Als ich für eine neue Chronik die Rolle des Meisters in meiner neuen Spielrunde übernahm, wurde ich mit einem Problem konfrontiert, welches ich in dieser Form bislang noch nicht gekannt hatte. Der ständige Hunger der Spieler nach Abenteuerpunkten wurde ausdauernd und explizit zum Ausdruck gebracht. Während meinen Spielern sonst kaum etwas zu ihren Wünschen und Interessen zu entlocken ist, ja selbst das Verlangen zu Morden und zu Plündern wird nur unterschwellig kommuniziert, erklingt der Ruf nach (mehr) Abenteuerpunkten wie ein ewiger Soundtrack des Spiels.
Entgegen meiner Gewohnheit werde ich hier keine philosophische Einlage zum Sinn und Zweck von Abenteuerpunkten ausbreiten. Statt dessen möchte ich direkt auf den Modus Operandi zu sprechen kommen. Wie werden Abenteuerpunkte vergeben? In meiner letzten Spielrunde hatte ich mich über Jahre hinweg nicht mehr mit dieser Frage beschäftigt. Ähnlich wie in dem Rollenspiel-Prototyp Braunstein, vergab unsere Pathfinder-Spielleitung keine Erfahrungspunkte. Statt dessen wurde mitgeteilt, wann ein Stufenaufstieg erfolgen konnte. Es bestand somit keinerlei Bedarf an lästigem Punktezählen. Ein System mit starkem Mikromanagement wie DSA benötigt dies jedoch zwingend.
Wann und wie oft gibt es Punkte?
»Gibt es bald Abenteuerpunkte, Papa Schlumpf?«
— Der Rollenspieler-Schlumpf
Ich erinnere mich nicht mehr genau, wann ich das erste Mal gefragt wurde, wann es denn endlich Abenteuerpunkte geben würde. Meine Spieler hatten gerade eine Reihe von sehr kompetenten Spieler-Figuren erschaffen und bereits erste Erfolge verbuchen können. Meine erste Antwort, war die, welche ich über viele Jahre des Spielens als selbstverständlich erachtet hatte. Abenteuerpunkt gibt es, wenn das Abenteuer zu Ende ist. Unsere derzeitige Kampagne besteht aus einer Reihe miteinander verbundenen Einzelabenteuern. Jedes Abenteuer schließt mit einer Aufgabe ab, die erfolgreich gelöst oder auch ohne Erfolg abgeschlossen wird. Ideale Messpunkte für die Vergabe von Abenteuerpunkte also.
Nachdem meine Spieler zum Ausdruck gebracht hatten, dass sie derartig lange Wartezeiten unmöglich ertragen könnten, begann ich mir Gedanken zu machen, wie und wann Abenteuerpunkte frühzeitiger ausgeschüttet werden könnten. Die technische Hürde dafür war leicht zu überwinden. Da wir unsere gemeinsamen Daten über eine gruppenweite Dropbox synchronisieren, konnte ich einfach meine Tabelle mit den Notizen zu individuellen Abenteuerpunkten öffentlich machen und somit allen Spielern laufenden Zugriff gewähren. Individuell vergebe ich derzeit zweckgebundene Abenteuerpunkte. Diese entsprechen den speziellen Erfahrungen der vierten Edition bzw. den Freiwürfen der dritten Edition des Schwarzen Auges.
Nach weiteren Protesten, implementierte ich zudem einen Zähler, der für jede Sitzung eine fixe Anzahl von Abenteuerpunkten freischaltete. Da ich für jedes Abenteuer weiterhin eine festgelegte Anzahl von Basispunkten haben wollte (z.B. 20 AP für die erste Queste), werden diese Punkte mit der späteren Gesamtzahl verrechnet. Es gibt also in jeder Sitzung gewissermaßen eine Vorauszahlung der Basispunkte des jeweiligen Abenteuers.
Wer bekommt alles Punkte?
Eine Komplikation in der Kalkulation von Abenteuerpunkten ergibt sich in unserem Fall aus der gruppeneigenen Vereinbarung zum Umgang mit abwesenden Spielern. Die Vereinbarung besagt, dass Spieler-Figuren, deren Spieler nicht anwesend ist, die Hälfte der Punkte bekommen. In meinen Fall meist die Hälfte der Basispunkte, da die Voraussetzungen für zweckgebundene Punkte in vielen Fällen fehlen. Die kommunizierte Lesart dieser Absprache lautet: Auf diese Weise wird verhindert, dass Spieler, die nicht immer dabei sein können, von der Entwicklung der Figuren abgehängt werden. Man könnte das Argument natürlich auch umdrehen und sagen, die Spieler werden dafür bestraft, dass sie anderen Dingen (z.B. Familie, Beruf, Gesundheit) höhere Priorität einräumen, als dem Spiel.
