habe die entsprechenden Passagen im Heldenwerk mehr als einmal gelesen, und tat mich schwer mit dieser Zusammenfassung (wie übrigens mit der gesamten Rezension). Ich frage mich, seit ich mit der Arbeit daran angefangen habe, ob der Fehler bei mir liegt? Bin ich vielleicht zu zartbesaitet? Wünsche ich mir ein Blümchen-Aventurien, das so nicht geplant ist? Sollte ich vielleicht mal ein paar Staffeln Game of Thrones gucken, um beim Gewaltniveau in der Mainstream-Fantasy des Jahres 2017 anzukommen? Bin das wirklich nur ich, der einen Plot um zerstückelte Säuglingsleichen komplett unpassend für ein an Einsteiger gerichtetes, einen Spielabend füllendes Heldenwerk findet? Was mich wirklich sehr irritiert, ist, dass der Rest des Szenarios das hier mehr als angedeutete „Grim&Gritty“ nicht fortsetzt. Einem Säugling den Kopf abzudrehen ist schon irgendwie ein total schlimmes Verbrechen, aber darüber müssen wir mal ganz in Ruhe diskutieren und dann finden wir als vernunftbegabte Menschen bestimmt eine Lösung, mit der wir alle leben können … oder so ähnlich. Aber der Reihe nach:

Akt 1: Der Auftakt

Die Spielercharaktere treffen bei einer nächtlichen Wanderung entlang eines Klippenpfads die junge Swafrieda, die erfolglos versucht, mit Pfeil und Bogen ein Boot in Flammen zu schießen. Was macht man in einem solchen Fall? Richtig, man bittet vorbeikommende Helden um Hilfe. Nachdem das Fischerboot durch Heldenhilfe ordentlich brennt, nimmt die zwölfjährige Thorwalerin einen ordentlichen Hieb Premer Feuer und reitet von dannen.

Ein zwölfjähriger thorwalscher Racheengel (Bild von Marc Margielsky)

Etwas später sollen die Helden dann in Vedvarnheim eintreffen, wo ein Riesenbuhei herrscht: Die Köhlerin hat ihr Kind umgebracht, ihr Geliebter hat daraufhin die Köhlerin umgebracht, und dann wurde auch noch das Fischerboot des Hetmanns gestohlen! Und das Stockfischgestell wurde im Regen nicht abgedeckt! Die Helden sollen sich hier als Schlichter hervortun und sie können die oben geschilderte Vorgeschichte teilweise in Erfahrung bringen. Letztlich sollen sie sich an die Fersen von Halgrim und Swafrieda heften, um den Mordfall (und den Verbleib vom Fischerboot des Hetmanns) aufzuklären.

Okay, an dieser Stelle tue ich dem Abenteuer etwas Unrecht: Diese beiden Szenen sind relativ offen gestaltet. Das Abenteuer gibt Tipps, wie man mit verschiedenen Reaktionen der Helden umgehen kann. Es werden verschiedene mögliche Plotvarianten (das Boot wird nicht abgefackelt, die Helden bringen Swafrieda mit ins Dorf, …) angesprochen. Trotzdem sollen die Helden mehr oder weniger in eine Richtung gedrückt werdeb: Ein Kasten mit der Überschrift „Wenn die Helden nicht so wollen, wie sie sollen“ geht doch stark in Richtung Railroading. Auch sind die im Szenario genannten Werkzeuge nicht immer überzeugend: Um die Helden zur Detektivarbeit zu motivieren werden ihnen u. a. zwei Schafe als Belohnung angeboten. Oder es fallen Knallersätze wie „Sie sind Helden – und Helden gehen mysteriösen Dingen auf den Grund.“

Getrost über Bord werfen kann man die Anforderung „Komplexität Spielleiter: Niedrig.“ Ich habe lange überlegt, wie meine üblichen Spielgruppen auf die Seebestattungsszene reagieren würden. Ich habe keine Ahnung. Dies ist ein klassischer Fall einer Eröffnung, die den Erstkontakt mit der Spielerschaft nicht überstehen wird. Hier ist ein großes Improvisationstalent nötig, und das ist nicht mehr „Komplexität: Niedrig.“

Akt 2: Die Verfolgung

Nach dem eiligen Aufbruch in der Nacht können die Helden, in Begleitung von Frikk und Ysten, die gesuchten Swafrieda und Halgrim stellen. Hier sollen die Spielercharaktere wiederum schlichten, wozu sie die gefährlichen Klippen der thorwalschen Gesetzeskunde (!) umschiffen müssen. Letztlich stellt sich die Situation folgendermaßen dar: Alle Beteiligten haben irgendwo Dreck am Stecken.

