Arbosch, Sohn des Angrax, war es endlich gelungen, den dreisten Dieb in die Enge zu treiben! Aus dieser Sackgasse würde er trotz all seiner Kletterkünste nicht entkommen können. Der spitzohrige Mistkerl hatte ihm auf dem Marktplatz die Geldkatze vom Gürtel gestohlen und Arbosch war es gelungen, ihn durch die halbe Stadt zu verfolgen. Mit jedem Schritt auf seinen kurzen Zwergenbeinen war seine Wut gestiegen, so dass sie nun in einem gefährlichen Bereich angelangt war. Ohne den Halbelfen zu Wort kommen zu lassen, zückte Arbosch sein Wurfbeil. Dem Streuner blieb nun keine Wahl mehr, als sich auf den Kampf einzulassen. Doch er war für solche Fälle vorbereitet und zückte seine Schleuder. Ein gezielter Schuss sollte den wild gewordenen Zwerg von seinem Vorhaben abbringen…
So lässt sich die offizielle Einführung zusammenfassen. Direkt wird klar, warum mich Aventuria fasziniert. Es geht um die Konfrontation von Heldentypen, die sich wie Preisboxer gegenüberstehen: In der einen Ecke der Zwergenschmied im Kettenpanzer, in der anderen der flinke Streuner mit Rapier und Schleuder. Zweikämpfe wie diesen kann man bei Aventuria mit Spielkarten sowie mit W20 und W6 ausfechten. Das geschieht nicht nur rasanter als Kämpfe im traditionellen DSA, sondern macht auch verdammt viel Spaß.
Die Macher von Aventuria würden jetzt betonen, dass man natürlich auch als Team Abenteuer bestreiten kann, aber der erste Schritt, um dieses tolle Spiel zu erlernen, bleibt der Duell-Modus. Doch wie funktioniert der?
Ganz einfach: Man startet mit einer Heldenkarte, die man vor sich auslegt. In meinem Fall ist es die Karte: Arbosch, Sohn des Angrax. Die Karte bleibt für das gesamte Spiel liegen und fungiert so wie das Heldendokument bei DSA5. Arbosch hat bestimmte Werte, wie zum Beispiel einen Attacke-Wert von 14 im Nahkampf. Und genau wie bei DSA5 wird gewürfelt, wenn ich angreife, um zu klären, ob Arbosch auch trifft. Jeder Held startet zunächst mit genau einer simplen Waffe: Bei Arbosch ist es ein Messer mit 1W6 Trefferpunkten. Dies soll symbolisieren, dass Helden zu Beginn ihrer Karriere zuerst mit einer mickrigen Basis-Ausrüstung ausziehen, was DSA-Kennern vertraut sein sollte. Doch wie geht es weiter?
Pro Spielrunde kann ich Arbosch jetzt mit zusätzlichen Talenten versehen, mit besseren Waffen ausstatten oder ihm z.B. einen schützenden Helm auf die Rübe setzen. „Ich nehm‘ gleich alles“, wird man vielleicht rufen. Doch das geht nicht. Denn hier kommt ein zentraler Punkt ins Spiel, der Aventuria von DSA5 unterscheidet: Die 30 Karten, die mein persönliches Heldendeck bilden und von denen ich meist 0-7 auf der Hand habe. Genau wie bei Poker oder MTG habe ich Handkarten, die ich meinem Gegenspieler selbstverständlich nicht zeige. Wär ja auch blöd.
Pro Spielzug darf ich zwei Karten, die mir gerade unwichtig sind, verdeckt auslegen. Sie werden – und das müssen Neulinge erstmal begreifen – zu „Ausdauer“. Diese „Ausdauer“ steht hier in Anführungsstrichen, denn sie unterscheidet sich GEWALTIG von der Ausdauer in DSA5, denn sie ist bei Aventuria die wichtigste Ressource. Sie wird nämlich benötigt, um andere Karten auszuspielen, genauer gesagt: um das Ausspielen der anderen Karten zu bezahlen.