Technisch gesehen bedeutet dies für mich, dass ich neben den individuellen Punkten auch noch die Anwesenheit der Spieler zu jeder Sitzung mitloggen muss. Daraus lässt sich dann ableiten, wie hoch der Anteil der Basispunkte ist, welche eine bestimmte Spieler-Figur bekommt. Die Gesamtsumme ergibt sich abschließend aus den Basispunkten des Abenteuers multipliziert mit der gewichteten Anwesenheit des Spielers zuzüglich den individuellen Punkten, die in den meisten Fällen nur bei Anwesenheit für konkrete Talente/Zauber/Eigenschaften vergeben werden.
Wie viele Punkte gibt es?
»Wie fandet ihr das Abenteuer?«
»Okay, aber es hätte mehr Abenteuerpunkte geben können«
—typischer Dialog zwischen Meister des Schwarzen Auges und einem Machtspieler
Neben der Kleinigkeit des Zeitpunktes steht natürlich immer auch die weitaus wichtigere Fragen des Volumens der Abenteuerpunkte im Raum. Die Erfahrung zahlloser Runden und vieler Jahre ist hier wohl einhellig. Spielleiter sind immer knickerig mit Erfahrungspunkten, Spieler können nie genug davon haben. Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel. Auf die Frage, warum dies so ist und welche Probleme die Progression in Rollenspielen generell so mit sich bringt, werde ich in der heutigen Kolumne nicht eingehen.
Meine Spielrunde hat insgesamt ein gefühlt eher langsames Tempo. Der Abenteuerfortschritt ist also überschaubar. Meiner persönlichen Einschätzung nach liegt dies weniger an mangelndem Interesse am Plot, als vielmehr an fast schon hysterisch anmutender Vorsicht. Daraus resultiert aber auch der nachvollziehbare Wunsch, nicht erst ein Dutzend Sitzungen und ein halbes Jahr abwarten zu müssen, bevor man endlich die heiß begehrten Punkte bekommt. Gleichzeitig scheint daraus auch das Gefühl zu resultieren, durch langsamere Spielweise ggf. benachteiligt zu werden. Die Kennzahl AP/Spielzeit könnte bei solch einer Spielweise geringer ausfallen.
Die offiziellen Hilfestellungen aus dem Grundregelwerk finde ich für solche Zwecke bedingt hilfreich, auch wenn meine Spieler die Werte aus den Richtlinien als einklagbare verbindliche Mindestgrenze interpretieren. Da wir aktuell ohnehin ein offizielles Modul spielen und ich nach mehr als zwei Jahrzehnten Beschäftigung mit dem Schwarzen Auge ein recht gutes Gespür für die „offizielle“ Lesart habe, tue ich mich mit dieser Frage allerdings weniger schwer. In DSA5 vergebe ich zusätzlich meist 1 bis 2 AP für eine herausragende Anwendung von Spielwerten in der Sitzung. Bei einfachen Talenten wird auf diese Weise bereits ein zusätzlicher Talentpunkt spendiert. Grundsätzlich sind aber auch bei einfachen Gelegenheiten die Berücksichtigung von Eigenschaften möglich. Ein besonders wagemutiger oder standhafter Held kann so auch mit einer kleinen Belohnung versehen werden, ohne dass gleich der große Sprung eines Eigenschaftswertes gewährt werden muss.
Conclusio
Es hat ein wenig gedauert, bis ich ich all diese Wünsche halbwegs brauchbar in einer Rechentabelle verarbeitet und allen zur Verfügung gestellt hatte. Aktuell bin ich mit dem Ergebnis aber einigermaßen zufrieden.
Was? Es gibt von mir festgelegte Basispunkte für das Bestehen eines Abenteuers und individuelle Punkte für bestimmte Aktivitäten während der Spielsitzung.
Wie? Pflege in einer öffentlichen Tabelle.
Wann? Individuelle Punkte werden sofort vergeben und Basispunkte bei Vollendung des Abenteuers. Zusätzlich wird mit jeder Sitzung eine bestimmte Punktzahl als Vorauszahlung auf den Gesamtwert freigeschaltet.
Wer und wie viele? Basispunkte in Anlehnung an die offiziellen (Abenteuer-)Publikationen. Individuelle Punkte jeweils ca. 1 bis 2 je Aktion. Abwesende Spieler erhalten für ihre Figur nur die Hälfte der Basispunkte und nur in Ausnahmefällen individuelle Punkte.
Wie handhabt ihr die Vergabe von Punkten? Sind Punkte als Belohnung einer bestandenen Queste noch zeitgemäß oder müssen Punkte durch Sitzungen erarbeitet werden? Sollten Spieler mit Verpflichtungen außerhalb des Spiels für ihre Abwesenheit weniger Punkte bekommen oder alle die gleichen Mittel für die Progression ihrer Spielwerte erhalten? Und wie viele TP macht eigentlich so ein Sack mit AP?
Bei DSA4 kann ich besondere Aktionen, tolle Ideen oder spektakuläre Erfolge mit speziellen Erfolgen belohnen. Das hat gut geklappt, vorallem weil es Aufgabe der Spieler war diese Gimmicks zu berücksichtigen.
Bei DSA5 kann man vergleichbare Belohnungen durch SchiPs vergeben, soweit ich weiß.
