Passend zum Monat der Rondra ist im August 2018 das Aventurische Kompendium 2 erschienen. Natürlich lassen sich die Disputanten Krassling, Felixilius und Thorus diese Gelegenheit nicht entgehen, ihre Hörner zu wetzen und ihre Federn zu spitzen. Nach eifrigem Bücherstudium treten sie an zum Rededuell und erstatten eifrig Bericht.
Aufbau und Inhalt
Krassling: Bereits im März konnten wir bei Ulisses in der Produktvorstellung einiges über das neue Kompendium erfahren. Folgende Themen seien dort zu finden:
Der Band deckt eine große Bandbreite von nützlichen Themen für alle Heldengruppen ab. Beispielsweise werden wir mehr zur Anwendung der verschiedenen Heilkunde-Talente erfahren, neue Gifte und Krankheiten vorstellen und uns mit völlig neuen Geisteskrankheiten und ihrer Heilung beschäftigten. Darüber hinaus wird es auch mehr zum Metier der Diebe und Streuner geben. So wird etwa das Thema Einbrüche und Diebstahl behandelt, aber auch Geiselnahme und Fallen. Zudem wird es weitere Fokusregeln zum Thema Jagd und Pflanzenasche geben.
Ein Gedicht geradezu. Endlich kann ich meine Spieler mit der ganzen Trickkiste von Krankheiten quälen. Keine Situation mehr, in der man nicht auf irgendeine Krankheit würfeln lassen kann. Besonders die Kinderkrankheiten haben es mir angetan. Jeder Held sollte sowas ab und an mal erleben. Das wird richtig episch. Die versprochenen Geisteskrankheiten konnte ich aber bis dato noch nicht finden. Moment, ist das vielleicht bereits ein Symptom für … ? Ich muss dringend meine Sanity checken. Vielleicht habe ich aber auch die Panik-Regeln nicht richtig verstanden. Die Fokusregeln zur Jagd sind mir derweil schon durch die Lappen gegangen und zu meiner unermesslichen Enttäuschung gibt es keine Fokusregeln zur Pflanzenasche. Dabei hatte ich mir schon ausgemalt, was der soziopathische Massenmörder von Welt demnächst alles mit Pflanzenasche anstellen kann. Hach, das wäre was geworden.
Aber schauen wir doch kurz auf den fertigen Klappentext.
Aventurien ist ein Kontinent voller Gefahren und Herausforderungen, die einer Heldengruppe all ihre Kampfkünste und ihren Einfallsreichtum abverlangt. Mit dem Aventurischen Kompendium II hältst du einen Regelerweiterungsband für DSA5 in den Händen, der dir neue Optionen für den Kampf und Talenteinsatz eröffnet. Zahlreiche neue waffenlose und bewaffnete Kampfstile erweiterten die Möglichkeiten der Helden.
Hach. Tränen der Rührung, ich heiße euch willkommen. Kampfkünste, Optionen für den Kampf, waffenlose und bewaffnete Kampfstile. Endlich erkennen die Macher des Schwarzen Auges worauf es ankommt. Das erinnert mich sofort an den Buttkicker meiner Runde, der seiner Figur jetzt mehr Tiefe verleihen möchte. Das macht mich ja sowas von glücklich. Aber genug der Vorrede. Stürzen wir uns ins Gefecht. Also, auf das Buch. Denn trotz der vollmundigen Ankündigungen starten wir mit …
Talentanwendungen
Krassling: Das ist ja – äh – interessant. Es gibt also zu verschiedenen Talenten noch mal deutlich aufgebohrte Regeln. Mal sehen, ob da was dabei ist, das mir am Spieltisch nützt. Los geht es also mit Heilkunde Wunden. In vielen Heldengruppen sicher eines der häufiger eingesetzten Talente. Besonders wenn man so Leuchten hat wie meine Spieler, bei denen sich die Zauberer weigern einen Balsamsalabunde einzusetzen und Heiltränke natürlich zu teuer sind. Falls der einzige Heilkundige der Gruppe nicht wieder der erste ist, der im Kampf zu Boden geht, könnte das nützlich sein. Schauen wir also mal rein, was es so gibt. Es wird immer eine Ursache genannt und dann die entsprechende Behandlung mit Regeln hinterlegt. Finde ich grundsätzlich mal brauchbar. Schauen wir uns mal die Ursachen an.
Beim Wundfieber-Wurf eine 1 gewürfelt. Spannend. Allerdings muss ich dann wohl erst mal forschen, wo denn die Wundfieber-Regeln stehen. Chirurgische Hilfe benötigt ein Held, der 20+ SP durch einen einzigen Angriff erleidet. Was heißt denn die (1 auf W20, 5%) Angabe dahinter? Ist das irgendwo erklärt? Dann wären da noch 15+ TP (nicht SP?) durch stumpfe Waffen oder Stürze. Wiederum die kryptische Angabe (10%, 1-2 auf W20). Okay man hat die Reihenfolge geändert. Verbrennungen werden ebenfalls mit Heilkunde Wunden behandelt. Geht klar. Wieder komische W20 Angaben, diesmal ohne Prozentumrechnungen. Die letzte Ursache wäre dann mangelnde Zahnhygiene über ein halbes Jahr. Oder 10%. Wie auch immer.
Felixilius: Meine Interpretation für die %/W20-Angaben wäre, dass der Held unter den entsprechenden Wundvoraussetzungen leidet (also z.B. beim Knochenbruch 15+ TP durch eine Hiebwaffe) und dann mit dem W20 gewürfelt wird, ob zudem eine jeweilige Behandlung notwendig ist. Damit nicht jeder hohe Schaden automatisch einen tieferen medizinischen Eingriff benötigt. Nichtsdestotrotz fehlt hier die Erklärung.