  • Halgrim hat dem Säugling den Hals umgedreht (OT: „Wie bei einem Huhn“)
  • Ysten hat die Babyleiche mit seiner Axt zerhackt (und wird von Frikk gedeckt)
  • Und Swafrieda hat Frikks Fischerboot gestohlen und verbrannt!!11

Man sieht, alle drei haben auf ähnlich hohem Niveau Schuld auf sich geladen. Um einen Interessenausgleich zwischen den Parteien zu gewährleisten, schlägt das Abenteuer folgenden „Königsweg“ vor: Halgrim soll Thurgold an Swafrieda zahlen, mit diesem kann sie wiederum Frikks Boot ersetzen, worauf dieser seinen Sohn Ysten scharf tadeln und Ulfhildas Ruf wieder herstellen wird. Leider ist Halgrim gerade nicht flüssig, aber dafür hat er einen Plan: Er wollte den horasischen Prospektor Gismondo Peruzzi um eine größere Menge Sternengold, das im Sternenfall niederging, sowie die für den Kaufpreis vorgesehenen Dukaten erleichtern. Leider kam ihm eine Bande Orks zuvor, die den Prospektor samt (Sternen-)Gold in ihrem Lager gefangen halten. Wenn ihm nun die Helden beim Überfall auf das Orklager helfen könnten, dann hätte er das Thurgold…

Was.

Zur.

Hölle?

Wie soll das gehen? Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, in dieser Situation zu einer Verhandlungslösung zu kommen. Jeder einzelne meiner selbstgespielten Charaktere, vom mittelreichischen Soldaten über den Puniner Metamagier bis zum traviageweihten Badilakaner, hätte hier nur ein Ziel: Halgrim schnell und gnadenlos seinem gerechten Schicksal zuzuführen. Aber das Abenteuer droht hier ganz stark mit der Eisenbahnkeule: Selbstjustiz wäre Lynchjustiz und damit wären die Helden ja selbst Verbrecher. Was soll das? Erst mit Grim&Gritty-Säuglingsmord anfangen, und wenn die Helden am Zug wären, den Schwanz einziehen? Dann halt ein ordentliches Gerichtsverfahren. Ach nein, da ja der Hetmann eine Streitpartei ist, muss darüber der Jarl entscheiden, der wohnt aber vier Tagesreisen weit weg und hat außerdem bestimmt auch gerade keine Zeit für sowas … ey, Heldenwerk! Was ist eigentlich mit Dir und den Thorwalern los? Erst war beim Deicherben diese rondrianische Piratenotta unterwegs, die sich durch ein Göttinnenurteil davon abhalten lie-, vier Ziegen vom Deichhof zu klauen, und jetzt das hier? Was ist aus den chaotisch-gut-lustigen Raufbolden meiner DSA3-Jugend geworden?

Diese Passage lässt mich wirklich ratlos zurück. Ich hatte ja oben schon angesprochen, dass ich an meinem moralischen Kompass zweifle. Ein brutaler Kindsmord ist für mich kein Aufhänger für ein 08/15-„Und-dann-looten-wir-das-Orklager“-Abenteuer. Aber na gut, dann rauben wir halt unser Thurgold bei den Orks.

Akt 3: Der Überfall

Dein Job im mittleren Management hat dich fett gemacht, Eisenklaue (Bild von Petra Rudolf)

Dieser Teil ist in der Tat nicht schlecht. Hier kann man sehr gut in alter Schule einen Überfall planen, das Szenario liefert gute Werkzeuge und mit dem horasischen Prospektor, den Orks und einem ebenfalls horasischen Schurken als „Doppelagent“ einen interessanten Miniplot. Die antagonistischen Svellttalorks steuern immerhin ein imposantes Bild eines nicht weniger imposanten, korrupten Mittelhäuptlings bei. Wenn dieser Teil nur nicht in diese bizarre Rahmenhandlung eingebunden wäre …

Auch werden gute Spielleiter-Ressourcen für den Überfall geboten: Es gibt detaillierte Werte für alle Beteiligten und sogar einen Übersichtsplan. Leider ist dieser im Heft in einer Größe von 7,5×9 cm abgedruckt. Ich könnte ihn am Fotokopierer auf ein nutzbares Maß (mindestens A4) vergrößern, aber schön wird das nicht.

