Schauerliches bei Kerzenschimmer: Drei Abenteuerempfehlungen

Frostnächte durchziehen das Land und die Dunkelheit kriecht in jede Ritze. Passend zur dunklen Jahreszeit habe ich euch drei schaurig-schöne DSA-Abenteuer herausgesucht, die den perfekten Rahmen bilden, um bei heimeligem Kerzenschein gespielt zu werden. Unser Weg führt uns zunächst durch die dunkle Waldwildnis Nostergasts, bis wir uns in den kalten Nebeln Havenas verlieren.

Platz 3: Ewiger Hass

Den Anfang macht das bereits auf Nandurion besprochene Abenteuer „Ewiger Hass“, dessen Erstauflage 2017 in einem launigen Disput von Curima und Cifer mit 7 von 9 Einhörnern bedacht wurde und nun seit 2021 in überarbeiteter dritter Auflage vorliegt. Diese Überarbeitung erschöpft sich übrigens nur in kleineren Layoutanpassungen und einer Erweiterung des Impressums; der Umfang beträgt immer noch 64 Seiten. Inhaltlich hat sich nichts geändert, denn selbst kleinere Typos aus der Erstauflage sind noch vorhanden. Im Gegenteil: Auf dem Backcover wird Nostergast nun fälschlich östlich des Angbarer Sees lokalisiert und reicht bis nach Gareth. Dies alles soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass „Ewiger Hass“ nicht nur für Nostria- und Andergastfans immer noch ein großartiges Abenteuer ist, die nach der 2016 veröffentlichten Produktflöte zu den „Streitenden Königreichen“ auf Nachschub für ihre Lieblingsregion hofften. Autor David Schmidt hat die Atmosphäre der Gegend perfekt eingefangen und auch der Plot und die Auswahl der NSCs sind zu loben:

Als Ausgangsort dient das Grenzdörfchen Beilstatt, das mit einer ausführlichen Beschreibung und einem tollen Übersichtsplan bedacht wird. Orts- und Figurenbeschreibungen lassen ebenso keine Wünsche offen. Toller Mehrwert: Der für DSA-Verhältnisse zuweilen recht harte und gleichzeitig ins melancholische getränkte Mikrokosmos Beilstatt eignet sich auch nach Abschluss des Abenteuers als Kampagnenstützpunkt für die Streitenden Königreiche und kommt, wie bereits die Regionalspielhilfe, ohne den früher oftmals verbreiteten Märchenkitsch bzw. den ins Lächerliche gezogenen und verspotteten Dauerkrieg der zwei Königreiche aus. Der anschließende Hauptteil des Abenteuers führt unsere Held*innen bis zu den Wurzeln dieses uralten Konflikts und greift damit ein durchaus kontrovers diskutiertes Erzählkonstrukt aus der Regionalspielhilfe auf, das hier jedoch erzähl- und spieltechnisch genial aufbereitet und – man muss fast sagen – gerettet wurde.

David Schmidt gelingt es, beide Haupthandlungsorte mit einem Sandboxanteil auszustatten, der einen hohen intrinsischen Reiz ausübt und damit sowohl die Spieler*innen wie auch ihre Figuren ernst nimmt. Dies alles wird mit absurden, fiesen oder unheimlichen Kreaturen sowie einer recht „kreativen“ Gegenfigur angereichert, die allesamt im Gedächtnis bleiben. Abgerundet mit (fast) durchgängig tollen Illustrationen und schicken Handouts hat sich das Abenteuer nicht umsonst zu einem modernen Klassiker entwickelt, wovon sicherlich auch die Auflagenzahl zeugt.

„Ewiger Hass“ ist es ein tolles, erinnerungswürdiges Abenteuer, das einerseits für sich selbst stehen kann und damit bestens für Regionenhopper geeignet ist, die nur das Beste aus jedem Winkel Deres erspielen möchten oder, wie in diesem Beitrag angedacht, eine Gruseltour durch Aventurien unternehmen wollen. Für eingefleischte Nostergast-Fans ist „Ewiger Hass“ sogar ein Muss und eignet sich sehr gut als Höhepunkt einer kleinen Kampagne, besonders mit den Abenteuern „Hexenreigen“ und „Neue Bande & Uralter Zwist“, das ich vor einigen Jahren hier rezensiert habe.

Mein Fazit: 8 von 9 Einhörnern

Platz 2: Schrecken aus der Tiefe

Im nächsten Abenteuer geht es zunächst nicht ganz so gruselig zu, denn viel Über- und Widernatürliches erleben wir erst einmal nicht im herbstlichen Havena, auch wenn der Titel „Schrecken aus der Tiefe“ vermuten lässt, dass das nicht so bleiben muss… Dafür punktet das 2018 erschienene Abenteuer von Daniel Jödemann, Olaf Michel und Sebastian Thurau umgehend mit der typischen, nebelverhangenen Havena-Atmosphäre. Irdisch ist die Erstfassung dieses Kleinods bereits 2006 entstanden und in der Anthologie Stromschnellen erschienen, wo es auch als Teil der Kampagne „Die Farbe von Flussvaterhaar“ gespielt werden konnte. Aus den ursprünglich 15 Anthologieseiten sind mittlerweile 48 geworden und der zusätzliche Platz hat dem Abenteuer sichtlich gut getan.