Krassling: Das erscheint von der Beschreibung her plausibel. Wenn dann also alle drölfzig Spielabende mal ein Held bei mir einen Treffer mit mehr als 20 SP abbekommt, dann braucht es nur noch neun weitere von der Sorte, um im Mittel einen chirurgischen Eingriff erforderlich zu machen. Vorausgesetzt ich habe an die entsprechenden Regeln gedacht. Ob sich das lohnt?
Nachdem die Ursachen zwar nicht ganz unplausibel aber auch nicht so wirklich sophisticated sind, lassen sich die Auswirkungen mit Proben behandeln. Ohne den Erwerb der passenden Sonderfertigkeit erschwert um 3. Wenn ich also nicht für 3 AP die Anwendung Zahnbehandlung erworben habe, dann ist das Ziehen eines Zahns mit einer um drei erschwerten Heilkunde-Probe möglich. Ähem? Dann doch lieber schnell auf eine gute aventurische Hartwurst gebissen und den Zahn so rausgebracht. Kann ich die Proben eigentlich zusätzlich zur normalen Probe anwenden? Also erst eine Probe für den chirurgischen Eingriff, dann eine Probe um mehr LeP zu regenerieren? Egal, insgesamt mal nicht verkehrt. Und durch die Hintertür vermutlich sinnvoller, als die Regeln für wirklich schlimme Sachen, ähem Treffer.
Felixilius: Aus meiner Sicht sind die speziellen Verletzungen und ihre Behandlungen eine nette und brauchbare Möglichkeit den Helden ihre eigene Verwundbarkeit und Sterblichkeit vor Augen zu führen – wenn man das denn möchte. Als Fokusregel I also gut verordnet.
Thorus: Tja, im Grunde hat das Kompendium 2 hier bereits eine potentielle Zielgruppe gefunden. Spieler von Heilkundigen, Apothekari, Alchimisten und Co. bekommen die geballte Ladung medizinischer Fokusregeln, um die man kaum herum kommt. Neben Wundversorgung auch weitere Gifte und aventurische Krankheiten. Auch als SL sicherlich eine Fundgrube an ekligen Dingen, mit denen man den Heldenalltag aufpeppen kann.
Felixilius: Endlich mehr Gifte! Wo bisher der kundige Zauberalchimist neben Tulmadron wenig Einsatzgebiete für seine Steinbearbeitungsproben hatte, kommen hier drei neue mineralische Gifte hinzu. Und ansonsten auch eine tolle Mischung verschiedener Möglichkeiten anderen das Leben schwer zu machen (oder es schnell zu beenden). Gerade das “Halbgift”, mit dem man Leute schrumpfen kann, hat es mir sehr angetan.
Die Krankheiten sehe ich ähnlich wie die speziellen Verletzungen: Kann man machen, muss man aber nicht. Als Fokusregel I gut aufgehoben, bieten sie dem SL die Möglichkeit den Helden auch andere Herausforderungen als den nächsten Stamm Orks entgegen zu werfen. Lesenswert sind sie allemal.
Krassling: Ha, Panik überkomme euch! Endlich mal was Lustiges. Nehmen wir also mal an, der Held befindet sich in einer lebensbedrohlichen Quetschfalle und muss eine Panikprobe bestehen. Also Willenskraft −1 für die mittelprächtige Anfänger-Geweihte aus meiner aktuellen Gruppe macht 44% Furchtwahrscheinlichkeit. Führt zu einer Stufe Furcht. Dann mit einem W6 die Furchtstufe von 1 überwürfeln und mit einer Wahrscheinlichkeit von 44%/6 = 7,4% in Panik geraten. Jaaaa. Vielleicht lassen wir das doch. Horriphobus, Tanzbär und so.
Thorus: Am kuriosesten finde ich den ausgewürfelten Panik-Status. Wenn ich Glück habe, dann fange ich lediglich an zu brabbeln. Wenn ich Pech habe, dann falle ich in Ohnmacht. Und wenn ich ganz viel Pech habe, dann erwarten uns auf den kommenden 220 Seiten noch weitere Kuriositäten. Mir schwant Böses…
Felixilius: Es kann zwar am Tisch recht lustig werden, wenn einer der Helden vor Panik anfängt, dauerhaft zu schreien – aber ich sehe hier die Brauchbarkeit nur, wenn man nicht die klassischen Helden spielt.
Krassling: Abrichten, das unterschätzte Talent. Auch diese Regeln erlauben es allerdings wieder nicht, im Sumpf schnell ein Krokodil zum Tragen des eigenen Gepäcks abzurichten. Ich bin kein Freund von Vertrauten, Lassie-Begleitern und heroischen Superpferden. Aber nett um seine Zeit damit zu vertun.
Thorus: Vergiss bitte nicht die kommende Spielhilfe Aventurische Tiergefährten. Schreib dein gepäcktragendes Krokodil nicht zu früh ab. Erwähnenswert ist an dieser Stelle tatsächlich der Einschub von weiteren Kreaturen, im Rahmen eines Mini-Bestiariums. Wir lernen im Kompendium 2 u.a. Kamele, Mammuts und Hornechsen kennen. Ich verstehe und begrüße es, wenn in Regionalspielhilfen die Flora und Fauna der Region abgebildet wird. Oder in einem eigenen Bestiarium. Aber wieso finden sich Kreaturen im Kompendium? Das unterstreicht leider das Vorurteil eines reinen Sammelsuriums.
Felixilius: Die Tricks und Ausbildungsaufsätze sind für Freunde von Tierbegleitern sehr nützlich. Allerdings kommt es in Teilen zu Unklarheiten: Beispielsweise ist nicht so ganz klar, ob ein neu erworbener Hundewelpe eines erfahrenen Helden von Anfang an 120 AP besitzt (10% der AP des Helden) – oder aber das Herrchen in den kommenden Abenteuern 1120 AP erringen muss um seinem Liebling auch nur einen Ausbildungsaufsatz spendieren zu können. Die Tricks und Aufsätze geben sinnvolle (Fass!) wie klassische (Sitz!) Vorteile in Form von verbesserten Eigenschaften und weiteren Fertigkeiten, aber anstatt des Minibestiariums hätte die Tabelle mit den Tierarten und Modifikatoren absolut ausgereicht.