Wenn das Sternengold (das wohl auch die zwei Punkte „Lebendige Welt“ rechtfertigen soll) geborgen und Peruzzi befreit ist, erfüllen alle Beteiligten ihre oben erwähnten Zusagen. Die Helden hingegen können die Gelegenheit für einen Folgeauftrag (das Geleit Peruzzis zurück nach Grangor) annehmen, was nach den Erfahrungen in Vedvarnheim vielleicht ganz empfehlenswert ist.

Nandus Balken SchmalDas Einhorn verkündet: Ende des Spoiler-Bereichs

Was bleibt also übrig? Die beiden oben erwähnten Einhörner sitzen am Tisch und versuchen, die letzte Szene in einem ihrer selbstgeschriebenen Abenteuer zu verwursten. Ein drittes Einhorn überlegt kurz, ob man das Abenteuer nicht mit einer weniger ekelerregenden Kriminalstory retten könnte. Dann stellt es aber fest, dass es den Aufwand einfach nicht wert ist und spielt was anderes.

Liebes Heldenwerk,

ich habe das Gefühl, das Du gerade eine kleine Krise durchläufst. Von den letzten vier Abenteuern hat mir eigentlich nur die Rübenernte gut gefallen, und das Szenario hatte den Bauergaming-Bonus. Was mir aber beim „Stockfisch“ wirklich Sorgen macht: Bei den drei Vorgänger-Heldenwerken hatte ich immer Ideen und die Motivation, was an dem Abenteuer zu verbessern. Mit Rache ist Stockfisch will ich nichts mehr zu tun haben. Es wird Zeit, dass Du mal wieder einen Knaller auf dem Niveau von Kibakadabra oder der Thorwalertrommel zündest. Beste Grüße, Dein Ackerknecht.

Nandurion dankt Ackerknecht für die Gastrezension und Ulisses-Spiele GmbH für das Rezensionsexemplar!

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Über Nick-Nack

Nick-Nack heißt eigentlich Daniel und spielt seit Ende der 90er Jahre Das Schwarze Auge. Nach einer fast 10-jährigen Rollenspielpause stieg er Anfang 2015 wieder in das Hobby ein und betreibt seitdem unter anderem einen YouTube-Kanal, auf dem er seine Rollenspielrunden zeigt und Tipps und Tricks zum Hobby austauscht.
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9 Antworten zu Rache ist Stockfisch

  1. Pharelis sagt:

    Autsch!

    Nach dieser vernichtenden Kritik möchte ich doch ein paar Worte zum Thema Kindsmord loswerden. Offensichtlich habe ich damit – unbeabsichtigt – einen Nerv getroffen. Sehr bedauerlich, zumal der Mord nicht das Thema des Abenteuers ist, sondern vor Augen führen soll, dass es sich die Dorfbewohner lieber in ihren selbstgerrechten Vorurteilen bequem machen, statt einem abscheulichen Verbrechen nachzugehen. Beim Schreiben hatte ich mir durchaus Gedanken gemacht, mit was die Spieler konfrontiert werfen dürfen, ohne ihnen den Spaß am Abenteuer zu vergällen. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass die Helden (und Spieler) von dem Mord nur aus Berichten erfahren und damit genug Distanz geschaffen wird. Sie werden weder Zeugen der Tat, noch müssen sie einen Tatort mit Kinderleiche untersuchen. Ich hatte dabei natürlich meine persönliche Schmerzgrenze im Blick, womit ich offenkundig daneben lag. Ironischerweise halte ich mich selbst in dieser Hinsicht für eher zart besaitet. In DSA-Abenteuern, auch in Einsteigerabenteuern, stoße ich häufiger auf Stellen, die für mich persönlich grenzwertig sind. Ein Beispiel ist die Beschreibung, was den Piraten in der – an sich großartigen – Thorwalertrommel widerfahren ist. Ein Grim&Gritty Abenteuer sollte der Stockfisch jedenfalls nicht werden.