Da Arbosch in seinem ersten Zug also meist zwei Ausdauer hat, muss man zunächst klein anfangen. Ich könnte ihn etwa mit Wurfdolchen bewaffnen oder ihm einfache Talente beibringen, z.B. Zechen oder Athletik. Karten wie Athletik oder Wurfdolche bleiben im Spiel und können im weiteren Verlauf großen Nutzen bringen. Jeder Held startet mit 40 Lebenspunkten und versucht durch eine individuelle Taktik die Lebenspunkte seines Kontrahenten auf null zu bringen. Hierzu nutzt man vor allem Nahkampfangriffe, Fernkampfangriffe und gegebenenfalls Magie. Letzteres haben echte Kerle wie Arbosch aber nicht nötig! 😎
Das Beispiel ist hoffentlich hilfreich, um Grünschnäbeln einen Eindruck zu geben, wie Aventuria abläuft. Ich will auch gar nicht versuchen, die offizielle Spielanleitung zu ersetzen, die HIER als Download zur Verfügung steht. Stattdessen möchte ich jetzt einen Experten zu Wort kommen lassen. Es ist kein geringerer als Aventuria-Urgestein Hans Werner Grolm, der uns mit seinen Kenntnissen zur Seite steht.
Ich hatte ihn im Vorfeld gefragt, warum er persönlich Arbosch so gerne spielt. Ich bat ihn zu schildern, was Spieler erwartet, die Arbosch als ihren Charakter wählen und die ersten Kämpfe mit ihm bestreiten. Seine Antwort will ich – so gut es geht – erläutern, vor allem an Stellen, die für Neulinge ziemlich – neu – sein werden. Hoffentlich komme ich dabei nicht allzu schulmeisterlich rüber… 😆
Der Grolm meint:
Was erwarten wir bei einem zwergischen Schmied? Natürlich, dicke Rüstungen und schwere Äxte. Und es wird geliefert wie erwartet. Das ist auch das zugleich unwiderstehlich Schöne am Arbosch-Deck, dass man sich sehr gut darauf verlassen kann, wenn nicht schon zu Beginn, so doch mindestens recht früh, ein schweres Schlaggerät zu ziehen. Denn nichts ist unbefriedigender als mit 14 einen höchst potenten Angriffswert zu haben und dann keine passende Waffe zu ziehen. Neben Streitaxt, Ochsenherde und Kriegshammer ist unter den Nahkampfwaffen die Orknase hervorzuheben, die zusätzlich zu ihrem Grundprofil noch einen interessanten Effekt hat: Will man die Rüstung des Gegners einmalig ignorieren, so kann man die Orknase nach dem Angriff opfern. Danach liegt die Karte zwar auf dem Ablagestapel, aber dieser Spielzug hat schon manches Mal den entscheidenden Unterschied gemacht. Diesen Effekt sollte man als Spieler unbedingt im Hinterkopf behalten.
Opfern
Der Begriff bezieht sich auf Karten, die im Prinzip dauerhaft im Spiel wären. Zu bestimmten Zeitpunkten darf ich entscheiden, ob ich die Karte auf den Ablagestapel lege. Die Karte ist dann zwar nicht mehr im Spiel, aber in dem Moment, in dem ich die Karte freiwillig aus dem Spiel nehme, erhalte ich einen Vorteil. Wenn man z.B. die Karte Orknase freiwillig auf den Ablagestapel legt, darf man kurzzeitig die gegnerischen Rüstung ignorieren.
Sollte man übrigens einmal zu Beginn keine Waffe ziehen, ist das bei Arbosch aber kein Problem. Er kann in das Wettrüsten mit dem Gegner alternativ mit seinen Rüstungen einsteigen, die das Beste sind, was man im Spiel bekommen kann. Als Fernkampfwaffen hat er die Wurfdolche und den Eisenwalder, was meist ausreichend ist im Hinblick auf die Verfügbarkeit zur rechten Zeit. Der Eisenwalder besitzt zusammen mit der Karte Kraftakt eine schöne Synergie. Wenn ich Kraftakt im richtigen Moment einsetze, kann ich den Eisenwalder schon in der ersten Runde ausspielen UND direkt zum Angreifen nutzen. Ähnlich verhält es sich mit der Orknase, die von ihren Ausdauerkosten so bemessen ist, dass sie in Kombination mit Kraftakt schön in die zweite Runde passt. Hat man diese Kombo zu Beginn auf der Hand, kann man die Partie sehr offensiv beginnen.
Synergie
Bestimmte Karten sind zusammen stärker als allein. Sind also zwei spezifische Karten besonders gut, wenn sie beide im Spiel sind, spricht man von Synergie. Insgesamt muss man aber feststellen, dass das vorliegende Heldendeck über wenige Synergien verfügt. Das ist hier nichts Schlechtes, da Arboschs Heldendeck viele gute Einzelkarten enthält, die sich nicht gegenseitig bedingen. Es macht Arbosch quasi flexibler.
Klar wird hoffentlich, wie stark Kraftakt einen flüssigen Spielaufbau begünstigt. Was kann es also besseres geben als die Karte Kraftakt? – Richtig, zweimal die Karte Kraftakt. Genauso oft findet man diese fantastische Karte nämlich in Arboschs Deck. Aber auch die zentrale Karte des Heldendecks, also „Arbosch, Sohn des Angrax“ selbst, ist nicht von schlechten Eltern. Seine ureigene Sonderfertigkeit Nachsetzen zählt sicherlich zu den Highlights, handelt es sich doch um eine der stärksten Sonderfertigkeiten im gesamten Spiel. Sie bedeutet de facto, dass der Gegner mit 5 Lebenspunkten weniger als man selbst das Spiel bestreiten muss. Diesem Rückstand muss ein Gegner erst einmal hinterherlaufen. Spielt man Arbosch, so darf das individuelle Heldendeck bis zu 8 Karten von Kartentyp „Talent“ besitzen. Dabei gibt es natürlich wichtige Talente und weniger bedeutsame.
Eine der Top-Karten ist Zechen. Sie war bislang mit Fug und Recht eine absolute Pflichtkarte für jedes Heldendeck… Mit Zechen kann man praktisch eine zusätzliche permanente Ausdauerkarte erzeugen und das Grundsystem von nur zwei Ressourcen pro Spielzug durchbrechen. Das einfach unwiderstehliche daran ist, dass dieser Nutzen fast ohne einen Preis daherkommt. Zechen gelangt also beinahe kostenneutral ins Spiel. Gerne vergessen, aber ein absolut wichtiger Zusatznutzen ist die Möglichkeit, die Karte zu opfern, um eine neue Karte vom Zugstapel ziehen zu können. Fantastisch daran ist auch, dass ich den Verlust von Zechen ohnehin erst in der Folgerunde spüre, da ich Zechen für die neue Karte ablege. Das sollte man im Late Game – wo Ausdauer kein Thema mehr ist – definitiv im Hinterkopf behalten, denn die eine Karte kann den entscheidenden Unterschied bedeuten.
Late Game
Wie der Name sagt, bezieht sich der Begriff auf die letzte – oft entscheidende – Phase einer Partie. Hierfür ist Arbosch ein gutes Beispiel, insbesondere wenn man sich die Ochsenherde anschaut. Um sie auszuspielen, muss ich 9 Ausdauer bezahlen. Die Rechnung ist simpel: Wenn ich pro Spielzug 2 Ausdauer generiere, kann ich die Ochsenherde erst im fünften Zug nutzen! Daher muss ich mir folgende Fragen stellen: Wie kann ich das „Early Game“ überleben? Wie könnte ich (ohne zu schummeln) möglichst früh an die Ochsenherde kommen?
Vor kurzem erschien die 3. Auflage von Aventuria, die für einige Karten Änderungen mit sich brachte. Für diese Maßnahme gibt es zwei Hauptgründe. Erstens: Als man das Spiel 2016 quasi aus dem Nichts erschuf, hatte man keinen perfekten Überblick über die Spielbalance. Jetzt muss man nachträglich leicht korrigieren, damit nicht einzelne Karten jegliche Balance sprengen. Zweitens: Die Menge an Einzelkarten ist bei Aventuria momentan noch nicht so riesig, dass man einzelne Karten komplett verbieten könnte. Daher war die Idee, Kartentexte minimal zu korrigieren, wichtig und richtig. Zechen war hiervon auch betroffen. Neu ist, dass Zechen jetzt erschöpft ins Spiel kommt, man also übersetzt 1 Ausdauer für sie ausgeben muss. Das ist in Bezug auf Zechen eine faire Regelung, da die Karte damit zwar stark bleibt, aber wenigstens nicht mehr alternativlos in jedem Heldendeck vorkommen muss. Denn letztlich Kartenanzahl in Bezug auf den Kartentyp „Talent“ auf 8 begrenzt. Da muss man schon genau kalkulieren. Ich empfinde den kleinen Einschnitt für Arboschs Heldendeck als nicht so gravierend. Man kann damit leben, wie es so schön heißt.