Krassling: Betören. Eigentlich bin ich mit den Möglichkeiten des Talents Betören ganz zufrieden. Immerhin kann ich hier nachlesen, dass man zwei Netto-QS braucht, damit das Gegenüber bereit ist zum Sex. Auch der Hinweis, dass man die Anbahnung ja ausspielen kann und manche Spieler es doof finden, wenn Meisterpersonen die gleichen Möglichkeiten haben wie ihre eigenen Figuren, fehlt nicht. Das Betören ein B-Talent ist und Willenskraft ein D-Talent darf in dem Zusammenhang vielleicht auch noch mal gesagt werden. Da ist es ja gut, dass ein gewisser Verlag gerüchteweise gerade ein Buch mit Regeln für Sex veröffentlicht hat. Ein Traum.
Thorus: Was mir hier besonders aufgefallen ist (mit Ausnahme des dubiosen Abschleppspezialisten, aber ich werde die Sexismusdebatte ebenfalls nicht erneut anfachen), dass der Hauptband zu diesem Thema, Wege der Vereinigungen, gar nicht erwähnt wird. Das gilt auch für die bereits genannten Gefährtentiere und offenbart ein grundsätzliches Problem dieser Spielhilfe: Querverweise sind absolut rar. Es existieren zwar weitere, tiefergehende Regeln und Mechaniken zu einer Thematik, (die man als Verlag ja auch verkaufen möchte); doch der schlecht informierte Kompendium 2-Leser muss fälschlicherweise annehmen, dass die vor ihm liegenden Regeln vollständig sind.
Ich erwarte als SL, dass ich in einer Spielhilfe erfahre, wo ich ggf. mehr zu einem Thema erfahren kann. Wenn die Regeln so stark fragmentiert sind wie bei DSA5, dann muss wenigstens das Verweissystem einwandfrei funktionieren! Dazu gehört wenigstens die Nennung des Werks; besser noch die entsprechende Seitenzahl.
Krassling: Du siehst das ganz falsch. Der Verlag geht natürlich davon aus, dass der geneigte Leser sämtliche Regeln und Bücher ohnehin auswendig gelernt hat und sich Verweise jedweder Art somit erübrigen. Oder wie verbringst du deine spielfreien Abende?
Felixilius: Im Gegensatz zu überbordenden Querverweisen in DSA4 jetzt fast gar keine? Ein klassisches “So wenig wie möglich, so viel wie nötig” würde mir besser gefallen. Allerdings weise ich immer wieder gerne auf das DSA-Regelwiki hin, welches mittlerweile eine gut gepflegte Sammlung aller Regeln ist (Sogar mit Querverweisen!), auch wenn sich immer mal wieder (gewollte?) Unterschiede einschleichen: So hat der Hippogriff im Kompendium II beispielsweise andere Werte als der im Wiki oder im Bestiarium II.
Krassling: Es gibt Regeln, wie schnell man ein Buch lesen kann. Zwischen drei und zehn Minuten pro Seite. Wie viel Seiten hat so ein Buch eigentlich? Kann ich das irgendwo auswürfeln oder steht das immer dabei? Oh ja und das Kopieren dauert sechs Minuten pro Seite und das selber schreiben auch irgendwie und das Drucken, naja man sieht ja wohin das führt. Zu viel Text für mich.
Thorus: Hier bin ich wirklich froh, dass diese “enorm wichtigen” Fokusregeln nicht ein eigenes Buch füllen. Scherz beiseite. Was mir hier tatsächlich fehlt ist die Bibliotheks- oder Buchrecherche, die eigentlich hervorragend gepasst hätte. Diese wurde bereits im Kompendium 1 besprochen. Leider findet sich auch hier kein Hinweis auf eine bereits vorhandene Regel. Dafür finden wir Detailregeln zur Buchherstellung. Aber wozu?
Krassling: Du meinst man hätte einen Verweis auf den Quellenband mit den Rechercheregeln für Bibliotheken etc. aufnehmen sollen? Du Schlingel, du. Und wie bitte sollte ich meinen nächsten Helden ohne diesen Band erschaffen, wenn ich doch für mein Leben gern Buchbinder spiele? Ich bitte das zu berücksichtigen.
Thorus: Entschuldige, ich wollte deine Gefühle nicht verletzen. Scherz beiseite. Auch hier werden sich begeisterte Spieler finden und das ist auch okay. Doch als Spieler eines bibliophilen Charakters sollte gleiches bei gleichem stehen und sich nicht auf zig Publikationen verteilen. Dabei bleibe ich.
Krassling: Lebensstil-Regeln finde ich grundsätzlich nicht verkehrt. Auch der Vorteil Einkommen kann für ortsfeste Kampagnen sehr viel Sinn machen. Die Regeln zum Up- und Downgrade scheinen halbwegs sinnvoll. Hätten wir das nicht vor eine Weile so ähnlich schon im Scriptorium gelesen, wäre ich womöglich mehr angetan.
Hausbau ist ja meist nicht so spannend. Wenn ich will, dass die Helden sich ein Haus bauen können, dann dimensioniere ich den Schatz eben so, dass es passt. Ist eher eine dramaturgische Frage als eine regeltechnische. Wer Spaß dran hat.
Thorus: Lebensstil-Regeln finde ich tatsächlich interessant. Wie lebt ein Patrizier; wie leben Bauern? Damit kann ich etwas anfangen. Doch dem Hausbaukapitel habe ich tatsächlich entgegengefiebert! Ob am PC, der Konsole oder am Spieltisch: Kein Roleplay-Game ohne “housing”! Und in meinen DSA-Langzeit-Spielrunden haben die Mitspieler große Freude am Verwalten von Baronien und dem Errichten neuer (Burg-)Gebäude; insofern gehöre ich definitiv zur Zielgruppe der ortsfesten Kampagnenspieler. Das Kapitel hat mich nicht so sehr enttäuscht wie die Geiselnahmen (dazu später mehr), aber auch hier ärgere ich mich über nicht ausgeschöpftes Potential. Und ja, du hast Recht, Krassling: Es gibt hier bereits gute Fanware, die deutlich mehr bietet.
Was ebenfalls fehlt, wenn es um “housing” geht: Die Innenarchitektur. Die Möblierung wird in 13 Zeilen kurz angerissen; auch hier wäre deutlich mehr drin gewesen. Schade. Vielleicht können es die zwischenmenschlichen Beziehungen im Anschluss wieder herausholen.
Felixilius: Die Hausbauregeln sind ein guter Anfang, aber auch nicht viel mehr. Ansonsten Zustimmung zu dem was die anderen geschrieben haben.
Krassling: Kontakte und Verbindungen sind was Tolles. Unbedingt. Wenn man Shadowrun spielt. Okay, wenn man eine ortsfeste Kampagne spielt, dann sollte man über das Thema vielleicht auch mal nachdenken. Ob ein Spieler wohl auf coole Fähigkeiten für seine Figur verzichtet, um Kontakte zu kaufen? Moment, Verbindungen, die man im Spiel erlangt, muss man ebenfalls bezahlen. Oha. Na das wird ja ein Spaß. Aber halt. Endlich gibt es eine plausible Erklärung dafür, warum die Spieler-Figuren immer so soziopathische Irre ohne Familie oder Freunde sind. Und jetzt weiß ich auch, wofür die ganzen inkompetenten Meisterpersonen ihre AP verschleudert haben. Hah! Ein Geniestreich. Diese DSA-Designer sind einfach die Besten.
Thorus: Du sprichst es im Grunde schon an: Dieses Kapitel richtet sich vor allem an orts- oder regionengebundene Charaktere. Und ich finde es tatsächlich lobenswert, wenn etwas, das früher nur mit dem Talent “Gassenwissen” über einen Kamm geschoren wurde nun etwas ausführlicher behandelt wird. Für den Einsatz in thematisch passenden Städten wie Belhanka, Gareth oder Havena mit Sicherheit ein Gewinn. Und mir haben die beispielhaften Kontaktpersonen gut gefallen. Hier wird die Spielhilfe zur Abwechslung mal konkret. Leider krankt es auch hier an der Umsetzung und dass die eigentliche Mechanik nicht zu Ende gedacht wird: Dass AP nachgeschossen oder abgezogen werden müssen, wenn sich mein Verhältnis zu einer Kontaktperson verbessert oder verschlechtert, halte ich für völlig absurd. Was passiert denn, wenn ich verreise oder mein Kontaktmann beispielsweise dauerhaft ausfällt oder gar stirbt? Fragen, auf die es in der Spielhilfe keine Antwort gibt. Bekomme ich dann die AP zurück? Nein, ich will die soziale Progression meines Charakters nicht mit AP bezahlen, sobald ich aus der Charaktergenerierung raus bin! Wenn ich irgendwo neue Freunde und Verbündete kennenlerne, dann möchte ich die nicht mit einer abstrakten Regelressource “kaufen” müssen. Das ist eine furchtbar lieblose und uninspirierte Mechanik.
Krassling: Regeln für Geiselnahmen. Mit Geiselnehmerhandlungen, Befreierhandlungen und Opferhandlungen. Endlich kann ich eine Geiselnahme von vorne bis hinten ausspielen. Also auswürfeln meine ich natürlich. Diese lästigen Interaktionen zwischen den Figuren in – Gott bewahre – wörtlicher Rede sind ab sofort gestrichen. Hilfe, holt mich hier raus! Bekloppte Regeldesigner haben mich als Geisel genommen und wollen ihre verrückten Regeln an mir testen. Kann mal jemand würfeln?
Thorus: Nach dem Lesen von Klappentext und Vorwort hatte ich mich auf diesen Abschnitt besonders gefreut! Wie würde man Geiselnahmen in Aventurien umsetzen, wo klassische Elemente, wie der “Telefonanruf mit den Forderungen” aus naheliegenden Gründen wegfallen müssen? Ich fieberte den Regeln entgegen!
Umso größer war meine Enttäuschung beim Studium der mageren zweieinhalb (!) Seiten. Wenn ich Formulierungen lese wie “Spätestens nach 5 Verhandlungsdurchgängen endet die Geiselnahme”, dann fühle ich mich an die Durchgänge in Wege der Vereinigungen erinnert, (die ich bis eben noch für selbstironischen Meta-Humor hielt). Wieso gibt es zu diesem grundsätzlich spannenden Thema kein tolles Fluffkapitel? Oder Szenarioideen und Zufallstabellen, mit Dingen, die schief laufen könnten? Stattdessen bekommen wir zweieinhalb Seiten zu “Verhandlungen”, in denen Wörter wie “Forderungen” und “Lösegeld” nicht einmal auftauchen. Ich möchte als SL wissen: Wo, an welchem Ort und warum kann es zu Geiselnahmen kommen? Gab es vielleicht berühmte Beispiele in der aventurischen Historie? Wann und warum sollte ich diese Regeln verwenden? Wo und wie werde ich heiß gemacht, diese Regeln anzuwenden? Wir erfahren nichts. Ich begreife das alles nicht. Ich gebe Krassling absolut Recht. Dafür, dass mit diesem Inhalt sogar geworben wurde, ist die Umsetzung das absolute Lowlight dieser Spielhilfe. Wir sind auf Seite 64 von 242 und die beiden Themen, für die ich bereit gewesen wäre richtig viel Geld hinzulegen, stellen sich als große Enttäuschung heraus. Mein Herz blutet.