„Schrecken aus der Tiefe“ spielt in Zeiten des Albernischen Unabhängigkeitskriegs, im Jahre 1028 BF. Schön, dass neben dem Revival der DSA1-Abenteuer auch weitere Abenteuer in und für die aventurische Vergangenheit erscheinen. Dies stellt die Spielleitung zwar vor einige (kleine) Herausforderungen, wenn man bevorzugt die Gegenwart der altehrwürdigen Metropole bespielen möchte. Doch innerhalb einer Havena-Kampagne lässt es sich problemlos als „Rückblick“ auf die Jugenderfahrung eines älteren Helden einbauen oder die Spielleitung setzt es gleich an den Beginn ebenjener Kampagne, möglicherweise anschließend an den zeitlich flexiblen Klassiker „Silvanas Befreiung“.

Dem Abenteuer merkt man an, dass es mehrmals in die Hand genommen und optimiert wurde. So bleiben kaum Leerstellen offen und als Spielleitung fühlt man sich gut durch die Handlung dirigiert, die eine angenehme Mischung aus offenen und railroadigen Abschnitten ist. Obwohl es sich um ein eigenständiges Abenteuer handelt, empfiehlt es sich als Teil einer eigenen Havena-Kampagne. Das etwas offen geratene Ende lässt sich in einem größeren Kontext besser „abfedern“ und von einer engagierten SL auch als perfekte Steilvorlage verwerten. Wer sowieso in Havena unterwegs ist, kommt um dieses tolle Abenteuer jedenfalls nicht herum.

Mein Fazit: 8 von 9 Einhörnern

Platz 1: Grauen aus dem Nebel

Den Abschluss und Höhepunkt im düsteren Abenteuerreigen bietet das Abenteuer „Grauen aus dem Nebel“, aus der Feder von Dominic Hladek und Havenas „Ehrenbürgermeister“ Anton Weste. Der Abenteuerband mit dem plakativen Namen ist mit 48 Seiten erneut ein kürzerer Band. Er erschien bereits 2018 und wurde zuletzt 2021 aktualisiert. So wie Ewiger Hass ein kräftiger Nachschlag für die Regionalspielhilfe der Streitenden Königreiche ist, so lässt sich das Grauen aus dem Nebel als Dessert für die legendäre Stadtspielhilfe Havena – Versunkene Geheimnisse betrachten, die im damaligen Nandurion-Disput Bestnoten einfuhr. (8/9 , 9/9 , 8/9)

Auch für die Neuauflage dieses Abenteuers gilt: Inhaltlich hat sich – abgesehen von Layoutanpassungen – nichts verändert. Der recht kurzgehaltene Klappentext redet auch nicht lange um den heißen Brei, denn im Wesentlichen geht es um unheimliche Kreaturen, die aus dem Wasser steigen und Menschen anfallen. Klare Aufgabentransparenz für unsere Heldengruppe. Kenner der beiden Autoren werden natürlich schon ahnen, dass noch etwas mehr dahintersteckt als eine stumpfe Monsterklopporgie. Wohin das Ganze letztlich treibt, hat mich dann aber doch überrascht. Die zwei Punkte für „Lebendige Geschichte“ auf dem Backcover sind fast schon zu niedrig angesetzt.

„Grauen aus dem Nebel“ schafft es einerseits, die Erwartungshaltung von Spielleitung (beim Lesen) und Spieler*innen (beim Spielen) zu durchkreuzen und mit einer Woge an überschlagenden Ereignissen einen atmosphärisch dichten Katastrophenthriller zu erzeugen, dessen verwinkelter Plot innerhalb Aventuriens wohl nur in und um Havena möglich ist.

Das Werk glänzt außerdem durch mitreißende Erzähltexte, plastische Orts- und Personenbeschreibungen und strotzt vor Querverweisen auf Inhalte aus der Stadtspielhilfe, die sich gewinnbringend einsetzen lassen. Gleichsam ist dies die einzige Schwäche des Bandes: Als eines der wenigen Abenteuer, das im Rahmen einer Regionalflöte veröffentlicht wurde, kann es nicht mit der bewährten Kombination Grundregelwerk+Almanach+Abenteuer gespielt werden, sondern setzt die entsprechende Stadtspielhilfe voraus. Da die – um mich selbst zu zitieren – „beste Rollenspielhilfe aller Zeiten“ aber sowieso in jedem Regal steht, gibt es trotzdem keinen Punktabzug. 😉

Mein Fazit: 9 von 9 Einhörnern

 

Dieser Beitrag wurde unter 8 Einhörner, 9 Einhörner, Abenteuer, Aventurien, Das Schwarze Auge, DSA5, Rezension abgelegt und mit , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

1 Antwort zu Schauerliches bei Kerzenschimmer: Drei Abenteuerempfehlungen

  1. Pingback: Nandurion empfiehlt drei Schauerabenteuer – Nuntiovolo.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert