Wenn einer eine Reise tut, will er anderen davon berichten oder seine Erinnerungen gerne in irgendeiner Form für sich festhalten. Dies war schon irdisch so und ist es auch in den aventurischen Landen. So wurde die Idee der Heldenbreviere geboren, um den entsprechenden Regionalbänden noch eine andere Perspektive mit an die Hand zu geben. Was aber, wenn die Erzähler nun gar keine Reise tun, sondern über ihre Stadt berichten? Dies ist bei dem hier vorliegenden Heldenbrevier Havena aus der Feder von Carolina Möbis der Fall. Lasst uns mal genauer anschauen, wie es dazu kam und welchen Eindruck es hinterließ.
Wanderung durch die Straßen
Beginnen wir mit dem typischen Abenteuerbeginn: Ein Auftraggeber heuert ein paar Schergen an, damit sie ihm bei einem Problem unter die Arme greifen. In unserem Fall braucht ein gewisser Händler und ehemaliger Admiral Hilfe bei der Suche nach seinem Taugenichts von Neffen. Da er als Mitglied des Rats der Kapitäne auch Teil der Obrigkeit ist, soll die Geschichte natürlich nicht allgemein bekannt werden, weshalb er einen seiner Schuldner für die unauffällige Nachforschung anheuert. Dieser ist nach Jahren der Abwesenheit wieder zurück in seiner Heimatstadt und natürlich entsprechend begeistert über diese Störung seiner Tätigkeiten als Hochstapler. Da er nicht so wirklich die große Wahl hat, holt er ob ihrer Kontakte und Ortskenntnisse noch seine alte Gaunerkumpanin mit an Bord, die sich inzwischen als Hehlerin und Informantin durchschlägt. Gemeinsam durchstreifen die beiden also suchend Havena und auch ihr Auftraggeber lässt es sich nicht nehmen, auch mal ein wenig mitzuschnüffeln.
Von ihren Erfolgen und Missgeschicken erfahren wir vor allem über Briefe des Kapitäns an seine Frau und ein geheimes Tagebuch unseres Hochstaplers. Besonders interessant sind aus meiner Sicht allerdings die sporadisch vorkommenden Kommunikationsschlaglichter der beteiligten Informantin. Schließlich wechseln diese immer wieder die Form und Adressanten. Als Beispiele seien hier ihre Zeugenaussage bei der Garde oder ihre Kommunikation mit ihrem Advokaten genannt.
Gassenwissen und Ortskenntnis
Welchen Eindruck hat das Ganze nun hinterlassen? Wenn ich ehrlich bin, hatte ich zu Beginn, es dürfte so in die Phase der Plotauslegung und Anheuerung der Protagonisten fallen, eher den Eindruck als ginge es in dem Büchlein um eine atmosphärische Darstellung der beiden Seiten Phexens, von Ober- und Unterschicht sowie von Obrigkeit und Gaunerei. Die Stadt hätte zu diesem Zeitpunkt meinem Eindruck nach dafür allerdings nicht unbedingt Havena sein müssen und wäre mit ein paar Anpassungen aus meiner Sicht heraus ohne Probleme auch gegen eine andere Stadt austauschbar gewesen. In dieser Phase habe ich mir zugegebenermaßen zudem noch einen weiteren, diesmal allerdings stadtfremden Protagonisten gewünscht, mit dem ich staunend die Stadt hätte entdecken können.
Zum Glück blieb dieser Eindruck nicht bestehen und mit Beginn der Suche greift meist unser Hochstapler diesen Wunsch als zurückgekehrter Quasi-Fremder auf und entdeckt seine einstige Heimatstadt bei dieser Gelegenheit wieder oder aber neu. Jeder, der ebenfalls schon einmal nach Jahren der Abwesenheit in die Heimat zurückkehrte, kann dieses Phänomen wohl nachvollziehen. Ab diesem Punkt erfüllen diese Blicke auf die Stadtteile, ihre Bewohner, einzelne Gebäude, deren jeweilige Eigenheiten und ja, teilweise auch Rückblicke, meistens meine Erwartungen und machen im Großen und Ganzen Spaß zu lesen. Somit findet die atmosphärische Stadtführung nach anfänglichem Warten dann also doch statt. Schön!
Spaß hatte ich von Anfang an auch an den Protagonisten und ihrem Blick aufeinander und die Stadt. Spiegeln sich dort doch durchaus die unterschiedlichen Seiten Phexens, der verschiedenen gesellschaftlichen Schichten sowie der zwischen Obrigkeit und Unterwelt. Aber auch die Personen an sich gefallen mir einfach. Ich muss zugeben, die drei gehören durchaus zu meinen Lieblingen innerhalb der bisher von mir gelesenen Heldenbreviere. Allerdings hätte ich mir noch ein paar mehr der erfrischenden Wortmeldungen unserer Informantin gewünscht. Sie haben mich jedes Mal zum Schmunzeln gebracht und hatten nur den Fehler, ein wenig zu selten zu sein.
Was ist nun aber mit dem Grund für das Durchstreifen Havenas? Der Suche nach dem Taugenichts von Neffen? Da muss ich zugeben, dass die Suche und der Neffe zwar immer wieder im Hintergrund als Plothaken ihre Wirkung entfaltet haben, für mich allerdings durchaus teilweise so leise rauschten, dass mir vor den Beschreibungen Havenas und der Phexenskünste mehrmals der Gedanke kam, ob da nicht auch noch etwas anderes war. Zeitgleich hatte ich an den sich einander abwechselnden füchsischen und havenischen Einblicke auch so viel Spaß, dass ich das doch so leise Fortschreiten der abenteuerlichen Rahmenhandlung zwischendurch kaum vermisst habe. Eigentlich schade drum.
Fazit
Wenn ihr schon bei der reinen Erwähnung von Phex euer Praiossymbol zur Abwehr zückt und die Garde ruft, dann seid ihr bei diesem Büchlein eindeutig falsch. Denn der Fuchs in all seinen Facetten spielt hier eindeutig eine prominente Rolle. Sogar so sehr, dass ich das Heldenbrevier durchaus als Inspiration für angehende Phexensjünger empfehlen würde. Die zweite Hauptrolle spielen nach einem eher langsamen Einstieg die Eigenheiten der Havener Stadtteile und seiner Bewohner. Auch bei diesem Strang wird der Leser also fündig. Wer die Heldenbreviere allerdings vor allem wegen der Abenteuerberichte liest, sollte sich vielleicht in einer der anderen Regionen umschauen, denn in Havena bildet dieser Strang eher den Rahmen für die beiden anderen Darstellungssäulen.
Aus meiner Sicht bietet das Heldenbrevier Havena damit durchaus eine spaßige Geschichte, der es allerdings leider an der nötigen Ausgewogenheit zwischen ihren drei Themensträngen fehlt. 6 von 9 Rentieren hatten dennoch ihren Spaß. Die anderen schauen sich lieber in anderen Städten und Regionen um.
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