APs gibt es bei uns nur am Ende des Abenteuers oder zumindest einer Etappe. Und dann für alle gleich. Wer eine Spielsitzung verpasst ist eh schon gestraft.
Gut, derjenige kann in seiner Abwesenheit keine SE oder SchiPs erarbeiten, aber diese Gimmicks werden bei uns nicht als so wichtig erachtet, sodass sich bisher keiner beschwert hat. 😎
Ich vergebe in meinem inzwischen 27. Jahr als SL Erfahrungspunkte nur noch nach zwei Kriterien: 1. am Spieltisch verbrachte Echtzeit. Also zB 1 AP/ h. Jeden Spielabend.
2. für alle in gleicher Höhe am Ende des Abenteuers.
In der Tendenz gebe ich bewussst mehr Punkte, um das wenige Spielen, für das man noch Zeit hat, aufzuwerten. So passiert eigentlich immer etwas auf der Erfahrungsleiter…
Dabei ist klar, dass Punkte für Spielzeit nur geerntet werden können von Anwesenden.
Das heißt, Du vergibst sowohl pro Spielstunde 1 AP als auch die AP am Ende eines Abenteuers? Gibt es dann am Ende eines Abenteuers weniger AP als dort angegeben? Wenn ich das System für unser Spieltempo mal durchrechne, wären das in Summe ungefähr doppelt so viel AP als durch das Abenteuer vorgegeben (ich beziehe mich dabei allerdings auf DSA5).
Ich finde die Richtlinie 1AP pro Spielstunde (bezogen auf DSA5) eigentlich sehr gut und stimmig. Bisher habe ich jedoch nur überlegt, die Abenteuerpunktvergabe am Ende eines Abenteuer(-abschnitts) mit der Stundenregel abzugleichen, um so zu würdigen, dass wir ein recht kurzes Einsteigerabenteuer, das andere Runden anscheinend an einem Spielabend schaffen, nun schon seit 20 Stunden bespielen.
Nach Jahren Rollenspiel ist mein XP-Vergabesystem sehr vereinfacht worden. Früher gab es XP für gutes Rollenspiel und für kreatives Spiel. Abwesende Spielerinnen haben weniger XP bekommen. Spieler sollten sich untereinander bewerten.
Mittlerweile sehe ich vieles davon skeptisch.
Es ist nicht die Aufgabe der Spielleiterin, die Spielerinnen zu erziehen. Gibt es Probleme, sollte man sich unterhalten.
Abwesenheit ist schon Strafe genug.
Und überhaupt habe ich wenig Lust auf Mikroverwaltung.
Daher bekommen alle Spielerinnen bei DA und SR XP nach jedem Abend plus XP am Ende eines Abenteuers. In D&D gibt es nicht XP nach Gegner oder Loot, sondern pro Meilenstein einen Aufstieg. Neue oder pausierende Figuren werden auf Gruppenniveau gehoben.
Überhaupt binde ich die Spielerinnen viel mehr ein. Man überlegt sich zusammen, welche Helden für die Kampagne geeignet sind. In diesem Rahmen dürfen die Spielerinnen die Start-XP frei wählen. Es ist ihre Verantwortung, dass die Figuren stimmig sind und der Gruppe gut funktionieren.
Meistens wollen sie Zero-to-hero, d.h. klein anfangen und stark ansteigen. Kein Problem.
🙂
Ich finde die Frage spannend, wieveiel AP sich die Spieler selbst geben würden, wenn sie die Wahl haben. Hab ich bisher noch nicht ausprobiert. Werde ich aber nachholen.
Unser SL hat uns vor unserer aktuellen Kampagne gesagt, dass er keine Lust auf AP-Vergabe hat und wir Spieler das selbst regeln sollen. In der Praxis klappt das wirklich gut.
Wir als Spieler geben uns (nach Absprache untereinander) die Punkte eher großzügig aber definitiv noch im Rahmen. Der SL hat keinen Stress. Wenn ein Spieler fehlt, spielen wir nicht (wir sind aber auch nur drei Spieler).
Es hilft natürlich, dass keiner von uns Min-Maxer ist. (Obwohl ich mit einem DSA4.1-Magier als Helden jeden AP schon dreimal verplant habe).
Denke ich auch gerade drüber nach, das eventuell mal zu testen.
Würde dann aber eine auf das AB abgestimmte, angemessene Gesamtsumme „in die Mitte werfen“, welche die Spieler unter sich aufteilen können.
Allerdings werde ich dann auch- damit sich nicht um die Entscheidung gedrückt wird (och, einfach alle gleich viel…), eine krumme AP Zahl nehmen – am besten eine Primzahl 😉
Interessant. Es scheint da drei Richtungen für die Ableitung des AP Volumens zu geben:
Abenteuerpunkte werden danach vergeben,
*wie viel Zeit irdisch verstreicht.
*welchen Umfang die Ereignisse in der Spielwelt haben.
*was die Spieler sich wünschen.
Vermutlich funktionieren alle Ansätze gleichermaßen. Spannend wäre sicher herauszufinden, welcher Ansatz für welche Spielrunde befriedigender ist.