Sonderfertigkeiten
Krassling: Mein Gott, so viele ähnliche Dinge. Und kein brauchbares System? Das kann doch nicht wahr sein. Tatsächlich erinnert mich das an den alten Witz. Sagt der Professor zu den Studenten: “Lernen Sie dieses Telefonbuch auswendig.” Der Physikstudent blättert die Seiten durch, erkennt kein System und lehnt ab. Der Medizinstudent fragt zurück: “Bis wann?”
Thorus: Nun ja, hier bin ich etwas milder gestimmt. Denn ich halte viele der Sonderfertigkeiten für geeignet um Charaktere oder NSCs zu “verzieren”. Natürlich gibt es abstruse Sonderfertigkeiten wie “Erholsames Bad” oder “Bernsteinerhitzen”, zu denen mir außer einem Kopfschütteln nicht viel einfällt. Gestern haben wir noch über “Ackerbau” und “Töpferei” bei DSA4.1 gespottet, heute gibt es halt Charaktere, die besonders talentiert darin scheinen, anderen ein Bad einzulassen. Aber das Kapitel hat tatsächlich auch atmosphärische Höhepunkte: Die Talentstilsonderfertigkeiten zum Beispiel. Einige sind nützlicher als andere: “Weg der Schankmagd” und “Weg der Seefahrerin” sollte man vor dem Hintergrund identischer AP-Kosten vielleicht nicht in puncto Nutzen vergleichen, (aber ein System, das mir für ein besseres Ansehen bei einer Kontaktperson AP abknöpfen will, sollte man grundsätzlich nicht nach AP-Wertigkeiten hinterfragen).
Doch mir gefallen diese Sonderfertigkeiten vor allem deshalb so gut, da man auch als SL seine NSCs schnell mit stimmigen Hintergründen versorgen kann. Es gibt enorm viel zu kritisieren an diesem Band. Dieses Kapitel gehört meiner Meinung nach nicht dazu.
Krassling: Du versiehst deine NPC mit Talenstilsonderfertigkeiten zum Bad einschenken? Na das ist ja mal ein Ding. Halt meine Dame! Bevor Ihr Euren Sprößling dieser Amme überlasst, will ich erst wissen, ob diese auch über die Sonderfertigkeit Wickeln und den Talenstilsonderfertigkeit “Weg des Hosenscheißers” verfügt. Was muss ich würfeln?
Thorus: Zum einen: Ja, ich bin Stimmungsspieler und es ist tatsächlich DSA-Hotzenplotzigkeit vom Feinsten. Zum anderen muss man fair bleiben und die Gewichtung beachten: Denn die “nützlicheren” Talentstilsonderfertigkeiten sind deutlich in der Überzahl und wiegen die etwas albernen locker auf. Dieses Kapitel befeuert insgesamt mein SL-Kopfkino und das ist für mich das größte Kompliment, was man einer Spielhilfe machen kann: Gedanken zu erzeugen, auf die ich niemals im Leben selbst gekommen wäre. Was die Sonderfertigkeiten “Erholsames Bad” und “Bernsteinerhitzen” betrifft: Ich bete und hoffe, dass das wirklich nur typischer DSA-Humor ist und nicht vielleicht doch ernstgemeint.
Felixilius: “Bernstein erhitzen” ist tatsächlich brauchbar, da der Stein als Überzug eine Waffe effektiver gegen Insektoide macht, während das “Erholsame Bad” eine gute Möglichkeit ist mehr zu regenerieren, wenn man gerade wenig Geld zur Verfügung hat. Was spricht eigentlich gegen ein aventurisches Spa-Abenteuer? Insgesamt sehe ich dieses Kapitel aber deutlich unkritischer. Die SFs, Talentstilsonderfertigkeiten und erweiterten Talentsonderfertigkeiten bieten schöne Möglichkeiten den Charakter noch weiter zu spezifizieren und auch unübliche Helden gut auszugestalten. Für den klassischen Krieger, Magier oder Waldläufer ist dieses Kapitel aber eher nichts. Dagegen sind die Schicksalspunkte-Sonderfertigkeiten universal nützlich. Mit “Heilkraft III” kann man beispielsweise gegen drei SchiPs im besten Fall 18 LeP regenerieren (1W6 pro SchiP).
Thorus: Touché! Als Stimmungsspieler kommen mir solche Gedanken wie der Überzug oder die SchiP-Umrechnung gar nicht, aber was das Spa-Abenteuer betrifft läuft mein Kopfkino wieder. Vielleicht doch ganz stimmungsvoll im Rahmen von Namenlose Nacht?
Erweiterte Kampfregeln
Thorus: Regeln für Flucht und Aufgabe. Mitsamt den omnipräsenten Tabellen, in denen kleinschrittige Boni bzw. Malusse verteilt werden, je nachdem wie der Antagonist zur Heldengruppe steht. Aber wieso erfahren wir eigentlich nicht, wie es nach einer Aufgabe weitergeht? Man stelle sich vor: Der Räuberhauptmann stirbt und die Räuber ergeben sich. Und weiter? Lassen die sich jetzt von den Helden widerstandslos umbringen? Auch hier wieder das völlige Fehlen von erzählerischen Ansätzen bzw. von den unmittelbaren spielerischen Folgen einer Regelmechanik. Denn ähnlich wie bei der Geiselnahme wechselt das Spiel nach dem Durchlauf der Regelmechaniken vom kämpferischen Konfliktmodus in einen sozialen Konfliktmodus. Bei letzterem sind wir dann aber auf uns gestellt. Wie so vieles in diesem Buch bleibt diese Regelmechanik skizzenhaft, konzeptlos und kontextlos. Spiele ich hier noch ein Rollenspiel oder bereits ein Tabletop Wargame?
Krassling: Ha, einen hab ich noch. Eigentlich dachte ich hier würden die Regeln zu Flucht (siehe Regelwerk Seite 237) weiter coloriert. Moment. Sensationell, das war ein Querverweis, der genau so im Kompendium drin steht. Ich nehme alles zurück, was ich oben gesagt habe. Ob jemand flieht oder sich ergibt ist nun also auch völlig zufällig und hat nichts mehr damit zu tun, wie die Chancen stehen zu entkommen oder zu überleben. Wenn man so Menschenfreunde hat wie meine Spieler, die Kämpfe gerne mit dem Schlachtruf “Keine Gefangenen” eröffnen, dann macht das auch total Sinn. Hach, ich liebe es. Aber worauf ich eigentlich hinaus wollte: Helden müssen sich natürlich nicht an Fluchtregeln halten. Ist ja völlig klar, oder? Welcher Perverse käme schon auf die Idee, dass für Spieler-Figuren die gleichen Regeln gelten würden, wie für Nichtspieler-Figuren. Aber dann kommt der Brüller. “Es steht aber jeder Spielrunde frei, sich an die Vorschläge der Flucht-Regeln zu halten. Das bedeutet aber, dass der Kampf dadurch deutlich länger dauert.” Toll, oder? Die Regel erlaubt es mir statt meiner Entscheidung auch einen Zufallsmechanismus zu benutzen. Da bin ich aber froh. Weniger klar ist mir der zweite Satz. Ein Kampf dauert deutlich länger, wenn Helden auch flüchten oder aufgeben können. Länger als was eigentlich? Länger als wenn bis zum Tod gekämpft wird wie sonst üblich? Ich blick´s nicht.
Felixilius: Kann man machen, muss man aber nicht. Mir persönlich reichen die Angaben ab welchem LeP-Verlust die Feinde fliehen, auch wenn ich anerkennen kann, dass es Feinde durchaus mit der Angst bekommen können, wenn ihre Anführer mit einem Ignisphaero geröstet werden.
Thorus: Den Kampf können wir gerne noch langwieriger gestalten. Denn es folgt ein siebzehn Seiten langer Abschnitt über kritische Treffer und kritische Fehlschläge, randvoll mit Oldschool-Zufallstabellen. Die Hälfte hätte es vermutlich auch getan, vor allem weil sogar Tabellen aus dem Grundregelwerk noch einmal aufgewärmt wurden. Okay: In spektakulären Finalkämpfen können solche Regeln wirklich Spaß bringen. Aber hätte man sie wenigstens so attraktiv gestalten können, dass selbst der “Orkangriff der Woche” nicht mehr ohne diese Würze ausgekommen wäre? Hier wäre die Chance dazu gewesen: Spektakuläre Finisher beispielsweise, wie zu guten alten Warhammer Roleplay Zeiten. Doch mich lädt nichts dazu ein, diese Regeln außerhalb von Bosskämpfen zu verwenden, da sie die Kämpfe verlängern, ohne größeren Mehrwert zu bieten.
Natürlich wird es immer Fans und Gegner von Zufallstabellen geben, da steht mir kein Urteil zu. Und bei einem Turnierzweikampf, oder gegen einen mächtigen Endgegner stelle ich mir im Schild steckengebliebene Äxte, kaputte Schwerter oder spontane Doppelschläge ebenfalls sehr unterhaltsam vor. Doch mehr als Stolpern, Waffe verlieren, sich selbst und andere verletzen oder versehentlich das Ladenschild vom Blumenhändler runterschießen hat dieses Kapitel leider nicht zu bieten. Enttäuschend.
Felixilius: Als Würfeltabelle sehr kleinteilig, da kann ich eher die entsprechenden Kartensets empfehlen, die sind deutlich angenehmer (und weniger zeitintensiv) zu bedienen. Die Meuchel- und Betäubungsregeln mit ihren Multiplikatoren sind dagegen sehr griffig und einfach zu merken. Auch wenn ich nicht verstehe, warum ein Speer beim Meucheln weniger Schaden machen soll als sonst.
Krassling: Wer von den Regeln im Trefferzonenset begeistert war, den wird das hier vom Hocker hauen. Was rede ich, eine Epiphanie des Würfelgottes ist das. Für Menschen, die zwischendurch auch noch mal spielen wollen vermutlich eher schwere Kost.
Thorus: Aber die Zwischendurchspieler sind auch nicht angesprochen, sondern die Profispieler. Zwischendurchspielern reicht das Grundregelwerk. Doch als Profispieler erkennt man tückischerweise, wie wenig professionell dieser ganze Regelwust ist. Das ist ja das Dilemma: Die Kompendien wurden für Personen geschrieben, die am kritischsten im Umgang mit Regeln sind. Doch damit nicht genug: Nicht nur der Inhalt, sondern auch die Aufteilung der Kampfstilsonderfertigkeiten gibt Rätsel auf. Am Ende von Kapitel 3 finden wir ab Seite 118 die einzelnen Kampfstile aufgelistet. Diese sind mit einem kurzen Flufftext versehen, der uns auf den “Fasarer Gruben-Stil” oder den “Garether Gossen-Stil” heiß machen soll, was teilweise auch gelingt. Doch die eigentlichen Regeln zu diesen Kampfstilen finden wir erst ab Seite 132, in Kapitel 4! Kann mir jemand erklären, wieso die Fluffbeschreibung und Regelerläuterung nicht zusammen stehen sondern in zwei verschiedenen Kapiteln? Dass Regeln bei DSA5 wie ein Buffet aufgebaut sind und sich auf unterschiedliche Publikationen verteilen finde ich grundsätzlich gut. Aber eine Aufteilung innerhalb eines Werkes? Und ja, das war auch im Kompendium 1 bereits so. Aber das Kompendium 1 kam nicht besonders gut an. Konnte man daraus etwa keine Lehren ziehen?
Krassling: Oh weh die armen Spieler. Jetzt müssen sie wieder dutzende Seiten durchforsten, um herauszufinden bei welcher Fähigkeit das Balancing am gründlichsten schief gegangen ist und sich der größte Effekt rausholen lässt. Ich persönlich warte ja darauf, wann die ersten Elfen bei den Hügelzwergen in die Lehre gehen, um Nachladespezialisten zu werden und noch schneller schießen zu können.
Felixilius: Keine Frage, die Unterbrechung von neun Seiten zwischen Flufftext und den entsprechenden Kampfstilsonderfertigkeiten ist blödsinnig. Auch wenn ich mir sicher bin, dass man sich dabei irgendwas gedacht hat, obwohl ich diese Entscheidung stark in Frage stellen möchte. Es ist einfach nur störend, wenn man die ganze Zeit hin und her blättern muss um den Flufftext den jeweiligen Regeln zuzuordnen.
Kampf-Sonderfertigkeiten
Felixilius: Stimmige Stile und sehr mächtige entsprechende Erweiterungen. Wer seine Helden selbst im Late-Game noch effektiver kämpfen lassen will, kann hier bedenkenlos zugreifen.
Thorus: Das finde ich auch. Hier finden wir ausschließlich Dinge, wie wir unseren Chara individuell für das Late-Game rüsten können. Geht in Ordnung.
Professionen
Thorus: Die Professionsliste wird erneut länger. Im Kompendium 2 finden wir nun den Apothekarius, die Auftragsmörderin, die Baderin, den Boten, den Fallensteller, den Fleischer, verschiedene Krieger, den Herrscher (was ich persönlich grandios finde!), den Holzfäller, die Ishanna al Kira-Balayan, die Karawanenführerin, die Kontoristin, den Landwehrsoldaten, den Lanisto, das Logenmitglied, den Mawdli, verschiedene Schwertgesellen, die Patrizierin, den Prospektor, die Räuberin, die Sappeurin, die Schankmagd, die Schaukämpferin, die Schauspielerin, die Schmugglerin, die Schreiberin, den Schriftsteller, den Stutzer, den Taschendieb, die Tätowiererin, den Viehtreiber, den Zimmermann und die Zofe.
Viele der Professionen finden wir bereits im Grundregelwerk, als Professionsvariante. Hier wurden die einzelnen Vertreter noch einmal würdig dargestellt und haben auch – übrigens sehr tolle – Illustrationen erhalten. Ich habe hier nicht viel zu meckern. Was meint ihr?
Felixilius: An den letzten beiden Kapiteln habe ich überhaupt nichts auszusetzen. Die Professionen haben gute Beschreibungen und die Archetypen wieder eine klassische Kurzgeschichte.
Krassling: Für mich stellt sich ja die Frage, wozu ich diese Informationen verwende. Wir verwenden keine Professionen um Spieler-Figuren zu bauen. Und eine Seite samt kostspieliger Illustration in einem Regelwerk um einen Fleischer als Meisterperson darzustellen ist für meinen Bedarf eindeutig über das Ziel hinaus geschossen. Vom Grundsatz finde ich Produkte wie Krieger, Krämer und Kultisten gut. Ein Professionspaket leistet derartiges aber natürlich nicht.
Thorus: Gut, hier sind wir bei individuellen Spielstilen und Vorlieben. Ich finde dieses Kapitel fast schon das nützlichste im ganzen Werk. Zumindest was die unmittelbare Verwendung am Spieltisch betrifft. Und die Illus bei DSA5 sind sowieso über jeden Zweifel erhaben.
Archetypen
Thorus: Insgesamt 8 fertige Archetypen hält das Kompendium 2 für uns bereit, die allesamt mit Regeln aus dem vorliegenden Werk gewürzt sind. Die Auswahl hat ein klares Übergewicht an Kampf- und/oder Reise-Charakteren, lediglich die horasische Apothekaria tanzt angenehm aus der Reihe. Schade, dass wir in diesem Kompendium viele Regeln und Anregungen für Stadt-, Handwerks- oder Gesellschaftscharaktere erhalten haben, aber hinterher dennoch der Kampf im Vordergrund steht.
Die Präsentation der Archetypen ist aber erneut gelungen: Auch hier folgt man konsequent dem aus dem Grundregelwerk bekanntem Aufbau mit Flufftext, Illustration und Werten. Schön fand ich ebenfalls, dass man die Professionsbilder aus dem vorherigen Kapitel nicht einfach recycled hat, sondern eigene Illustrationen angefertigt wurden.
Krassling: Das gleiche wie oben gilt auch für die Archetypen. Eine Nutzungsmöglichkeit wäre die Verwendung als Wertereferenz für Meisterpersonen analog Krieger, Krämer und Kultisten. Darüber hinaus mag solch eine Vorlage auch für Neueinsteiger als Schnellstarter dienen und diese mit vorgefertigten Helden zum Losspielen ausstatten. Dann sollten sie allerdings mehr hermachen als der mhanadische Karawanenführer. Mit so einem Bubi würde ich nicht durch die Wüste ziehen wollen. Und natürlich wäre es schöner, diese Dinge als günstiges Downloadprodukt mit deutlich größerem Umfang zu haben. Damit könnte ich dann Anfängern ein umfangreiches Angebot in einem Dokument liefern. Oder man legt die Archetypen den passenden Abenteuern bei. Hach, wär das schön.
Thorus: Das ist eher ein grundsätzliches Problem, das in den Kompendien besonders stark ins Auge fällt, während es anderweitig kaum stört. Ich hätte mir ein Kampfkompendium, ein Meisterpersonen- und Archetypenkompendium, ein Gesellschaftskompendium etc. gewünscht; also dass man Schwerpunktbände umgesetzt hätte, wie man es bei den Regionalspielhilfen erfolgreich praktiziert. Nimmt man letztere als Vorbild für ein Gedankenspiel, dann fühlt sich das Kompendium 1 an, als habe man eine gemeinsame (und unvollständige) Regionalbeschreibung von Thorwal, der Khom und dem Bornland herausgebracht und als großes Feature horasische Meisterpersonen eingefügt. Im Kompendium 2 hat man nun die Beschreibungen dieser drei Regionen weiter vertieft aber die Horasier mit den Maraskanern ausgetauscht. Die meisten Leute könnten sich wohl darauf einigen, dass nach diesem Prinzip angelegte Spielhilfen ziemlich verrückt wären. Umso kurioser, dass die Kompendien tatsächlich auf diese Weise zusammengesetzt sind.
