Meridiana Josch und die Suche nach dem güldenländischen Klangteppich
Gerade aus dem Bordell des Todes entkommen, werde ich vor eine echte Herausforderung gestellt, denn über Musik zu schreiben bin ich überhaupt nicht gewohnt. Zwar hab ich mit „gut“, „nicht so gut“, „schlecht“ und „Justin Bieber“ immerhin ein paar Wertkategorien zur Hand, aber das Ganze will auch halbwegs nachvollziehbar und sachlich angemessen begründet sein. Da Ralf Kurtsiefer so großzügig war, uns ein Exemplar der CD zu Rezensionszwecken zur Verfügung zu stellen, lasse ich meine Vorbehalte jetzt aber nicht mehr gelten und springe einfach ins kalte Wasser des Thalassions. Schauen wir mal, wohin wir dabei so treiben.
Auf der CD präsentiert uns Ralf insgesamt 21 Musikstücke. Die Bezeichnung Soundtrack passt hier wie die Faust aufs dritte Auge. Was wir auf der CD zu hören bekommen, ist nicht nur Hintergrund- oder Begleitmusik für die heimische Rollenspielrunde, sondern eine musikalische Umsetzung myranischen Flairs. Die einzelnen Stücke erzählen (einzeln oder zusammen) oft kleine Geschichten oder zeichnen ein bestimmtes Stimmungsbild, indem sie verschiedene charakteristische Motive für Ereignisse oder Personen verwenden. Wenn man ein wenig die Fantasie spielen lässt, erhält man oft einen bildhaften Eindruck dessen, was da musikalisch untermalt wird. Hinzu kommt, dass wir auf der CD nicht nur Musik im engeren Sinne finden, sondern auch Geräusche, Sounds und dergleichen mehr eingesetzt werden. Natürlich konnte für die Einspielung der Stücke kein Sinfonie-Orchester rekrutiert werden, und so hört man den synthetischen Charakter der Instrumente beim genauen Hinhören auch heraus. Das stört aber eigentlich an keiner Stelle und schmälert das Hörerlebnis zumindest in meinem Fall nicht. Wie studierte Musiker mit Abonnement für die Philharmonie, die ihren Musikwecker mit Hindemiths Sonate für Tuba und Klavier programmiert haben, die Sache beurteilen, weiß ich aber nicht zu sagen.
Um die Sache noch ein wenig konkreter zu machen, folgen jetzt ein paar Anspieltipps bzw. kurze Reflexionen zu ausgewählten Stücken der CD, die mir aus verschiedenen Gründen im Ohr geblieben sind. (Anmerkung am Rande: Es gibt eine längere Hörprobe zur CD online).
Auszug ins Manöver (2) /Aufmarsch der Truppen (3) /Imperium Triumphat (4): Man erkennt an den Namen schon, was einen hier erwartet, und es wird alles dafür getan, um das volle Brett an Sandalenfilmatmosphäre im Stile von Ben Hur und mit „Ave, Cäsar!“ aufkommen zu lassen: Es gibt reichlich Fanfarenstöße, der Rhythmus bildet Marschbewegung ab, Harmonien und Melodien bauen Spannung auf. Dann Pferdegewieher, Stimmen im Chor, angedeuteter Schlachtenlärm, Triumphzug. Victrix causa diis placuit. [*]
Fahrt mit dem Luftschiff (7): Meine Erwartung, hier die lustige Untermalung zu einem behaglichen Ruhetagsspazierflug geboten zu bekommen, wird enttäuscht, das aber positiv: Hier wird der Flug zurecht als episches und beeindruckende Ereignis untermalt. Wenn meine Spieler irgendwann das erste Mal mit einem Luftschiff abheben, wird das meine Begleitmusik.
Durch den Dschungel (11): Mein absolutes Highlight! Eine minimalistische, fast schon meditative und dabei erstaunlich wirksame Klangcollage, die gerade durch den Verzicht auf zahlreiche naheliegende Effekte ihre Wirkung entfaltet. Langsam aber stetig werden mehr und mehr Tiergeräusche und Undefinierbares zum Einsatz gebracht, die Soundlandschaft von fremdartigen Klängen, mit der das Stück einsteigt, bleibt dabei immer im Hintergrund bestehen. Zwar könnte man das Stück grundsätzlich auch zur Untermalung aventurischer Dschungelszenen nehmen, aber irgendwie gibt es hier einen schwer zu beschreibenden myranischen Mehrwert. Großartig!
Am Hafen (14): Highlight, die zweite: Es klingt sowohl nach Abschied und dem Beginn einer großen Reise, der hoffnungs- und sorgenvoll entgegengeblickt wird, wie auch nach einer lang ersehnten Ankunft, der zahlreiche überstandene Widrigkeiten vorausgingen. Meiner Ansicht nach ist dieses Stück perfekt dafür geeignet, um bei einer Überfahrt ins Güldenland als Leitmotiv zum Einsatz zu kommen. Vor allem, weil es in seiner Melodie auch Assoziationen an Aventurien wachruft. Dieser Track stünde ganz oben auf der Playlist, die ich als Begleitmusik zu Jenseits des Horizonts anlegen würde.