    Trotzdem vielen Dank an Ackerknecht für die Zeit und Arbeit, die er in das Schreiben der Rezension gesteckt hat,

    Gudrun

    • Cifer sagt:

      Hallo Gudrun und vielen Dank für deine Antwort – ich finde es generell klasse, wenn Autoren sich der Diskussion stellen!

      Ackerknechts Ansicht, dass ein Kindermord zu hart für ein DSA-Abenteuer ist, teile ich eigentlich nicht – wir reden ja immerhin von dem Spiel, das auch sowas wie die Schwarzen Lande als Setting hervorgebracht hat. Natürlich gibt sich durch das Thema ein Abenteuer aber auch gleichzeitig eine grobe Stimmung vor, in die dann humoristische Elemente wie der Name (ich hätte hier vor dem Reinschauen eher eine Verwechslungskomödie erwartet) oder die Bezahlung in zwei Schafen schwer reinpassen und die auch bei den zu erwartenden Lösungsmöglichkeiten mit hineinspielen sollte. Aber das sind letztlich Kleinigkeiten, das grundlegende Thema ist in meinen Augen legitim gewählt.

      Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass es hier schon eine sehr spezielle Heldengruppe braucht:
      Sie darf nicht düster genug sein, dass sie bei einer angebotenen initialen Belohnung von 2 Schafen einfach ihren Auftraggebern nen Vogel zeigt (übrigens eine großartige Illu! Und für ein etwas leichtherzigeres Abenteuer im Bauergamingbereich fände ich auch die Idee der Naturalienbelohnung klasse – weshalb sollten die Thorwaler großartige Mengen an Gold und Silber rumliegen haben?). Eine persönliche Motivation durch die Sache, um die es geht, ist also gefragt.
      Andererseits sollte die Gruppe aber auch nicht soweit vom Gerechtigkeitswahn besessen sein, dass sie einen zweifachen (Kinds!-)Mörder direkt tötet – und Thorwal ist ja so ziemlich die einzige aventurische Gesellschaft abgesehen von Elfen und Tocamuyac, die (fast) keine Todesstrafe kennen. Dannn muss man sich natürlich auch fragen, wer denn überhaupt eine Tötung durch die Helden ahnden würde, denn aventurisches Recht funktioniert ja in erster Linie dann, wenn es jemand durchsetzt. Wenn Halgrim kein Mitglied der Ottajasko ist, ist schwer verständlich, warum Frikk sich darum scheren sollte, was mit ihm passiert. Auch, dass Halgrim mit Gold bezahlen will, dass er aktuell gar nicht besitzt, macht es nicht einfacher, seine bevorzugte Lösung zu akzeptieren.

      Zuletzt wäre da noch ein Teil des aventurischen Hintergrund, den ich etwas anders verstehe als du. Mir kommt es so vor, als wäre die thorwalsche Gesellschaft allgemein etwas weniger auf Sippenhaft und Ständeordnung bedacht, als sie hier dargestellt wird. Bei einer Verbannung kann immerhin ein Übeltäter von seiner Familie begleitet werden, ohne dass sie das ihrerseits rechtlich zu Verbannten macht. Dies, die oftmals zeitlich begrenzte Verbannung (wurde eigentlich Ulfhidas Vater dauerhaft verbannt? Aufgrund einer Anschuldigung?) und das Konzept des Thurgolds scheint mir alles dazu gedacht zu sein, die Nachwirkungen von Straftaten so weit wie möglich zu begrenzen, statt in einer Dorf- und Schiffsgemeinschaft, die sich aufeinander verlassen muss, schwärende Fehden zu provozieren. Ein Konzept der Sippenhaft, wie es hier für die „Walmörderstochter“ vorgesehen ist, passt da IMO nicht so recht hinein. Und auch dass der Sohn des Hetmanns etwas soweit besonderes ist, dass er eine gesellschaftliche Stellung durch eine Liebschaft gefährden würde, scheint mir im egalitären Thorwal fragwürdig.