Fazit und Wertung
Thorus: Ich habe lange mit mir gerungen, ein stringentes Fazit abzugeben. Ein Gedanke schoss mir immer wieder durch den Kopf: Wieso scheinen viele DSA-Optionalregeln grundsätzlich nach der Maßgabe “Kein Mensch braucht das, aber wir bieten es halt an.” geschrieben zu sein und nicht nach dem Anspruch “Hier ist der neue heiße Scheiß; diese Regeln sind einfach ein must have! Sie machen riesigen Spaß und würzen dein Spiel! Du willst es haben!!” Wo ist diese Begeisterung? Ich finde sie nicht, da selbst die Macher auf Cons und in Videoblogs genauso tief stapeln, wenn sie ihre Zusatzbände anpreisen: “Musst du das haben? Nein, du musst es nicht haben. Aber du kannst.” Das Kompendium 2 ist der buchgewordene Ausdruck dieser viel zu häufig gehörten Aussage.
Ich verstehe (und unterstütze), dass Regionen eine Regionalbeschreibung erhalten, Waffen und Ausrüstung in einer Rüstkammer zu finden sind, Magie in Magiebänden steht und Viecher in Bestiarien stehen. Erotik findet sich in einem Erotikband und Tierhaltung und Abrichtung in einer Spielhilfe für Tierbegleiter. Alles schön thematisch getrennt und in einem ansprechenden Kontext präsentiert, der bestenfalls noch Spielanregungen und erzählerische Erkläransätze offeriert. Gerne auch unterteilt auf mehrere Bände, wie bei der Magie, wenn das grobe Thema (also Magie) stimmt.
Was ich hingegen nicht verstehe: Diese Resterampe namens Kompendium. Wieso landet alles in diesem Sammelsurium, noch dazu teils unvollständig? Und wieso macht mich dieses Sammelsurium nicht wenigstens darauf aufmerksam, dass viele der enthaltenen Regeln noch ausführlicher in Spezialbänden zu finden sind oder sein werden?
Das Kompendium 2 macht tatsächlich stur dort weiter, wo das Kompendium 1 in puncto Unstrukturiertheit, Willkür und Unvollständigkeit vorgelegt hat und dafür zurecht landauf landab kritisiert wurde. Nun festzustellen, dass offensichtlich kein Lerneffekt eingetreten ist und die damalige Designentscheidung stur durchgezogen wird, macht mich fassungslos. Und das sage ich als bekanntermaßen großer DSA5-Fan. Es schmerzt mich zuzugeben, dass auch das zweite Kompendium kein sonderlich überzeugendes Rollenspielprodukt ist. Sowohl was die Verwendbarkeit am Spieltisch als auch die handwerkliche Umsetzung betrifft, denn bei vielen Regeln frage ich mich: Wieso bleibt es beim reinen “Crunch”? Wieso bekomme ich keine erzählerischen Ansätze bzw. Ausführungen präsentiert, die mir als SL helfen die Regelmechaniken in mein Spiel einzubetten und ggf. auch Folgen und Konsequenzen zu umreißen?
Da bleibe ich lieber bei meinem geliebten DSA5-Grundregelwerk und den exzellenten Regionalspielhilfen, die bei Bedarf mit klar umrissenen Themenbänden wie den Rüstkammern oder Magiebänden gewürzt werden können. Natürlich gibt es auch Lichtblicke! Großartige Ideen, die aber leider rasch frustrieren, da sie nicht zu Ende gedacht wurden. Drei meiner Rieshörner mögen beispielsweise das Hausbau- und Gesundheitskapitel. Sie mögen die Professionen und auch einige der Anregungen für ortsgebundene Kampagnen. Und natürlich das gewohnt phänomenale Artwork, das man gar nicht genug loben kann! Die anderen sind enttäuscht aufgrund der vielen verpassten Chancen.
Krassling: Diesem fundierten Fazit kann ich eigentlich nichts hinzufügen. Die Abschnitte über Spezielle Verletzungen, Gifte und Krankheiten werde ich womöglich tatsächlich irgendwann mal konsultieren. Bei ortsfesten Kampagnen verlasse ich mich lieber auf eigene Ideen. Ansonsten bin ich sprachlos und folge meinem Vorredner direkt zum Weinen in den Keller.
Felixilius: Während die Regionalspielhilfen, Magie- und Götterwirkenbände sich auf ihr jeweiliges Thema spezialisieren können, haben die Kompendien die Schwierigkeit eine Mischung aus Regelerweiterungen aller Art für Spieler jeder Art zu sein. An dieser riesigen Herausforderung all das sinnvoll unter einen Hut zu bringen scheitert der zweite Teil leider in großen Teilen. Nichtsdestotrotz ist das Aventurische Kompendium II ein sehr brauchbarer Band, den man wie ein Buffet sehen muss: Nicht alles wird einem schmecken, aber irgendwas ist immer dabei. Dementsprechend komme ich auf 5 von 9 möglichen Einhörnern.
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Ausfühliche und qualifizierte Rezension liebe Einhorn-Kollegen, auch wenn ich auf den ein oder anderen Scherz und Seitenhieb zu gunsten von weniger Textlänge auch hätte verzichten können. In meiner Runde haben wir einige der Regeln aus dem Kompendium wie Kampfstile, Sonderfertigkeiten und Sachen wie Meuchelregeln gut eingebunden und ich persönlich muss deshalb sagen, dass ich mit dem Band ganz zufrieden war. Trotzdem kann ich mich der „Wo veröffentliche ich was“ – Kritik nur anschließen.
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