Erschöpft
Spiele wie Aventuria machen Spaß, wenn alle die Übersicht behalten. Man muss daher kennzeichnen, dass bestimmt Dinge im laufenden Spielzug bereits genutzt wurden. Karten, für welche das relevant ist, werden quer gedreht, um dies anzuzeigen. Im Englischen sagte man „to tap“ und dadurch hat sich der Begriff „tappen“ bei vielen Kartenspieler(innen) eingebürgert. Und ganz ehrlich: Mir persönlich tut die deutsche Übersetzung in den Ohren weh. 👿
Das war die Expertenmeinung von Alexander G. – alias „Der Grolm“. Ergänzt habe ich immer wieder Begriffserläuterungen, die Anfänger und Fortgeschrittene wissen sollten. Was wäre in Bezug auf Arbosch noch zu erwähnen? Tja, irgendwann kommt wohl der Moment, an dem man knurrt: „Verflucht, dieser Arbosch hat zwei praktische Fernkampfwaffen, aber ich ziehe die Karten nie!“ Dann wird es Zeit, weitere Fernkampfwaffen in das Deck zu packen. Meine Empfehlung ist der Kurzbogen, der momentan zu den stärksten Waffen seines Typs gehört. Damit alle fair spielen, ist festgelegt, wie viele Karten von einem Typ erlaubt sind. Arbosch ist in einer besonderen Postion: Er darf in seinem Deck 2 Karten von Typ „Schwere Fernkampfwaffe“ nutzen. Das sollte man nicht vergessen… Und hoffentlich werden bald, wenn das Wirtshaus zum Schwarzen Keiler erscheint, auch endlich schwere Fernkampfwaffen herauskommen, die Arbosch nutzen darf. Aktuell existiert nämlich in dieser Kategorie nur der Elfenbogen, den ausschließlich die elfische Kundschafterin nutzen darf. Das kommende Set enthält den tobrischen Söldner und den Grolm, die wohl beide Armbrüste verwenden. Zumindest habe ich Markus Plötz in den Promo-Videos so verstanden.
Abschließend noch ein kurzer Hinweis zum Thema Deckbau: Alle Heldendecks sind sofort fertig spielbar, sowohl für Duelle als auch für den Abenteuer-Modus. Gleichzeitig ist es erlaubt, Heldendecks individuell zu modifizieren. Ziel ist einerseits die Einhaltung aller Vorgaben und andererseits ein möglichst gutes Ergebnis im Spiel. Zu den Vorgaben gehört es bei Aventuria, dass eine spezifische Karte (z.B. der Kurzbogen) in einem Deck maximal zweimal vorkommt. Beim Deckbau hilft z.B. TELFADOR, eine Datenbank auch für Aventuria. Alternativ kann man auch den Aventuria Deckbuilder ausprobieren, ein kleines Programm, das man im Scriptorium herunterladen kann.
Mit diesen Tipps sind wir am Ende der ersten Heldendeckbesprechung bei Nandurion. Bei den kommenden Helden soll es noch stärker in die Richtung von echten Deck-Reviews gehen. Diesmal war es jedoch das Ziel, Neulinge und „alte Hasen“ gleichzeitig anzusprechen. Und ich kann euch sagen: Ich weiß nicht, ob das gelungen ist…
Hinterlasst mir gerne euren Kommentar oder stellt Fragen zu Arbosch. Ich werde diese so schnell wie möglich beantworten. Viele Grüße
Euer Sirius
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„Arbosch Sohn des Angrax“ vs. „Arbosch, Sohn des Angrax“ sind zwei Übersetzungsmöglichkeiten von „Arbosch groscho Angrax“. Meist wird die erste Variante der Direktübersetzung des Nachnamens ohne Komma benutzt, z.B. auf der Heldenkarte in Aventuria.
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