      (Und zu guter letzt noch ein Kuriosum am Rande: Der orkische Hauptmann, der je nach Lesart 300-500 Dukaten am Gürtel trägt – das sind 7,5 bzw. 12,5 Kilo Gold… gelobt seien die orkischen Gürtelmacher!)

      • Curima sagt:

        Um auch noch kurz meinen Senf dazuzugeben: Ich hätte als Spielerin vermutlich kein Problem mit der grundsätzlichen Idee, dass der Kindsmord stattgefunden hat und man den Täter sucht. Nur dass das dann nicht damit endet, selbigen zur Strecke zu bringen und der Gerichtsbarkeit zuzuführen (oder einfach umzubringen), sondern man mit ihm gemeinsame Sache machen soll (und dabei das Klauen des Fischerbootes anscheinend gleich schwerwiegend sein soll wie ein Mord an einem Säugling) – DAS würde auch vermutlich keiner meiner SC mitmachen. Schwierig wird das dann auch dadurch, dass Halgrim als herumstreunender Schurke nicht Teil einer Ottajasko oder einer Dorfgemeinschaft sein dürfte und deswegen auch nicht unter die thorwaler Gesetzbarkeit fällt – vermutlich dürfte es bei den Thorwalern schlicht für wenig Aufregung sorgen, wenn man ihn erschlägt und irgendwo verscharrt.

        Ansonsten hab ich auch ein Problem mit „der Vater wurde wegen einer Beschuldigung verbannt“ und dann auch noch so lange, dass er auch nach 5 Jahren noch nicht wieder zurück war. Passt mMn nicht so richtig zu dem, was im UdW zur Thorwaler Gesellschaft steht. Da hätte ich eher damit gerechnet, dass Beschuldiger und Vater wegen dieser ehrverletzenden Äußerung einen Holmgang durchführen. Oder, wenn eine Verbannung stattfindet, diese nur kurze Zeit dauert, wenn der Walfang denn nicht mal nachgewiesen wurde. Und nach meinem Verständnis wäre Ulfhilda, sobald sie in die Ottajasko aufgenommen wurde (alt genug müsste sie ja sein, wenn sie schon schwanger gewesen ist), auch ein vollwertiges Mitglied ebenjener – insofern eigentlich kein Grund für den Hetmannssohn, sich zu schämen, zumal Hetmannssohn ja auch nicht so schrecklich prestigeträchtig ist, da der Titel nicht erblich ist.

        Die Idee mit dem Sternengold, dem Orklagerüberfall usw. finde ich übrigens dann wieder sehr gelungen und auch schön offen gestaltet mit verschiedenen Möglichkeiten für die Helden und verschiedenen Antagonisten und Problemen.

  2. Pharelis sagt:

    Vielen Dank für das Feedback. Ich weiß das zu schätzen, auch wenn Kritik geübt wird. Auf jeden Fall erweitert es den Horizont (der Gedanke, dass das Abenteuer durch den flapsigen Titel etwas von einer Mogelpackung hat, ist mir bislang nicht gekommen).

    Ich fürchte, der Infokasten zum thorwalschen Strafrecht hat einiges in ein falsches oder nicht beabsichtigtes Licht gerückt. Da wären noch einige klärende Worte nötig gewesen wären (der Heldenwerkumfang ist halt arg knapp). Die Info ist in erster Linie als Hintergrundmaterial gedacht, da die Frage nach der offiziellen Rechtsprechung vermutlich am Spieltisch gestellt wird. Die Köhlerfamilie ist nicht im rechtlichen Sinn in Sippenhaft, sondern gesellschaftlich geächtet. Ulfhilda bemüht sich aus Trotz und Verbitterung nicht um Integration in die Gemeinschaft und bestärkt dadurch die Vorurteile der Dörfler. Das Schicksal des Vaters ist off-scope. (Habe ich schon erwähnt, dass der HW-Umfang arg knapp ist?) Wichtig für das Abenteuer ist nur, dass die Köhlerkinder ihren Vater verloren haben und das als persönliches Unrecht empfinden – egal, ob er zu Recht verbannt oder vielleicht zu hart bestraft wurde. Er kann auch während einer zeitlich begrenzten Verbannung umgekommen sein. Jedenfalls war er erst einmal weg und hat die Familie mit einem kargen Auskommen zurückgelassen. Besonders mit kleinen Kindern ist das allerdings immer noch besser als gar kein Auskommen, weshalb ihm die Familie auch nicht gefolgt ist. Die Vorgeschichte erklärt Ulfhildas ablehnende Haltung gegenüber den Dorfbewohnern. (Btw: Die Frage nach Ulfhildas Ottajara ist gut. Ich würde sagen, sie hat sich auch da verweigert, weil sie mit der Gemeinschaft nichts zu tun haben wollte.)