Ban Bargui (17): Eine echte Überraschung. Ein zu Beginn erstaunlich verspieltes Stück, das einen danach auf die falsche Fährte lockt, da seine Entwicklung viel undurchschaubarer bleibt, als es zunächst den Eindruck haben mag. Irgendwie klingt hier alles nach einer ungewohnten Ordnung im Gewusel, die für den außenstehenden schwer zu durchschauen ist. Sprich: es passt perfekt zu den Ban Bargui. Einziges Manko: mit zwei Minuten ist der Track etwas arg kurz geraten, allerdings kann man ihn auch problemlos drei bis vier mal hintereinander abspielen, ohne dass es langweilig wird. 😉
Die Verbotene Kammer (20): Das Thema des Stücks, mit dem es nach dem Geräusch einer zufallenden Tür einsetzt, erinnert mich ein wenig an die Harry Potter Filmmusik, was gut zu der im Soloabenteuer vermittelten Stimmung passt (allein in einem mysteriösen Museum voller Gefahren). Das Stück fängt auch in seinem weiteren Verlauf die Stimmung des Abenteuers schön ein –als jemand, der das Solo gespielt hat, wurden bei mir einige Erinnerungen wach. Aber, aber: Wieso gibt es keine Eulengeräusche? Nebenbei: Teile des Tracks könnt ihr im Trailer zum Soloabenteuer probehören.
Soweit die Anspieltipps und Highlights. Das hier ist aber nicht die Musikbeilage der Apothekenumschau, sondern Xeledons grausame Spott-Rubrik! Also wollen wir hier nicht nur loben, was gut ist, sondern auch tadeln, was uns nicht so gut gefallen hat. Als da wäre:
Balan Cantera (19): Vielleicht war ich da von meinen Erwartungen her falsch gepolt, aber das Stück will meinen Eindruck von der Stadt nicht so recht treffen. Der Anfang kommt kommt für meinen Geschmack auf die falsche Art und Weise bombastisch rüber und weckt eher Assoziationen an den Vorabend einer Schlacht. Der Mittelteil klingt für mich dann teils etwas zu sehr nach Ethno-Rave, um wirklich überzeugen zu können.
Angriff der Kreatur (13): Das Stück funktioniert bei mir vor allem aufgrund des Mix‘ verschiedener Elemente nicht, der hier versucht wird. Zusammenhängende Bilder werden bei mir nicht ausgelöst, auch habe ich hier das erste mal das Gefühl, dass sich Dinge im Vergleich zu den vorherigen Stücken wiederholen. Bis repetita non placent. [*]
Loualil (15): Okay, fundierte Musikkritik sieht anders aus, aber: Das hatte ich mir irgendwie „blubbriger“ vorgestellt.
Schlussendlich noch eine allgemeine Anmerkung: Mir persönlich fehlt ein Stück, das die Hjaldinger thematisiert– vielleicht hab ich sie aber auch einfach nur nicht rausgehört.
Fazit
Mir gefällt die CD wirklich gut – auch deshalb, weil ich festgestellt habe, dass sie auch außerhalb von DSA-Kontexten eine angenehme Hintergrundmusik beim Arbeiten abgibt – und ich werde sie sicherlich mit Freuden verschenken, sollte jemand in meinem Freundeskreis erste Anzeichen von Myranor-Interesse zeigen. Als jemand, der Myranor bislang nur vom Lesen kennt und dem Setting recht aufgeschlossen gegenüber steht, kann ich sagen, dass Ralf Kurtsiefer hier nicht nur Musik für den Einsatz am Spieltisch gelungen ist, sondern eine musikalische Untermalung des West-Kontinents, die Lust macht, Myranor endlich auch einmal aktiv als Spieler zu erkunden.
Alles in allem ein mehr als gelungenes Experiment des Uhrwerk Verlags, das zumindest in meine Weihnachtsplanung noch Einzug erhalten wird. Zunächst muss ich aber noch nachschauen, ob Amaunirwolf endlich von seiner Überdosis Katzenminze genesen ist. 7 von 9 Rentieren polieren derweil schon mal die Triopta auf Hochglanz.
[*] Der Rezensent möchte darauf hinweisen, dass es ihm nicht darum geht, mit seiner nicht vorhandenen humanistischen Bildung zu protzen oder der Rezension den Schein eines höheren Anspruchs zu verleihen. Seine Kenntnis lateinischer Phrasen verdankt sich vorrangig der Lektüre zahlreicher Asterix-Comics. Zugleich möchte er klarstellen, dass er sich nicht über Paul Hindemith lustig zu machen gedenkt und dessen Sonate für Tuba und Klavier sehr schätzt. Lustig machen möchte er sich hingegen sehr wohl über jeden, der seinen Radiowecker mit Hindemith programmiert.
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He Danke!!!
Hat mir seeeehr gut gefallen 😉
Der Eindruck ist richtig: Es gibt kein Stück explizit für Hjaldinger. 😉 Das kommt dann evtl. auf die nächste CD.
Das wäre natürlich fein, sowohl eine zweite CD als auch ein Hjaldinger-Stück. Ich hoffe, man hört sich 😉
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