    Auch für die Mörderverfolgung und den Kuhhandel mit Halgrim sind die strafrechtliche Grundlagen zweitrangig. Mit Hetmann Frikk ist der ‚Arm des Gesetzes‘ mit von der Partie, nur ist der in erster Linie an einer Entschädigung für seinen Kutter interessiert. Dabei geht es nicht nur um schnöden Mammon, sondern um den Lebensunterhalt für sich und seine Familie. Den Deal mit dem Thurgold findet er klasse, da von Swafrieda nichts zu holen ist. Natürlich
    missbraucht er damit das Konzept der Thurgoldzahlung, zumal er mit einem Mörder gemeinsame Sache machen will. Die Helden befinden sich an diesem Punkt in einer Situation, in der ihnen das kanonische Recht nicht weiterhilft (u.U. sind sie damit gar nicht vertraut) und sie nach ihrem eigenen Gerechtigkeitsempfinden handeln müssen. Den Mörder zur Strecke zu bringen, ist übrigens eine völlig legitime Vorgehensweise (Halgrim wäre auch nicht der erste, der ‚auf der Flucht erschossen‘ wird). Das Orklager können sie trotzdem hochnehmen, um den unschuldigen – wenn auch dämlichen – Prospektor zu befreien.

    Wie Frikk mit seinem verlogenen Sohn umgeht, ist wieder off-scope (wie mehrfach erwähnt, der HW-Umfang…). Ystens Motivation, seine Vaterschaft zu vertuschen, liegt nicht nur im Verlust des Ansehens. Der Feigling muss sich zudem mit seiner Frau auseinandersetzen. Davor scheuen kulturunabhängig viele Hasenfüße zurück (nicht nur die Männer).

    Ach ja, die orkischen Gürtel. Die sind echte Qualitätsarbeit. So etwas wird hierzulande gar nicht hergestellt. Vielleicht ist der gute Eisenklaue gar nicht faul, sondern hatte einen Bandscheibenvorfall 😉

  3. Matt sagt:

    Schon spannend, dass so ein an sich schönes Abenteuer durch einige große Schnitzer leidet und diese der Redaktion durchgegangen sind. Wie läuft so eine Redaktion dort wohl ab? Es hätte ja ungemein geholfen, wenn externes Feedback wie das des Rezensenten vor der Veröffentlichung eingeflossen wäre.

  4. ackerknecht sagt:

    Hallo!
    Danke, dass du dir die Arbeit gemacht hast, das Abenteuer zu schreiben, und dass du dich der Diskussion stellst!
    Ich hoffe, die Rezi war nicht zu frustrierend. Wie gesagt, die Bewertung basiert teilweise auf meiner Abneigung gegen die Grundidee – da ist eine persönliche rote Linie.
    Übrigens denke ich auch, dass entsprechende Plots einen Platz in Aventurien haben, nur nicht in diesem Abenteuer (bzw. der Stimmung, die dieses Abenteuer vermitteln will).

    Wenn ich das Abenteuer spielen würde, dann wohl mit folgender Alternativhandlung:
    Ysten, Halgrim und Ulfhilda würde ich streichen. Stattdessen setzt die Haupthandlung mit dem Tod von Swafriedas Mutter und Bruder (die an der blauen Keuch starben) ein. Swafrieda stiehlt Frikks Boot für eine „schee Leich“, wie die Österreicher sagen. Der Einstieg erfolgt wie gehabt. Frikk fordert jetzt Schadensersatz für seinen Kutter, und Swafrieda sucht Hilfe bei ihrem (temporär) verbannten Vater. Nach einiger Recherche findet sie ihn mit Hilfe der Helden. Der Vater ist (analog zu Halgrim) in die Schurkerei um das Sternengold verstrickt – ab hier dann weiter wie geplant im Orklager.

    Das ist noch mal deutlich simpler. Das „Verbrechen“ (Brandstiftung am Fischerboot und die Schadensersatzforderung) wäre viel näher an der wohl beabsichtigten Grundstimmung des Abenteuers. Neben dem Kindermord gehen gute Ideen wie eben die Bestattung („Wie – das Boot gehörte gar nicht dem Mädel?“) leider unter.

    Das so als Idee meinerseits. Lass dich nicht entmutigen und weiterhin frohes Schaffen,
    Gruß
    A.

  5. Curima sagt:

    Scheint irgenwdie, als ob das Heldenwerkformat mit seinen 16 Seiten teilweise recht einschränkend auf die Abenteuer wirkt. Zumindest habe ich nach den bisherigen Rezensionen (und teilweise selber lesen der Abteneuer) das Gefühl, dass da am besten Szenarien funktionieren, deren Grundplot man wirklich auf 1-2 Sätze runterbrechen kann und die in einem möglichst abgeschlossenen Setting spielen. Vielleicht müssen sich die Autoren auf dieses neue Konzept von Superkurzabenteuer erst noch eingrooven? An sich find ichs ja aber lobenswert, dass es regelmäßig neue Abenteuer gibt, die man wirklich an einem Abend vorbereiten und in einer Spielsitzung spielen kann.

    @Gudrun: Danke, dass du hier nochmal geantwortet hast. Was die Möglichkeit angeht, dass die Helden Halgrim töten und trotzdem das Orklager plündern: Das würde ja aber heißen, dass sie mit Halgrim wenigstens mal sprechen müssen, damit sie von dem Gold erfahren, oder? Falls sie ihn auf Sicht erschießen oder mit zwei Sturmangriffen begrüßen, könnte das schwierig werden. Oder kriegt man das noch irgenwie anders raus? Und was Ysten angeht: Du schreibst, er will Ärger mit seiner Frau vermeiden (verständlich 😉 ) – im Abenteuer steht aber, er hat noch gar keine Frau, sondern würde gerne Liv Swantesdottir heiraten.

    Ackerknechts Vorschlag für eine Umgestaltung finde ich ziemlich gut. Dann kann man sich auf die Thematik des Orküberfalls konzentrieren und hat mit der Brandbestattung und dem verbannten Vater trotzdem noch genug Einblick in die thorwalsche Kultur drin.

  6. Pharelis sagt:

    @Ackerknecht: Danke für die tröstenden Worte 😉 Deinen Vorschlag für die alternative Rahmenhandlung finde ich gut.

    @Curima: Ein komplizierter Plot im Heldenwerkformat funktioniert nicht gut, das sehe ich ganz genau so. Das Abenteuer stammt aus der Anfangszeit und ich musste den Urtext eindampfen, teilweise wohl bis zur Unverständlichkeit, wie die vielen Unklarheiten zeigen. Aber man lernt ja dazu…

    Die Helden müssen tatsächlich mit Halgrim sprechen, um von dem Orklager zu erfahren, da hast Du recht. In Vilnvad begegnen ihnen die Kameraden zwar schon, aber sie haben keine Veranlassung, der Spur zu folgen. Sie könnten evtl. einer Unterhaltung zwischen den Orks lauschen und von den Gefangenen und dem Gold erfahren. Nicht sonderlich elegant.

    Ysten und Liv sind schon verheiratet, bei den Hinweisen im Dorf wird sie als ‚Ystens Frau‘ bezeichnet.

  7. Da dachte ich mir „Schreibst du mal fix deine Meinung als Kommentar hier drunter“ und am Ende stand ich da mit über 2000 Wörtern und einer fertigen Rezension. Die Gibt es dann jetzt auf meinem Blog zu lesen ( https://featherandsword.wordpress.com/2017/02/19/rezension-rache-ist-stockfisch/ ). Ich komme dabei zu einem ganz anderen Schluss, auch wenn ich die Argumente gerade auch aus der Diskussion heraus gut verstehen kann.

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